Za darmo

Ein tiefes Geheimniss

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Als sein Auge auf die ersten Zeilen fiel, begannen seine Lippen an dem Mundstück seiner Pfeife auf eine Weise zu arbeiten, die bei ihm sehr ungewöhnlich war. Der Brief war nicht so lang, daß es nötig gewesen wäre, das erste Blatt umzuwenden, denn er schloß am Fuße der ersten Seite. Mr. Treverton las ihn durch bis auf die Unterschrift, sah dann die Adresse an und fing dann wieder von vorn an. Seine Lippen fuhren immer noch fort, an der Pfeifenspitze herumzuarbeiten, aber er rauchte nicht mehr.

Als er mit dem zweiten Lesen fertig war, legte er den Brief sehr sanft auf den Tisch, sah seinen Diener mit einer ungewohnten Zerstreutheit in dem Ausdrucke seiner Augen an und nahm mit einer Hand, welche ein wenig zitterte, die Pfeife aus dem Munde.

»Shrowl,« sagte er dann sehr ruhig, »mein Bruder ist ertrunken.«

»Ich weiß es,« antwortete Shrowl, ohne von dem Zeitungsstreifen aufzublicken. »Ich lese es eben hier.«

»Die letzten Worte, die er zu mir sagte, als wir uns wegen der Komödiantin stritten,« fuhr Mr. Treverton ebensowohl mit sich selbst als zu seinem Diener sprechend fort, »war, daß ich ohne ein einziges wohlwollendes Gefühl in meinem Herzen gegen irgend eine lebende Seele sterben würde.«

»Das werden Sie auch,« murmelte Shrowl, indem er den Streifen umdrehte, um zu sehen, ob auf der Rückseite auch etwas stünde, was des Lesens verlohnte.

»Ich möchte wissen, was er von mir gedacht hat, als er starb,« sagte Mr. Treverton, indem er nachdenklich den Brief wieder zur Hand nahm.

»Ganz gewiß hat er weder an Sie noch an jemand anders gedacht,« bemerkte Shrowl. »Wenn er überhaupt gedacht hat, so hat er daran gedacht, wie er sein Leben retten könne. Als er aufgehört hatte daran zu denken, hatte er auch aufgehört zu leben.«

Nachdem Mr. Shrowl auf diese Weise seine Meinung zu erkennen gegeben, ging er an das Bierfaß und zapfte seinen Morgentrunk.

»Verdammt wäre diese Komödiantin!« murmelte Mr. Treverton.

Indem er diese Worte sagte, umwölkte sich sein Gesicht und seine Lippen kniffen sich fest zusammen. Er strich den Brief auf dem Tische glatt. Es schienen in seinem Gemüt darüber Zweifel obzuwalten, ob er wirklich von dem ganzen Inhalt Kenntnis genommen oder ob nicht vielleicht noch etwas darin stünde, was er noch nicht entdeckt. Indem er ihn daher zum dritten Male vornahm, las er ihn sehr laut und sehr langsam vor, als ob er jedes einzelne Wort seinem Gedächtnis fest einprägen wollte.

»Sir!« las er. »– Als alter Ratgeber und treuer Freund Ihrer Familie erhalte ich von Mistreß Frankland, früher Miß Treverton, den Auftrag, Ihnen die traurige Nachricht von dem Tode Ihres Bruders mitzuteilen. Dieses beklagenswerte Ereignis geschah an Bord des Schiffes, dessen Kapitän er war, während eines Sturms, durch welchen das Schiff an einem Felsenriff auf der Höhe der Insel Antigua scheiterte. Ich lege hier einen der Times entnommenen ausführlichen Bericht über den Schiffbruch bei und Sie werden daraus ersehen, daß Ihr Bruder in Ausübung seiner Pflicht gegen die Offiziere und Mannschaften, die er befehligte, einen rühmlichen Tod fand. Ebenso lege ich auch einen aus dem cornischen Lokalblatt geschriebenen Artikel bei, der einen kurzen Abriß der Lebensgeschichte des Verstorbenen enthält.

»Ehe ich diese Mitteilungen schließe, muß ich hinzufügen, daß trotz des genauesten Nachsuchens unter den Papieren des verstorbenen Kapitäns Treverton kein Testament gefunden worden ist. Da er, wie Sie wissen, Porthgenna verkauft hatte, so bestand das einzige Vermögen, in dessen Besitz er sich zur Zeit seines Todes befand, in persönlichem, von dem Verkauf seines Landgutes herrührenden Eigentum, und dieses wird, da er ab intestato gestorben, den Bestimmungen unserer Erbgesetzgebung zufolge, auf seine Tochter als seine nächste Verwandte übergehen.

»Ich unterzeichne, Sir, als

Ihr gehorsamster Diener

Aalexander Nixon.«

Das auf den Tisch gefallene, aus der Zeitung geschnittene Blättchen enthielt den Artikel aus der Times. Den Streifen aus dem cornischen Blatt, welcher auf die Diele heruntergefallen war, schob Shrowl, sobald er ihn gelesen, in einer Anwandlung momentaner Höflichkeit seinem Herrn vor die Augen.

Mr. Treverton nahm nicht die mindeste Notiz weder von dem einen Artikel noch von dem andern. Er saß immer noch da und sah den Brief an, selbst nachdem er ihn zum dritten Male gelesen.

»Warum lesen Sie nicht das Gedruckte ebenso wie das Geschrieben?« fragte Shrowl. »Warum lesen Sie nicht, was für ein großer Mann Ihr Bruder gewesen, und was für ein gutes Leben er geführt und was für eine wunderbar schöne Tochter er hinterlassen und was für eine famose Partie diese mit dem Manne gemacht, der jetzt Besitzer Ihres alten Familienhauses ist? Die braucht Ihr Geld nun auf keinen Fall! Der böse Wind, der das Schiff ihres Vaters an den Felsen warf, hat ihr vierzigtausend Pfund in den Schoß geworfen. Warum lesen Sie das nicht? Die jungen Eheleute haben in Cornwall ein besseres Haus als Sie hier haben, freuen Sie sich nicht darüber? Sie wollten das alte Schloß von unten bis oben reparieren lassen, damit Ihr Bruder behaglich bei ihnen wohnen könnte, wenn er von seiner Seereise zurückkäme. Wer wird wohl jemals ein Haus für Sie reparieren? Ich möchte wissen, ob Ihre Nichte auch um Ihretwillen das alte Haus von unterst zu oberst kehrte, wenn es Ihnen einfiele, sich zu waschen und zu ihr zu gehen?«

Nach dieser letzten Frage schwieg Shrowl nicht aus Mangel an Worten, sondern aus Mangel an Mut, sie auszusprechen. Zum ersten Male, seit sie zusammen hausgehalten, hatte er versucht, seinen Herrn zu reizen ohne daß es ihm gelang. Mr. Treverton hörte zu oder schien zuzuhören, ohne ein Miene zu zucken – ohne das mindeste Anzeichen von Zorn in seinem Gesicht. – Die einzigen Worte, die er sagte, als Shrowl fertig war, waren die zwei:

»Geht hinaus!«

Shrowl ließ sich nicht so leicht schrecken, aber er wechselte förmlich die Farbe, als er diesen noch nicht dagewesenen bündigen Befehl hörte. Nachdem er von den ersten Tagen ihres gemeinschaftlichen Verweilens in diesem Hause an mit seinem Herrn gemacht was er gewollt, konnte er jetzt kaum seinen Ohren trauen, als er hörte, wie dieser ihm plötzlich befahl, das Zimmer zu verlassen !

»Geht hinaus!« wiederholte Mr. Treverton. »Und was meinen Bruder und meines Bruders Tochter betrifft, so haltet jetzt und für immerdar den Mund. Ich habe das Kind der Komödiantin nie gesehen und werde es auch nie sehen. Schweigt – laßt mich allein – geht hinaus!«

»Na, das sollst du mir schon entgelten,« dachte Shrowl, indem er sich langsam aus dem Zimmer entfernte.

Als er die Tür geschlossen, horchte er an derselben und hörte, wie Mr. Treverton den Stuhl auf die Seite schob und, wie mit sich selbst sprechend, auf und abging. Nach den verworrenen Worten, die ihm entfielen, zu urteilen, schloß Shrowl, daß seine Gedanken sich noch um die Komödiantin drehten, um welcher willen er sich mit seinem Bruder veruneinigt. Es schien ihm ein barbarisches Gefühl der Herzenserleichterung zu gewähren, seine Unzufriedenheit mit sich selbst nach der Kunde von Kapitän Trevertons Tod an dem Andenken des Weibes auszutoben, welches er so bitterlich haßte, und an dem Kinde, welches sie hinterlassen.

Nach einer Weile hörte der leise grollende Ton seiner Stimme gänzlich auf. Shrowl lugte durch das Schlüsselloch und sah, daß sein Herr die aus der Zeitung geschnittenen Streifen las, welche den Bericht über den Schiffbruch und die Lebensgeschichte seines Bruders enthielten. In letzterer ward auf einige der Spezialitäten hingedeutet, welche der Vikar von Long Beckley gegen seinen Gast erwähnt, und der Verfasser des Nekrologs schloß, indem er die Hoffnung aussprach, daß der Verlust, welchen Mr. und Mistreß Frankland erlitten, sie nicht abhalten würde, ihr Projekt, Porthgenna Tower reparieren zu lassen, in Ausführung zu bringen, da sie ja schon einen Baumeister abgesendet, um die Gebäude zu besichtigen.

Die Art und Weise, in welcher dieser Artikel geschrieben war, schien Mr. Trevertons Erinnerung wieder in die Zeit seiner Jugend zurückzuführen, wo das alte Familienschloß seine Heimat gewesen. Er flüsterte bei sich selbst einige schwermütige Worte in Bezug auf die Tage der Vergangenheit, erhob sich ungeduldig von seinem Stuhl, warf beide Zeitungsartikel in das Feuer, sah zu, bis sie verbrannt waren und seufzte, als die schwarze leichte Asche, von dem Luftzuge emporgetragen, in den Schlot hinauf verschwand.

Der Ton dieses Seufzers machte Shrowl ebenso stutzig, wie ein anderer Mensch vielleicht durch den Knall eines Pistolenschusses gemacht worden wäre. Seine Spürhundaugen öffneten sich vor Erstaunen und er schüttelte, während er von der Tür hinwegging, ominös den Kopf.

Siebentes Kapitel
Werden sie kommen?

Die Haushälterin von Porthgenna Tower hatte eben die nötigen Anstalten zum Empfang ihres Herrn und ihrer Herrin zu der in Mistreß Franklands Brief von St. Swithins-on-Sea erwähnten Zeit beendet, als sie durch den Empfang eines schwarzgesiegelten, mit einem breiten, schwarzen Trauerrand eingefaßten Briefes überrascht ward. Der Brief teilte kurz die Nachricht von Kapitän Trevertons Tod mit und meldete ihr, daß der Besuch der jungen Herrschaft in Porthgenna auf unbestimmte Zeit verschoben sei.

Mit derselben Post erhielt der Baumeister, welcher die Wiederherstellung der westlichen Treppe leitete, ebenfalls einen Brief, durch welchen er ersucht ward, sofort nach Beendung der Reparaturen, mit welchen er beschäftigt wäre, seine Rechnung einzuschicken, während man ihm zugleich mitteilte, daß Mr. Frankland vor der Hand nicht im Stande sei, dem Plan wegen Bewohnbarmachung der nördlichen Zimmer irgendwelche Aufmerksamkeit zu widmen, da er in Folge eines Trauerfalls vielleicht seine Absichten in Bezug auf die vorgeschlagenen Reparaturen in jenem Teile des Hauses ändern würde.

 

Nach Empfang dieser Mitteilung zog der Baumeister sich und seine Leute, sobald die westliche Treppe und das Geländer in Stand gesetzt waren, zurück und Porthgenna Tower blieb abermals der Obhut der Haushälterin und des Kastellans überlassen, ohne daß Herr oder Herrin, Freunde oder Fremdlinge die einsamen Gänge durchwandelt oder die leeren Zimmer belebt hätten.

Von dieser Zeit an vergingen acht Monate und die Haushälterin hörte von ihrem Herrn und ihrer Herrin nichts, ausgenommen hin und wieder durch einen Artikel in dem Lokalblatte, welcher zweifelhaft auf die Möglichkeit hindeutete, daß die junge Herrschaft vielleicht doch noch, und zwar in nicht sehr ferner Zeit, das alte Haus beziehen und sich für die Angelegenheiten ihrer Gutsuntertanen interessieren werde.

Der Kastellan sammelte, wenn Geschäfte ihn nach der Poststadt führten, ebenfalls zuweilen unter den alten Freunden und Schutzbefohlenen der Familie Treverton allerhand Gerüchte über seine Herrschaft.

Alle diese Mitteilungen bewogen die Haushälterin zu dem Schlusse, daß Mr. und Mistreß Frankland nach dem Empfang der Nachricht vom Tode des Kapitäns nach Long Beckley zurückgekehrt wären und hier einige Monate in der strengsten Zurückgezogenheit gelebt hätten.

Als sie diesen Ort verließen, begaben sie sich, wenn man der Zeitungsnachricht Glauben schenken durfte, in die Umgegend von London und bewohnten das Haus einiger Freunde, die auf dem Kontinent reisten. Hier mußten sie einige Zeit geblieben sein, denn das neue Jahr kam und brachte kein Gerücht von irgend einer Veränderung ihres Aufenthaltsortes. Januar und Februar vergingen, ohne daß man etwas von ihnen erfuhr.

In den ersten Tagen des März hatte der Kastellan Veranlassung, nach der Poststadt zu gehen. Als er nach Porthgenna zurückkam, brachte er in Bezug auf Mr. und Mistreß Frankland eine neue Nachricht mit, welche das Interesse der Haushälterin in außerordentlichem Grade rege machte. An zwei verschiedenen Orten, von denen jeder höchst achtbar war, hatte der Kastellan scherzhafterweise erwähnen hören, daß die häuslichen Verantwortlichkeiten seines Herrn und seiner Herrin wahrscheinlich dadurch vermehrt werden würden, daß sie gegen das Ende des Frühlings oder zu Anfang des Sommers eine Wärterin zu mieten und eine Wiege zu kaufen hätten. Kurz und unverblümt, unter den vielen Säuglingen, deren Erscheinen in der Welt im Laufe der nächsten drei Monate zu erwarten stand, befand sich auch einer, der den Namen Frankland führen und – wenn es glücklicherweise ein Knabe war – als Erbe der Herrschaft Porthgenna in ganz West Cornwall keine geringe Sensation hervorrufen mußte.

Im nächstfolgenden Monat, im Monat April, ehe noch die Haushälterin und der Kastellan mit Erörterung dieser letzten und wichtigsten Neuigkeit fertig waren, machte der Briefträger seinen willkommenen Besuch in Porthgenna Tower und brachte abermals einen Brief von Mistreß Frankland. Das Gesicht der Haushälterin verklärte sich vor ungewöhnlicher Freude und Überraschung, als sie die erste Zeile las. Der Brief meldete, daß der so lange aufgeschobene Besuch ihres Herrn und ihrer Herrin in dem alten Schlosse nun in den ersten Tagen des Mai stattfinden würde und ihre Ankunft vom ersten bis zum zehnten des Monats jeden Tag erwartet werden könne.

Die Gründe, welche die Besitzer von Porthgenna veranlaßt hatten, endlich eine Zeit zu dem Besuche ihres Landsitzes festzusetzen, hingen mit gewissen Einzelheiten zusammen, in welche Mistreß Frankland es nicht für rätlich gehalten in ihrem Briefe einzugehen.

Es hatte nämlich in Bezug auf den nächsten Wohnsitz, welchen sie nach der Rückkehr der Freunde, deren Haus sie jetzt bewohnten, wählen sollten, eine kleine Erörterung stattgefunden. Mr. Frankland hatte sehr vernünftigerweise vorgeschlagen, wieder nach Long Beckley zurückzukehren – nicht bloß weil ihre ältesten Freunde sämtlich in der dortigen Gegend lebten, sondern auch – und die Umstände ließen dies als eine besonders wichtige Erwägung erscheinen – weil der Ort den Vorzug hatte, einen ausgezeichneten Arzt zu besitzen.

Unglücklicherweise machte dieser letztere Vorteil, weit entfernt in Mistreß Franklands Augen als ein solcher zu erscheinen, sie vielmehr abgeneigt, wieder in Long Beckley zu wohnen. Sie hatte, wie sie gestand, von jeher eine durch nichts gerechtfertigte Antipathie gegen den dortigen Arzt gehabt. Er konnte ein sehr geschickter, ein außerordentlich höflicher und unleugbar achtbarer Mann sein, aber dennoch hatte sie ihn niemals leiden können und sie war deshalb entschlossen, sich dem Plane, in Long Beckley zu wohnen, zu widersetzen, weil die Ausführung desselben sie genötigt haben würde, sich der Obhut dieses Mannes anzuvertrauen.

Es wurden nun zwei andere Wohnorte in Vorschlag gebracht, Mistreß Frankland hatte jedem denselben Einwand entgegenzustellen; in beiden Fällen war der dort wohnhafte Arzt ihr fremd und sie konnte sich nicht mit dem Gedanken befreunden, sich von einem Fremden behandeln zu lassen.

Endlich ward, wie sie schon im voraus erwartet, die Wahl des künftigen Wohnorts ausschließlich ihrer eigenen Neigung anheimgestellt und nun beschloß sie zum Erstaunen ihres Gatten und ihrer Freunde sofort, nach Porthgenna zu gehen.

Diesen seltsamen Plan hatte sie gefaßt und war jetzt entschlossen, ihn auszuführen, teils weil sie neugieriger als je war, diesen Ort wiederzusehen, teils weil der Arzt, der ihre Mutter in ihrer letzten Krankheit und sie selbst als Kind bei allen ihren eigenen kleinen körperlichen Übeln behandelt, noch lebte und in der Umgegend von Porthgenna praktizierte.

Ihr Vater und dieser Arzt waren alte Freunde gewesen und hatten sich jahrelang jeden Sonnabend Abend an dasselbe Schachbrett gesetzt. Sie hatten ihre Freundschaft, als sie die Umstände trennten, jedes Jahr durch den Austausch von Weihnachtsgeschenken aufrecht gehalten, und als die traurige Nachricht vom Tode des Kapitäns nach Cornwall kam, hatte der Doktor einen Beileidsbrief an Rosamunden geschrieben, in welchem er von seinem frühern Freund und Gönner in Ausdrücken sprach, welche sie niemals vergessen konnte. Er mußte ein netter, väterlicher, guter alter Mann sein – von allen Ärzten in jeder Beziehung der geeignetste für sie.

Kurz, Mistreß Frankland war zu Gunsten des Arztes von Porthgenna ebenso stark eingenommen wie gegen den von Long Beckley und sie endete – wie alle jungen Frauen liebreicher Männer tun können und auch wirklich tun so oft es ihnen beliebt – damit, daß sie ihren Willen durchsetzte.

Am ersten Mai waren die westlichen Zimmer alle zum Empfang des Herrn und der Herrin des Hauses bereit. Die Betten waren gelüftet, die Teppiche ausgepocht, die Sofas und Stühle ihrer schützenden Hüllen entkleidet; die Haushälterin zog ihr Atlaskleid und steckte ihre Granatbrosche an; die Magd folgte in ehrerbietiger Entfernung in braunem Merino und einem Rosabande, und der kahlköpfige alte Kastellan, der sich von den Weibsleuten nicht ausstechen lassen wollte, produzierte sich in einer neuen, allerliebsten, eigens für diese Gelegenheit angeschafften, braunen Perücke und einer schwarzen Brokatweste, welche es an Schwärze und Glanz fast mit dem Atlaskleide der Haushälterin aufnehmen konnte.

Der Tag verging, der Abend kam, es ward Schlafenszeit – aber von Mr. und Mistreß Frankland war noch nichts zu sehen. Freilich war der erste Mai auch der früheste Tag, an welchem man sie erwarten konnte. Dies meinte der Kastellan und die Haushälterin setzte hinzu, es wäre töricht, sich in seiner Erwartung getäuscht zu fühlen, selbst wenn sie erst den fünften ankämen.

Der fünfte Mai kam, aber noch immer passierte nichts. Der sechste, siebente, achte und neunte folgten, aber kein Geräusch der erwarteten Wagenräder näherte sich dem einsamen Schlosse.

Am zehnten und letzten Tage standen die Haushälterin, der Kastellan und die Magd alle drei früher auf als gewöhnlich. Alle drei öffneten und schlossen Türen und gingen Treppen auf und ab öfter als nötig war; alle drei schauten fortwährend nach dem Moor und der Landstraße aus und die Aussicht kam ihnen einförmiger, langweiliger und leerer vor, als dies bis jetzt jemals der Fall gewesen.

Der Tag verging, die Sonne ging unter, die Dunkelheit verwandelte das fortwährende Ausschauen der Haushälterin, des Kastellans und der Magd in fortwährendes Horchen; es schlug zehn Uhr und immer noch war, wenn sie an das offene Fenster gingen, weiter nichts zu hören, als das langweilige, eintönige, ermüdenden, unaufhörliche Anschlagen der Brandung an die sandige Küste.

Die Haushälterin begann die Zeit zu berechnen, welche zu der Eisenbahnreise von London nach Devonshire und dann zu der Postreise durch Cornwall nach Porthgenna erforderlich wäre. Wann hatten Mr. und Mistreß Frankland Plymouth verlassen? – dies war die erste Frage. Und welche zeitraubende Schwierigkeiten hatte es ihnen vielleicht später gemacht, Pferde zu bekommen? – dies war die zweite.

Die Haushälterin und der Kastellan waren bei Besprechung dieser Punkte sehr verschiedener Meinung, beide aber kamen dahin überein, daß sie bis Mitternacht wach bleiben müßten, im Fall die Herrschaft doch noch ankäme. Die Magd, welche dies von den höhern Autoritäten gesprochene Urteil, das sie für die nächsten zwei Stunden von ihrem Bett verbannte, hörte, gähnte und seufzte wehmütig, bekam aber von dem Kastellan einen Verweis und von der Haushälterin ein Gesangbuch, um darin zu lesen und sich dadurch munter und bei guter Laune zu erhalten.

Es schlug zwölf Uhr und immer noch waren das eintönige Rauschen der Brandung und jenes laute geheimnisvolle, knisternde Geräusch, welches sich zuweilen in einem alten Hause des Nachts hören läßt, alles, was man vernahm. Der Kastellan war eingenickt, die Magd war durch den beschwichtigenden Einfluß in völlig festen Schlaf gesunken; die Haushälterin aber war vollkommen munter, hielt ihre Augen auf das Fenster geheftet und schüttelte von Zeit zu Zeit bedenklich den Kopf.

Beim letzten Schlage der Mitternachtsstunde verließ sie ihren Stuhl, horchte aufmerksam und da sie noch nichts vernahm, so rüttelte sie die Magd ärgerlich an der Schulter und stampfte mit dem Fuße auf die Diele, um den Kastellan zu wecken.

»Nun können wir zu Bett gehen,« sagte sie; »sie kommen nicht.«

»Sagtet Ihr, sie kämen gar nicht?« fragte der Kastellan, indem er schläfrig seine Perücke gerade setzte.

»Nein, ich sagte bloß, sie kämen nicht,« antwortete die Haushälterin spitz. »Ich für meine Person würde mich aber nicht wundern, wenn wir sie nach all unserer Mühe, die wir gehabt, um das Haus in Stand zu setzen, wirklich gar nicht zu sehen bekämen. Es ist dies das zweite Mal, das sie uns täuschen. Das erste Mal war der Tod des Kapitäns die Ursache. Was hält sie jetzt ab? Wieder ein Todesfall? Ich würde mich nicht wundern, wenn es der Fall wäre.«

»Ich auch nicht,« stimmte der Kastellan gähnend bei.

»Wieder ein Todesfall!« wiederholte die Haushälterin abergläubisch. »Wenn es wirklich wieder ein Todesfall ist, so würde ich diesen an ihrer Stelle als eine Warnung betrachten und mich von diesem Hause hier fernhalten.«