Za darmo

Verbergen und Suchen

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

»Verlangen Sie nicht von mir, dass ich dazu »ja« sage, mein Herr!« bat Frau Peckover mit Tränen in ihren Augen. »Verlangen Sie alles andere von mir, um meine Dankbarkeit für Ihre Güte gegen uns zu beweisen, aber wie kann ich mich von meiner kleinen Marie trennen? Sie können das Herz nicht haben, das von mir zu verlangen!«

»Ich habe ein Herz, Frau Peckover, um den tiefen Schmerz zu empfinden, welchen Sie bei der bloßen Idee, sich von dem Kinde zu trennen, fühlen müssen, aber gerade des Kindes halber muss ich Sie nochmals bitten, Ihre Gefühle zu beherrschen. Und noch mehr als das, ich muss Sie bei der Liebe, die Sie für dasselbe fühlen, bitten, dem Ihnen im Namen des Herrn Blyth gestellten Antrage ein williges Gehör zu schenken.«

»Ich würde es ja gern tun, wenn ich nur könnte, mein Herr – aber gerade weil ich es so sehr liebe, kann ich es nicht! Außerdem ist Herr Blyth mir ein vollkommener Fremder.«

»Ich lasse diesen Einwurf Ihrerseits gelten, Frau Peckover, aber erlauben Sie mir, Ihnen ans Herz zu legen, dass ich mich nach einer Erfahrung von zwanzig Jahren für die Rechtlichkeit seines Charakters und die Ehrlichkeit seiner Absichten verbürgen kann. Sie könnten hierauf antworten, dass ich ebenfalls ein Fremder bin, aber ich bitte Sie, meine Würde und meine Stellung als die besten Beweise annehmen zu wollen, dass ich Ihres Vertrauens nicht unwürdig bin. Wenn Sie die kleine Marie zu ihrer Belehrung in ein Taubstummen—Institut schicken, so werden Sie ebenfalls unbedingtes Vertrauen in den Vorstand einer solchen Anstalt setzen müssen.«

»O mein Herr! denken Sie nicht, dass ich Ihnen nicht trauen will – Ihnen, der Sie so freundlich und gütig gegen uns gewesen sind – und noch dazu einem Geistlichen —«

»Ich will Ihnen offen und ehrlich sagen«, unterbrach sie der Rektor, »was für Vorteile Herrn Blyths Vorschlag für das Kind in Aussicht stellt. Er hat keine eigene Familie und seine Frau, die arme Dame, ist, wie er es Ihnen schon angedeutet hat, für ihr ganzes Leben dem Siechtum verfallen. Wenn Sie nur die Sanftmut und die Geduld sehen könnten, mit der sie ihr Leiden erträgt, dann würden Sie einsehen, dass die kleine Marie von niemandem mit freundlicherm Herzen bewillkommt werden könnte als von Madam Blyth. Obgleich Herr Blyth keineswegs ein reicher Mann ist, so befindet er sich doch in einer unabhängigen Lage und kann ihr alle Bequemlichkeiten des Lebens bieten.«

»Sprechen Sie nicht weiter, mein Herr, Sie würden mir das Herz brechen, wenn ich mich von ihr trennen sollte.«

»Sie werden es mir später Dank wissen, Frau Peckover, dass ich Ihre Standhaftigkeit so auf die Probe stelle, wie ich es jetzt tue. Hören Sie mich ein wenig länger an, damit ich Ihnen die Bedingungen, welche Herr Blyth vorschlägt, mitteilen kann. Er will nicht nur gestatten, sondern wünscht sogar sehr – wenn Sie das Kind seiner Sorgfalt anvertrauen – dass Sie, so oft sie wollen, Zutritt zu ihm haben sollen. Er will seine Adresse in London bei Ihnen zurücklassen und stets aus Gründen, die ebenso ehrenwert für Sie als für ihn selbst sind, Ihre Reisekosten bestreiten, so oft Sie das Kind zu sehen wünschen. Er will stets Ihr älteres Recht auf Ihre Liebe und seine Pflichten gegen Sie anerkennen, Ihnen jede Erleichterung bieten, welche in seiner Macht steht, dass Sie stets mit ihr korrespondieren können; und wenn das Leben, welches sie in seinem Hause führt, ihr nur im Geringsten nicht zusagt, so verpflichtet er sich – wenn Sie es beide wünschen, sie Ihnen zurückzugeben. Dies sind die Bedingungen, Frau Peckover, welche er vorschlägt, und ich kann Ihnen aufs Feierlichste auf meine Ehre als Geistlicher und Gentleman beteuern, dass er die genaue Erfüllung einer jeden dieser Bedingungen heilig halten wird.«

»Ich sollte sie gehen lassen, mein Herr – ich zeigte dadurch, wie dankbar ich für Herrn Blyths Großmut bin, aber wie kann ich es, da ich sie so lange als mein eigenes Kind betrachtet habe? O verehrte Frau, legen Sie ein gutes Wort für mich ein! Ich scheine zu selbstsüchtig, weil ich sie nicht hingeben will. Bitte, legen Sie ein gutes Wort für mich ein!«

»Wollen Sie mich statt dessen ein Wort für die kleine Marie sagen lassen?« erwiderte Frau Joyce. »Wollen Sie bedenken, dass Herrn Blyths Vorschlag ihr einen sichern Schutz bietet gegen jenen unmenschlichen Schurken, welcher sie schon gemisshandelt hat und noch oft misshandeln wird, ohne dass Sie es verhindern, bitte, bedenken Sie das, Frau Peckover!«

Die arme Frau zeigte durch einen neuen Tränenstrom, wie schmerzlich ihr dieser Gedanke war.

»Halten Sie uns nicht für unbedacht und gefühllos«, sprach der Rektor, »wenn wir Ihnen Herrn Blyths Anerbieten so dringend empfehlen. Wir halten es aufrichtig für unsere Pflicht, zu Mariens Besten so zu handeln. Denken Sie nur über ihre Lage nach, wenn sie im Zirkus bleibt und heranwächst! Würde Ihre ganze wachsame und bewunderungswürdige Güte hinreichend sein, sie vor Gefahren zu beschützen, auf welche ich kaum anzuspielen wage? Vergegenwärtigen Sie sich den Tag, an welchem die kleine Marie zur Jungfrau wird herangereift sein, und ich will es verantworten, Frau Peckover, dass Sie dem wichtigen Anerbieten meines Freundes volle Gerechtigkeit haben widerfahren lassen.«

»Ich weiß, es ist ganz wahr, mein Herr, ich weiß, dass ich ein undankbares, selbstsüchtiges Geschöpf bin – aber geben Sie mir nur ein wenig Zeit zum Nachdenken.«

Doktor Joyce war gerade im Begriff, seinen Stuhl dichter zu Frau Peckover heranzuziehen, bevor er antwortete, als die Tür aufging und der ehrenhafte Vance leise in das Zimmer trat und auf einen zornigen Blick des Rektors sprach:

»Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! Aber hier wartet ein Mann im Vorsaal, welcher aussagt, er käme wegen eines wichtigen Geschäftes und müsste Sie sogleich sprechen.«

»Wer ist es, und wie heißt er?«

»Er nennt sich Jubber, mein Herr.«

Frau Peckover sprang mit einem lauten Schrei von ihrem Stuhle auf: »Bitte, mein Herr, lassen Sie ihn, um Gottes Barmherzigkeit willen, ja nicht in den Garten kommen, wo die kleine Marie ist! O, was soll ich tun! O, barmherziger Himmel! Was soll ich tun?« jammerte sie.

»Überlassen Sie alles mir und setzen Sie sich wieder nieder«, sagte der Rektor gütig. Dann wandte er sich an Vance: »Führen Sie Herrn Jubber in das Garderobezimmer und sagen Sie, ich würde sogleich bei ihm sein.«

»Nun, Frau Peckover«, fuhr Doktor Joyce in der ruhigsten Weise fort, »ehe ich diesen Mann spreche, habe ich Ihnen drei wichtige Fragen vorzulegen. Zuerst, waren Sie gestern Abend Zeuge, als er das Kind so grausam misshandelte?«

»O wahrhaftig, mein Herr! Er hat sie auf die grausamste Weise mit einem Stocke geschlagen.«

»Sehr wohl, nun sagen Sie mir, ob Sie oder Ihr Mann irgendeinen Kontrakt – oder irgendein Dokument unterzeichnet haben, welches jenem Manne ein Recht verleiht, dieses Kind als eines der Mitglieder seiner Gesellschaft zu fordern?«

»Nein, mein Herr! Das habe ich niemals in meinem Leben getan. Jubbcr würde sich für beleidigt halten, wenn er mit einer solchen Person wie mit mir oder mit Jemmy wegen eines Kindes einen Kontrakt unterzeichnen sollte.«

»Immer besser, meine dritte Frage bezieht sich auf die kleine Marie selbst. Ich will es unternehmen, es diesem Schuft unmöglich zu machen, je wieder Hand an sie zu legen, aber ich kann dies nur unter einer Bedingung tun, welche nur Sie allein erfüllen können.«

»Ich will alles tun, was Sie verlangen, mein Herr, um sie zu retten, ich will es wahrhaftig.«

»Die Bedingung besteht darin, dass Sie in Herrn Blyths Vorschlag willigen, denn nur so allein kann ich für die Sicherheit des Kindes gänzlich sorgen.«

»Dann, mein Herr, willige ich ein«, sagte Frau Peckover mit einer plötzlichen eisernen Festigkeit im Tone und Benehmen, welche Frau Joyce fast erschreckte. »Ich willige ein, denn ich müsste das schlechteste Geschöpf auf Erden sein, wenn ich unter den jetzigen Umständen »Nein« sagen könnte. Ich will meinen köstlichen Lieblingsschatz von diesem Augenblicke an Ihnen und Herrn Blyth anvertrauen. Gott segne Sie und tröste mich! Denn ich bin des Trostes gar sehr bedürftig. O Marie! Marie! Meine eigene kleine Marie! Daran zu denken, dass ich mich auf immer von Dir trennen soll!« Das arme Weib blickte nach dem Garten, als sie diese Worte aussprach; ihre ganze Standhaftigkeit verließ sie in diesem Augenblicke, sie sank in ihren Stuhl zurück und schluchzte bitterlich.

»Führe sie nach den Sträuchern, wo die Kinder sind, sobald sie sich wieder ein wenig erholt«, flüsterte der Rektor seiner Frau zu, als er die Tür des Speisezimmers öffnete.

Obgleich Herr Jubber in seiner ganzen Erscheinung, wenn er sich des Abends in seinem Theaterkostüm und von dem Lampenlichte seines eigenen Zirkus beleuchtet zeigte, den verworfensten Anblick, welchen die Menschengestalt annehmen kann, darbot, so erreichte er nichts desto weniger einen unendlich erhabeneren Gipfel von schurkischer Vollkommenheit, wenn er in seinen gewöhnlichen Kleidern einherging und sich dem fürchterlichen Urteilsspruche des reinen Tageslichts unterwarf. Der abscheulichste Affe, den man aus den Käfigen eines zoologischen Gartens herausnehmen könnte, würde im Vergleich mit ihm, wie er jetzt in dem Garderobezimmer des Rektors erschien, noch gewonnen haben. Er stand da mit frechen, blutunterlaufenen Augen, grimmig und verächtlich überall herumstarrend, mit seinem gelben faltigen Nacken, der aus einem umgelegten Kragen und einer hellblauen Halsbinde heraussah. Er hatte seinen Hut auf seinem Kopfe und ließ seine schmutzigen Finger durch seine fettigen schwarzen Locken laufen, die über seinen Rockkragen hingen, als Doktor Joyce in das Garderobenzimmer trat.

»Sie wünschen mit mir zu sprechen?« sagte der Rektor, sich nicht niedersetzend und Herrn Jubber nicht zum Setzen einladend.

»O, Sie sind Doktor Joyce?« sagte der Mensch und nahm sogleich eine unverschämte Vertraulichkeit in seinem Benehmen an.

 

»So heiße ich«, sagte Doktor Joyce sehr ruhig. »Wollen Sie die Güte haben und mir so kurz als möglich erklären, was Sie zu mir führt?«

»Hallo! Sie nehmen einen solchen Ton gegen mich an!« rief Jubber, seine Arme in die Seite stemmend und mit seinem Fuße wild auf den Fußboden stampfend, »Sie wollen mich schon jetzt so hochmütig behandeln, wirklich? Sehr gut! Ich bin der Mann dazu, Sie mit gleicher Münze zu bezahlen! Warum haben Sie meinen geheimnisvollen Findling entführt? Was wollten Sie mit diesem Talente beginnen, das meinem Zirkus angehört?«

»Sie täten besser, wenn Sie ruhig und vernünftig mit mir sprächen«, sagte der Rektor. »Bis jetzt habe ich weiter nichts verstanden, als dass Sie mich durch Ihr Betragen beleidigen wollen! Sie täten weit besser, wenn Sie mir in einfachen Worten erklärten, was Sie von mir wünschen.«

»Sie wollen einfache Wort – He!« rief Jubber aus, seine Laune verlierend. Dann, bei Gott, sollen Sie sie haben, und einfach genug!«

»Warten Sie einen Augenblick«, sagte Doktor Joyce, »wenn Sie noch einmal in meiner Gegenwart schwören, werde ich meinen Bedienten klingeln und ihm befehlen, Sie aus dem Hause zu werfen.«

»Wenn Ihr Diener eine Hand an mich legt, will ich ihn halbtot schlagen,« sagte Jubber, über des Rektors festen Ton verwirrt, und sah mürrisch nach der Türe. »Aber hierum handelt es sich gerade jetzt nicht – es handelt sich vielmehr um die Anklage, dass Sie mein taubstummes Kind in Ihr Haus gelockt haben, um seine Künste vor Ihnen, natürlich verstohlen, zu zeigen.«

»Darf ich fragen, wie Sie erfahren haben, dass das Kind, von dem Sie sprechen, heute in meinem Hause gewesen ist?« frug Doktor Joyce, ohne Herrn Jubbers Zorn im Geringsten zu beachten.

»Einer meiner Leute sah es Frau Peckover hierher führen und teilte mir dies mit, als sie und das Kind bei Tische vermisst wurden. Ich denke, das ist Beweis genug! Leugnen Sie das, wenn Sie können!«

»Ich habe nicht die geringste Absicht, es zu leugnen. Das Kind ist in meinem Hause.«

»Und hat natürlich alle seine Künste gezeigt? O wie erbärmlich, wie erbärmlich! Ich würde mich selbst schämen, wenn ich versucht hätte, einen Mann auf diese Weise um seinen Verdienst zu betrügen.«

»Ich bin aufrichtig erfreut zu hören, dass Sie unter gewissen Umständen überhaupt fähig sind, sich zu schämen«, erwiderte der Rektor. »Das Kind hat jedoch seine Künste nicht gezeigt, da man es durchaus nicht in der Absicht, die Sie vermuten, hat holen lassen. Aber wie Sie gerade jetzt sagten, darum handelt es sich nicht. Warum sprachen Sie aber von dem kleinen Mädchen einen Augenblick vorher, gerade als ob es das Ihrige wäre?«

»Weil es natürlich eins meiner Mitglieder ist. Nun habe ich aber genug, ich kann nicht den ganzen Tag hier bleiben und schwatzen; ich verlange das Kind – also geben Sie es sogleich heraus. Ich will dann schon dafür sorgen, dass es künftig hübsch im Zirkus bleibet! Ich will —«

»Sie würden Ihre Zeit weit nützlicher anwenden, wenn Sie die Zettel zu Ihrer Vorstellung abänderten und das Publikum benachrichtigten, dass das taubstumme Kind nicht wieder vor ihm erscheinen wird.«

»Nicht wieder erscheinen? – Heute Abend nicht in meinem Zirkus erscheinen? Nun, zum Teufel, Sie sind doch nicht auf einmal närrisch geworden! Ich meine Zettel ändern, wie? Nicht übel!«

»Einer meiner Freunde hat das Kind adoptiert und will es morgen früh mit nach Hause nehmen. Frau Peckover, welche die einzige Person ist, die überhaupt ein Recht hat, über dasselbe zu gebieten, hat zu diesem Abkommen ihre Einwilligung gegeben. Es wird mein Haus nicht eher verlassen, als bis es morgen mit meinem Freunde nach London fährt.«

»Und Sie denken, dass ich der Mann dazu bin, um dies zuzugeben? – und das Kind hinzugeben? – und die Zettel zu ändern? – und Geld zu verlieren? – und während der ganzen Zeit so sanft wie die Muttermilch zu sein? Der Teufel hole dieses Geschwätz und diesen Unsinn«, brüllte der Schurke, plötzlich aus seiner Unverschämtheit zur Wut übergehend und mit der Faust auf den Tisch schlagend. »Geben Sie mir das Kind sogleich heraus, hören Sie! Geben Sie es heraus, sage ich – ich werde das haus nicht eher verlassen, bis ich es habe.«

Gerade als Herr Jubber zum zweiten Mal fluchte, klingelte Doktor Joyce. »Ich habe Ihnen gesagt, was ich tun würde, wenn Sie in meiner Gegenwart zum zweiten Mal fluchen würden«, sagte der Rektor.

»Und ich sagte Ihnen, ich würde den Diener umbringen, wenn er Hand an mich legte«, entgegnete Jubber, seinen Hut tief ins Gesicht drückend und an seinen Manschetten zupfend.

Vance erschien an der Tür, weit weniger hochtrabend als gewöhnlich und eine interessante Blässe des Gesichts zeigend. Jubber spie erst in seine hohlen Hände und ballte dann seine Fäuste.

»Seid Ihr unten mit dem Mittagbrot fertig?« frug Doktor Joyce, ein wenig rot werdend, aber immer noch sehr ruhig.

»Ja mein Herr«, antwortete Vance in einem merkwürdig heruntergestimmten Tone.

»Sagen Sie zu James, dass er zum Constabler gehe, um ihn hierher zu holen, und halten Sie sich draußen in dem Vorzimmer mit dem Gärtner bereit.«

»Jetzt«, sagte der Doktor, indem er, nachdem diese Befehle gegeben waren, die Tür wieder schloss und sich noch einmal Herrn Jubber gegenüber stellte, »jetzt habe ich Ihnen ein oder zwei letzte Worte der Warnung zu geben, die Sie ruhig anhören wollen. Zuerst haben Sie durchaus kein Recht auf dieses Kind; denn ich weiß zufällig, dass Sie keinen unterschrieben Kontrakt besitzen, worin Ihnen das Kind zu Dienstleistungen verpflichtet ist, und ebenso wenig ein Recht über dasselbe, es ist ein vollkommen freies Wesen« »Soweit es Sie angeht —« »Ja! ja! Sie leugnen dies natürlich, aber wenn Sie bei Ihrem Leugnen beharren, so will ich Ihren Ruf, so wahr Sie hier stehen, in Rubbleford und in der ganzen Nachbarschaft auf immer zu Grunde richten. Sie haben das Kind auf die gemeinste Weise gestern Abend geschlagen. Ich bin eine obrigkeitliche Person und habe meinen Ankläger und meinen Zeugen dieses Verbrechens in Bereitschaft, sobald es mir gefällt, Sie aufzurufen. Ich kann Sie entweder mit Geld strafen oder Sie einsperren lassen, wie es mir beliebt. Sie kennen das Publikum, Sie wissen, was es von Leuten hält, welche hilflose Kinder misshandeln. Wenn Sie unter dieser Anklage vor mir erscheinen müssten, so würde die Rubbleforder Zeitung darüber Bericht erstatten, und es würde niemand mehr Ihren Zirkus hier besuchen, Sie würden in diesem Teile des Landes ein ruinierter Mann sein. Nun, ich will Ihnen dies ersparen – nicht etwa aus Zartgefühl gegen Sie – aber unter der Bedingung, dass Sie sich geräuschlos von hier entfernen und niemals hier wieder sehen lassen. Ich rathe Ihnen dringend, sogleich zu gehen, denn wenn Sie warten, bis der Constabler kommt, so kann ich nicht für mein Pflichtgefühl einstehen, Sie von ihm verhaften zu lassen.« Bei diesen Worten

öffnete Doktor Joyce die Tür und zeigte nach dem Vorzimmer.

Während dieser ganzen Rede zerfleischten abwechselnd heftiger Zorn, unbändiges Erstaunen, niederschlagender Schrecken und ohnmächtige Wut die Brust des Herrn Jubber. Er stolperte im Zimmer auf und ab und stieß abgebrochene Flüche aus, unterbrach aber Doktor Joyce nicht weiter. Als der Rektor fertig war, hatte der Kerl auch sogleich eine unverschämte Antwort darauf in Bereitschaft. Man musste gegen ihn gerecht sein, er war konsequent, wenn auch nichts weiter – er war Renommist und Schuft bis aufs Äußerste.

»Obrigkeit oder Geistlicher«, rief er, »ich frage den Teufel danach, ob Sie das eine oder das andere sind, Sie halten das Kind auf Ihre eigne Gefahr hier. Ich werde zum ersten Advokaten in Rubbleford gehen, Sie verklagen und Ihnen ein wenig zeigen, was das Gesetz zu bedeuten hat. Ich habe die kleine Kröte nur ein wenig durchgeprügelt, weil sie es verdiente. Ich will schon mit Ihnen fertig werden und mir das Kind von da schon wieder holen, wo Sie es hinbringen.«

(Hier ging er nach der Tür des Vorzimmers). »Ich will schon mit Ihnen fertig werden, zum Teufel auch! Ich will Sie anklagen, dass sie Ihre gemeinen Dienstleute auf mich gehetzt haben, um mich anzufallen.« Bei diesen Worten sah er wild nach dem Gärtner, einem sommersprossigen schottischen Riesen von sechs Fuß drei Zoll und stieg sogleich fünf Stufen auf der Treppe herab. »Lege einen Finger an mich, wenn Du es wagst! Ich bin ein freier Engländer und will Recht und Gerechtigkeit haben! Ich will sie zurückfordern, und wenn ich sie wieder habe, will ich sie ärger als je schlagen! Ich will —« Nun stürzte er nach dem Garten vor; seine Worte wurden undeutlich und seine rauhe Stimme wurde allmählich weniger hörbar.

Der Kutscher sah ihn zuletzt am Torwege und berichtete, dass er beim Herausgehen mit seinem Stocke lasterhaft auf die Blumen losgeschlagen und geschworen hätte, dass er den Rektor mit dem Gesetz zu Grunde richten wollte.

Nachdem Doktor Joyce seinen Dienern gewisse Weisungen für den sehr unwahrscheinlichen Fall von Herrn Jubbers Rückkehr gegeben hatte, ging er sogleich in das Speisezimmer, und als er hier niemanden fand, weiter nach dem Garten.

Hier traf er die Familie und den Besuch beisammen, aber mit allen war während seiner Abwesenheit eine große Veränderung vorgegangen. Als Herr Blyth von dem Resultate der Unterhaltung, welche der Rektor mit Frau Peckover gehabt hatte, benachrichtigt worden war, benahm er sich mit seinem gewöhnlichen Ungestüm und verlor alle Besonnenheit; er schrieb ohne die geringste Vorbereitung auf Mariens Schiefertafel nieder, dass sie mit ihm morgen nach Hause gehen und ihr ganzes Lebelang bei ihm glücklich sein sollte. Die Wirkungen dieses unvorsichtigen Verfahrens gaben sich bei dem Kinde in einer außerordentlichen Angst kund, und sie lief von jedermann weg, um sich zu Frau Peckover zu flüchten. Sie weinte noch und hielt sich mit beiden Händen an dem Kleide der Frau Peckover fest, als der Rektor zu der Gesellschaft trat, die unter den Kühlung säuselnden Bäumen versammelt war.

Doktor Joyce sprach nur wenig über die Unterredung, welche er mit Herrn Jubber gehabt hatte, und bekümmerte sich nicht viel um die Drohungen desselben. Frau Peckover, deren Fassung durch die stummen Beweise, welche sie von der Zuneigung der kleinen Marie erhielt, überwältigt zu werden schien, lauschte ängstlich auf jedes Wort, das der Doktor sprach, und sobald er fertig war, sagte sie, dass sie sogleich nach dem Zirkus zurückgehen müsste, um ihrem Manne über die heutigen Vorfälle die Wahrheit zu sagen, als eine notwendige Abwehr gegen die Verleumdungen, die sicherlich von Herrn Jubber gegen sie vorgebracht würden.

»O, kümmern Sie sich nicht um mich, geehrte Frau!« sagte sie als Antwort auf die Befürchtungen, welche Frau Joyce über ihren Empfang im Zirkus ausdrückte. »Das liebe Kind ist in Sicherheit, und das ist das einzige, was mich kümmert. Ich bin groß und stark genug, meine eigene Sache zu verfechten, und Jemmy ist immer zu meiner Hilfe in der Nähe. Erlauben Sie mir heut Abend wieder hierher zu kommen und zu sagen – und zu sagen —«

Sie mochte wohl haben hinzufügen wollen, und lebe wohl zu sagen, aber die Gedanken, welche sich jetzt um das einzige Wort anhäuften, erschwerten ihr das Aussprechen dieses Wortes zu sehr. Sie nickte schweigend ihren Dank für die herzliche Einladung, welche ihr zur Erneuerung ihres Besuchs gegeben wurde, beugte sich auf Marien nieder, küsste sie und schrieb auf ihre Tafel: »Um sieben Uhr heute Abend, mein Liebling, werde ich wieder zu Dir kommen.« Dann entfernte sie die kleinen Hände, welche sich noch an ihrem Kleide festhielten, und eilte aus dem Garten, ohne dass sie sich nur noch einmal umzublicken wagte. Frau Joyce, die jungen Mädchen und der Rektor versuchten all ihr Möglichstes, um die kleine Marie zu trösten, aber es gelang niemand von ihnen. Sie widerstrebte, obgleich auf eine sehr sanfte Weise, ihren Liebkosungen. Sie ging allein und still für sich hin und sah beständig nach der Tafel, als wenn sie nur in dem Lesen der wenigen Worte, welche Frau Peckover darauf geschrieben hatte, einen Trost finden könnte. Zuletzt nahm sie Herr Blyth auf seinen Schoß. Sie wehrte sich einen Augenblick dagegen, dann sah sie ihm aufmerksam ins Gesicht und legte traurig seufzend ihren Kopf an seine Schulter. In dieser einfachen Handlung und in dem Vorzuge, welchen sie ihm gab, lag eine Welt der Verheißung für den künftigen Erfolg von Valentins Lieblingsplan.

Der Tag verging ruhig – der Abend kam heran – es schlug sieben – dann halb acht – dann acht Uhr, und Frau Peckover erschien immer noch nicht. Doktor Joyce wurde unruhig und schickte Vance nach dem Zirkus, um Nachricht von ihr zu erhalten.

Nur Herr Blyth vermochte die kleine Marie teilweise zu beruhigen, als Frau Peckover zur bestimmten Stunde nicht gekommen war. Sie war zuerst unruhig darüber und wollte nach dem Zirkus gehen, als sie aber jedoch fand, dass man sie zärtlich, aber entschieden in der Rektorwohnung zurückhielt, weinte sie bitterlich und so lange, dass sie zuletzt in Valentins Armen einschlief. Er saß und hielt sie mit unveränderlicher Geduld besorgt aufrecht. Die scheidenden Strahlen der Sonne verschwanden am Horizonte, der ruhige Glanz des Zwielichts verbreitete sich über den Himmel – und dennoch ließ er sie nicht von sich und sagte, er wollte lieber so in dieser Stellung die ganze Nacht sitzen als sie stören.

 

Vance kam zurück und brachte die Nachricht, dass Frau Peckover ihm in einer halben Stunde folgen würde. Man hatte ihr im Zirkus eine Arbeit übertragen, welche sie erst vor ihrer Rückkehr nach der Rektorwohnung fertig machen musste.

Nachdem Vance diese Botschaft ausgerichtet, zeigte er zunächst einen Zettel, welcher, wie er sagte, in ganz Rubbleford zirkulierte und sich als Machwerk des Herrn Jubber selbst erwies. Da jener erfinderische Schurke ohne Zweifel entdeckt hatte, dass das Gesetz ohnmächtig war, ihm Rache zu verschaffen, und dass er am besten täte, sich von Doktor Joyce als einer obrigkeitlichen Person so fern als irgend möglich zu halten, so versuchte er jetzt ganz listig, den Verlust des Kindes zu seinem eignen Vorteil zu benutzen, indem er sich einer frechen Lüge, welche in seinen großen roten Lieblingsbuchstaben erschien, bediente. Er benachrichtigte das Publikum durch seine Zettel, dass der Vater des geheimnisvollen Findlings dank der göttlichen Vorsicht entdeckt worden wäre, und dass er (Herr Jubber) das Kind sogleich ausgeliefert hatte, ohne sich im Geringsten zu bedenken, welchen Schaden er sowohl in seiner Einnahme als an seinem Gemüte durch den Verlust eines seiner zärtlich geliebtesten und besten Mitglieder erleiden würde. Hierauf wandte er sich vertrauensvoll an das Mitgefühl der ganzen Bevölkerung und an zärtliche Elternherzen insbesondere, ihn dadurch zu entschädigen und zu trösten, dass sie sich recht zahlreich in seinem Zirkus einstellten, und fügte noch hinzu, dass, wenn ein neuer Reiz notwendig wäre, um das Publikum zum Besuche seines Zirkus anzutreiben, er Vorkehrungen träfe, einen solchen in der Gestalt des kleinsten Zwerges auf der Welt zu gewähren, mit dem er jetzt wegen Engagements in Unterhandlung stände und der, wie er hoffte, in einigen Tagen zum ersten Male vor dem Rubbleforder Publikum erscheinen würde.

Auf solche Weise glaubte Herr Jubber die schimpfliche Niederlage, welche er durch Doktor Joyce erlitten hatte, in eine vorteilhafte Geldspekulation zu verwandeln.

Nach vielen sorgfältigen Bedenken und manchem ernsthaften Wortwechsel gelang es Frau Joyce, Herrn Blyth zu überreden, dass er die kleine Marie nach ihrem Bette herauftragen könnte, ohne dass sie erwachen würde.

Valentin trug sie sorgfältig auf seinen eignen Armen nach dem Schlafzimmer.

Sie legten sie vorsichtig auf das Bett und bedeckten sie leicht mit einem Schal – dann gingen sie wieder herunter, um auf Frau Peckover zu warten. Mit bekümmertem und abgespanntem Gesicht kam die Frau des Clowns nach einer halben Stunde, wie sie versprochen hatte. Außer dem Bündel, welches des Kindes wenige Kleider enthielt, brachte sie auch noch das Haararmband und das Taschentuch, welche bei der Mutter der kleinen Marie gefunden worden waren.

»Wo das Kind auch immer hingeht, so müssen diese beiden Dinge sie stets begleiten.«

Sie richtete diese Worte an Herrn Blyth und übergab seinen eigenen Händen das Haararmband und das Taschentuch.

Als Frau Peckover hörte, dass Marie oben schliefe, erregte dies eher eine beruhigende als traurige Empfindung in ihr. Sie ging hinauf, betrachtete sie auf ihrem Bettchen und küsste sie ganz leise.

»Sagen Sie ihr, dass sie an mich schreiben soll, mein Herr«, sagte die arme Frau Peckover, indem sie Valentins Hand festhielt und ihm durch Tränen gedankenvoll in das Gesicht sah. »Ich werde ihren ersten Brief an mich sehr hoch schätzen, wenn er auch nur einige Zeilen enthält. Gott segne Sie, mein Herr, und leben Sie wohl! Ich hoffe, dass ich bald nach London kommen werde, um sie selbst zu sehen. Aber vergessen Sie den Brief nicht, mein Herr, denn sobald ich einen von ihr bekommen haben werde, werde ich mich nicht mehr so sehr ängstigen.«

Nach diesen Worten entfernte sie sich eilig und verbarg ihre hervorquellenden Tränen. Herr Blyth und die kleine Marie verließen den andern Morgen frühzeitig die Wohnung des Rektors und fuhren mit dem ersten Postzuge nach London.