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Gesetz und Frau

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Zweites Capitel.
Die Vertheidigung von Mrs. Beanly

Die Tage, welche dem Diner des Major Fitz-David vorangingen, waren mir sehr kostbar.

Meine lange Unterhaltung mit Miserrimus Dexter hatte mich doch mehr angegriffen, als ich anfangs geglaubt. Erst mehrere Stunden, nachdem ich ihn verlassen, fühlte ich, wie nervös mich die Zusammenkunft gemacht. Beim geringsten Geräusch fuhr ich erschreckt empor; bei der kleinsten Gemüthsbewegung brach ich in Thränen aus. Absolute Ruhe war das was ich brauchte, und glücklicherweise konnte ich mir diese gewähren. Ich hielt es für selbstverständlich, daß ich meinem alten Freunde Benjamin nicht eher von meinem Besuch bei Mr. Dexter erzählte, als bis ich mich vollständig erholt haben würde. Ich empfing keine Besuche Mrs. Macallan kam zu mir, und Major Fitz-David machte mir seine Aufwartung, die Eine, um zu hören, was zwischen mir und Miserrimus vorgefallen, der Andere, um mich mit Stadtneuigkeiten zu unterhalten, ohne daß Einer von Beiden vorgelassen wurde. Benjamin nahm es auf sich, mich zu entschuldigen. Nachmittag nahmen wir einen offenen Wagen und machten eine erfrischende Spazierfahrt. Die folgenden Tage brachten wir damit zu, Domino zu spielen oder von alten Zeiten zu plaudern. Als der Tag des Diners herankam, hatte ich mich wieder vollkommen erholt und war begierig, Lady Clarinda vorgestellt zu werden.

Benjamin sah etwas betrübt aus, als wir zum Major Fug-David fuhren.

Die Erinnerung, welche mir von den Personen und Ereignissen des Diners geblieben, ist ziemlich unklar. Ich entsinne mich nur, daß wir sehr lustig waren, als wenn wir schon lange alte Freunde gewesen. Ich entsinne mich, daß Madame Mirliflore in ihrer prachtvollen Toilette und in der Art und Weise, wie sie dem splendiden Diner des Majors Gerechtigkeit widerfahren ließ, hoch über allen andern stand. Ich erinnere mich des Majors junger Primadonna, deren Anzug noch extravaganter, deren Stimme noch schärfer geworden war. Ich erinnere mich des Majors selbst, der fortwährend unsere Hände küßte, fortwährend schöne Redensarten sagte und von Anfang bis zu Ende den alternden Don Juan spielte. Ich erinnere mich, daß der alte Benjamin vollständig aus dem Häuschen kam, sich vor Madame Mirliflore fürchtete, vor Lady Clarinda schämte, dem Major Unterwürfigkeit zeigte, beim Gesang der Primadonna Zahnschmerzen bekam und sich von ganzem Herzen nach Hause sehnte. Am deutlichsten steht Lady Clarinda vor mir. Ich entsinne mich jedes Wortes, das ich mit ihr gesprochen, als wenn es gestern gewesen wäre.

Ich sehe ihre Kleidung, ich höre ihre Worte Sie trug einfachen weißen Mousselin über weißem Atlas, ohne irgend welchen Besatz oder sonstige Verzierungen. Ein kleines weißes Band, vorn durch eine Diamant-Broche zusammengehalten. Sie war außergewöhnlich schön, dennoch hatte ihre Schönheit etwas von dem harten und eckigen Character, dem man so oft in der englischen Aristokratie begegnet, die Nase zu dünn, das Kinn zu vorstehend und zu scharf geschnitten, die hübschen großen grauen Augen voll Geist und Würde, jedoch der Sanftmuth und Zärtlichkeit entbehrend. Ihr Benehmen athmete den ganzen Reiz, welchen feine Erziehung mit sich bringt und dabei die leichte Unbefangenheit, welche das Gespräch mit ihr so angenehm und flüssig machte. Sie gab ein Bild einer vornehmen Frau, die vollkommen frei von Stolz und Aufgeblasenheit ist.

Wir unterhielten uns vortrefflich miteinander. Verabredeter Maßen war ich ihr als Mrs. Woodville vorgestellt. Noch ehe das Diner vorüber war, hatten wir einander versprochen, uns besuchen zu wollen.

Es fehlte mir nur noch die Gelegenheit, das Gespräch auf Mrs. Beanly zu bringen.

Spät Abends kam diese Gelegenheit.

Nach dem Gesang der Primadonna hatten wir uns in ein kleines Hinterzimmer zurückgezogen. Wir saßen nebeneinander, beide ganz allein in dem Gemach, ungehört und ungesehen von der Gruppe, die sich um das Piano gesammelt hatte. Zu meinem unaussprechlichen Vergnügen brachte Lady Clarinda das Gespräch auf Miserrimus Dexter. Dann ging die Unterhaltung ebenso natürlich auf Mrs. Beanly über.

Welche Belohnung wurde mir endlich zu Theil! Während ich jetzt an meinem Pult sitze, und schreibe, sinkt mir das Herz in der Brust, wie es mir an jenem nie vergessenen Abende sank. —

»Also sprach Dexter wirklich zu Ihnen von Mrs. Beanly?« rief Lady Clarinda. »Sie glauben nicht, wie Sie mich dadurch in Erstaunen setzen.«

»Darf ich fragen warum?«

»Er haßt sie! Als ich ihn das Letzte mal sah, wollte er mir nicht erlauben, ihren Namen auszusprechen. Es gehört dies zu seinen zahllosen Seltsamkeiten. Und doch sind sie beinahe für einander geschaffen, denn wenn Mrs. Beanly in Extase geräth, sagt und thut sie Dinge, deren Dexter in ähnlichem Zustande sich nicht zu schämen hätte. Ich bin neugierig, ob sie Ihnen gefallen wird.«

»Sie sind so gut gewesen, mich einzuladen, Sie zu besuchen, Lady Clarinda. Vielleicht habe ich das Vergnügen, Mrs Beanly in Ihrem Hause zu begegnen.«

Lady Clarinda lachte, als ob sie diese Idee amüsirte.

»Ich hoffe, daß Sie nicht warten werden, bis der Zufall es so fügt,« sagte sie. »Helena’s letzte Laune besteht darin, sich einzubilden, daß sie die Gicht hat. Sie hat sich nach einem böhmischen oder ungarischen Bade begeben, dessen Namen ich vergessen. Und was sie nachher beginnen wird, ist ganz unmöglich vorher zu sagen. Liebe Mrs. Woodville! Ist es Ihnen hier zu warm? Sie sind ganz bleich geworden.«

Ich hatte das selbst gefühlt. Die Abwesenheit der Mrs. Beanly hatte mir einen Schlag gegeben.

»Wollen wir in das andere Zimmer gehen?« « fragte Lady Clarinda.

In das andere Zimmer gehen hieß der Unterhaltung ein Ende machen. Dahin durfte ich es nicht kommen lassen. Es war ja immerhin noch möglich, daß Mrs. Beanlys Mädchen nicht mit nach Ungarn gegangen sei, oder den Dienst ihrer Herrin bereits verlassen habe. Das mußte ich jedenfalls noch in Erfahrung bringen. Ich rückte meinen Stuhl etwas vom Feuer ab und nahm einen Handschirm vom Tisch. Wenn noch mehr dergleichen Nachrichten kamen, war es besser, wenn ich mein Gesicht maskiren konnte.

»Ich danke Ihnen, Lady Clarinda. Mir war allerdings etwas heiß. Sie setzen mich wegen Mrs. Beanly in Erstaunen. Nach dem, was Mr. Dexter mir sagte –«

»Oh, Mr. Dexter müssen Sie durchaus keinen Glauben schenken,« unterbrach mich Lady Clarinda. »Er liebt es, seine Hörer zu mystificiren und hat auch Sie ohne allen Zweifel irre geführt. Wenn alles, was ich vernommen, wahr ist, muß er mit Helena’s Seltsamkeiten und Capricen vertrauter gewesen sein, als die meisten Anderen ihrer Bekannten Beispielsweise belauschte er sie einst auf einem ihrer Abenteuer in Schottland, das mich lebhaft an Auber’s reizende Oper . . . Gott, wie heißt sie doch? . . . erinnert. Ich glaube, ich werde nächstens noch meinen eigenen Namen vergessen. Ich meine die Oper, in der die beiden Nonnen aus dem Kloster entwischen, um auf den Ball zu gehen. Hören Sie doch! – Ist das nicht seltsam? – Indem Augenblick, wo wir darüber sprechen, singt das gewöhnlich aussehende Mädchen die Castagnetten-Arie aus dem zweiten Akt. Major! – Bitte, sagen Sie mir doch . . . aus welcher Oper ist das Lied!«

Der Major war höchst mißgestimmt über die Unterbrechung.

»Pst! Pst! meine schöne Lady!« flüsterte er auf den Zehenspitzen in das Hinterzimmer tretend. »Aus dem »schwarzen Domino.« – Dann schlich er auf den Fußspitzen wieder zurück.

Ich hatte es ebenfalls gewußt, aber nicht die Kraft zum Sprechen gehabt. Wenn, wie ich vermuthete, das von Lady Clarinda erwähnte Abenteuer der Mrs. Beanly mit den geheimnißvollen Vorgängen am Morgen des 21. October zusammenhing, befand ich mich allerdings auf der Schwelle der wichtigen Entdeckung, der ich jede Stunde meines Lebens geweiht. Ich maskirte mit dem Handschirm mein Antlitz und sagte dann in dem ruhigsten Ton, dessen ich Herrin zu werden vermochte:

»Bitte, erzählen Sie mir doch das Abenteuer.«

Lady Clarinda fühlte sich geschmeichelt durch, mein eifriges Verlangen, die Geschichte hören zu wollen.

»Ich hoffe, daß meine kleine Erzählung sich des Interesses werth zeigen wird, das Sie die Güte haben, ihr zuzuwenden,« sagte sie. »Wenn Sie Helena doch kennten; es sieht ihr so ähnlich. – Sie müssen nämlich wissen, daß ich die Geschichte von ihrem eigenen Mädchen habe. Sie hat ein neues Mädchen mit nach Ungarn genommen, das fremde Sprachen spricht; die alte Dienerin wurde mir unterdessen anvertraut. Ein förmlicher Schatz! Ich würde sehr glücklich sein, sie in meinem Dienst behalten zu können, wenn sie nicht einen Fehler hätte . . nur einen einzigen, sie heißt nämlich Phöbe. Doch nun zur Sache! Helena und Phöbe hielten sich nämlich in einem Landhause bei Edinburgh auf, das, wenn ich mich recht entsinne, Gleninch hieß. Die Besitzung gehörte jenem Mr. Macallan, der später angeklagt wurde, seine Frau vergiftet zu haben. . . Sie erinnern Sich vielleicht des scandalösen Vorfalls. – Doch fürchten Sie Sich nicht, meine Erzählung wird nichts damit zu thun haben; sie beschäftigt sich nur mit Helena Beanly. Eines Abends also, und zwar während ihres Aufenthalts in Gleninch, wurde sie von einigen englischen Freunden aufgefordert mit ihnen zu diniren. An demselben Abend fand in Edinburgh ein Maskenball statt. Den Namen des Wirthes habe ich aber wieder vergessen. Wenn dies Ereigniß in dem strengsittlichen Schottland überhaupt schon verpönt war, so wurde es noch mehr in den Augen des Publikums, weil es eine ziemlich bunt zusammengewürfelte Gesellschaft sein sollte. Damen von zweifelhaftem Ruf, und Gentleman, die ganz damit zufrieden waren. Helena’s Freunde hatten trotzdem nicht der Versuchung widerstehen können, sich Einlaßkarten zu verschaffen und vertrauten dann dem Schutz ihrer Masken. Helena war natürlich auch zur Theilnahme aufgeforden worden, und da grade eine wilde Laune über sie kam, nahm sie sich vor, derselben Folge zu leisten. Es kam ja nur darauf an, das Abenteuer in Gleninch nicht bekannt werden zu lassen, da Mr. Macallan ein äußerst strenger Sittenrichter war und die Ansicht ausgesprochen hatte, daß jede Lady, die einen solchen Ball besuchte, ihres guten Rufes verlustig ginge. Helena fädelte die Sache aber ganz geschickt ein. Sie fuhr von Gleninch zum Diner nach Edinburgh, nachdem sie Phöbe bereits dahin vorausgesandt. Als das Essen vorüber und es Zeit war, wieder nach Hause zu fahren, setzte sie ihr Mädchen in die Kutsche und ließ es, statt ihrer, nach Gleninch zurückkehren. Die Täuschung konnte dadurch ermöglicht werden, daß Phöbe Mantel, Hut und Schleier ihrer Herrin anlegte. Das Mädchen wurde dahin instruirt, daß es gleich nach seiner Ankunft die Treppe hinauflaufen solle, nachdem als Entschuldigung, einen von Helena selbst geschriebenen Zettel auf den Flurtisch gelegt habe. Herrin und Dienerin waren von gleicher Größe, so daß das Gesinde in Gleninch leicht getäuscht wurde. Phöbe gelangte unangefochten in das Zimmer der Mrs. Beanly. Hier hatte sie die Weisung zu warten, bis das Hans zur Ruhe gegangen sei, und dann sich zu ihrem eigenen Zimmer hinabzuschleichen. Während des Wartens schlief das Mädchen jedoch ein und wachte erst um zwei Uhr morgens oder noch später wieder auf. Schnell ging sie auf den Fußspitzen hinaus und zog die Thüre hinter sich zu. Noch ehe sie am Ende des Corridors war, kam es ihr vor, als wenn sie ein Geräusch hörte. Sie wartete eine Weile und blickte dann verstohlen und unbemerkt nach oben. Da gewahrte sie Dexter auf den Händen umherhüpfend und durch die Schlüssellöcher guckend, zweifelsohne in der Absicht, die Person zu entdecken, welche um 2 Uhr morgens daß Zimmer verlassen, und ebenso zweifelsohne Phöbe, welche vergessen Mrs. Beanly’s Hut und Mantel abzunehmen, für deren Herrin haltend. Am andern Morgen in aller Frühe kehrte Helena in einem Miethsfuhrwerk und in geborgtem Hut und Mantel nach Gleninch zurück. Sie stieg auf der Landstraße aus und gelangte durch den Garten unbemerkt in das Haus. Nun, hat die Geschichte nicht Aehnlichkeit mit dem schwarzen Domino? – Am andern Tage fand das schreckliche Ereigniß der Vergiftung statt. – Aber Sie werden schon wieder bleich, liebe Mrs. Woodville. Es ist zu heiß im Zimmer. Nehmen Sie mein Riechfläschchen; ich will ein Fenster öffnen.«

 

»Bitte, lassen Sie mich hinaus in die frische Luft, und sagen Sie nichts!« konnte ich nur mit Mühe hervorbringen.

Ich gelangte auch unbemerkt auf den Flur und setzte mich auf eine Treppenstufe, um mich ein wenig zu erholen. Einige Minuten darauf fühlte ich eine sanfte Hand auf meiner Schulter und erblickte Benjamin, der traurig auf mich herabsah.

Lady Clarinda hatte ihn meinetwegen in Kenntniß gesetzt und ihn gebeten, mir seinen Beistand angedeihen zu lassen.

»Mein liebes Kind, was ist Ihnen?« flüsterte er mir zu.

»Bitte, bringen Sie mich nach Hause, dann will ich Ihnen Alles erzählen.« Mehr vermochte ich nicht zu sagen.

Drittes Capitel.
Ein Probestück meiner Weisheit

Zwei Tage waren seit Major Fitz-Davids Diner vergangen. Ich hatte mich nach der Zerstörung aller meiner Pläne für die Zukunft, nach der Vernichtung aller meiner Hoffnungen wieder ein wenig erholt.

Ich erkannte nun ganz deutlich, daß ich in übereilter Weise ein unschuldiges Weib in Verdacht gehabt, und daß ich gleichzeitig die flüchtigen und oberflächlichen Schlüsse Dexters für absolute Wahrheiten genommen.

Ich schämte mich meiner selbst, wenn ich an die Vergangenheit dachte, ich fühlte mich total entmuthigt und des Selbstbewußtseins bar, wenn die Zukunft vor meinen geistigen Blick trat. Ich war so tief gedemüthigt und niedergedrückt, daß ich zum ersten Male freundlich gebotenen Rath annahm.

»Mein liebes Kind,« sagte der gute alte Benjamin, nachdem ich ihm mein ganzes Herz ausgeschüttet. »Auch alledem, was Sie mir erzählt haben, kann ich aber dem Mr. Dexter nicht trauen. Versprechen Sie mir, daß Sie nicht eher wieder zu ihm gehen wollen, bis Sie vorher Jemand um Rath gefragt, der würdiger ist, ihn zu ertheilen, als meine geringe Wenigkeit.«

Ich gab ihm dies Versprechen, aber unter einer Bedingung.

»Wenn es mir nicht gelingt, jene Person zu finden,« sagte ich, »wollen Sie mir dann helfen?«

Benjamin gelobte mir, dies zu thun.

Am andern Morgen, als ich mir das Haar machte und meine Angelegenheiten die Revue passiren ließ, rief ich mir einen Entschluß ins Gedächtniß zurück, den ich vergessen, seit ich meines Gatten Prozeß gelesen; ich meine nämlich den Entschluß, wenn mir Miserrimus Dexter nicht von Nutzen sein könnte, ich mich an einen der beiden Fiscale wenden wollte, der Eustace’s Vertheidigung vorbereitet hatte, nämlich Mr. Playmore. Wie sich der Leser erinnern wird, hatte sich dieser Gentleman meinem Vertrauen empfohlen, als die Beamten des Sheriffs die Papiere meines Gatten durchsuchten. Auf die Zeugenaussage des Isaiah Schoolcraft zurückgehend, fand ich, daß Mr. Playmore von Miserrimus Dexter hereingerufen worden war, um Eustace mit Rath und That beizustehen. Er war daher nicht allein als Freund meines Mannes, sondern auch als persönlicher Bekannter von Mr. Dexter zu betrachten. Konnte ich einen besseren finden, um einiges Licht in die völlige Dunkelheit meines armen Lebens zu bringen? Benjamin billigte diesmal meinen Plan vollkommen und versprach mir, in der Ausführung desselben behilflich zu sein. Nach kurzer Zeit hatte ich bereits meinen Empfehlungsbrief an Mr. Playmore in Händen, vor dem ich mich dreist als Mr. Macallan’s zweite Frau präsentiren konnte.

Noch an demselben Abende begaben sich Benjamin und meine Wenigkeit mit der Eisenbahn nach Edinburgh. Vorsichtigerweise hatte ich einige Tage vorher an Miserrimus Dexter geschrieben, daß Geschäfte mich auf kurze Zeit von London abriefen, daß ich ihm aber sofort nach meiner Rückkehr das Resultat meiner Unterredung mit Lady Clarinda mittheilen würde.

Ariel brachte eine characteristische Antwort zurück:

»Mrs. Valeria! Ich bin ein Mann von schneller Auffassungsgabe, und ich vermag daher die ungeschriebenen Zeilen Ihres Briefes ebenso gut zu entziffern als die geschriebenen. Sehr gut! Ich verpflichte mich, Ihr Vertrauen zu Lady Clarinda zu erschüttern. Unterdessen fühle ich mich nicht beleidigt. In ernster Fassung erwarte ich die Ehre Ihres nächsten Besuches. Telegraphiren Sie mir, ob Sie wieder Trüffeln oder irgend eine leichte Speise genießen wollen. Für immer Ihr Verbündeter und Bewunderer, Ihr Poet und Koch – Dexter.«

In Edinburgh angelangt hatte ich mit Benjamin ein kleines Zwiegespräch.

Es handelte sich nämlich darum, ob ich allein oder in seiner Begleitung zu Mr. Playmore gehen sollte. Wir entschieden uns bald für das Erstere.

»Meine Welterfahrung ist allerdings keine große,« sagte ich, »aber ich habe die Bemerkung gemacht, daß in 9 Fällen unter 10 ein Mann einem Weibe stets Concessionen machte, wenn es ihm allein nahte. War es jedoch in Begleitung eines andern Mannes, habe ich fast immer gesehen, daß er zurückhaltend war und sich besann. Fällt mein erster Besuch bei Mr. Playmore nicht nach Wunsch aus, dann kann der zweite ja noch immer in Ihrer Begleitung gemacht werden.« – Diesen Argumenten hatte mein alter Freund beigepflichtet.

Ich sandte meinen Empfehlungsbrief an das Bureau des Mr. Playmore, dessen Privatwohnung in der Nähe von Gleninch lag..

Mein Bote brachte die höfliche Antwort zurück, daß mein Besuch ihm sehr angenehm sein werde. Pünktlich zu der bestimmten Stunde zog ich an der Klingel seines Bureau’s.

Viertes Capitel.
Ein Probestück meiner Thorheit

»Ich habe die Ehre ein alter Freund von Mr. Macallan zu sein,« mit diesen Worten empfing mich Mr. Playmore, indem er mir die Hand reichte; »und ich freue mich außerordentlich, jetzt auch die Bekanntschaft seiner Frau zu machen. Bitte, nehmen Sie doch Platz. Ist dies Ihr erster Besuch in Edinburgh? Ich, werde mich bemühen, Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Vielleicht gestatten Sie mir, daß ich Ihnen auch meine Frau vorstelle. Wir bleiben jetzt eine Weile in Edinburgh. Die italienische Oper ist hier; wir haben für heute Abend eine Loge. Wollen Sie bei uns speisen und uns dann in’s Theater begleiten?«

»Sie sind sehr gütig,« antwortete ich; »aber ich bin jetzt grade in niedergedrückter Stimmung und würde für Mrs. Playmore eine schlechte Gesellschafterin sein. Wie mein Brief Ihnen angedeutet, möchte ich weit lieber in sehr ernster Angelegenheit mit Ihnen sprechen.«

»Hm!« machte er. »Die Wahrheit zu gestehen, habe ich Ihren Brief noch gar nicht zu Ende gelesen. Verzeihen Sie mir diese Flüchtigkeit. Ein anderes Geschäft brachte mich davon ab. Also wirklich eine juridische Consultation?«

»Leider ja, Mr. Playmore! Ich befinde mich in einer sehr peinlichen Situation und bin hierhergekommen, Sie über höchst ungewöhnliche Dinge um Rath zu fragen. Sie werden erstaunen, wenn ich Ihnen sage, um was es sich handelt.«

»Ich stelle mich ganz zu Ihrer Verfügung,« « sagte Mr. Playmore. »Was kann ich für Sie thun, Mrs. Macallan?«

Die Freundlichkeit, mit der mir entgegengekommen wurde, ermuthigte mich, und ich erzählte ihm frei und offen meine seltsame Geschichte, ohne den leisesten Rückhalt.

Mr. Playmore hatte mir mit großer Aufmerksamkeit zugehört. Meine Trennung von Eustace betrübte ihn, mein Entschluß, gegen das schottische Verdict aufzutreten und mein ungerechter Verdacht gegen Mrs. Beanly riefen erst seine Heiterkeit hervor und dann sein Erstaunen. Die größte Wirkung übte ich aber auf sein Gemüth durch die Erzählung meines Besuches bei Miserrimus Dexter und meiner Unterhaltung mit Lady Clarinda. Ich sah ihn die Farbe wechseln. Dann murmelte er, als wenn er meine Anwesenheit ganz vergessen:

»Großer Gott! Könnte es denn möglich sein? – Sollte die Wahrheit dennoch gelogen haben?«

Ich nahm mir die Freiheit, ihn zu unterbrechen.

»Es scheint mir, als wenn ich Sie in Erstaunen gesetzt,« sagte ich.

Bei dem Ton meiner Stimme schreckte er zusammen.

»Ich bitte tausendmal um Entschuldigung« rief er aus. »Sie haben mich nicht allein in Erstaunen gesetzt, Sie haben meinen Gedanken einen ganz neuen Weg eröffnet. Ich bringe in diesem Augenblick mit dem Giftmorde in Gleninch eine Idee in Verbindung, die mir bisher noch nicht aufgestoßen. Das sind ja schöne Geschichten,« fuhr er dann in seinen alten Humor zurückfallend fort; hier bringt der Client seinen Advokaten auf die rechte Spur. Meine liebe Mrs. Macallan wie steht jetzt eigentlich die Sache. – Bedürfen Sie meines Rathes, oder bedarf ich des Ihren

»Wollen Sie mir vielleicht die neue Idee mittheilen die Ihnen gekommen?« fragte ich.

»Nicht in diesem Augenblick, wenn ich bitten darf,« entgegnete er. »Sie müssen gütigst meine nothwendige, geschäftliche Vorsicht berücksichtigen. Ehe wir daher weitergehen, gestatten Sie mir, erst noch einige Fragen an Sie richten zu dürfen.«

»Bitte, fragen Sie, Mr. Playmore.«

»Lassen Sie mich also bis zu dem Besuch zurückgehen den Sie mit Ihrer Frau Schwiegermutter bei Mr. Dexter machten. Ich glaube, Sie doch recht verstanden zu haben. Als Sie ihm zuerst mittheilten daß Sie Ihre eigenen Ideen über Eustaces erste Frau hatten, blickte er Sie mißtrauisch an, nicht wahr?«

»Sehr mißtrauisch.«

»Und sein Antlitz klärte sich wieder auf, als Sie erwähnten, daß Sie Ihre eigenen Ideen nur aus der Lesung des Prozesses geschöpft?«

»Ganz richtig.«

Mr. Playmore nahm ein Stück Papier aus der Schieblade seines Pultes, sann ein wenig nach und setzte einen Stuhl für mich dicht an seine Seite.

»Nun verschwindet der Advokat,« sagte er, »und der Mann nimmt dessen Stelle ein. Wir wollen keine professionellen Mysterien zwischen uns bestehen lassen. Als Ihres Gatten alter Freund fühle ich das lebhafteste Interesse für Sie. Ich muß Sie vor allen Dingen warnen, ehe es zu spät ist, obgleich ich dabei eine Gefahr laufe, der sich wenige Männer in meiner Stellung aussetzen würden. Ich setze das vollkommenste Vertrauen in Sie. Nun setzen Sie Sich hierher und blicken Sie über meine Schulter, während ich mir Bemerkungen mache. Wenn Sie mich schreiben sehen, werden Sie die Vorgänge in meiner Seele kennen lernen.«

Ich setzte mich und blickte über seine Schulter.

Er begann zu schreiben wie folgt:

»Der Giftmord in Gleninch – Frage: – In welcher Beziehung steht Mr. Dexter zu dem schrecklichen Ereigniß? Und was kann er muthmaßlicherweise darüber wissen?«

»Er birgt Geheimnisse in seiner Brust und er hegt Befürchtungen daß er dieselben verrathen habe, oder daß sie, auf ihm unbegreifliche Weise entdeckt worden seien. Er fühlt sich augenscheinlich erleichtert, wenn er glaubt, sich in seinen Befürchtungen getäuscht zu haben.«

 

Hier hielt die Feder inne, und Mr. Playmore legte mir neue Fragen vor.

»Kommen wir nun zu Ihrem zweiten Besuch,« begann er von neuem; »als Sie allein bei Mr. Dexter waren. Erzählen Sie mir noch einmal, was er that und wie er aussah, als Sie ihm sagten, daß Sie mit dem schottischen Verdict nicht einverstanden seien.«

Ich wiederholte, was ich bereits in diesen Zeilen niedergelegt.

Nachdem ich geendet, schrieb die Feder folgende Zeilen:

»Er hört, daß eine ihn besuchende Person das schottische Verdict im Prozeß Macallan nicht als ein endgültiges anerkennt. Was thut er darauf?«

»Er stellt alle Symptome panischen Schreckens zur Schau! er sieht sich in Gefahr; in einem Moment übermannt ihn der Zorn, im andern wird er feig und demüthig. Er will und muß wissen, welches die eigentliche Absicht der ihn besuchenden Person ist. Wenn er über diesen Punkt aufgeklärt ist, erbleicht er tödtlich und beginnt an seinen eigenen Sinnen irre zu werden. Darauf sagt er seinem Besuche auf den Kopf zu, daß dieser Jemand in Verdacht habe. Welche Frage drängt sich hier auf: Wenn man kleine Summen Geldes in einem Haushalt vermißt und die Dienerschaft zusammengerufen und ihr das Ereigniß mitgetheilt wird, was denken Sie von dem einzelnen Dienstboten der zuerst spricht und fragt: »Haben Sie mich vielleicht in Verdacht?«

Mr. Playmore legte die Feder abermals nieder.

»Ist das richtig?« fragte er.

Ich begann jetzt den Zweck des Schreibens einzusehen, Anstatt seine Frage zu beantworten bat ich ihn, mir die Erklärungen zu geben, welche noch gefehlt hatten, um mich zu überzeugen.

Mr. Playmore unterbrach mich, indem er warnend den rechten Zeigefinger hob.

»Noch nicht« sagte er. – »Sagen Sie mir, ob ich bis hierher Recht habe.«

»Vollkommen recht.«

»Schön Nun erzählen Sie mir, was zunächst geschah. – Wenn Sie Sich auch wiederholen; das schadet nichts. Ich bitte um alle Details, von Anfang bis zu Ende.«

Ich kam seinem Wunsche nach.

Mr. Playmore schrieb nun, zum dritten und letzten Mal, Folgendes:

»Er wird indirect dahin beruhigt daß er nicht die beargwöhnte Person sei. Er stößt einen langen erleichternden Seufzer aus; er wünscht eine Weile allein zu sein, unter dem Vorwande, daß die Unterhaltung ihn zu sehr aufgeregt habe. Als der Besuch wieder vorgelassen wird, hat Dexter währenddessen getrunken. Der Besuch kommt auf das alte Thema zurück . . . . nicht Dexter. Der Besuch hat die Ueberzeugung gewonnen, daß Mrs. Eustace Macallan durch einen Giftmörder gestorben ist und spricht dies offen aus. Dexter sinkt halb ohnmächtig in seinen Stuhl zurück. Das Entsetzen des Schuldbewußtseins hat ihn erfaßt. – Und wie befreit er sich wieder von den Einflüssen des Schreckens? Er flieht von einem Extrem zum andern und fühlt sich außerordentlich glücklich darüber, daß der Besuch seinen Verdacht auf eine abwesende Person gelenkt. Schließlich spricht er aus, daß, er von vornherein denselben Verdacht gehabt als sein Besuch. Dies sind Facta. Zu welchem Schluß führen sie uns?«

Er legte seine Notizen fort und betrachtete mein Antlitz, in der Erwartung, daß ich zuerst sprechen solle.

»Ich verstehe Sie, Mr. Playmore,« begann ich. »Sie glauben, daß Mr. Dexter —«

Sein warnender Zeigefinger unterbrach mich abermals-.

»Sagen Sie mir,« begann er dann, »wie Dexter sich äußerte, als er Ihrer Ansicht über Mrs. Beanly beistimmte.«

»Er sagte: »Da bleibt kein Zweifel mehr. Mrs Beanly hat sie vergiftet.«

»Und ich,« entgegnete der Advokat, »kann seinem guten Beispiele nur folgen und sagen: »Mr. Dexter hat sie vergiftet.«

»Scherzen Sie, Mr. Playmore?«

»Ich habe niemals in heiligerem Ernst gesprochen. Ihr vorschneller Besuch bei Dexter und Ihre kaum begreifliche Unklugheit, den Menschen in Ihr Vertrauen zu ziehen, hat zu den überraschendsten Resultaten geführt. Das Licht, das die berühmtesten Juristen Schottlands vergebens bemüht waren, auf den Giftmord in Gleninch zu werfen, ist durch einen Zufall durch eine Dame dorthin gelenkt worden, welche allen Vernunftgründen spottete und ihren eigenen, scheinbar unvernünftigen Weg gehen wollte. Fast unglaublich und dennoch vollkommen wahr.

»Unmöglich!« rief ich aus.

»Was ist umnöglich?« fragte der Advokat kühl.

»Daß Mr. Dexter meines Gatten erste Frau vergiftet.«

»Und weshalb dürfte das unmöglich sein? wenn ich fragen darf!«

Ich war beinahe wüthend aus Mr. Playmore geworden.

»Können Sie mir die Frage beantworten?« entgegnete ich indignirt. »Ich erzählte Ihnen, daß Mr. Dexter mit Achtung und Zuneigung, von Mrs. Macallan gesprochen. Er verehrt sie noch in der Erinnerung. Ich verdanke meine freundliche Aufnahme bei ihm nur der Aehnlichkeit, welche meine Figur mit der der Verstorbenen haben soll. Ich habe Thränen in seinen Augen gesehen; ich habe seine Stimme zittern gehört, wenn er von ihr sprach. Mr. Dexter mag der Schlechteste aller Menschen sein; aber mit Mrs. Macallan meinte er es gut. Es giebt Merkmale, durch die sich ein Weib niemals täuschen läßt, wenn ein Mann zu ihr von Herzensangelegenheiten redet. Ich habe jene Merkmale gesehen. Ebenso gut kann ich auch den Mord begangen haben, als er es that. Es thut mir leid, daß ich meine Meinung der Ihrigen entgegensetzen muß, Mr. Playmore; aber ich kann nicht anders. Ich muß Ihnen offen gestehen, daß ich beinahe böse auf Sie bin.«

Der Advokat schien eher angenehm berührt, als beleidigt zu sein.

»Meine theure Mrs. Eustace, Sie haben auch nicht den geringsten Grund, mir zu zürnen,« sagte er. »Ich theile ja eigentlich Ihre Ansicht, nur mit dem Unterschiede, daß ich noch etwas weiter gehe als Sie.«

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Das wird sofort anders werden. Sie beschreiben Mr. Dexters Gefühl für die verstorbene Mrs. Macallan als ein glückliches Gemisch von Achtung und Zuneigung. Ich sage Ihnen aber, daß jenes Gefühl ein weit wärmeres war. Ich habe meine Information von der unglücklichen Dame selbst, welche mich Jahre lang mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen beehrte. Ehe sie Mr. Macallan heirathete, war Mr. Dexter in sie verliebt, ein Umstand, welcher Eustace jedoch verborgen blieb. Miserrimus Dexter hielt, trotz seiner schrecklichen Verkrüppelung, ganz ernsthaft um ihre Hand an.«

»Und dennoch behaupten Sie, daß er die Arme vergiftet habe!« rief ich mit Indignation.

»Dennoch behaupte ich es. Ich finde keinen anderen Schluß, nach dem, was Sie mir erzählt. – Sie erschreckten ihn bis zur Ohnmacht. Wovor sollte er sich denn sonst gefürchtet haben?«

Ich war in der That um eine Antwort verlegen.

»Mr. Dexter ist ein alter und treuer Freund meines Gatten,« begann ich endlich. »Als er mich sagen hörte, daß ich mich bei dem Verdict nicht beruhigen könnte, beunruhigte er sich vielleicht Eustaces wegen . . . «

»Ah so!« unterbrach mich Mr. Playmore ironisch. »Er beunruhigte sich Ihres Gatten wegen, weil er die Folgen der Wiedereröffnung des Prozesses für ihn fürchtete. Dieser Ausspruch stimmt mit dem Glauben an Ihres Mannes Unschuld nicht recht überein. Wollen Sie gefälligst Ihren Kopf von einem Irrthum befreien,« fuhr er dann, ernster werdend, fort, »welcher Sie im Verlauf Ihrer ferneren Nachforschungen bedeutend mißleiten könnte. Glauben Sie meinem Wort, Miserrimus Dexter hörte an demselben Tage auf, Eustaces Freund zu sein, als dieser seine erste Frau heirathete. Dexter hat im Geheimen und im Oeffentlichen stets für seine Biederkeit zu wirken gewußt. Seine Zeugenaussage zu Gunsten seines Freundes wurde mit dem tiefen, überzeugenden Gefühl abgegeben, das Jedermann ihm zutraute. Dennoch bin ich der festen Ansicht, daß Mr. Macallan keinen grimmigeren Feind auf der weiten Erde hat, als Miserrimus Dexter.«

Mir wurde ganz kalt. Hier fühlte ich wenigstens, daß er Recht hatte. Mein Gatte hatte das Weib gewonnen, welches Dexters Hand zurückgewiesen. War Dexter der Mann, dies vergeben zu können? Meine eigene Erfahrung antwortete mir: Nein!«