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In der Dämmerstunde

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Zweites Kapitel

Der Tod von Magdalene d’Ascoli verursachte eine große Veränderung in dem Leben ihres Vaters und ihres Onkels. Luca Lomi erklärte, es sei ihm unmöglich, noch länger in seinem Atelier zu arbeiten, wo seine Tochter so oft mit ihm verweilt habe. Er hatte in Neapel einige Bestellungen erhalten und war nach dieser Stadt gegangen, um dort zu arbeiten. Die Aufsicht über sein Atelier zu Pisa hatte er ganz seinem Bruder überlassen.

Nachdem der Meister abgereist war, ließ Pater Rocco die Bildsäulen und Büsten in dem Atelier seines Bruders mit Leinwand überziehen, verriegelte alle Türen, schloss alle Fenster und arbeitete nie wieder an dem Orte. wo sonst sein Lieblingsaufenthalt gewesen war.

Seinen Pflichten als Seelsorger kam er nach wie vor gewissenhaft nach. Seine regelmäßigen Visiten nach dem Palast d’Ascoli gingen nur bis zu der Lage des Portiers, dort fragte er nach dem Befinden des Kindes, welches unter der Fürsorge der besten Amme, die man hatte finden können, geblieben war.

Über Nanina hatte der Priester durch seinen Bekannten aus Florenz in Erfahrung gebracht, dass dieselbe bei einer der anständigsten Damen der Stadt beschäftigt sei. Er traf keine Anstalten dazu, sich bei dem jungen Mädchen zu rechtfertigen, sondern beauftragte nur seinen kleinen, höflichen Berichterstatter zu Florenz, ihm es anzuzeigen, sobald Nanina diese Stellung wieder verlassen sollte.

Die Verehrer des Paters behaupteten, dass sich derselbe je älter er werde, je mehr von den irdischen Beschäftigungen zurückziehe. Seine Feinde dagegen sagten, dass der Pater in diesem scheinbar unbeschäftigten Zustande Böses ausgrübele.

Dem Priester waren das Lob wie der Tadel gleichgültig. Er lebte weiter, wie es ihm beliebte.

Als Fabio nach Pisa zurückkehrte, war Rocco einer der Ersten, die ihn bewillkommneten. Diese erste Begegnung mochte jedoch nicht besonders freundlich geendet haben, denn Rocco wiederholte seine Besuche im Palast d’Ascoli nicht.

Er musste wohl einige Worte zu dem Wohle des jungen Mannes ausgesprochen haben, die diesem unbehaglich erschienen waren. – Die Leute wunderten sich ein wenig über den scheinbaren Bruch der beiden Verwandten, aber da die Menge gerade der Maskenball des Marquis Melani stark beschäftigte, so achtete sie nicht lange darauf.

Pater Rocco schien auch nun die Haupttrauer abgelegt zu haben, denn er öffnete das Atelier und ging wie früher seiner Lieblingsbeschäftigung, der Bildhauerkunst, nach.

Die Gehilfen Lomi’s meldeten sich, aber sie wurden nicht angenommen, da Rocco nur allein arbeiten wollte.

Die Leute, welche kamen das Atelier zu besuchen, wurden ebenfalls mit der Bemerkung abgewiesen, dass man ihnen nichts Neues zu zeigen habe.

So verging die Zeit, bis Nanina ihren Aufenthalt zu Florenz verließ. Es wurde dem Pater getreu Bericht darüber erstattet, aber er bemühte sich nicht, das junge Mädchen aufzusuchen; war er zu vertieft in seine Kunst, oder hatte er nicht Lust, sich deren Unwillen auszusetzen, man konnte es nicht genau bestimmen.

Am Morgen vor dem Balltage bedeckte der Pater Künstler seine Statuen aufs Neue, verschloss die Türen des Ateliers fest und begab sich in seine Wohnung. Es kamen einige Freunde zu ihm, aber er verweigerte es, sie zu empfangen, da er unwohl sei. – Hätten sie in sein Studierzimmer dringen können, so würden sie Rocco in der Tat furchtbar bleich und abgespannt gefunden haben.

Als sein Haushälter ihn am Abend des Tages drängte, etwas Speise und Trank zu sich nehmen zu wollen, erhielt er, zum ersten Mal in seiner Dienstzeit, einen recht scharfen Verweis.

Etwas später musste er mit einem Briefe nach dem Palast d’Ascoli gehen. Gleich darnach kam Fabio’s Diener mit der Antwort.

»Ah, die Beiden sind wieder befreundet, wie es scheint,« sagte der Haushälter zu sich selbst. Pater Rocco musste sich wohler fühlen, denn er rüstete sich zum Fortgehen und sagte zu dem Haushälter:

»Wenn Jemand nach mir fragen sollte, so können Sie ihn benachrichtigen, dass ich im Palast d’Ascoli bin.«

Doch der Pater ging noch einmal an seine Tür zurück und versuchte, ob dieselbe auch fest verschlossen sei.

Dann ging er.

Er fand Fabio in seinem Zimmer auf- und abgehend; er schien schlechter Laune zu sein, trotzdem ein schwarzer Domino für den Ball auf dem Tische ausgebreitet lag. Fabio hielt ein zerknittertes Stück Papier in der Hand.

»Ich wollte Ihnen eben schreiben, als ich Ihren Brief erhielt, der mir Ihre Freundschaft aufs Neue anbietet und, – die ich auch annehme,« begann Fabio. »Ich wurde freilich erzürnt darüber, dass Sie mir eine zweite Heirat förmlich verboten, und ich gebrauchte vielleicht Ausdrücke, die ich jetzt bereue, und für die ich um Verzeihung bitte. Es scheint übrigens, dass Sie es nicht allein sind, der sich für meine Wiederverheiratung interessiert, denn nachdem es bekannt wurde, dass ich den Ball bei Melani besuchen wolle, erhielt ich hier diesen infamen anonymen Brief! Hier-lesen Sie ihn selbst!«

Pater Rocco beschattete seine Augen, setzte sich zu der Lampe und las:

»Graf Fabio! In Pisa spricht man davon, dass Sie damit umgehen, sich wieder zu verheiraten. Da Sie die Einladung zu dem Balle im Palast Melani angenommen haben, so bestätigen Sie dies Gerücht. – Denn ein Witwer Ihres Standes begibt sich nicht ohne besondere Absichten unter die lachenden Frauen der Gesellschaft. Ändern Sie Ihren Beschluss und bleiben Sie zu Hause. Ich kenne Sie und kannte Ihre Gattin und ich ermahne Sie feierlichst: »Sie dürfen nie wieder heiraten!«

»Schlagen Sie meinen Rat in den Wind, so werden Sie es bis an das Ende Ihres Lebens zu bereuen haben. Ich habe ernste, sehr ernste Beweggründe zu meiner Warnung.

»Wenn Sie Ihrem Weibe »die Grabesruhe« gönnen, so besuchen Sie diesen Ball nicht!«

»Jetzt frage ich Sie und jeden Anderen, ob das nicht infam ist?« sagte Fabio, als der Priester ihm den Brief zurückgab. »Man versucht es, mich mit meinem armen toten Weibe zu erschrecken. Ich selbst denke kaum an eine zweite Ehe! Wessen Interesse kann es also sein, dass ich den Ball nicht besuche? Was bedeutet diese Phrase von der »Grabesruhe« meines verstorbenen Weibes? Können Sie mir Aufschluss geben, wer diesen niederträchtigen Brief geschrieben hat? Um des Himmelswillen, so sprechen Sie doch wenigstens!«

Der Priester stützte seinen Kopf auf seine Hand und sagte in seiner ruhigsten Tonart:

»Ich kann nicht früher sprechen, bis ich darüber nachgedacht haben werdet Das Geheimnis dieses Briefes ist nicht so schnell ergründet! – Er enthält Dinge, die Jedermann bestürzt machen und in Erstaunen setzen würden.«

»Welche Dinge?« fragte Fabio.

»Ich kann jetzt nicht darauf antworten,« erwiderte der Priester.

»Sie tun so geheimnisvoll, haben Sie mir nichts Bestimmtes darüber zu sagen?« fragte Fabio.

»Ja, ich ersuche Sie ebenfalls, nicht auf den Ball zu gehen. —«

»So! Und weshalb?«

»Wenn ich Ihnen meine Gründe nenne, so werden Sie wieder böse werden.«

»Pater Rocco,« sagte Fabio schnell, »Sie sprechen in Rätseln und sitzen dort im Dunkeln, um mir Ihr Gesicht zu verbergen; warum geschieht das?«

Der Priester blickte in die Höhe und brachte sein Gesicht in die volle Beleuchtung der Lampe.

»Ich rate Ihnen doch, höflicher mit mir zu verfahren,« sagte er zu dem Witwer, »und Ihre Worte mehr zu erwägen!«

»Wir wollen das Gespräch nicht weiter fortsetzen,« sagte Fabio, »ich habe nur noch eine Frage an Sie und dann nichts mehr.«

Der Priester neigte seinen Kopf wieder zu seiner Brust und schien zum Hören bereit, und zwar so, dass jeder Zug seines Gesichts voll beleuchtet war.

»Ich frage Sie, da Sie der Beichtvater und der Vertraute meines verstorbenen Weibes waren, ob diese gegen Sie oder irgend Jemand, einst den Wunsch ausgesprochen hat, dass ich mich in dem Falle, dass ich sie überleben sollte, nicht wieder verheiraten möge. Sprach sie nie zu Ihnen diesen Wunsch aus?«

»Sprach Sie nie zu Ihnen diesen Wunsch aus?« fragte Rocco.

»Weshalb stellen Sie eine Frage, wo ich eine Antwort erwarte?« bemerkte Fabio.

»Weil es mir nicht erlaubt ist, Fragen zu beantworten, die vielleicht ein Beichtgeheimnis berühren.« entgegnete der Priester.

»Wir haben genug gesprochen,« rief Fabio und drehte dem Priester den Rücken; »ich hoffte, Sie würden mir ein Geheimnis aufdecken helfen, statt dessen vergrößern Sie dasselbe. Und ich erkläre hiermit, dass kein Macht der Erde mich von dem Besuche des heutigen Maskenballes abhalten soll!«

»Keine Erden-macht!« wiederholte Rocco langsam und mit seltsamem Lächeln, »abergläubischer Graf Fabio! Fürchten Sie nicht die Macht einer andern Welt, die sich auch leicht bei den Maskenbällen der Sterblichen geltend machen könnte?«

Fabio blickte überrascht in das Gesicht des Priesters. Dieser fuhr fort:

»Sie finden, es ist besser unsere Unterhaltung nicht fortzusetzen. Ich denke, Sie haben Recht, trennen wir uns jetzt, so trennen wir uns noch als Freunde. Sie haben meine Warnung, nicht den Ball zu besuchen; jetzt Thun Sie, was Ihnen beliebt. Gute Nacht!«

Mit diesen Worten ging der Priester fort.

Drittes Kapitel

Der Ballabend war gekommen, der Domino und die Halbmaske lagen noch immer auf dem Tische in Fabio’s Zimmer; aber der Witwer entschloss sich noch nicht zum Fortgehen, trotzdem die bestimmte Stunde zu dem Anfange des Maskenballes schon lange vorüber war. Er zögerte und zögerte, ohne einen Grund dazu zu haben. Es schien ihm, dass der große, einsame Palast wieder den Zauber auf ihn ausübe, ihn zu fesseln. Das war Fabio seit dem Tode seiner Frau bisher nicht geschehen.

Er verließ sein Zimmer, und begab sich in das Zimmer, wo sein Kindchen in der Wiege ruhig schlummerte. Er setzte sich an das Bettchen und gedachte an vergangene Tage.

 

Dann ging er wieder in sein Zimmer zurück. Er nahm aber noch immer nicht den Domino um, sondern er öffnete eine Schublade und nahm den Brief Nanina’s daraus hervor und las ihn langsam durch.

Dann sagte er zu sich selbst: »Ich besitze Jugend, Geld, Titel, Alles was die Welt kostbar nennt und doch fühle ich mich so verwaist und traurig, habe Niemand der mich liebt, darum erinnere ich mich auch gern an das arme traute Mädchen, welches diese Zeilen schrieb.«

Alte Erinnerungen stiegen mächtig in ihm auf. Er gedachte an Luca Lomi’s Atelier, an seinen ersten Besuch bei Nanina, dabei saß er und zeichnete gedankenlos mit dem Bleistift verschiedene Figuren vor sich aufs Papier. Die Lampe wurde dunkler, er blickte auf die Uhr und sah, dass es bereits Mitternacht war.

Schnell nahm er Domino und Maske, und in wenigen Minuten war er auf dem Wege zu dem Ball- Lokale.

Als er ankam wurden gerade groteske Tänze aufgeführt, die das laute Gelächter der Gäste hervorriefen; als diese beendet waren, begaben sich die Anwesenden in die arkadischen Lauben, um sich zu neuen Tänzen mit Speise und Trank zu stärken.

Der Marquis hatte in seiner sonderbaren Weise die zwei Räume in ein Departement der schweren, das andere in das Departement der leichten Speisen, eingeteilt.

Die Gesellschaft hatte den Raum, wo es Pasteten und den Magen reell füllende Dinge zu verspeisen gab, so bevorzugt, dass noch zehn Schäferinnen aus dem anderen Raume zur Bedienung der Gäste herbeigeholt werden mussten; unter den fünf Mädchen, welche Limonade, Gefrorenes und mehr dergleichen leichte Kleinigkeiten verabreichten, war auch Nanina geblieben.

Der Intendant hatte sie dort gelassen, weil er sah, wie unangenehm der Lärm auf das junge Mädchen einwirkte.

Als Fabio eintrat hatte der Lärm in dem Departement des Reellen seinen Höhepunkt erreicht.

Die Kavaliere waren so entzückt über die Tracht der Hirtinnen, dass sie die jungen Mädchen in dem klassischen Latein der Virgil’schen Zeit ansprachen.

Sobald er den Gratulationen seiner Freunde über seine glückliche Rückkehr entschlüpfen konnte, suchte Fabio ein ruhiges Plätzchen auf.

Er ging durch den Tanz-Saal und befand sich, an dem äußersten Ende des Gebäudes angelangt, ebenfalls in einer arkadischen Laube, die jedoch, ihrer heiteren Stille wegen, vielmehr ihren Namen verdiente, als ihre geräuschvolle Namensschwester an dem anderen Ende des Festraumes.

Es waren sehr wenig Gäste in dem Zimmer, als Fabio eintrat; nachdem er sich die Dekoration flüchtig betrachtet hatte, setzte er sich auf ein Sofa in der Nähe der Tür und da es sehr heiß war, nahm er seine Maske ab.

Ein Aufschrei ertönte aus der Mitte der fünf Aufwärterinnen. Der junge Mann blickte auf und traute kaum seinen Augen, als er sich Nanina gegenüber befand.

Ihre Wangen waren blass; sie blickte fast entsetzt auf den jungen Edelmann.

Eine der anderen Aufwärterinnen wollte ihr beistehen, denn sie glaubte, Nanina sei plötzlich krank geworden.

Als Fabio näher kam, ließ sie ihr Haupt auf die Brust sinken und sagte:

»Ich glaubte nicht, dass Sie hier in Pisa seien! Ich glaubte nicht, dass Sie hierher zurückkommen würden! Wie falsch muss Ihnen das jetzt erscheinen, was ich Ihnen schrieb.«

»Wenn ich Ihnen doch sagen könnte, wie oft ich Ihren Brief las, wie sorgfältig ich ihn aufbewahrt habe!« antwortete Fabio.

Nanina wandte ihren Kopf fort, um ihre Tränen zu trocknen, dann sagte sie:

»Es wäre besser, wir hätten uns nie wieder gesehen.« Ehe noch Fabio Etwas erwidern konnte, sagte das andere Aufwarte-Mädchen:

»Ums Himmelswillen, sprechen Sie doch hier nicht zusammen, wenn es der Intendant sieht, werden wir Unannehmlichkeiten haben! Sie können sich ja morgen sehen.«

Fabio fühlte die Richtigkeit dieses Vorwurfs. Er riss ein Blatt aus seinem Taschenbuch und schrieb darauf:

»Ich muss Sie sprechen! Kommen Sie morgen früh zehn Uhr in den d’Ascoli-Garten. Glauben Sie an meine Ehrenhaftigkeit und Aufrichtigkeit so fest, wie ich stets an die Ihrige glaubte.«

Dann wickelte er einen kleinen Schlüssel, den er von den Petschaften an seiner Uhr losmachte, in das Papier und drückte es in Naninas Hand.

Er wollte noch einmal zu dem jungen Mädchen sprechen, aber die andere Aufwärterin bedeutete ihn, zu schweigen und zeigte nach einer Maske, die eben eingetreten war.

Fabio drehte sich um und erblickte eine ganz in gelb gekleidete weibliche Maske.

Die Kopfbedeckung war gelb, die Maske gelb und lange gelbe Fransen hingen von der Maske über den Mund fort; der Domino war ebenfalls gelb; die Ärmel und der untere Rand des Domino waren mit Spitzen aus demselben Stoff versehen. Die ganze Gestalt machte einen unheimlichen Eindruck.

Die pechschwarzen Augen der Frau glänzten durch die Löcher der Maske und die Fransen bewegten sich, durch den Atem bewegt, vor dem Munde hin und her.

Ohne ein Wort zu sprechen stand sie vor dem Tische und schien aufmerksam auf Fabio zu blicken.

Als er die Frau betrachtete, fiel ihm ein, dass die Farbe der Maske dasselbe Gelb zeige, wie das Lieblingsmeublement seiner verstorbenen Frau im Palast d’Ascoli. —

»Die gelbe Maske!« flüsterten die Schäferinnen und traten furchtsam hinter den Tisch dicht an einander, »schon wieder die gelbe Maske!«

»Bewegen Sie sie zum Sprechen!«

»Fragen Sie sie Etwas!«

»Dieser Edelmann wird sie zum Sprechen bringen,« sagten die Mädchen nach einander.

Fabio sah, dass Nanina sich abgewendet hatte und ihr Taschentuch vor die Augen hielt. Sie allein schenkte der Maske keine Aufmerksamkeit.

Die anderen Mädchen baten Fabio wiederholt ängstlich, er möchte doch die Maske ansprechen.

Fabio drehte sich um und behielt die Maske im Auge; sie schien ihn mit dem Feuer ihrer Augen versengen zu wollen und wohin er sich bewegte, folgten ihm diese merkwürdigen Augen.

Er ging aus das gespensterhafte Wesen zu, aber es bewegte sich nicht; er versuchte, es anzusprechen, aber die Stimme versagte ihm. —

Das leise, furchtsame Auftreten der Aufwärter-Mädchen, die Gestalt vor ihm, die Musik, das heitere Lachen der Menge in den anderen Sälen, alles dieses bestimmte ihn, schnell den Raum zu verlassen und sich unter frohe Menschen zu begeben, und er ging schnell in den Saal.

Er wollte hin, wo das Gewühl der Gesellschaft am dichtesten war, doch einer seiner Freunde, der sich eben von einem Kartentisch erhoben hatte und der Fabio noch nicht wiedergesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten:

»Willkommen, Graf Fabio, in der Gesellschaft! Aber warum sind Sie so entsetzlich bleich? Ihre Hände sind eiskalt! – Ich hoffe, Ihnen ist doch nicht unwohl?«

»Nein,« entgegnete Fabio, »ich hatte aber eben eine so sonderbare Begegnung mit einer seltsam kostümierten Gestalt, dass mir, ich weiß eigentlich nicht warum, ganz unheimlich zu Mute geworden ist.«

»Sie sahen sicher die gelbe Maske?« fragte der Andere.

»Ja, sahen Sie sie auch?«

»Jedem Gast ist sie bereits aufgefallen. Unser Gastgeber hat nicht die geringste Idee davon, wer sie sein könnte.

»Niemand vermag sie zum Sprechen zu bewegen.

»Wäre ich der Marquis Melani, so würde ich ihr sagen: »Madame, wir sind hier versammelt um froh und heiter zu sein, öffnen Sie Ihren Mund und entzücken Sie uns durch eine andere Toilette!« —

Während dieser Unterhaltung hatten die beiden Herren sich, mit dem Rücken der Tür zugewendet, gesetzt. Andrea d’Arbino sprach noch zu Fabio, als dieser plötzlich zusammen-schauerte, denn er hörte tiefes Atemholen hinter sich, er drehte sich schnell um.

In diesem Augenblick stand die gelbe Maske zwischen den beiden Männern und beugte sich zu ihnen nieder.

Fabio und sein Freund standen auf. Die Augen der gelben Maske schienen bis auf das Herz Fabio’s dringen zu wollen. —

»Gelbe Dame, kennen Sie meinen Freund?« fragte d’Arbino artig.

Es erfolgte keine Antwort. Die brennenden Augen blieben fest auf Fabio gerichtet.

»Gelbe Dame, hören Sie nur die köstliche Musik! Wollen Sie mit mir tanzen?« fragte d’Arbino weiter.

Die Augen ließen von Fabio ab und die unheimliche Gestalt glitt geisterhaft aus dem Zimmer.

»Mein teurer Graf, diese Frau scheint es wirklich auf Sie abgesehen zu haben! Sie sind noch bleicher geworden. —

»Kommen Sie in das Speisezimmer, wir werden Wein trinken, denn Sie bedürfen der Stärkung,« sagte d’Arbino und führte Fabio nach der arkadischen Laube mit den fünfundzwanzig Aufwärterinnen, die nun aber auch ganz leer geworden war, da alle Paare tanzten.

Dieser Raum war nicht in vollständig arkadischer Einfachheit, denn es befand sich über einem der Schenktische ein großer Spiegel. Vor demselben stand einer der Gäste und fächelte sich sorglos mit der Maske Kühlung zu.

»Mein Teurer,« rief d’Arbino dem Herrn zu, »Sie sind der geeignetste Mann dazu, uns den feurigsten Wein empfehlen zu können, den es hier gibt! Graf Fabio, ich stelle Ihnen hier meinen Freund, den Kavalier Finello vor, und ich wünschte, dass Sie mit ihm und seiner Familie bekannter würden. Ich sehe hier in Ihrer Nähe eine ganze Reihe Flaschen! —

»Meine schöne, schwarzäugige Schäferin, geben Sie uns gefälligst die drei größten Gläser, die Sie haben!« bat d’Arbino.

Die Gläser wurden gebracht und Finello füllte sie mit dem edelsten Wein, der zu haben war, und die drei Edelleute setzten sich dem Spiegel gegenüber nieder.

»Nun lasst uns trinkend,« sagte d’Arbino, »Finello, Graf Fabio, den Schönen von Pisa, ein Hoch! —«

Alle drei hoben die Gläser. Als Fabio sein Glas an die Lippen setzen wollte, erblickte er in dem Spiegel die gelbe Maske und er setzte das Glas ab, ohne den Wein gekostet zu haben.

»Was gibt es?« fragte d’Arbino.

»Lieben Sie diesen Wein nicht, Graf?« fragte Finello.

»Die gelbe Maske! Die gelbe Maske ist schon wieder sichtbar!« sagte Fabio halblaut.

Alle drei blickten zur Tür, aber es war nichts von der Gestalt zu entdecken.

»Weiß Jemand, wer die gelbe Maske ist?« fragte Finello. »Man sieht übrigens nur an Gang und Bewegung, dass es eine Frau ist. Sie hat irgend einen geheimen Beweggrund, hier so seltsam gekleidet von Zimmer zu Zimmer zu schleichen,« setzte der Kavalier hinzu.

»Ja,« entgegnete d’Arbino, »die gelbe Maske hat den Grafen d’Ascoli nicht nur um seine heitere Balllaune gebracht, jetzt stört sie ihn sogar sein Glas zu leeren.«

»Es ist das dritte Zimmer, in welches sie mir folgt,» sagte Fabio, »und zum dritten Male richtet sie ihre brennenden Augen so seltsam auf mich. Ich muss gestehen, meine Nerven sind noch nicht wieder gestärkt genug für Abenteuer und Bälle. Ihr Blick macht mich schaudern. Wer kann sie nur sein?»

»Wenn sie ihre Verfolgungen zum vierten Male wiederholt, so bitten Sie sie doch, dass sie sich demaskiere,« sagte Finello.

»Und wenn sie es verweigert?«

»Dann würde ich ihr selbst die Maske abnehmen,» setzte Finello hinzu.

»Man kann das einer Dame nicht antun,« sagte Fabio. »Ich werde mich in der Menge vor ihr zu verstecken suchen. Ich lasse Sie jetzt hier bei dem Wein, meine Herren, und hoffe Sie im Ballsaal wieder zu sehen.«

Fabio nahm seine Maske, begab sich in den Tanzsaal und suchte die dichteste Menschenmenge auf. Fürs Erste gelang ihm sein Plan, er sah die gelbe Maske nicht mehr.—

Endlich wurde ein Tanz arrangiert, wo die Paare sich in langen Reihen einander gegenüber standen. Die Zuschauer standen hinter den Tanzenden an den Wänden entlang.

Als Fabio auf das Präludium des Orchesters lauschte, blickte er die Reihen entlang und sah die gelbe Maske.

Er schritt weiter und suchte sich einen anderen Platz, aber kaum hatte er wieder die Tänzer von Neuem ins Auge gefasst, als er wieder die entsetzliche gelbe Maske erblickte.

Die Verfolgung wurde unerträglich und es bemächtigte sich seiner eine sonderbare Angst. Er kehrte in den Speisesaal zurück.

Die beiden Herren saßen nicht mehr bei dem Wein. Fabio stürzte schnell einige Gläser des feurigen Weines hinunter und beschloss, Finello’s Rat zu folgen, die gelbe Maske zu lüften. —

Er dachte, vielleicht wünscht sie, dass ich ihr zu einem stillen Zimmer folge, vielleicht will sie sich gerade vor mir demaskieren.

Mit diesem Gedanken beschäftigt, ging er durch alle Festräume, bis er wieder in die arkadische Laube kam, wo Nanina sich befand.

Die Aufwärterin, welche ihm früher schon den Rat gegeben hatte, mit Nanina hier nicht weiter zu sprechen, kam ihm bis zur Tür entgegen und sagte:

»Kommen Sie nur nicht wieder hier herein, das arme Mädchen wird sonst wieder weinen, denn der Intendant, der sie mit geröteten Augen und totenbleich hier gesehen hat, hat ihr bereits erklärt, dass sie nicht weiter bedienen dürfte und dass sie nach Hause gehen könnte, wenn sie wollte. Sie ist jetzt fort um ihre Kleider zu wechseln.«

 

Das junge Mädchen sprach nicht weiter, sondern zeigte nur über Fabio’s Schultern.

»Die gelbe Maske!» sagte sie darauf ängstlich und bat: »O Herr, führen Sie sie in den Ballsaal zurück, damit die arme Nanina in ihren alten Kleidern hier durch schlüpfen kann.«

Fabio drehte sich um und sah, dass die unheimliche Gestalt sich wieder zurückzog. Sie ging, von Fabio gefolgt, durch alle Räume, bis zu dem glänzend erleuchteten Korridor. Von demselben gelangte man rechts in die Festräume, links zu der großen Treppe des Palastes. Die gelbe Maske wendete sich langsam nach der linken Seite zu, dann stand sie still, und ließ ihre Augen einen Moment auf Fabio fallen, dennoch blickte sie auf Nanina, welche kam, um sich nach Hause zu begeben.

»Wo komme ich hier hinaus?« rief das junge Mädchen ängstlich, als sie die gelbe Maske erblickte.

»Hier durch!« sagte Fabio und zeigte nach dem Saale. »Man erwartet jetzt wieder einige Überraschungen und Niemand wird Sie beachten.«

Dann ergriff er den Arm Nanina’s und flüsterte ihr zu:

»Vergessen Sie nicht unsere Verabredung für morgen!«

In demselben Augenblick legte sich die Hand der gelben Maske auf ihn und nahm seine Hand aus der Nanina’s.

Er zitterte zwar, hatte aber doch so viel Besinnungskraft behalten, dass er Nanina ein Zeichen geben konnte, dass diese sich schnell entfernen möge.

Das junge Mädchen ging schleunigst fort.

»Wir sind jetzt allein,« begann Fabio zu der unheimlichen Maske, »sagen Sie mir nun, wer Sie sind und warum Sie mich verfolgen! Oder – ich nehme Ihnen die Maske ab und überzeugt mich selbst davon, wer Sie sind!«

Die Frauengestalt trat einige Schritte schweigend zurück. Er folgte ihr. Es war kein Augenblick zu verlieren, denn man hörte schon wieder Tritte nahen.

»Jetzt oder nie!« rief Fabio aus und wollte die Maske heben, aber die Frau stieß seine Hand zurück und nahm mit der anderen Hand ihre Maske selbst ab.

Die Lampen beleuchteten das Gesicht hell und deutlich.

Es war das Gesicht der verstorbenen Gräfin Magdalene d’Ascoli.