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»Nicht ein Härchen von meinem Kopfe soll zu dem Armbande kommen, – nicht ein einziges Härchen!« murmelte Frau Peckover, die immer während des Spiels aufmerksam auf diese Unterhaltung horchte.

»Das Haar, welches schwer anzubringen sein wird, ist das meinige und das Valentins«, fuhr Zack fort. »Das meinige ist sicherlich lang genug; ich hätte es mir schon vor einem Monate sollen schneiden lassen, aber es ist so steif und lockig, und Blyth hält das seinige so kurz zu gestutzt. Ich begreife nicht, was man daraus machen könnte, es sei denn, man fertigt Ringe oder Sterne oder sonst etwas Derartiges daraus.«

»Die Leute im Laden werden das am besten wissen«, sagte Frau Blyth mit dem Entschluss, sehr vorsichtig zu Werke zu gehen.

»Zu einer Sache habe ich mich jedoch schon vorher entschlossen«, rief Zack – »– es ist das Schloss. Das Schloss muss eine Schlange sein —«

»Welche ihren schurkischen Vater vorstellt! Dafür will ich stehen«, flüsterte Frau Peckover hinter den Karten leise vor sich hin, während ihre Gedanken immer noch bei der Madonna und ihrer Mutter verweilten.

»– Eine Schlange, fuhr Zack fort, mit Augen von Türkisen und einem Schweif von Karfunkeln und alle unsere Anfangsbuchstaben irgendwo auf den Schuppen angebracht. Wird das nicht köstlich sein? Ich möchte die Madonna noch gern heute Abend damit überraschen.«

»Sie sollen es ihr niemals geben, wenn ich es verhindern kann«, murmelte Frau Peckover leise vor sich bin sprechend. »Wenn irgendetwas auf der Welt ihr Unglück bringen kann, wird es ein Haararmband sein!«

Diese letzten Worte wurden in vollkommenem Ernste gesprochen, denn sie waren das Resultat des stärksten Aberglaubens.

Außer der Kenntnis des Lesens und Schreibens entbehrte Frau Peckover alles weiteren Wissens. Sie hatte für den größten Teil ihres Lebens – den frühesten Teil besonders – unter ebenso ungebildeten Personen, wie sie selbst, verlebt. Es gab von den vielen volkstümlichen Aberglauben, welche noch unter ihrer Klasse bestehen, keinen einzigen, den sie nicht kannte und an den sie nicht glaubte, – keine abergläubische Ansicht, die irgendeinen merkwürdigen Umstand entnommen werden konnte und die sie nicht bereit war, sogleich zu der ihrigen zu daneben. Von der Zeit an, wo das Haararmband zuerst bei der Mutter der Madonna gefunden worden war, hatte sich ihr die Überzeugung aufgedrängt, – und zwar bei dem Mangel an jeder Belehrung vom Gegenteil als gar nicht seltsam – dass es auf irgendeine Weise mit dem Elende und der Schande in Zusammenhang gestanden hätte, die seine unglückliche Besitzerin aus ihrer Heimat vertrieben hatte, um als eine Verstoßene unter Fremden zu sterben. Der Glaube nun, dass ein Haararmband der Mutter Unglück gebracht hätte, und die daraus hervorgehende Überzeugung, dass ein Haararmband daher auch dem Kind Unglück bringen würde, war eine vollkommen richtige und unvermeidliche Folgerung für das abergläubische Gemüt der Frau Peckover. Die Beweggründe, welche sie früher veranlasst hatten, ihrer kleinen Marie zu verbieten, jemals etwas Wichtiges an einem Freitage zu unternehmen, oder ihre Glückseligkeit dadurch zu gefährden, dass sie unter einer Leiter wegginge, waren gerade die nämlichen Beweggründe, welche ihr den Entschluss aufdrängten, die Überreichung des verhängnisvollen Geschenkes seitens des jungen Thorpe durch alle ihr zu Gebote stehenden Mittel zu verhindern, sogar auf die Gefahr hin, das Geheimnis zu entdecken, welches sie zu bewahren verpflichtet war.

Obgleich Valentin nur hier und da ein Wort von dem Selbstgespräch, welches Frau Peckover während des Spieles leise fortsetzte, aufgefangen hatte, so erriet er doch leicht genug den allgemeinen Inhalt ihrer Gedanken und vermutete, dass sie über kurz oder lang lauter als wünschenswert zu sprechen anfangen würde, wenn Zack nämlich mit seinem jetzigen Konversationsthema noch weiter fortfahren würde. Er benutzte daher eine Pause im Spiele und einen Rückfall des jungen Thorpe, unruhig im Zimmer aus und ab zu laufen, um sich dem Kissen seiner Frau zu nähern, wie wenn er dort etwas aufheben wollte, und ihr zuzuflüstern.

»Verhindere ihn, dass er noch ein Wort weiter über das Geschenk der Madonna spricht; ich will Dir das »Warum« ein andermal sagen.«

Frau Blyth gehorchte dieser Ermahnung sehr gern und bereitwillig, indem sie Zack sagte, dass sie, wie es auch wirklich der Fall war, durch die Ereignisse des Abends in Rücksicht auf ihren schwachen Gesundheitszustand schon ein wenig zu sehr aufgeregt worden wäre, und dass sie ihrerseits alles Sprechen und Zuhören auf den nächsten Abend verschieben müsste, wo sie ihm ihren besten Rat über das Armband erteilen zu wollen versprach. Er war jedoch zu sehr mit seinem Gegenstande beschäftigt, um ihn schon bloß auf einen höflichen Wink zu verlassen. Da er einen Zuhörer an Madame Blyth verloren hatte, versuchte er sein Experiment zum großen Erstaunen dieser Dame an den zwei Spielern am Kartentische.

»Vermutlich haben Sie gehört, worüber ich mit Madame Blyth gesprochen habe?« fing er an.

»O mein Himmel, Master Zack«, sagte Frau Peckover, »denken Sie, wir haben hier weiter nichts zu tun, als Ihnen zuzuhören? Bitte, sprechen Sie nichts weiter mehr mit uns, oder Sie werden uns ganz aus unserm Spiele herausbringen, was Sie unter keiner Bedingung tun dürfen, da wir um Geld spielen, sechs Pence das Spiel.«

Von beiden Seiten abgewiesen, war Zack genötigt aufzuhören. Er ging weg und versuchte sich am Bücherschrank zu amüsieren. Frau Peckover nickte und winkte mit einer sehr triumphierenden Miene Valentin mehrere Male über den Tisch zu und wünschte durch diese Zeichen seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass sie nicht nur selbst schweigen könnte, wenn die Unterhaltung auf einen verbotenen Gegenstand zu gelangen drohte, sondern dass sie auch andere Leute zum Schweigen bringen könnte.

Es herrschte nun vollkommene Ruhe im Zimmer, und das Spiel hatte seinen gehörigen Fortgang, aber nicht ganz so angenehm, wie bei andern Gelegenheiten. Valentin bekam seine gewöhnliche heitre Laune nicht wieder, und Frau Peckover fing wieder unzufrieden an, mit sich selbst zu flüstern – von Zeit zu Zeit nach dem Bücherschranke hin blickend, wo der junge Thorpe mit einem Band von Kupferstichen auf seinen Knien schläfrig saß. Es war für Jedermann mehr oder weniger eine Erleichterung, als das Abendbrot aufgetragen und die Karten weggelegt wurden.

Bei der Aussicht, sich ein wenig am Essen und Trinken zu ergötzen, wurde Zack wieder ganz lebhaft und versuchte auf das gefährliche Thema des Haararmbandes zurückzukommen indem er sich bei dieser Gelegenheit an Valentin direkt wandte. Er wurde aber unterbrochen, bevor er noch drei Worte gesprochen hatte. Herr Blyth erinnerte sich plötzlich, dass er dem jungen Thorpe selbst eine wichtige Mitteilung zu machen hätte.

»Entschuldigen Sie mich, Zack«, sagte er; »ich habe Ihnen einen kleine Neuigkeit zu erzählen, welche ich durch die Ankunft der Frau Peckover vergessen hatte, die ich aber jetzt sogleich nachholen will, da die Gelegenheit jetzt gerade passt. Meine beiden Bilder sind fertig – was denken Sie davon? – fertig und eingerahmt. Ich bestimmte gestern ihre Namen. Die klassische Landschaft soll das »goldene Zeitalter« genannt werden, was ein ziemlich poetischer Name ist, und das Figurenbild soll »Columbus im Anblick der neuen Welt versunken« heißen, ein Titel, der, wie ich denke, einfach, ergreifend und großartig ist. Warten Sie eine Minute! Das Beste kommt noch nach. Ich will schon am nächsten Sonnabend beide Bilder meinen Freunden und deren Bekannten in meinem Atelier zeigen.«

»Das ist wohl nicht Ihr Ernst!« rief Zack aus. »Wir haben nur erst Januar und Sie pflegten doch immer die Privatausstellung Ihrer eignen Bilder im April zu Hause zu veranstalten, kurz vorher, ehe sie nach der Akademieausstellung geschickt wurden.«

»Ganz recht!« schaltete Valentin ein, »aber ich will dies Jahr eine Veränderung vornehmen. Die Sache verhält sich einfach so: Ich habe eine Arbeit auf dem Lande anzufertigen, die meine Entfernung von hier im Frühjahr veranlassen wird. Diese Arbeit ist zwar kaum der Erwähnung wert, aber sie wird mich verhindern, meine Ausstellung zur gewöhnlichen Zeit zu veranstalten, also denke ich, es ist besser, wenn es jetzt geschieht. Die Bilder sind fertig und eingerahmt und so beschaffen, dass ich sie sehen lassen kann. Die Einladungskarten erhalte ich morgen früh vom Lithographen. Ich werde natürlich eine Partie für Sie reservieren, welche ich Ihnen morgen Abend bei Ihrem Besuche übergeben werde.«

»Ich danke Ihnen, alter Bursche; ich will eine Masse von Freunden hierher bringen. Und nun, um wieder auf das zurückzukommen, worüber ich vor einer Minute sprach —«

Aber Valentin ließ sich nicht fangen. Er hatte einige wichtige Zusätze zu der Einladungsliste zu machen, welche ihm gerade jetzt einfielen, und er schickte ihn unter vielen Entschuldigungen zu seiner Frau, um Lavinia nach seinem Notizbuch zu fragen.

Noch immer hartnäckig und unermüdlich, versuchte es Zack nun mit Frau Peckover; aber er wurde augenblicklich mit solcher außerordentlichen Rauheit und Strenge zurückgewiesen, dass er in Verzweiflung alle Hoffnung, seine Lieblingsidee von dem Haararmbande heute Abend weiter erklären zu können, aufgab und sich damit eine andere Unterhaltung verschafft, dass er mit der Madonna das Taubstummen-Alphabet übte.

Er war noch bei dieser Beschäftigung, als die Uhr auf Herrn Blyths Kamin halb elf schlug. Da er seine eignen besonderen Gründe hatte, um anscheinend mit vollkommenem Gehorsam seines Vaters Hausordnung zu bewahren, so stand er sogleich auf und wünschte gute Nacht, um pünktlich zu Hause zu sein, ehe die Haustür um elf verriegelt wurde. Diesmal vergaß er die Zeichnung der Madonna nicht, sondern zeigte soviel ungewöhnliche Aufmerksamkeit, dass er sein Taschentuch über den Rahmen band, um sie, wenn er sie über die Straßen trüge, vor Beschädigung zu bewahren, dass die Madonna ihn bei seinem Abschiede in der furchtlosen Unschuld ihres Herzens im Blick und Benehmen offenherzig zeigte, wie sehr sie die Aufmerksamkeit würdigte, welche er auf die sichere Erhaltung ihres Geschenks verwandt.

 

Niemals sah das liebliche junge Gesicht in ihrer naiven Seligkeit reizender aus, als indem Augenblicke, wo sie Zack die Hand reichte.

Gerade, als Valentin im Begriff war, seinen Gast aus der Stube zu begleiten, rief ihn Frau Blyth zurück, erinnerte ihn, dass er den Schnupfen hätte, und bat zärtlich, sich beim Heruntergehen nach der Tür der kalten Nachtluft nicht auszusetzen.

»Aber die Leute müssen jetzt schon im Bette sein; sie bleiben niemals so lange auf, wenn es ihnen nicht befohlen wird, und jemand muss die Tür verriegeln«, wandte Herr Blyth ein. »Es hat nichts zu sagen mit meinem Schnupfen Lavinia, und ich werde ihn sicher nicht verschlimmern, wenn ich meinen Hut aufsetze.«

»Ich will gehen, mein Herr«, sagte Frau Peckover, mit außerordentlicher Schnelligkeit aufstehend. »Ich will Herrn Zack herauslassen und die Tür öffnen. Wahrhaftig! es macht mir gar keine Mühe, ich gehe zu Hause immer von einem Orte zum andern, vom Morgen bis zum Abend, um nicht noch fetter zu werden, wie ich schon bin. Sagen Sie nicht nein, verehrte Frau, ich würde mich hier nicht heimisch fühlen, wenn Sie mir nicht gestatteten, mich nützlich zu machen. Und rühren Sie sich nicht, Herr Blyth, es wäre denn, Sie hätten nicht den Mut, eine alte Frau, wie mich, mit einem ihrer Besucher allein zu lassen.« Die letzten Worte wurden in spottender Absicht gesprochen und Valentin ins Ohr geflüstert. Er verstand darunter die Anspielungen auf ihre Privatunterhandlungen leicht genug und fühlte, dass, wenn er sie nicht ohne Widerspruch jetzt auf ihre eigne Weise handeln ließe, er durch Misstrauen riskierte, eine alte Freundin zu beleidigen, was unter den jetzigen Umständen lächerlich gewesen sein würde. Als seine Frau ihm bejahend zwickte, das ihm gemachte Anerbieten zu benutzen, so nahm er es sofort an.

»Jetzt will ich schon dafür sorgen, dass er ihr kein Haararmband gibt!« dachte Frau Peckover, als sie hinter dem jungen Thorpe her trippelte und die Zimmertür hinter sich schloss.

»Warten Sie ein bisschen, junger Herr«, sagte sie, sein weiteres Vorschreiten auf dem ersten Treppenabsatz verhindernd. »Hören Sie nur eine Minute lang auf zu sprechen und lassen Sie mich reden. Ich habe Ihnen etwas zu sagen. Denken Sie wirklich daran, ihr jenes Haararmband zu geben?«

»Oho, dann haben Sie doch etwas am Spieltische darüber gehört!« sagte Zack. »Denken? Natürlich denke ich das!« »Und Sie wollen etwas von meinem Haar dazu anwenden?«

»Sicherlich will ich das. Es würde der Madonna sonst nicht gefallen.«

»Dann täten sie sogleich besser, ihr ein anderes Geschenk zu geben; denn von meinem Haar soll sie auch nicht ein bisschen dazu haben. Was denken Sie nun jetzt davon?«

»Das glaube ich nicht, mein alter Liebling.«

»Und nichtsdesto weniger ist es dennoch wahr, das kann ich Ihnen sagen. Sie sollen nicht ein Haar von meinem Kopfe bekommen.«

»Warum nicht?«

»Kümmern Sie sich nicht darum. Ich habe meine eigenen Gründe dazu.«

»Sehr gut, wenn Sie es so haben wollen, so hab ich meine Gründe, warum ich das Armband gebe, und ich gedenke es zu geben. Wenn Sie nicht wollen, dass etwas von ihrem Haar hinein geflochten wird, so werden Sie nicht mich, sondern die Madonna kränken.«

Frau Peckover fing an zu merken, dass sie ihre Taktik ändern müsste, um keine Niederlage zu erleiden.

»Seien Sie doch nicht so fürchterlich hartnäckig, Mister Zack, und ich will Ihnen den Grund sagen«, sagte sie in einem veränderten Tone, indem sie weiter nach dem Gange hinunter ging. »Ich wünsche überhaupt nicht, dass Sie ihr ein Haararmband geben, ich glaube, dass es ihr Unglück bringen wird – nun!«

Zack brach in Lachen aus. »Nennen Sie das einen Grund? Wer hörte jemals früher, dass ein Haararmband eine unheilvolle Gabe wäre? O Sie geheimnisvolle alte Peckover! an was denken Sie denn nur?«

In diesem Augenblicke öffnete sich die Zimmertür der Frau Blyth.

»Ist irgendetwas am Schloss nicht in Ordnung?« fragte Valentin von oben. Er war erstaunt über die Zeit, welche schon verflossen war, ohne dass er die Haustür hatte verschließen hören.

»Alles ist daran in Ordnung, mein Herr«, sagte Frau Peckover, indem sie Zack zuflüsterte: »Still, sagen Sie kein Wort!«

»Lassen Sie sich nicht durch seinen Unsinn in der Kälte aufhalten«, rief Valentin.

»Meinen Unsinn!« fing Zack zornig an.

»Er geht schon, mein Herr«, unterbrach ihn Frau Peckover. »Ich werde in einem Augenblicke heraufkommen.«

»Bitte, komme doch herein, mein Lieber! Du lässt ja die ganze kalte Luft ins Zimmer«, rief Frau Blyth.

Die Zimmertür schloss sich wieder.

»Was zum Teufel haben Sie denn vor?« rief Zack mit außerordentlicher Verwunderung.

»Ich wünsche nur, dass Sie ihr ein anderes Geschenk geben möchten«, sagte Frau Peckover in ihrem schmeichelndsten Tone. »Sie mögen dies meinetwegen alles für eine Laune von mir halten, und ich will auch zugeben, dass ich eine alte Törin bin: aber ich wünsche nicht, dass Sie ihr ein Haararmband geben. Es gibt Massen von andern Geschenken, die Sie zum Ersatz dafür wählen könnten. – Ich würde Ihnen ebenfalls einen solchen Gefallen nicht abschlagen, Master Zack, wenn Sie ihn von mir verlangten!«

»Nun ich will mich hängen lassen, wenn ich nicht denke, dass einer von uns beiden zu viel Xereswein und Wasser beim Abendrot zu sich genommen hat – ich bin es aber nicht (Frau Peckover’s Wangen fingen sich vor Zorn zu röten an). Erst Gründe und nachher Launen, wie? Launen! O beim Himmel, wie sollte man nur denken, dass eine so bejahrte Frau wie Sie noch Launen hätte! (Die Wangen wurden noch röter.) Aber das soll mich nicht abhalten, ich werde ihr das Haararmband geben – ja und wenn Sie noch so ärgerlich aussehen, ich werde es doch tun! Mein Entschluss ist einmal gefasst und nichts in der Welt kann mich davon abbringen, ausgenommen, sie müsste denn schon ein Haararmband haben, was, wie ich weiß, nicht der Fall ist.«

»Das wissen Sie so ganz bestimmt, Sie erbärmlicher kleiner Teufel? Dann sage ich Ihnen ein für allemal, dass Sie es nicht recht wissen«, rief Frau Peckover aus, ihre Fassung gänzlich verlierend.

»Sie wollen doch das nicht etwa behaupten, meine Liebe! Das wäre doch sehr merkwürdig, wenn sie schon ein Haararmband hätte, und ich wüsste nichts davon – Frau Peckover«, fuhr Zack fort, indem er den Ton und die Manier seines alten geistlichen Freundes, des hochwürdigen Aron Yollop nachahmte, »was ich noch jetzt zu sagen habe, betrübt mich tief, aber ich habe eine feierliche Pflicht zu erfüllen, und in der gewissenhaften Erfüllung jener Pflicht drücke ich jetzt ohne Zaudern meine Überzeugung aus, dass die Bemerkung, welche Sie so eben gemacht haben – eine Lüge ist.«

»Es ist keine Lüge, Affe«, erwiderte Frau Peckover vor Zorn außer sich und heftig mit dem Kopf schüttelnd.

In demselben Augenblicke wurde Valentins Schritt in dem Zimmer oben hörbar, wie er sich zuerst nach der Tür bewegte und dann plötzlich wieder zurückwich, wie wenn er zurückgerufen worden wäre. »Ich habe noch nicht gesagt, was ich nicht hätte sagen sollen«, dachte Frau Peckover, sogleich wieder ruhiger werdend, als sie die Bewegung oben hörte.

»Also Sie bleiben wirklich dabei?« fuhr Zack fort. »Es ist beinahe sonderbar, alte Dame, dass mir Frau Blyth in dem Laufe des Abends über ihr kürzlich entdecktes Haararmband nichts hätte gesagt haben sollen. Aber sie weiß natürlich nichts davon und Valentin ebenso wenig vermutlich? Beim Jupiter! Er ist noch nicht zu Bette gegangen, ich will zurücklaufen und ihn fragen, oh die Madonna wirklich ein Haararmband hat.«

»Um des Himmels Willen tun Sie das nicht – sagen Sie kein Wort darüber!« rief Frau Peckover blass werdend, als sie an die möglichen Folgen dachte, und ergriff den jungen Zack beim Arm, als er im Gange bei ihr vorbeizukommen versuchte.

»Hallo!« rief Zack durch die plötzliche Veränderung in ihrem Gesicht ernstlich erschreckt, »was geht denn eigentlich hier vor?«

»Mein lieber, guter Bursche«, fuhr sie in einem schnellen Flüstern fort, »sagen Sie kein Wort darüber, oder Sie werden mich in eine schreckliche Verlegenheit bringen, viel Unheil anstiften und Herrn Blyth dahin treiben, dass er von mir Dinge dachte, die er um die ganze Welt nicht von mir denken soll. Sprechen Sie nicht, ich weiß, Sie können es nicht verstehen! – Wie sollten Sie es auch? O mein Himmel, ich wünschte, ich wäre nicht heruntergekommen und hätte überhaupt nicht mit Ihnen gesprochen! Nein, nein, sagen Sie kein Wort. Natürlich Sie können nicht begreifen, was das alles bedeutet – können Sie? O das tut nichts – wie? Das ist nicht Ihre Sache – wie? Sie haben keinen Grund sich danach zu erkundigen – haben Sie irgendeinen? Und Sie werden kein Wort sagen, oder darüber nachdenken, oder sich dessen entsinnen, wollen Sie? Still! Still! er kommt zu uns herunter!«

Die Schritte oben gingen wieder durch das Zimmer.

»Wohl an bei meiner Seele, von allen sonderbaren alten Frauen —«

»Still! er wird diesmal die Tür öffnen; er wird es wirklich!«

»O kümmern Sie sich nicht darum; ich werde nichts sagen«, flüsterte Zack, da ihn seine natürliche Gutmütigkeit antrieb, der Not der Frau Peckover ein Ende zu machen, in dem Augenblicke, wo er die feste Überzeugung gewann, dass es eine wirkliche wäre. »Und was meine Idee von dem Haararmbande betrifft – obgleich ich nicht die geringste Vorstellung von dem habe, was Sie die ganze Zeit über vor hatten – so will ich darin nichts tun, bis —«

»Sie sind ein guter Bursche! Ein lieber, guter Bursche!« rief Frau Peckover aus, Zacks Hand in warmer, unbegrenzter Dankbarkeit drückend.

Die Türe zu Herrn Blyths Zimmer öffnete sich zum zweiten Male.

»Ist er noch nicht fort?« erkundigte sich Valentin in einem Tone, welcher den schuldigen Ohren der Frau Peckover fürchterlich rau und verdächtig vorkam. Er würde diese Frage schon einige Minuten vorher gestellt haben, aber seine Aufmerksamkeit war durch eine Unterhaltung mit seiner Frau in Anspruch genommen worden, die zum Zwecke hatte, welchen Rat man dem jungen Zack in Bezug auf das für die Madonna beabsichtigte Geschenk erteilen sollte, wenn er am nächsten Abend zur Fortsetzung seiner Zeichenstunden kommen würde. Sie hätten sich aber die Mühe ersparen können, irgendeine Beratung über diesen Gegenstand anzustellen. Zacks Studienplan war vom ersten Anfange an bestimmt, unterbrochen zu werden.

»Er ist fort, er ist endlich fort, mein Herr!« sagte Frau Peckover, als sie mit ungastfreier Schnelligkeit die Türe hinter dem scheidenden Gast endlich zumachte und dieselbe mit ungemeiner Sorgfalt und einem außerordentlichen Geräusche verschloss.

»Ich muss mich morgen Abend bemühen, Zack dahin zu bringen, dass er von dem, was ich zu ihm gesprochen habe, mit keinem Andern weiter spricht, obgleich ich nicht glaube, dass ich ein einziges Wort gesagt habe, was ich nicht hätte sagen sollen, dachte sie leise die Treppe heraufsteigend. Aber Herr Blyth macht solchen Lärm und gerät gleich in eine so fürchterliche Unruhe und Furcht, dass dem armen Dinge nachgespürt und sie ihm entrissen werden könnte. Ja er würde ganz sicher glauben, ich hätte alles heraus geplaudert, und schließlich halb verrückt werden, wenn er erfahren würde, was ich jetzt eben zu Zack gesagt habe. Nicht etwa, als ob es eben viel wäre, was ich zu ihm gesagt habe, eben sowie das, was er auf irgendeine Weise entdeckt und zu mir gesagt hat. Aber diese jungen Londoner Burschen sind so schlau, sie sind so fürchterlich schlau!«

Hier stand sie auf dem Treppenabsatz still, um frei Atem zu holen, dann flüsterte sie zu sich selbst, als sie weiter ging und an Herrn Blyths Tür kam:

»Aber zu einer Sache habe ich mich entschlossen, die kleine Marie soll jenes Haararmband nicht haben.«

Sowie Frau Peckover in Gedanken vertieft die Treppe hinaufstieg, eben so ging Zack seinen ganzen Weg voller Verwunderung nach Hause.

Was zum Teufel konnte denn dieser außerordentliche Lärm über sein Geschenk an die Madonna möglicher Weise bedeuten? War nicht aus dem Schrecken, welchen die alte Peckover gehabt hatte, als er Blyth fragen wollte, ob die Madonna wirklich ein Haararmband hätte, klar zu ersehen, dass sie die Wahrheit und keine Lüge gesagt hätte? Und erhellte es nicht noch mehr daraus, dass sie ein Geheimnis preisgegeben hat, als sie jene Wahrheit sagte, welche ihr Blyth zu bewahren befohlen hatte? Warum es bewahren? Was suchte man darin, ein Geheimnis daraus zu machen, dass die Madonna im Besitze eines Haararmbandes wäre? Wer war die Madonna? Wie kam es, dass Blyth niemals irgendjemand das Geringste über den Ort sagen wollte, wo er sie aufgefunden hatte? Stand dieses geheimnisvolle Haararmband, dessen er sich niemals an ihr erinnern konnte und von dem Frau Blyth während seiner Unterhaltung über die Anfertigung seines gleichen Geschenkes kein Wort erwähnt hatte, gewissermaßen mit dem großen Geheimnis über den Ursprung der Madonna in Verbindung, das Valentin immer vor Jedermann verborgen gehalten hatte? War nicht dies alles zusammengenommen sehr möglich? Was machte es aber nach Allem aus, ob dem wirklich so war, oder nicht? Warum sollte er seinen Kopf mit etwas quälen, das ihm nichts weiter anging? War es nicht, wenn er alles zusammen betrachtete, und wenn er sich besonders des vorher vergessenen Faktums erinnerte, dass er nur fünfzehn Schillinge und drei Pence überhaupt zu seiner Verfügung hätte – eher ein glücklicher als unglücklicher Fall, dass die alte Peckover es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihn an dem Kaufe eines Gegenstandes zu verhindern, zu dessen Bezahlung er nicht die Mittel besaß? Würde nach dem, was er zu Frau Blyth gesagt hatte, sich eine Entschuldigung finden für die Nichtübergabe des kostbaren Geschenkes? Was konnte er noch für die Madonna kaufen, das hübsch und billig genug war, um den jetzigen Stand seiner Kasse nicht zu überschreiten? Würde ihr ein Fingerhut, ein Almanach, ein Paar Manschetten oder ein Topf Pomade gefallen?

 

Hier hörte Zack plötzlich mit den Fragen auf, die er in Gedanken an sich richtete, denn er war so weit gekommen, dass er seine Wohnung in Baregrove-Square sehen konnte.

Eine Veränderung ging in seinem hübschen Gesicht vor; er runzelte die Stirn und seine Gesichtsfarbe wurde dunkler, als er nach dem Lichte in seines Vaters Zimmer in die Höhe sah.

»Ich will heute Nacht wieder ausbleiben und das Leben genießen«, murmelte er mürrisch zu sich selbst, als er sich der Tür näherte. »Je mehr sie mit mir zu Hause toben, desto öfter will ich verstohlen ausgehen.«

Diese störrische Rede würde durch die Erinnerung an eine häusliche Szene hervorgebracht, die dadurch hervorgerufen worden war, dass sein Vater die Annahme seiner Einladung nach Valentins Hause missbilligte. Herr Thorpe hatte, wie schon früher einmal bemerkt, einen moralischen Abscheu gegen Valentins Stand und moralische Zweifel in Rücksicht auf Herrn Blyth selbst. Obwohl diese Zweifel nicht durch die nachteiligen Gerüchte erzeugt waren, welche Valentins Weigerung, das die Geburt und Verwandtschaft seines Adoptivkindes umhüllende Geheimnis aufzuklären, hervorgerufen hatten, so wurden sie aber hierdurch doch noch gesteigert. Herr Thorpe kannte seine Pflicht gegen seinen Nächsten und war zu gewissenhaft, irgendjemanden vorschnell und ungerecht zu beurteilen und sich durch ein bloßes Gerücht bei der Beurteilung von Herrn Blyths Charakter leiten zu lassen, aber die böse Welt hatte ihren trügerischen Einfluss auf ihn so gut wie auf Andere und verstärkte noch mehr, als er es selbst vermutete, seinen Verdacht, dass der Maler keine Person von festen Grundsätzen und kein hervorragendes Muster von Ehrenhaftigkeit wäre. Aus diesem Verdachte musste notwendiger Weise hervorgehen, dass er Herrn Blyth nicht für einen passenden Gefährten eines frommen jungen Mannes hielt, und er drückte streng genug sein unbegrenztes Erstaunen aus, als er bei seinem Sohn schon ein solches rückwärts schreitendes Vergessen der ausgezeichneten, ihm von dem hochwürdigen Aaron Yollop beigebrachten Lehren darin erblickte, dass er eine Einladung zum Tee von einer Person angenommen hatte, die einen zweifelhaften Charakter besaß. Zacks Erwiderung auf seines Vaters Tadel war ziemlich entschieden; er stellte alles in Abrede, was man gegen den guten Ruf seines Freundes vorbringen mochte, und als er wegen seiner unanständigen und sehr heftigen Redeweise zurecht gewiesen wurde, verlor er seine Fassung, verließ trotzig den väterlichen Teetisch, um in der bedenklichen Gesellschaft des Herrn Valentin Blyth Teekuchen zu essen.

»Sie kommen gerade zur rechten Zeit, mein Herr!« sagte der Laufbursche, seinen jungen Herrn angrinsend, als er die Tür öffnete. »Es ist auf den Schlag elf.«

Zack murmelte eine etwas mehr als derbe Abfertigung, deren Wiederholung gerade nicht ratsam sein möchte. Der Diener verschloss und verriegelte die Tür, während er seinen Hut auf den Tisch des Vorsaals setzte und sein Nachtlicht anzündete.

Fast länger als eine Stunde nach seiner Heimkunft, oder mit andern Worten, ein wenig nach Mitternacht wurde die Tür wieder leise geöffnet, und Zack erschien zu seiner nächtlichen Wanderung ausgerüstet auf dem Tritte.

Er zögerte, als er von außen den Schlüssel in das Schlüsselloch steckte und bevor er die Tür hinter sich schloss. Er hatte dies niemals bei andern Gelegenheiten getan und konnte auch nicht sagen, warum er es jetzt tat. Wir sind oft sogar uns selbst Geheimnisse, und es gibt Zeiten, wo die Stimmen der Zukunft, die in uns sind, wenn auch noch nicht die unsrigen, sprechen und unsern irdischen Teil von ihrer Gegenwart benachrichtigen. Am häufigsten fühlt unser irdischer Verstand, dass sie ihr totes Schweigen bei jenen wichtigsten Momenten unseres Daseins brechen, wo beider Wahl zwischen zweien anscheinend unbedeutenden Wechselfällen die ganze Zukunft unseres künftigen Lebens auf dem Spiele steht. Und so war es jetzt mit dem jungen Manne, welcher zweifelhaft an der Schwelle seines Hauses stand, ob er den Entschluss, der jetzt seine Gedanken beschäftigte, ausführen oder aufgeben sollte. Von dieser Wahl zwischen den beiden Wechselfällen, weiter oder zurück zu gehen – was das Schließen einer Tür entscheiden musste – hing jetzt seine eigene Zukunft und die anderer ihm teurer und mit ihm eng verbundener Wesen ab.

Er wartete eine Minute unentschieden, denn die warnenden Stimmen von innen waren mächtiger, als sein eigener Wille; er wartete und blickte gedankenvoll nach dem gestirnten, freundlichen Himmel der Winternacht empor, dann schloss er die Tür hinter sich, so leise wie gewöhnlich, zögerte auf der letzten Stufe, die zum Pflaster führte, noch einmal und eilte dann stracks von dannen, indem er schnellen Schrittes durch die Straßen wandelte.

Er war nicht in seiner gewöhnlichen, guten Laune. Er fühlte sich nicht, wie sonst, zum Singen aufgelegt, als ihn die frische, frostige Luft anwehte, und er wunderte sich, warum es so war.

Die inneren Stimmen sprachen immer schwächer und schwächer. Aber wir müssen sterben, ehe wir unsterblich werden, wie sie es sind; und ihre Sprache ist für uns in unserm Leben oft ein unbekanntes Idiom.