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Das Leben und der Tod des Königs Lear

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Zweyter Auftritt

(Das Ungewitter daurt immer fort.)

(Lear und der Narr treten auf.)

Lear. Blaset ihr Winde, und zersprengt eure Baken, wüthet, blaset! Ihr Wolkenbrüche und Orkane, speyet Wasser aus bis ihr unsre Glokenthürme überschwemmt und ihre Hahnen ersäuft habet. Ihr schweflichten, meine Gedanken ausrichtenden Blize, senget mein weisses Haupt; und du allerschütternder Donner, schlage die dike Ründe der Welt platt, zerbrich die Form der Natur, und zerstüke auf einmal alle die ursprünglichen Keime, woraus der undankbare Mensch entsteht.

Narr.

O Nonkel, Hofweyhwasser in einem trocknen Haus ist besser als Regenwasser vor der Thüre. Guter Nonkel, hinein, und bitte deine Töchter um ihren Segen; das ist eine Nacht, die weder mit Gescheidten noch mit Narren Mitleiden hat.

Lear. Brause und lärme nur so laut du kanst, spey Feuer, ströme Regen; weder Regen noch Wind, Donner noch Blize sind meine Töchter; ich beschuldige euch keiner Unfreundlichkeit, ihr Elemente; ich gab euch keine Königreiche, ich nannte euch nie meine Kinder, ihr seyd mir keinen Gehorsam schuldig. So laßt denn euer entsezliches Vergnügen fallen – Hier steh ich, euer Gegner, ein armer, entkräfteter, schwacher, und verachteter alter Mann! Und doch seyd ihr nur knechtische Diener, die, in Verständniß mit zwo verderblichen Töchtern eure donnernde Schlachtordnungen gegen einen so alten und weissen Kopf aufführet – oh! oh! es ist niederträchtig.

Narr. Wer ein Haus hat, worein er seinen Kopfsteken kan, hat einen guten Helm – Wer sein Herz zu seinem Zehen macht, wird über Hüner-Augen schreyen und nicht schlaffen können; denn es ist noch nie kein hübsches Mädchen gewesen, die nicht Gesichter in einen Spiegel gemacht hätte.

Dritter Auftritt

(Kent kommt zu ihnen.)

Lear.

Nein, ich will das Muster aller Geduld seyn, ich will nichts sagen.

Kent.

Wer ist hier?

Narr. —11

Kent. Ach! Sir, seyd ihr hier? Geschöpfe die sonst die Nacht lieben, lieben keine solche Nächte wie diese; der ergrimmte Himmel schrekt sogar die nachtwandernden Gespenster in ihre Hölen zurük. Seit ich ein Mann bin, erinnere ich mich nicht solche Feuer-Güsse, solche fürchterlich berstende Donner, ein solches Geheul und Geprassel von Sturmwinden und Plazregen gehört zu haben. Das ist mehr als die menschliche Natur ausstehen kan.

Lear. Izt mögen die grossen Götter, die dieses entsezliche Getöse über unsern Häuptern machen, ihre Feinde aufsuchen. Zittre, du Unglükseliger, dessen unentdekte Verbrechen der Ruthe der Gerechtigkeit entgangen sind! Verbirg dich, du blutige Hand, du Meineydiger, du blutschänderischer Heuchler der Tugend; zerfall in Asche, Bösewicht, der unter dem Schein der Freundschaft nach dem Leben eines Menschen getrachtet hat – Ihr geheimen verschlossenen Sünden, öffnet euere verbergende Kammern, und bittet diese fürchterlichen Aufforderer um Gnade – Ich bin ein Mensch, gegen den mehr gesündiget worden, als er selbst gesündiget hat.

Kent. O weh! mit blossem Haupt! Mein gütiger Lord, ganz nah an hier ist eine Hütte; Irgend ein mitleidiges Geschöpf wird sie euch gegen das Ungewitter leihen; ruhet dort aus, indeß daß ich in dieses harte Haus (härter als der Fels auf dem es erbaut ist, weil sie nur eben izt, da ich nach euch fragte, mir den Eingang versagten) zurük kehre, und ihrer kargen Höflichkeit Gewalt anthue.

Lear. Mein Kopf fangt an zu schwärmen – Komm mit, Junge. Was machst du, Junge? frierst du? Ich friere selbst. Wo ist Stroh, guter Freund? Die Kunst der Nothwendigkeit ist wunderbar, daß sie die schlechtesten Dinge kostbar machen kan. Kommt, in eure Hütte! – Armer Tropf! Ich habe nur noch eine Faser von meinem Herzen übrig, und die ist izt für dich bekümmert.

Narr (singt ein kahles Liedlein.)

Lear.

In der That, mein guter Junge; komm, führ uns in die Hütte —

(Geht mit Kent ab.)

Narr. Das ist eine hübsche Nacht ein verliebtes Weibsbild abzukühlen. Ich will noch eine oder zwo Propheceyungen sagen, eh ich geh. (Die folgende Stelle ist im Original in Reimen.) "Wenn Priester reicher an Worten als Gedanken sind, und Brauer ihr Malz mit Wasser verderben; wenn Edelleute die Lehrmeister ihrer Schneider sind, und anstatt der Kezer nur Hurenjäger verbrennt werden, dann kommt die Zeit, wer sie erlebt, daß der Gebrauch seyn wird mit den Füssen zu gehen. Wenn ein jeder Rechtshandel gerecht seyn wird, kein Edelmann voller Schulden, und kein Junker arm, wenn Verleumdungen nicht in Zungen leben, und Beutelschneider sich in kein Gedränge mischen, wenn Wucherer ihr Gold auf freyem Felde zählen, und Kupplerinnen und H**n Kirchen bauen: Dann wird das Reich von Albion in grosse Verwirrung gerathen" – Diese Propheceyung soll Merlin machen, denn ich lebe vor seiner Zeit.

(Geht ab.)

Vierter Auftritt

(Ein Zimmer in Glosters Schloß.)

(Gloster und Edmund.)

Gloster. Edmund, diese unnatürliche Begegnung gefällt mir gar nicht. Wie ich sie um Erlaubniß bat, Mitleiden mit ihm zu haben, so nahmen sie mir den Gebrauch meines eigenen Hauses, und verboten mir bey Straffe einer ewigen Ungnade, weder mit ihm zu reden, noch für ihn zu bitten, noch ihn auf irgend eine Weise zu unterstüzen.

Edmund.

Das ist ja ganz barbarisch und unnatürlich.

Gloster. Geht hinein, aber sagt nichts. Es ist Zwiespalt zwischen den Herzogen, und noch etwas schlimmers als das; ich habe diese Nacht einen Brief bekommen, es ist gefährlich davon zu reden, (ich habe den Brief in mein Cabinet verschlossen.) Diese Beleidigungen die der König duldet, werden gerochen werden; es ist schon ein Theil der Macht auf den Beinen; wir müssen uns zum Könige schlagen; ich will zu ihm sehen, und ihm heimlich Beystand thun; geht ihr, und unterhaltet ein Gespräch mit dem Herzog, damit er nicht merke was ich für den König thun werde; wenn er nach mir fragt, so bin ich nicht wohl und zu Bette gegangen. Und wenn ich deßhalb sterben müßte, (wie mir dann nicht weniger gedräut ist,) so muß der König, mein alter Herr Hülfe haben. Es sind wunderliche Dinge auf dem Tapet, Edmund, ich bitte euch, geht und seyd sorgfältig.

(Geht ab.)

Edmund (allein.) Diese Großmuth soll mit deiner Erlaubniß der Herzog diesen Augenblik erfahren, und den Brief dazu. Das hat das Ansehen eines wichtigen Verdiensts, und muß mir geben was mein Vater verliehrt; nicht weniger als Alles. Der Jüngere steigt, wenn der Alte fällt.

(Geht ab.)

Fünfter Auftritt

(Die Scene verwandelt sich in einen Theil der Heyde mit einer Hütte.)

(Lear, Kent und Narr.)

Kent. Hier ist der Ort, Mylord; mein gütiger Lord, gehet hinein. Es ist der Natur unmöglich, die Strenge dieser Nacht im freyen Feld auszuhalten.

Lear.

Laßt mich allein.

Kent.

Mein gütiger Lord, gehet doch hinein.

Lear.

Wird es mein Herz brechen?

Kent. Ich wollte lieber mein eignes brechen; ich bitte euch, Mylord, kommet herein.

Lear. Du denkst es sey zuviel, daß dieser wüthende Sturm uns bis auf die Haut anfällt; für dich ist es so; aber wenn ein grösserer Schmerz tobet, wird der geringere kaum gefühlt. Du würdest dich vor einem Bären entsezen; wenn aber deine Flucht gegen das heulende Meer läge, würdest du dem Bären in den Rachen lauffen. Wenn das Gemüth frey ist, so ist der Leib zärtlich; der Sturm in meinem Gemüth nimmt meinen Sinnen alles andre Gefühl, als was hier schlägt.

(Er zeigt auf sein Herz.)

Kindliche Undankbarkeit! Ist es nicht als ob dieser Mund diese Hand zerreissen wollte, weil sie ihm Speise gereicht habe? – Doch ich will sie abstraffen; Nein, ich will nicht mehr weinen – In einer solchen Nacht mich auszustossen – Schütte nur zu, ich will es leiden, – In einer Nacht wie diese? O Regan, Gonerill, euern alten guten Vater, dessen ehrliches Herz alles gab – O auf diesem Wege ligt Wahnwiz; ich muß ihn ausweichen – Nichts mehr hievon —

Kent.

Mein gütiger Lord, gehet doch hinein.

Lear. Ich bitte dich, geh du selbst hinein, sieh wie du dir helfen kanst, – dieser Sturm will mir nicht erlauben an Dinge zu denken, die mich noch stärker angreiffen würden. – Aber ich will hinein gehen – hinein, Junge, geh zuerst. Ihr Dürftigen, die ihr izt ohne Dach seyd – Nun, geh doch hinein; ich will beten und dann will ich schlafen – Arme nakende Unglükselige, wo ihr auch seyd, der Wuth dieses unbarmherzigen Sturms ausgesezt! Wie sollen eure unbedekten Häupter, und ausgehungerten Seiten, eure zerlumpte, durchlöcherte Blösse euch gegen ein Wetter wie dieses ist schüzen? – O! ich habe zu wenig hieran gedacht! – Nimm Arzney ein, Pracht! – Seze dich in die Umstände zu fühlen was diese Elenden fühlen, damit du ihnen deinen Überfluß zuwerffest, und die Gerechtigkeit des Himmels gerettet werde.

Edgar (in der Hütte.)

Einen Faden und einen halben! Einen Faden und einen halben! Armer Tom!

 

Narr (indem er aus der Hütte herausläuft.)

Geh nicht hinein, Nonkel, es ist ein Geist drinn; Hülfe, Hülfe!

Kent.

Gieb mir deine Hand; was ists?

Narr.

Ein Geist, ein Geist! er sagt, er heisse der arme Tom.

Kent.

Wer bist du, der hier im Stroh winselt? Hervor!

Sechster Auftritt

(Die vorigen, Edgar in einen tollen Menschen verkleidet.)

Edgar. Aus dem Wege, der böse Feind folgt mir. Durch den scharfen Hagdorn bläßt der kalte Wind. Hans, geh in dein Bett und wärme dich.

Lear. Gabst du deinen Töchtern Alles, daß du in diesen Zustand gekommen bist?

Edgar. Wer giebt dem armen Tom etwas? den der böse Feind durch Feuer und Flammen, durch Furthen und Strudel, durch Sumpf und Pfuhl geführt hat; der Messer unter sein Küssen und Strike unter seinen Siz gelegt hat; der Mäusgift in seine Suppe gethan, und ihn übermüthig gemacht hat, auf einem braunrothen Gaul zu trotten, über vier zollbreite Brüken seinem eignen Schatten als einem Verräther nachzujagen – Gott behüte deine fünf Sinnen; Tom friert. O da, di, da, di, da, di, – Gott behüte dich vor Wirbel-Winden, bösen Sternen und Gefangenschaft; gebt dem armen Tom etwas Almosen, den der böse Feind plagt – Hier möcht ich ihn izt haben, und da, und wieder hier und dort.

Lear. Wie? Haben seine Töchter ihn dahin gebrach t? Konntest du nichts davon bringen? gabst du ihnen Alles?

Narr. Nein, er behielt sich eine Windel vor, sonst wären wir alle beschämt worden.

Lear. Nun, alle die rächenden Plagen, die in der schwebenden Luft über den menschlichen Übelthaten hangen, blizen auf deine Töchter!

Kent.

Er hat keine Töchter, Mylord.

Lear. Tod! Verräther, nichts könnte die Natur zu einer solchen Erniedrigung heruntergebracht haben, als undankbare Töchter. Ist es erhört, daß ausgetriebene Väter so wenig Erbarmung gegen ihr eigen Fleisch tragen sollten? Wohlausgesonnene Straffe! Dieses Fleisch war es, das diese Pelican-Töchter zeugte.

Edgar.

Pillicok saß auf Pillicoks Stein; holla, holla, la, la!

Narr. Diese kalte Nacht wird uns noch alle zu Narren und Wahnwizigen machen.

Edgar.

Hüte dich vor dem bösen Feind, gehorche deinen Eltern, halte dein Versprechen, fluche nicht, halte nicht zu mit eines andern geschwornen Weibe, seze dein Herz nicht auf Pracht und Üppigkeit.

Tom friert!

Lear.

Wer bist du gewesen?

Edgar. Ein Sclave, stolz von Herz und Sinn, der sein Haar kräuselte, Handschuh auf dem Hut trug, der bösen Lust seiner Buhlschaft frohnte, und das Werk der Finsterniß mit ihr trieb; so viel Schwüre that, als Worte aussprach, und sie vor dem milden Antliz des Himmels brach. Einer der in unzüchtigen Gedanken einschlief, und erwachte um sie auszuüben; den Wein liebt' ich tief, die Karten früh, und bey den Weibern übertraf ich den Türken. Falsch von Herzen, leicht von Ohr, blutig von Hand, ein Schwein an Unreinigkeit, ein Fuchs an Schelmerey, ein Wolf an Gefrässigkeit, ein Hund an Tollheit, und ein Löwe an Räuberey. Laß nicht das Knarren der Schuhe, und das Rauschen der Seide dein armes Herz an Weibsbilder verrathen. Halt deinen Fuß zurük von Hurenhäusern, deine Hand von Unterröken, deine Feder von den Zins-Büchern der Wucherer, und troze dem bösen Feind. Immer bläßt durch den Hagdorn der kalte Wind; sagt, Sum, Mun, Nonny, Delphin, mein Junge, Junge, Sessey, laß ihn antraben.

(Der Sturm daurt immer fort.)

Lear. Besser du wärst in deinem Grab, als deinen unbedekten Kopf diesem Unwetter entgegen zu stellen. – Ist der Mensch nichts mehr als das? Betracht ihn recht! Du bist dem Wurm keine Seide schuldig, den wilden Thieren keinen Pelz, dem Schaafe keine Wolle, der Bisam-Kaze keinen guten Geruch. Ha! hier sind drey von uns solche Sophisten; du bist das Ding selbst. Der unaufgeschmükte Mensch ist nichts mehr als ein solch armes, naktes, gabelförmiges Thier wie du bist. Weg, weg, du geborgter Plunder, kommt, knöpft mich auf —

(Er reißt seine Kleider auf.)

Narr.

Ich bitte dich, Nonkel, sey ruhig; es ist keine hübsche Nacht zum Schwimmen. Ein kleines Feuer in einem Wald wäre izt gerade wie eines alten Hurenjägers Herz, ein Fünkchen, und der ganze übrige Leib kalt; sieh, hier kömmt ein feuriger Mann.

Edgar. Es ist der böse Flibbertigibbet, er fängt an wenn die Nachtgloke geläutet wird, und geht bis der Hahn kräht; er verursachet den Staar, macht schielende Augen, und Hasen-Scharten, milthaut den weissen Weizen, und stoßt die armen Geschöpfe auf der Erde. Sanct Withold u.s.w.12

Siebender Auftritt

(Gloster kömmt mit einer Fakel.)

Lear.

Wer ist der?

Kent.

Wer ist hier? was sucht ihr?

Gloster.

Wer seyd ihr selbst? wie heißt ihr?

Edgar. Der arme Tom, der den schwimmenden Frosch ißt, die Kröte, die Mauer- Eidexe, und die Wasser-Eidexe, der in der Wuth seines Herzens, wenn der böse Feind raset, Kühfladen für Salat ißt, alte Razen und todte Hunde verschlukt, und den grünen Mantel des stehenden Sumpfes trinkt, der von Haus zu Haus gepeitscht, in den Stok gesezt und eingesperrt wird; der drey Kleider für seinen Rüken gehabt hat, sechs Hemder für seinen Leib, ein Pferd zum reiten, und einen Degen zum tragen;

Aber Razen und Mäuse und solche Waar, Sind nun Tom's Speise seit sieben Jahr.

Gloster.

Wie, hat Eure Hoheit keine bessere Gesellschaft?

Edgar.

Der Fürst der Finsterniß ist ein Edelmann; er heißt Modo und Mahu.

Gloster. Unser Fleisch und Blut, Mylord, ist so sehr verdorben, daß es die hasset, die es gezeugt haben.

Edgar.

Tom friert!

Gloster. Kommet mit mir, Mylord; meine Treue kan mir nicht zulassen, eurer Töchter grausamen Befehlen in allem zu gehorchen. Ob sie mir gleich eingeschärft haben, meine Thüren zu verrigeln, und euch der Willkuhr dieser tyrannischen Nacht zu überlassen, so hab ich es doch gewagt euch aufzusuchen, um euch an einen Ort zu bringen, wo Feuer und etwas zu essen bereit ist.

Lear. Zuerst laßt mich mit diesem Philosophen reden; was ist die Ursache vom Donner?

Kent.

Mein gütiger Lord, nehmet sein Erbieten an, geht in das Haus.

Lear. Ich will ein Wort mit diesem gelehrten Thebaner hier reden: Was ist euer Studium?

Edgar.

Dem bösen Feind auszuweichen, und Ungeziefer zu tödten.

Lear.

Laßt uns euch ein Wort in Geheim fragen.

Kent. Sezt ihm stärker zu mit euch zu gehen, Mylord; sein Verstand fängt an in Unordnung zu kommen.

Gloster. Kanst du ihn tadeln? Seine Töchter suchen seinen Tod. – Ach! der gute Kent! Er sagte, so würd' es gehen; der arme verbannte Mann! Du sagst, der König wird wahnsinnig; ich kan dir sagen, Freund, ich bin selbst wahnsinnig; ich hatte einen Sohn, (denn izt ist er aus meinem Herzen verbannet) er stand mir nach dem Leben, erst kürzlich, ganz neuerlich; ich liebte ihn, Freund, kein Vater hat jemals seinen Sohn mehr geliebt; dir die Wahrheit zu sagen, der Schmerz hat meinen Verstand angegriffen. Was für eine Nacht ist diß! —

(zu Lear.)

Ich bitte eure Hoheit —

Lear.

O, ich bitte euch um Vergebung, Sir.

(zu Edgar)

Edler Philosoph, eure Gesellschaft.

Edgar.

Tom friert.

Gloster.

Hinein, Bursche, in die Hütte; wärme dich.

Lear.

Kommt, wir wollen alle hinein.

Kent.

Diesen Weg, Mylord.

Lear.

Mit ihm; ich will immer bey meinem Philosophen bleiben.

Kent (zu Gloster.) Mein gütiger Lord, seyd ihm zu Willen, laßt ihn den Burschen mitnehmen.

Gloster.

Nehmt ihr ihn mit.

Kent.

Komm mit, Bursche, mit uns.

Lear.

Komm, du guter Athenienser.

Gloster.

Keine Worte, keine Worte, husch!

Edgar.

Kind Roland kam zum finstern Thurm etc.13

(Sie gehen ab.)

Achter Auftritt

(Die Scene verwandelt sich in Glosters Schloß.)

(Cornwall. Edmund.)

Cornwall.

Ich will Rache haben, eh ich dieses Haus verlasse.

Edmund. Ich darf kaum daran denken, Mylord, was man urtheilen wird, daß ich die Natur der Treue gegen euch Plaz machen heisse.

Cornwall. Nun merke ich, daß es nicht bloß euers Bruders schlimme Gemüthsart war, was ihn seinen Tod suchen machte. – Es war vielleicht ein zur Rache gereiztes Verdienst, welches nicht ausstehen konnte, von einem niederträchtigen Vater vernachlässigst zu werden.

Edmund. Wie unglüklich ist mein Stern, daß ich bereuen muß gerecht zu seyn. Hier ist der Brief, wovon er mir sagte; er entdekt ihn als einen heimlichen Anhänger der Französischen Parthey. O Himmel! möchte entweder diese Verrätherey nicht seyn, oder ich nicht der Entdeker!

Cornwall.

Folget mir zu der Herzogin.

Edmund. Wenn der Inhalt dieses Papiers wahr ist, so habt ihr sehr viel zu thun.

Cornwall. Er mag wahr oder falsch seyn, so hat er dich zum Grafen von Gloster gemacht. Suche deinen Vater auf, damit seine Bestraffung vollzogen werden könne.

Edmund (vor sich.) Wenn ich finde daß er dem König Vorschub thut, so wird der Verdacht desto stärker —

(laut.)

Ich will fortfahren euch die Treue zu beweisen, Mylord, die ich meinem Oberherrn schuldig bin, so schmerzlich auch der Kampf zwischen Schuldigkeit und Natur ist.

Cornwall. Ich bin von deiner Treue überzeugt, und du sollt in meiner Liebe einen theurern Vater finden.

(Sie gehen ab.)

Neunter Auftritt

(Eine Stube in einem Meyer-Hofe.)

(Kent und Gloster treten auf.)

Gloster. Hier ist es besser als unter freyem Himmel, nehmt es mit Dank an; ich will besorgt seyn euch so viel Vorschub zu thun, als ich kan – ich werde bald wieder bey euch seyn.

(Geht ab.)

Kent. Alle Kräfte seines Verstandes haben seiner Ungeduld weichen müssen; die Götter belohnen euer mitleidiges Herz. (Lear, Edgar und Narr.)

Edgar.

Frateretto ruft mir und erzählt mir, Nero sey ein Angel-Fischer im Pfuhl der Finsterniß. Betet in Unschuld und hütet euch vor dem bösen Feind.

Narr.

Sey so gut, Nonkel, und sag mir, ist ein wahnwiziger Mann ein Edelmann oder ein Bauer?

Lear.

Ein König, ein König.

Narr. Nein, er ist ein Bauer, der einen Edelmann zum Sohn hat; denn das ist ein wahnwiziger Bauer, der seinen Sohn für einen Edelmann ansieht.

Lear14.

 

– Laßt sie Regan anatomiren – Seht, was in ihrem Herzen ausgebrütet wird – Ist irgend eine Ursache in der Natur, die solche harte Herzen macht? Euch, Sir, unterhalt' ich für einen von meinen Hundert; nur steht mir der Schnitt euerer Kleider nicht an; man sollte denken, sie wären persianisch; aber laßt sie ändern. (Gloster kommt zurük.)

Kent.

Nun, mein gütiger Lord, legt euch hier und ruhet eine Weile.

Lear. Macht kein Getöse, macht kein Getöse, zieht die Vorhänge. So, so, wir wollen morgen früh zum Nacht-Essen gehen.

Narr.

Und ich will des Mittags zu Bette gehen.

Gloster.

Kommt hieher, Freund; wo ist der König, mein Herr?

Kent.

Hier, Sir, aber beunruhigt ihn nicht; sein Verstand ist dahin.

Gloster. Guter Freund, ich bitte dich, nimm ihn in deine Arme; (ich habe etwas von einem Anschlag wider sein Leben gehört;) es ist eine Sänfte bereit, trag ihn hinein, und eile nach Dover, Freund, wo du beydes, Aufnahm und Schuz, finden wirst. Nimm deinen Herrn auf die Schultern; wenn du nur eine halbe Stunde säumest, so ist sein Leben und deines und eines jeden, der ihn vertheidigen wollte, unfehlbar verlohren. Fort, mache fort, nimm ihn auf deine Schultern, und folge mir; ich will dir einen Wegweiser mitgeben —

Kent. Die unterdrukte Natur schläft. Diese Ruhe möchte ein Balsam für deine verwundeten Sinnen gewesen seyn, die, wie ich besorge, ohne eine günstige Veränderung der Umstände, unheilbar sind. Komm,

(zum Narren)

hilf deinen Herrn hinweg tragen, du must nicht zurük bleiben.

Gloster.

Kommt, kommt, hinweg.

(Sie tragen den König fort.)

Edgar (bleibt allein.) Wenn wir Bessere als wir sind mit unsern Übeln beladen sehen, so vergessen wir beynahe unsers eignen Elends. Wer allein leidet, leidet am meisten am Gemüth, indem er mit Menschen umgeben ist, die von seinen Übeln frey, durch den beleidigenden Anblik ihrer Glükseligkeit seine Pein verdoppeln. Wie leicht, wie erträglich scheint mir mein Unglük zu seyn, da der König von gleichem Ungemach gedrükt wird! Er hat Kinder, wie ich einen Vater habe – Hinweg, Tom – begegne diese Nacht was will, wenn nur der König unversehrt entkömmt —

(Edgar geht ab.)

11Der Narr sagt hier etwas so elendes, daß der Übersetzer sich nicht überwinden kan, es herzusezen. Der Leser darf versichert seyn, daß man nichts verliehrt, wenn schon zuweilen Einfälle weggelassen werden, deren Absicht bloß war, die Grundsuppe des Londner-Pöbels zu König Jacobs Zeiten lachen zu machen.
12Hier singt Edgar im Original etliche altenglische Reime, davon ungefehr der Inhalt, daß Sanct Withold indem er bey Nacht herumgespaziert, die Nachtfrau (Night-Mare) angetroffen, und genöthiget habe, die Leute welche sie im Schlaf zu drüken pflegt, in Ruhe zu lassen. Diese Begebenheit ist aus der Legende dieses Heiligen genommen, der deswegen als ein Schuzpatron wider den Alp angeruffen zu werden verdiente, so wie diese Reime als eine Art von Beschwörung wider die vermeynte Nachtfrau von dem gemeinen Volke gebraucht wurden.
13Der Name (Infant) wurde in den alten ritterlichen Zeiten denen jungen Leuten von Stande gegeben, eh sie zu würklichen Rittern geschlagen wurden. Das was Edgar hier sagt, ist vermuthlich der Anfang einer ins alte Englische übersezten Romanze, wo der Übersezer das Wort (Infant) durch Kind gegeben.
14Hier folgen in der ersten Ausgabe etliche Reden im tollhäusischen Geschmak, welche Shakespearevermuthlich selbst in den folgenden weggelassen hat; und welche, wenn es auch möglich wäre sie zu übersezen, den wenigsten Lesern dieser Mühe würdig scheinen würden. Die lezte, welche Lear sagt, ist die einzige, in der man den Shakespearewieder erkennt.