Za darmo

Zwei Schicksalswege

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Zwei Schicksalswege (EPUB)
Zwei Schicksalswege (EPUB)
0,03 
Szczegóły
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Sie ließ ihren Schleier herab und verließ von ihrem Katzengefolge begleitet, leise das Zimmer.

Sogleich erschien Peter, um die Vorhänge aufzuziehen und das Licht der untergehenden Sonne strömte voll ins Zimmer, das eben mein Reisegefährte in heiterster Stimmung betrat, um mir von seinem Fischfang zu berichten. Ich musste mich wirklich besinnen, ob die verschleierte Gestalt mit der Harfe und der Tanz der Katzen nicht bloß fantastische Gebilde meiner erregten Einbildungskraft gewesen waren, so groß war der Kontrast zwischen dem, was ich jetzt sah und hörte und was hier vor wenigen Augenblicken vorgegangen war. Ich fragte darum wirklich meinen Freund, ob er mich bei seinem Eintreten wachend oder schlafend gefunden habe.

Die Nacht folgte dem Abend und der Meister der Bücher erschien, um sich die neusten Nachrichten über mein Befinden zu holen. Seine Gedanken schienen auch ganz bei seinen Büchern zu sein, denn er war sehr zerstreut, während er sich mit mir unterhielt und wurde erst aufmerksam, als ich dankbar der Freundlichkeit seiner Tochter Erwähnung tat. Bei ihrem Namen leuchteten seine blassblauen Augen, erhob sich sein gesenktes Haupt und seine leise Stimme tönte voller.

»Nehmen Sie ja ihre Dienste an,« sagte er, »denn Alles, was sie zerstreut und erfreut verlängert ihr Leben und ihr Leben ist der Atem für das Meine. Sie ist mir mehr als eine Tochter, sie ist der Schutzgeist meines Hauses und Himmelsluft weht, wo sie erscheint. O, mein Herr, beten Sie für mich, dass meine Tochter mir noch etwas länger erhalten bleibt.«

Mit einem tiefen Seufzer und wiederum gesenkten Hauptes verließ er mich.

Zu vorgerückter Stunde wurde das Nachtessen an meinem Bett aufgetragen. Der stumme Peter wurde, als er sich für die Nacht beurlaubte, etwas gesprächiger. »Ich schlafe hier nebenan,« sagte er, »bitte klingeln Sie, wenn Sie etwas wünschen.« Mein Reisegefährte, der neben mir in dem andern Bette lag, schlief bereits den süßen Schlaf der Jugend. Im Hause herrschte tiefe Stille und draußen hörte man nur den sanften Gesang des Nachtwindes, der anschwellend und sinkend über den See und das Moorland hinstrich. So beschloss ich den ersten Tag in dem gastfreien Hause auf Schottland.

Zwanzigstes Kapitel
Die grüne Flagge

»Welch eine Gabe haben Sie in Worten zu malen, Mr. Germaine, nach Ihrer Beschreibung habe ich ein deutliches Bild von Frau van Brandt.«

»Und gefällt Ihnen das Bild, Miss Dunroß?«

»Darf ich so aufrichtig sein, wie immer?«

»Gewiss!«

»Nun denn, ehrlich gesagt, gefällt mir Ihre Frau van Brandt nicht!«

Im Verlauf von zehn Tagen hatte ich Miss Dunroß schon so weit in mein Vertrauen gezogen!

Wodurch hatte sie mich bewogen, ihr die geheimnisvollen und heiligen Schmerzen meines Lebens anzuvertrauen, die bis jetzt nur das Ohr meiner Mutter vernommen hatte? So deutlich ich mich auch der schnellen, zarten Weise erinnere, in der sie mich mit ihrer herzgewinnenden Teilnahme bestrickte, so bleibt mir unklar, wie es ihr gelang, sich mir unbewusst so nah zu stellen, dass sie meine angeborene Zurückhaltung überwand, da ihr die wirksamste Macht, der Einfluss des Blickes, doch fehlte. Sobald das Licht in das Zimmer drang, war sie tief verschleiert und sonst waren die Vorhänge zugezogen. Der Schirm deckte das Feuer und ich konnte kaum die Umrisse ihres Gesichtes erkennen. Teilweise ist ihr Einfluss vielleicht durch die einfache, schwesterliche Art zu erklären, in der sie zu mir sprach und andernteils durch das unbeschreibliche Behagen, das mir ihre bloße Anwesenheit im Zimmer schon erregte. Ihr Vater hatte mir gesagt, dass sie Himmelsluft um sich verbreite, ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass ein Etwas sie umgab, das sich sanft und unwiderstehlich meines Willens bemächtigte und mich, wie ein Hündchen, ihr gehorchen machte. So getreu wie diesem Buche habe ich ihr alle Ereignisse, alle Leiden meines bisherigen Lebens anvertraut. Von der Liebesgeschichte meiner Knabenzeit mit allen ihren Einzelheiten bis zum Empfange der grünen Flagge, von den geheimnisvollen Prophezeiungen der Dame Dermody, dem gänzlichen Verschwinden der kleinen Mary und der Errettung der Frau van Brandt aus dem Flusse, bis zu der Erscheinung in dem Lusthause und unseren nachherigen Zusammenkünften in Edinburgh und London. Mit der vorschnellen anspruchsvollen Beurteilungsart der Frauen fasste sie nun, während sie in dem dunkeln Zimmer bei mir saß, den Eindruck, den meine Erzählung gemacht hatte in die Worte zusammen, die ich vorhin schon niederschrieb: »Mir gefällt Ihre Frau van Brandt nicht.«

»Warum nicht?« fragte ich.

Sie antwortete sofort: »Weil Sie niemand Anderes als Mary lieben dürfen!«

»Aber seit ich ein Knabe von dreizehn Jahren war, ist Mary für mich verloren.«

»Geduld und Sie werden sie wiederfinden, Mary ist geduldig und harrt Ihrer. Wie werden Sie von ihr beschämt über Ihre Liebe zu Frau van Brandt sein! Wenn Sie sie wiederfinden, dann werden Sie auf Ihre Trennung von Frau van Brandt als auf das glücklichste Ereignis in Ihrem Leben zurücksehen. – Ich werde das Ende nicht erleben, aber Sie werden die Bestätigung meiner Worte erleben.«

Teils stutzte ich über ihre vollkommen grundlose Überzeugung, dass ich Mary noch einmal wiederfinden würde und halb belächelte ich sie.

»Sie scheinen die Ansicht der Dame Dermody zu teilen,« sagte ich, »dass unsere beiden Schicksale in eins zusammenfließen müssen. Wie lange es auch sein mag und welche Ereignisse auch dazwischen liegen, so glauben Sie immer, dass unsere Vereinigung nur eine Zeitfrage ist und nichts weiter?«

»Das glaube ich fest.«

»Ohne einen anderen Grund, als dass Sie nicht wünschten, dass ich Frau van Brandt heirate?«

Sie war sich sehr wohl bewusst, dass dieses ihr hauptsächlicher Grund war und gab nach Frauenart der Abhandlung darüber eine andere Wendung.

»Warum nennen Sie sie Frau van Brandts?« fragte sie. »Frau van Brandt ist ja die Namensschwester Ihrer ersten Liebe, warum nennen Sie sie nicht auch Mary, wenn sie Ihnen so teuer ist?«

Der Grund, den ich dafür hatte, war eines Mannes von Geist und Verstand so unwürdig., dass ich mich schämte ihn anzuführen, aber als sie mein Zögern bemerkte, bestand sie auf einer Antwort, bis ich ihr mein demütigendes Bekenntnis machte.

»Der Mann, um dessentwillen ich sie aufgeben musste,« sagte ich, »nannte sie Mary. Deshalb ist mir der Name verleidet, denn ich hasse ihn mit aller Kraft der Eifersucht. Seit seine Lippen diesen Namen aussprachen, hat er jeden Reiz für mich verloren.«

Statt dass sie mich auslachte, wie ich vorausgesetzt hatte, erhob sie plötzlich den Kopf, als wollte sie mich trotz der Dunkelheit scharf ansehen.

»Wie sehr müssen Sie diese Frau lieben,« sagte sie. »Träumen Sie jetzt auch noch von ihr?«

»Jetzt niemals.«

»Hoffen Sie ihre Erscheinung einmal wiederzusehen?«

»Vielleicht, wenn eine Zeit tiefer Not über sie hereinbricht und sie keinen anderen Freund zum Helfer hat, als mich.«

»Sahen Sie je eine Erscheinung Ihrer kleinen Mary?«

»Niemals!«

»Aber Sie hatten sie doch einmal im Traum gesehen, wie Dame Dermody vorausgesagt hatte?«

»Ja, als Knabe.«

»Und später erschien in Ihren Träumen nicht Mary, sondern Frau van Brandt, sie war im Geiste bei Ihnen, wenn sie auch leiblich weit entfernt war? Die arme Dame Dermody, wenn sie je gedacht hätte, dass ihre Prophezeiungen durch eine falsche Person erfüllt werden würden!"

Das war also das Resultat, zu dem sie unbegreiflicherweise durch ihre Fragen gekommen war! Hätte sie, anstatt mich durch ihre nächste Frage wieder ganz von der rechten Fährte abzubringen, nur noch etwas weiter geforscht, so hätte sie mir unwillkürlich den Gedanken mitteilen müssen, der in ihr selbst unbewusst aufkeimte, dass möglicherweise Mary, meine erste Liebe, und Frau van Brandt ein und dieselbe Person waren.

»Wenn Sie nun Ihrer kleinen Mary jetzt wieder begegneten,« fuhr sie fort, »wie dächten Sie sie zu finden. Sagen Sie mir das, welch eine Art von Frau glauben Sie, dass sie geworden ist?«

Ich konnte kaum das Lachen verbergen. »Wie soll ich das nach so langer Zeit wissen?« erwiderte ich.

,Denken Sie einmal nach!« sagte sie.

Ich versuchte mir das Bild der kleinen, zarten Mary vorzuführen, wie sie noch in meiner Erinnerung vor mir stand und von der bekannten Person auf die unbekannte schließend, entwarf ich daraus das Bild einer schlankem zarten Frau, die den möglichst denkbaren Gegensatz zu Frau van Brandt bildete.

Meine sichtliche Überzeugung von dem Gegensatz, der aus dem Vergleich zwischen Beiden entstand, veranlasste Miss Dunroß den halb erwachten Gedanken an die Identität der Beiden völlig aufzugeben.

Wir hatten uns nun gegenseitig irre geführt, indem wir Beide die spätere Entwickelung zu vollkommener Gesundheit, Kraft und Schönheit nicht in Betracht zogen, die Zeit und Umstände an der kindlichen Mary aus meiner Jugendzeit hervorgebracht haben konnten. Wieder war ich um eines Haares Breite an der Enthüllung der Wahrheit vorbeigegangen.

»Ich liebe das Bild Ihrer kleinen Mary unendlich mehr, als das der Frau van Brandt,« sagte Miss Dunroß, »weil es ganz dem entspricht, was ich von einer wirklich anziehenden Frau denke. Wie Sie sich so um den Verlust dieser anderen Person grämen können, begreife ich nicht, ich hasse diese aufgeregten Frauen. Sie glauben nicht wie warm ich mich für Mary interessiere, erzählen Sie mir mehr von ihr. Wo haben Sie die geschenkte Handarbeit, an der das arme, kleine Ding so fleißig für Sie gestickt hat? Lassen Sie mich die grüne Flagge sehen!«

Sie setzte unbedingt voraus, dass ich die grüne Flagge bei mir trug und ich war um die Antwort ein wenig verlegen.

»Ich bedaure, dass ich das nicht kann, da die Flagge irgendwo in meinem Hause in Pertshire aufbewahrt ist.«

 

»Wie, die haben Sie nicht bei sich?« rief sie aus, »Sie lassen ihr Andenken irgendwo herumliegen? Ja, Mr. Germaine, dann haben Sie Mary in der Tat vergessen. Eine Frau hätte an Ihrer Stelle lieber ihr Leben gelassen, als dass sie sich von dem einzigen Andenken getrennt hätte, das sie aus der Zeit ihrer ersten Liebe besaß!«

Der außergewöhnliche Ernst, ich möchte fast sagen, die Erregung, in der sie sprach, setzte mich in Erstaunen.

»Aber liebe Miss Dunroß,« beruhigte ich sie, »die Flagge ist ja nicht verloren.«

»Hoffentlich nicht,« warf sie schnell ein, »denn wenn Sie die grüne Flagge verlieren, verlieren Sie die letzte Reliquie von Mary und wenn mich mein Glaube nicht täuscht, mehr als das.«

»Was glauben Sie denn?«

»Wenn ich es Ihnen sagte, fürchte ich, dass sie mich auslachen würden. Ich glaube jetzt, dass Sie ein harter Mann sind – ich habe mich doch zuerst in Ihren Zügen getäuscht.«

»Sie tun mir wahrlich Unrecht. Ich beschwöre Sie, antworten Sie mir so ehrlich wie immer, was verliere ich, wenn ich die letzte Reliquie von Mary verliere?«

»Sie verlieren die einzige Hoffnung, die ich für Sie hege,« antwortete sie ernst, »die Hoffnung, dass Sie Mary wiederfinden und einst mit ihr vereint sein werden. In der letzten Nacht dachte ich, statt zu schlafen, an Ihre reizende Liebesgeschichte an den Ufern des klaren, englischen Sees und je mehr ich nachdachte, je fester wurzelte in mir die Überzeugung, dass die grüne Flagge des armen Kindes, das unschuldige Bindeglied zwischen Ihrer Beider Zukunft ist. Das Glück Ihres Lebens haftet an dem unscheinbaren Andenken! Weshalb ich das glaube, kann ich Ihnen nicht erklären, es mag das mit zu meinen Exzentrizitäten gehören – wie meine Katzenaufführungen bei den Klängen meiner Harfe. Wäre aber unsere Freundschaft, statt dieser wenigen Tage, schon Jahre alt, so würde ich Ihnen keine Ruhe lassen. Ich würde Sie mit aller Beharrlichkeit einer Frau bitten, anflehen, beschwören, dass Sie Marys Andenken nie von sich ließen, sondern es zu Ihrem stehenden Begleiter machten wie das Bild Ihrer Mutter, das Sie dort in der Kapsel immer an Ihrer Uhrkette tragen. Mit der Flagge weilt auch Marys Einfluss bei Ihnen, Marys Liebe ist durch dieses teure, alte Band an Sie geknüpft und Sie werden Mary nach Jahren der Trennung wiedersehen!«

Der Gedanke war an sich schön und poetisch, dem Einflusse des Ernstes aber, mit dem er ausgesprochen wurde, hätte sich eine viele verhärtetere Natur, als die meine, nicht entziehen können. Ich gestehe, dass ich mich meiner Vernachlässigung der grünen Flagge wahrhaft schämte, was diese Worte bewirkt hatten, war aber viel tiefer gehend.

»So wie ich nach Hause zurückkehre, will ich sie suchen«, sagte ich, »und will sie in Zukunft sorgsamer behüten.«

»Ich verlange mehr als das,« versetzte sie. Wenn Sie die Flagge nicht bei sich tragen können, so muss sie Sie doch immer begleiten, wohin Sie auch gehen mögen. Als man Ihr Gepäck vom Schiffe hierher brachte, waren Sie besonders besorgt um Ihre Briefmappe, die dort auf dem Tische liegt. Enthält sie irgend etwas besonders Wertvolles?«

»Sie enthält mein Geld und andere Sachen, die mir sehr wert sind, als die Briefe meiner Mutter zum Beispiel und einige Familienandenken, die ich sehr ungern verlieren würde, auch die Mappe selbst ist mir besonders lieb, weil sie seit vielen Jahren meine treue Reisebegleiterin gewesen ist.«

Miss Dunroß stand auf und kam dicht an den Stuhl, auf dem ich saß.

»So lassen Sie Marys Flagge auch Ihre treue Reisebegleiterin sein,« sagte sie. »Sie haben meiner Dienste als Ihre Pflegerin viel zu dankbar erwähnt, belohnen Sie mich jetzt über mein Verdienst, indem Sie den abergläubischen Wunsch einer einsamen Träumerin erfüllen. Versprechen Sie mir, dass die grüne Flagge einen Platz zwischen den anderen Schätzen in Ihrer Mappe finden soll.«

Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich ihr das Zugeständnis machte und ihr versprach, die grüne Flagge mit mir zu führen. Zum ersten Male seit wir uns kannten, legte sie ihre kleine abgezehrte Hand auf die meine und drückte sie einen Augenblick lang. Ehe ich sie wieder losließ, zog ich sie an meine Lippen und küsste sie im Gefühl meiner Dankbarkeit. Sie erschrak – zitterte und verließ still und eilig das Zimmer.

Einundzwanzigstes Kapitel.
Sie tritt zwischen uns

Welche Bewegung hatte ich unbewusst in Miss Dunroß hervorgerufen, hatte ich sie betrübt oder beleidigt? Hatte ich, ohne es zu wollen, in ihrer Seele ein tief verborgenes Gefühl wach gerufen, das sie bis jetzt standhaft unterdrückt hatte?

Ich gedachte der Tage, die ich hier im Hause verlebt hatte und prüfte meine eigenen Gefühle und Eindrücke, um dadurch vielleicht zur Lösung des Rätsels zu gelangen, weshalb sie aus dem Zimmer geflohen war.

Welchen Eindruck hatte sie auf mich gemacht?

Um die Wahrheit zu gestehen, hatte sie einfach allen Raum in meinem Innern eingenommen und alles Andere daraus verdrängt. Sie hatte in zehn Tagen meine Teilnahme in einem so hohen Grade erregt, wie es einer anderen Frau kaum in zehn Jahren gelungen wäre. Mit Schamgefühl gestand ich mir ein, dass ich meiner Mutter sehr selten gedacht hatte, selbst das Bild von Frau van Brandt war, außer, wenn wir von ihr sprachen, in meinem Gedächtnis sehr verblichen.

Meine Freunde in Lerwick hatten mich alle der Reihe nach, Sir James an der Spitze, besucht und undankbarerweise hatte ich stets eine heimliche Freude empfunden, wenn sie sich wieder empfahlen und meiner Pflegerin das Feld räumten.

In zwei Tagen sollte das Regierungsschiff sich auf die Rückreise begeben. Obgleich meine Hand mich beim Gebrauch noch empfindlich schmerzte, war ich doch hinreichend hergestellt, um die Reise nach Lerwick zu ertragen, da die viel bedenklichere Verletzung an der wiedergeöffneten Wunde durchaus weder für mich noch irgend jemand Anderes mehr ein Gegenstand der Sorge war und ich zudem auf dem Wege zwischen Lerwick und Dunroß’s Hause noch in einem Gehöft übernachten konnte.

Trotzdem ich das Alles wusste, hatte ich die Frage, ob ich zu dem Schiffe zurückkehren würde, bis zum letzten Augenblick offen gelassen und meinen Freunden als Grund dafür den Zweifel an der Zulänglichkeit meiner Kräfte angegeben. Der Grund, den ich mir jetzt selbst gestand, war, dass ich zögerte Miss Dunroß zu verlassen.

Welche geheime Macht hatte sie über mich ausgeübt, welches Gefühl, welche Leidenschaft hatte sie in mir erweckt? War es Liebe?

Nein, Liebe war es nicht. An der Stelle, die Mary einst eingenommen, die später Frau van Brandt ausgefüllt, stand Miss Dunroß nicht. Wie konnte ich im gewöhnlichen Sinn des Wortes eine Frau lieben, deren Antlitz ich nie gesehen hatte, deren Schönheit verwelkt war, um nie wieder zu erblühen? Deren verödetes Leben an einem Faden hing, der jeden Augenblick zerreißen konnte. An jeder Neigung zwischen den verschiedenen Geschlechtern, wenn man sie anders Liebe nennen soll, haben die Sinne ihren Anteil, an meinem Gefühl für Miss Dunroß hatten sie keinen. Welch ein Gefühl war es denn? Diese Frage konnte ich nur auf eine Weise beantworten, da das Gefühl zu tief in mir verborgen war, um es ergründen zu können.

Welchen Eindruck hatte ich ihr gemacht? Welche Saite ihres Gefühls hatte ich, ohne es zu wissen, berührt, als meine Lippen ihre Hand berührten?

Ich zagte diese Frage weiter zu verfolgen, die ich mir selbst vorgelegt. Ich gedachte ihrer zerrütteten Gesundheit, ihres Daseins in Schatten und Einsamkeit, ich gedachte der reichen Schätze dieses Herzens und dieses Gemütes, die mit ihrem welkenden Leben auch hinwelken mussten und ich sagte mir: Ihr Geheimnis sei Dir heilig! Nie soll eines meiner Worte oder eine meiner Handlungen sie wieder in Unruhe und Schmerzen versetzen, mag ihr Herz vor mir verschleiert bleiben, wie ihr Antlitz.

In dieser Stimmung erwartete ich ihre Rückkehr.

Dass ich sie im Laufe des Tages noch wiedersehen würde, bezweifelte ich nicht, da die Post nach dem Süden am nächsten Tage abging und es daher im Hause allgemeine Sitte war, die Briefe am Abend vorher zu schreiben, weil sie der Bote am Morgen ganz früh abholte. Miss Dunroß hatte sich daran gewöhnt nach meinem Diktat die Briefe in meine Heimat zu schreiben, da ich meine Hand noch immer nicht gebrauchen konnte. Sie wusste, dass ich meiner Mutter einen Brief schuldete und auf ihre Hilfe angewiesen war. So war ihre Umkehr zu mir nur eine Zeitfrage, da jede Verpflichtung, wie gering sie auch immer sein mochte, in ihren Augen zur dringenden Pflicht wurde.

Stunde auf Stunde verging, der Tag neigte sich zu Ende und sie erschien noch immer nicht.

Ich verließ mein Zimmer, um noch die letzten Strahlen der Sonne in dem Garten hinter dem Hause aufzufangen, ließ aber Peter zurück, wo ich aufzufinden war, im Fall Miss Dunroß mich suchte. Nach meinen südländischen Begriffen war der Garten sehr wild, aber er zog sich weit an der Küste der Insel hin und bot manche hübsche Aussicht über den See und das Moorland hinaus. Während ich langsam dahin schlenderte, beschloss ich meine Gedanken nützlich zu beschäftigen, indem ich mir den Brief an meine Mutter, den Miß Dunroß für mich schreiben sollte, immer durchdachte.

Ich fand es aber zu meinem Erstaunen ganz unmöglich, meine Gedanken auf diesen Gegenstand zu richten. Wie oft ich es auch versuchte, immer schweiften meine Gedanken wieder von dem Briefe an die Mutter zu Miss Dunroß hinüber. Doch nein! Verweilten sie bei der Frage, ob ich mit dem Regierungsschiff nach Pertshire zurückkehren sollte oder nicht, oder wohin wendeten sie sich eigentlich? Wunderbarerweise waren alle meine Gedanken durch eine unerklärliche Abschweifung meines Gefühls plötzlich auf einen Gegenstand gerichtet, dem ich jetzt lange nicht mehr nachgedacht hatte, auf – Frau van Brandt. Unwillkürlich dachte ich, so sehr sich mein Wille auch dagegen sträubte, an unsere letzte Unterredung zurück. Ich sah sie, hörte sie wieder, empfand die augenblickliche Wonne unseres letzten Kusses und vergegenwärtigte mir die Qualen und Schmerzen, die ich empfand, als ich von ihr gegangen war und mich allein auf der Straße befand. Tränen, deren ich mich schämte, obgleich sie niemand sah, füllten meine Augen, als ich der Monate gedachte, die seit unserem letzten Beisammensein verflossen waren und wie viel Herzeleid konnten, mussten sie über sie gebracht haben!

Obgleich Hunderte von Meilen zwischen uns lagen, war sie mir diesen Augenblick so nah, als ginge sie im Garten neben mir.

Wie mein Geist, befand auch mein Körper sich in wunderbarem Zustande, ein geheimnisvolles Beben durchschauerte mich von Kopf bis zu den Füßen. Ohne den Boden unter mir zu fühlen, schritt ich vorwärts, meine Augen ruhten auf den Gegenständen umher, ohne dass ich mir ihrer bewusst war, meine Hände waren kalt, ohne dass ich es eigentlich fühlte, mein Kopf glühte, doch empfand ich keinen Schmerz, fühlte mich wie umgeben und eingehüllt in eine elektrische Atmosphäre, die alle meine Gefühle wunderbar verwandelte. In dem Glauben, dass ein Gewitter im Anzuge war, blickte ich zum Himmel auf, der war ruhig und klar. Ich stand still, um meinen Rock zuzuknöpfen und fragte mich, ob ich mich erkältet haben könnte oder ob ein Fieber im Anzuge war. Die Sonne versank hinter dem Horizonte des Moorlandes, das graue Zwielicht zitterte über den dunklen Wassern des Sees, ich kehrte zum Hause zurück und auch dahin begleitete mich die lebhafte Erinnerung an Frau van Brandt, als treue Gefährtin. Das Feuer in meinem Zimmer war während dessen niedergebrannt. Einer der geschlossenen Vorhänge war ein paar Zoll weit zurückgezogen, so dass ein Strahl des ersterbenden Lichts hindurchdringen konnte und an der Stelle, wo Licht und Finsternis sich schieden, sah ich Miss Dunroß im dunklen Teil des Zimmers sitzen. Sie hatte den Schleier herabgelassen und ihr Schreibzeug auf dem Schoß, so erwartete sie meine Rückkehr.

Ich entschuldigte mich und sagte ihr, dass ich aus Vorsorge dem Diener hinterlassen hätte, wo ich zu finden wäre; sie unterbrach mich aber sanft, so dass ich meinen Satz nicht vollenden konnte.

»Peter ist unschuldig«, sagte sie, »ich wünschte, dass er Sie nicht zu früh ins Haus zurückrufen möchte. Hat Ihr Spaziergang Ihnen gut getan?« Sie sprach sehr ruhig, die schwache, trübe Stimme war schwächer und trüber denn je. Während dieser Worte hielt sie ihren Kopf über das Schreibzeug gebeugt, statt wie sonst ihn mir während unseres Gesprächs zuzuwenden. Ich fühlte immer noch jenes geheimnisvolle Beben wie im Garten und zog meinen Stuhl nah an das Feuer, dessen Kohlen ich anzuschüren versuchte, um mich daran zu erwärmen. Dadurch war ein kleiner Zwischenraum zwischen unseren Plätzen im Zimmer. Ich konnte sie nur von der Seite sehen, wie sie in der schützenden Dunkelheit des vorgezogenen Vorhanges am Fenster saß.

 

»Ich fürchte, dass ich mich zu langte im Garten aufgehalten habe,« sagte ich, »mich durchrieselt die eisige Abendluft.«

»Soll mehr Holz auf das Feuer gelegt werden?« fragte sie. »Soll ich irgend etwas für Sie besorgen?«

» Nein, ich danke, ich bedarf nichts. Ich sehe, dass Sie die Güte haben wollen für mich zu schreiben.«

»Ja,« sagte sie, ,wenn Sie es wünschen; so wie Sie bereit sind, ist meine Feder es auch.«

Sie schien die ausgesprochene Rückhaltung, die zwischen uns entstanden war, seit wir uns zuletzt gesprochen hatten, ebenso schmerzlich zu empfinden als ich und hätten wir nur gewusst, wie es anzufangen war, so hätten wir sie gern durchbrochen. Jedenfalls musste das Briefschreiben uns beschäftigen. Wiederum versuchte ich meine Gedanken darauf zu richten und wiederum war der Versuch vergebens. Obgleich ich sehr gut wusste, was ich meiner Mutter zu sagen hatte, war es mir, so wie ich es aussprechen wollte, als fehlte mir die Fähigkeit dazu. Ich kauerte am Feuer und sie wartete mit ihrem Schreibzeuge auf dem Schoß.