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II

28. November.

 Gott sei gepriesen für all seine Barmherzigkeit!



An diesem Tage gesellte sich unser Gast Marmaduke Felmer zum ersten Mal seit seiner Krankheit zu uns unten in der Wohnstube. Er war durch das zehrende, rheumatische Fieber welches ihn dem Tode nahe brachte, körperlich ganz heruntergekommen. Aber er ist noch jung und der Arzt zweifelt (menschlich gesprochen) nicht an seiner schnellen und gänzlichen Wiederherstellung. Meine Schwester hat die entgegengesetzte Ansicht. Sie bemerkte in seiner Gegenwart, dass niemand je ein rheumatisches Fieber vollständig überwunden habe. O Judith, Judith, es ist gut für die Menschheit, dass du eine ledige Person bist! Wenn vielleicht irgend ein Mann verzweifelt genug gewesen wäre, solch eine Frau durch die Ehe an sich zu fesseln, was für eine schwarz blickende Nachkommenschaft würde von dir hergekommen sein!



Wenn ich mein Tagebuch in den zwei letzten Monaten oder etwas mehr überblicke, finde ich eine eintönige Aufzeichnung der Leiden des armen Burschen, welche, wie ich mit Freuden hinzufüge, durch die hingebenden Dienste meiner Tochter am Krankenbette des Mannes erleichtert und gelindert wurden.



Mit einiger Hilfe von ihrer Tante (am bereitwilligsten gewährt, als die Todesgefahr am größten war) und mit den notwendigen Diensten, welche von zwei bejahrten Frauen aus Cauldkirk abwechselnd verrichtet wurden, hätte ihn Felicia nicht sorgsamer verpflegt haben können, wenn er ihr eigener Bruder gewesen wäre.



Zur Hälfte gebührte das Verdienst, ihn durchgerissen zu haben, wie der Arzt selbst bekannte, der besonnenen jungen Wärterin, die während der schlimmsten Zeit der Krankheit immer hilfsbereit war und während der folgenden langwierigen Genesung nie ihre Heiterkeit verlor.



Ich muss auch zu Gunsten Marmadukes erwähnen, dass er in der Tat, wie sich's gebührte, dankbar war.



Wenn ich ihn in das Besuchszimmer führte und er Felicia, lächelnd und für ihn die Kissen klopfend, am Lehnstuhl wartend sah, nahm er sie bei der Hand und brach in Tränen aus. Teilweise Schwäche, kein Zweifel – aber im Grunde aufrichtige Dankbarkeit, dessen bin ich ebenso gewiss.



29. November.

 Indessen gibt es Grenzen selbst für die aufrichtige Dankbarkeit. Dieser Wahrheit gegenüber scheint Herr Marmaduke nicht vorsichtig genug zu sein. Als ich heute bald nach Mittag in die Wohnstube trat, fand ich unseren genesenden Gast und seine Pflegerin allein. Sein Kopf ruhte auf ihrer Schulter; sein Arm war um ihre Taille geschlungen und (die Wahrheit über alles) Felicia küsste ihn.



Ein Mann mag von einer freien Geistesrichtung sein und kann sich doch entschieden der Freiheit entgegenstellen, wenn sie die Form von unerlaubtem Umarmen und Küssen annimmt, wenn die Person seine eigene Tochter und der Ort sein eigenes Haus ist.



Ich winkte dem Mädchen, uns zu verlassen und ging auf Herrn Marmaduke zu; aber als die Meinung über seine Aufführung mir gerade in Worten über die Lippen kam, versetzte er mich in Erstaunen, indem er um die Hand Felicias bat.



»Sie brauchen keinen Zweifel zu hegen, ob ich imstande bin, Ihrer Tochter eine behagliche und achtbare Stellung zu bieten«, sagte er, »ich habe ein festes Einkommen von achthundert Pfund das Jahr.«



Sein Entzücken über Felicia, seine Beteuerungen, dass sie die erste Frau sei, die er je wirklich geliebt habe, seine gottlose Erklärung, dass er zu sterben vorziehe, wenn ich es ablehnte, ihn ihr Gatte werden zu lassen – alle diese Schnörkel, wie ich sie nennen möchte, gingen mir zu einem Ohr hinein und zum anderen heraus.



Aber achthundert Pfund Sterling fürs Jahr, die gleichsam in einer goldenen Lawine in das Gemüt eines schottischen Geistlichen hineinfuhren, der seit dreißig Jahren je vierundsiebzig Pfund vor sich zu sehen gewöhnt war, achthundert Pfund jährlich in der Tasche eines jungen Mannes, das, sage ich, überwältigte mich vollständig.



Ich konnte gerade nur antworten: »Warten Sie bis morgen!« und eilte hinaus, um meine Selbstachtung wieder zu erlangen, wenn dies irgendwie möglich sein sollte. Ich nahm meinen Weg durch das Tal. Die Sonne schien wundervoll. Als ich meinen Schatten an der Seite des Hügels erblickte, sah ich das goldene Kalb als einen wesentlichen Teil meines Selbst, das die Inschrift in Flammenbuchstaben trug: »Hier ist ihrer noch eines.«



30. November.

 Ich habe für den gestrigen Abfall Ersatz geleistet; ich habe gehandelt, wie es meiner väterlichen Würde und meinem heiligen Berufe geziemt. Die Versuchung, anders zu handeln, hat nicht gefehlt. Schwester Judiths Rat war: »Versichere dich, dass er zunächst das Geld bekommt und nagele ihn ums Himmels willen fest.«



Herrn Marmadukes Vorschlag war folgender: »Machen Sie irgendwelche beliebige Bedingungen, sofern Sie mir nur Ihre Tochter geben!« Und endlich Felicias Bekenntnis:



»Vater, mein Herz hängt an ihm, es gehört ihm. O, sei nicht zum ersten Mal in deinem Leben unfreundlich gegen mich!«



Aber ich blieb fest. Ich weigerte mich, irgendetwas weiter über den Gegenstand von einem von ihnen in den nächsten sechs Monaten zu hören. »Ein so wichtiges Vorhaben, als es das Wagnis einer Heirat ist«, sagte ich, »soll nicht in einem plötzlichen Anlaufe ausgeführt werden. Sobald Herr Marmaduke reisen kann, ersuche ich ihn, uns zu verlassen und nicht vor sechs Monaten zurückzukehren. Wenn er nach dieser Zeit noch derselben Meinung ist, auch meine Tochter noch ebenso denkt, lass ihn nach Caulskirk zurückkehren und vorausgesetzt, dass ich in jeder anderen Hinsicht befriedigt werde – mag er bei mir um dich werben.«



Es gab Tränen, es gab Beteuerungen; ich blieb unerschütterlich. Eine Woche später verließ uns Marmaduke, um in kleinen Tagereisen sich nach dem Süden zu begeben. Ich bin kein harter Mann. Ich belohnte die Liebenden für ihren Gehorsam dadurch, dass ich Schwester Judith aus dem Wege hielt und sie ihre Abschiedsworte einschließlich Zubehör unter vier Augen sagen ließ.



III

28. Mai.

 Ein Brief von Marmaduke, welcher mich benachrichtigt, dass ich ihn zu Caulskirk erwarten möchte, genau beim Ablauf der sechsmonatlichen Frist: am 7. Juni.



Indem er zu diesem Zwecke schrieb, fügte er ein rechtzeitiges Wort in Betreff seiner Familie bei. Seine beiden Eltern waren tot; sein einziger Bruder hatte eine Zivilstellung in Indien, deren Ort genannt war. Sein Oheim (seines Vaters Bruder) war Kaufmann und in London wohnhaft, und auf diesen nahen Verwandten bezog er sich, wenn ich Nachforschungen über ihn zu machen wünschte. Es folgten die Namen seiner Bankiers, die ermächtigt seien, mir jede Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu geben. Nichts konnte klarer und redlicher sein. Ich schrieb an seinen Oheim und an seine Bankiers. In beiden Fällen waren die Antworten vollkommen befriedigend – nicht im geringsten Grade zweifelhaft, keine Ausflüchte, keine Geheimnisse.



Mit einem Worte, Marmaduke selbst war vollständig verbürgt und Marmadukes Einkommen war in Wertpapieren angelegt, die jede Besorgnis oder Zweifel ausschlossen. Selbst Schwester Judith, die geneigt war und eifrig versuchte, irgendein Loch in die Auskunft zu stechen, konnte daran nichts aussetzen.



Der letzte Satz in dem Briefe Marmadukes war der einzige Teil desselben, der mir beim Lesen keine Freude machen konnte. Er überließ es mir, den Tag für die Hochzeit festzusetzen, und bat mich, dies sobald als möglich zu tun.



Ich bekam einen Anfall von Herzweh, wenn ich daran dachte, mich von Felicia zu trennen und mit niemand als mit Schwester Judith zu Hause zurückzubleiben.



Indessen überwand ich dies damals; nachdem ich mich mit meiner Tochter beraten hatte, entschieden wir uns, einen Tag – vierzehn Tage nach der Ankunft Marmadukes – zu bestimmen; den 21. Juni.



Dies gab Felicia Zeit für ihre Vorbereitungen, außerdem bot es mir Gelegenheit, mit dem Charakter meines Schwiegersohnes besser bekannt zu werden.



Die glücklichste Heirat stellt unzweifelhaft ihre Forderungen an die menschliche Geduld, und ich war neben anderem besorgt, mich über das gute Gemüt Marmadukes zu vergewissern.



IV

22. Juni.

 Die glückliche Veränderung in dem Leben meiner Tochter – lasst mich nichts von der Veränderung in meinem eigenen Leben sagen – ist gekommen; sie wurden gestern verheiratet.



Das Pfarrhaus ist eine Einöde und Schwester Judith war mir nie eine so unsympathische Gefährtin, als wie ich sie jetzt empfand. Ihre letzten Worte an das junge Paar, als es wegfuhr, waren: »Der Herr helfe euch beiden; all euer Kummer steht euch noch bevor.«



Ich hatte nicht die Kraft, den Tagebuchsbericht gestern Abend wie gewöhnlich zu schreiben. Felicias Abwesenheit drückte mich völlig nieder. Ich, der ich so oft andere in ihrer Betrübnis aufgerichtet hatte, konnte für mich selbst keinen Trost finden. Selbst jetzt, wo der Tag vorüber ist, kommen mir die Tränen in die Augen, wenn ich nur davon schreibe. Traurige, traurige Schwäche!



Ich will mein Tagebuch schließen und die Bibel öffnen – lasst mich wieder mir selbst gehören!



23. Juni.

 Ergebener seit gestern, in einer geziemenderen und frömmeren Gemütsverfassung. Gottes heiligem Willen gehorsam und zufrieden in dem Glauben, dass meiner teuren Tochter Ehe eine glückliche sein werde.



Sie sind auf ihrer Hochzeitsreise durch Frankreich nach der Schweiz gekommen. Ich war alles andere eher als erfreut, als ich hörte, dass mein Schwiegersohn vorhatte, Felicia, in jenen Pfuhl der Sünde, nach Paris, mitzunehmen. Er weiß schon, was ich über Bälle, Theater und ähnlichen Teufels–Zeitvertreib denke und zu welchen Ansichten hierüber ich meine Tochter erzogen habe; der Gegenstand war in unserer Unterhaltung während der letzten Woche mehrfach berührt worden. Dass er daran denken konnte, mein Kind an den Hauptschauplatz unanständiger Tänze und abscheulicher Schauspiele, zu deklamierenden Schelmen und geschminkten Weibspersonen mitzunehmen, war wirklich ein schwerer Schlag für mich. Indessen söhnte mich Felicia zuletzt damit aus. Sie erklärte, dass, indem sie nach Paris gehe, ihr einziger Wunsch sei, die Gemäldegalerien, die öffentlichen Gebäude zu sehen und den hübschen äußeren Anblick der Stadt im allgemeinen zu genießen.

 



»Deine Ansichten, Vater, sind auch die meinigen«, sagte sie, »und Marmaduke wird sicherlich die Anordnungen so treffen, dass wir nicht einen Sonntag in Paris zuzubringen brauchen.«



Marmaduke mit seinem so guten Gemüt, von dem ich mehr als einen erfreulichen Beweis erhalten habe, willigte nicht allein ein, sondern versicherte mir überdies, dass es ihm selbst persönlich eine Beruhigung sein würde, wenn sie an den Bergen und Seen angelangt seien. So war diese Angelegenheit glücklich geordnet. Mögen sie gehen, wohin sie wollen, Gott segne und beglücke sie!



Wenn ich von Beruhigung spreche, muss ich erwähnen, dass Judith zum Besuche einiger Freundinnen nach Aberdeen gegangen ist. »Du wirst schon durch dich selbst hier unglücklich genug sein«, sagte sie beim Weggehen. Reine Eitelkeit und Selbstgefälligkeit! Mag es Ergebung in ihre Abwesenheit, oder mag es die natürliche Macht des Gemütes sein, ich fing an, ruhiger und gelassener in dem Augenblicke zu sein, wo ich allein war und dieses Glück des Gefühls hat seither ununterbrochen fortgedauert.



V

5. September.

 Eine plötzliche Veränderung in meinem Leben, die ich nur mit Bestürzung aufzuzeichnen vermag.



Ich gehe nach London!



Meine Absicht bei diesem so ernsten Schritt ist zwiefacher Art. Ich habe ein größeres und ein geringeres Ziel vor Augen. Das größere ist, meine Tochter zu sehen und selbst zu urteilen, ob gewisse Zweifel über die Lebensfrage ihres Glückes, welche mich jetzt Tag und Nacht quälen, unglücklicherweise auf Wahrheit beruhen.



Sie und ihr Gatte kehrten im August von ihrer Hochzeitsreise zurück und nahmen ihren Aufenthalt in Marmadukes neuem Wohnsitz in London.



Bis zu dieser Zeit waren Felicias Briefe an mich in voller Wahrheit die Wonne meines Lebens – sie war so vollkommen glücklich, so voll Staunen und Freude über all die wundervollen Dinge, welche sie sah, so voll von Liebe und Bewunderung für den besten Gatten, welcher je gelebt. Seit ihrer Rückkehr nach London bemerkte ich eine vollständige Veränderung. Sie brachte keine bestimmte Frage vor, aber sie schreibt in einem Tone des Überdrusses und der Unzufriedenheit; sie sagt fast nichts von Marmaduke, und sie verharrte fortwährend auf der einen Idee, dass ich nach London gehe und sie besuche.



Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich unrecht habe; aber die seltenen Anspielungen auf ihren Gemahl und der beständig wiederholte Wunsch, ihren Vater zu sehen, während sie noch nicht drei Monate verheiratet ist, scheinen mir schlimme Zeichen zu sein. Kurz, meine Besorgnis ist zu groß, als dass ich sie länger ertragen könnte.



Ich habe meine Angelegenheiten so mit einem meiner Amtsbrüder geordnet, dass ich frei bin, um wohlfeil mit einem Dampfer nach London zu reisen, und ich beginne morgen die Reise.



Der geringere Zweck meiner Reise mag in zwei Worten abgetan werden. Da ich mich schon entschieden habe, nach London zu gehen, will ich bei dem reichen Edelmann vorsprechen, welcher all das Land in der Umgegend besitzt, und ihm den jämmerlichen und wirklich gefährlichen Zustand der Pfarrkirche und den Mangel an Mitteln, die notwendige Reparatur vorzunehmen, vorstellen. Wenn ich mich gut aufgenommen finde, werde ich auch ein Wort für das Pfarrhaus einlegen, welches fast in einer ebenso jämmerlichen Beschaffenheit ist wie die Kirche. Mein Grundherr ist ein reicher Mann – möchte sein Herz und seine Börse mir geöffnet sein!



Schwester Judith packte meinen Mantelsack. Nach ihrer Gewohnheit sagt sie das Schlimmste voraus: »Vergiss nie«, bemerkt sie, »dass ich dich vor Marmaduke in der ersten Nacht warnte, als er das Haus betrat.«



VI

10. September.

 Nach mehreren Hindernissen zu Wasser und zu Lande wurde ich endlich in der Nähe des Tower gestern Nachmittag ans Ufer gesetzt. Gott helfe uns, meine schlimmsten Vorahnungen sind verwirklicht worden! Meine geliebte Felicia bedarf meiner aufs dringendste. Ich kann nicht leugnen, dass ich das Haus meines Schwiegersohnes in einer beunruhigten und gereizten Gemütsverfassung betrat. Zuerst wurde ich durch die beinahe endlose Reise von dem Flussquai bis zum Westende von London, wo Marmaduke wohnt, auf die Probe gestellt in dem lärmenden und unbequemen Fuhrwerk, welches man eine Droschke nennt.



Dann wurde ich durch einen Zwischenfall geärgert und beunruhigt, welcher noch auf der endlosen Reise von Osten nach Westen in einer Straße dicht an dem Markt vor Covent–Garden stattfand. Wir hatten uns gerade einem großen Gebäude genähert, welches sehr verschwenderisch mit Gas erleuchtet war, und an welchem ungeheure farbige Plakate ausgehängt waren, auf welchen nichts als der Name Barrymore stand. Die Droschke stand plötzlich still, und indem ich herausschaute, um zu sehen, was für ein Hindernis vorhanden sein möchte, entdeckte ich einen gewaltigen Auflauf von Männern und Frauen, quer über das Trottoir und die Straße sich ziehend, sodass es unmöglich schien, an ihnen vorbeizukommen. Ich befragte den Kutscher, was diese Volksversammlung zu bedeuten habe. »O«, sagte er, »Barrymore hat wieder etwas Neues im Werk.« Da diese Antwort mir vollständig unverständlich war, bat ich um weitere Erklärung und erfuhr, dass Barrymore der Name eines Schauspielers war, der bei der Masse in Gunst stand, dass das Gebäude ein Theater war, und dass alle diese Geschöpfe mit unsterblicher Seele warteten, bis dass die Türen geöffnet wurden, um Plätze zum Schauspiel zu bekommen.



Die Gefühle des Kummers und des Unwillens, die durch diese Entdeckung verursacht wurden, nahmen mich so in Anspruch, dass ich nicht bemerkte, wie der Kutscher versuchte, durchzukommen, wo die Menge weniger dicht zu sein schien, bis das beleidigte Volk das Weiterfahren übelnahm. Einige von ihnen ergriffen die Zügel des Pferdes, andere waren daran, den Kutscher vom Bock zu zerren, als die Polizei vorsorglich sich einmischte. Unter ihrem Schutz zogen wir uns zurück und erreichten unsere Bestimmung in Sicherheit auf einem anderen Wege. Ich erwähne dieses sonst unwichtige Begebnis, weil es mich kränkte und empörte, wenn ich an die Seelen der Leute dachte und so mein Gemüt unfähig machte, einen heiteren Eindruck von irgendetwas anderem zu erhalten. Unter diesen Umständen gab ich mich der Hoffnung hin, die Sachlage hinsichtlich des ehelichen Lebens meiner Tochter übertrieben zu haben.



Mein gutes Mädchen erstickte mich fast mit Küssen. Als ich endlich dazu kam, sie zu betrachten, fand ich, dass sie blass, erschöpft und ängstlich aussah. Es ist die Frage: Würde ich zu diesem Schluss gelangt sein, wenn ich vorhin nicht der gottlosen Verschwendung in London begegnet und wenn ich behaglich in einem bequemen Fuhrwerk gefahren wäre?



Sie hatten ein kräftiges Mahl für mich bereitet, und, wie ich's gerne habe, einen echt reinen schottischen Branntwein. Jetzt bemerkte ich wieder, dass Felicia sehr wenig aß, und Marmaduke gar nichts. Er trank auch Wein – und, guter Himmel, Champagner! – sicherlich eine unnötige Geldverschwendung, wenn es Branntwein auf dem Tische gab. Als mein Appetit befriedigt war, verließ mein Schwiegersohn das Zimmer und kehrte mit dem Hute in der Hand zurück. »Sie und Felicia haben über manches an diesem ersten Abend miteinander zu plaudern. Ich will euch für eine Weile verlassen, – ich würde euch nur im Wege sein.«



So sprach er. Vergebens versicherte ihm seine Frau und ich, dass er durchaus nicht im Wege sei. Er küsste ihr die Hand, lächelte verbindlich und verließ uns.



»Da, Vater!« sagte Felicia. »In den letzten zehn Tagen ging er aus wie diesmal und ließ mich während des ganzen Abends allein. Als wir zuerst aus der Schweiz zurückkehrten, verließ er mich in derselben geheimnisvollen Weise, nur war es damals nach dem Frühstück. Jetzt bleibt er bei Tage zu Hause und geht abends aus.«



Ich fragte, ob sie ihn nicht aufgefordert habe, ihr eine Erklärung zu geben. »Ich weiß nicht, was ich aus seiner Erklärung machen soll«, sagte Felicia. »Als er bei Tag wegging, sagte er mir, er habe Geschäfte in der Stadt. Seitdem er sich darauf verlegt, abends auszugehen, sagt er, er gehe in seinen Klub.« »Hast du gefragt, wo sein Klub ist, meine Teure?« »Er sagt, es sei in Pall Mall. Es gibt Dutzende von Klubs in jener Straße, und er hat mir nie den Namen seines Klubs gesagt. Ich bin vollständig von seinem Vertrauen ausgeschlossen. Würdest du es glauben, Vater? ER hat noch nicht einen seiner Freunde bei mir eingeführt, seit wir heimkamen. Ich bezweifle, ob sie wissen, wo er wohnt, seitdem er dieses Haus mietete.«



Was konnte ich sagen? Ich sagte nichts und sah mich im Zimmer um. Es war mit größter Pracht eingerichtet. Ich bin ein unerfahrener Mann in derartigen Sachen, und teils um meine Neugier zu befriedigen, teils um das Thema des Gespräches zu ändern, wünschte ich das Haus zu sehen. Gottes Gnade behüte uns! Dieselbe Pracht überall! Ich möchte wissen, ob selbst ein Einkommen von achthundert Pfund das Jahr für all das ausreichen kann. Ja, als ich gerade darüber meine Betrachtung machte, durchkreuzte ein in der Tat schrecklicher Argwohn meinen Sinn. Bedeutete diese geheimnisvolle Abwesenheit in Verbindung mit dem ungewöhnlichen Luxus, welcher uns umgab, dass mein Schwiegersohn ein Spieler war? Ein schamloser Kartenmischer oder ein liederlicher Glücksjäger bei Pferderennen? Während ich noch vollständig in den Ahnungen kommenden Unglücks befangen war, legte meine Tochter ihren Arm in dem meinigen, um mich in den oberen Teil des Hauses zu geleiten. Zum ersten Mal bemerkte ich ein Armband von funkelnden Edelsteinen an ihrem Handgelenk. »Doch nicht Diamanten?« fragte ich. Sie antwortete mit so viel Gemütsruhe, als wenn sie die Gemahlin eines Edelmannes gewesen wäre: »Ja, Diamanten – ein Geschenk Marmadukes.« Das war zu viel für mich. Meine Ahnung brach in die Worte aus: »O mein armes Kind! Ich bin in Todesfurcht, dass dein Gemahl ein Spieler ist!« Sie zeigte nicht das Entsetzen, das ich erwartete; sie schüttelte nur den Kopf und fing an zu weinen. »Schlimmeres als das, fürchte ich«, sagte sie.



Ich war versteinert; meine Zunge verweigerte ihren Dienst, während ich sie gerne gefragt hätte, was sie meinte. Die Sünde, die sie beherrschte, die arme Seele, ist der Stolz. Sie trocknete sich rasch die Augen und erwiderte freimütig:



»Ich will nicht darüber weinen. Kürzlich, Vater, gingen wir im Parke spazieren. Eine abscheuliche, kecke, gelbhaarige Frau fuhr an uns in einem offenen Wagen vorüber. Sie warf Marmaduke eine Kusshand zu und rief: 'Wie geht es Ihnen, Marmy?' Ich war so erbittert, dass ich ihn wegstieß und ihm zurief, er solle gehen und mit seiner Dame eine Spazierfahrt machen. Er brach in ein Gelächter aus. 'Unsinn', sagte er, 'sie kennt mich schon seit Jahren; du verstehst unsere leichten Londoner Sitten nicht.' Wir haben den Streit seitdem beigelegt, aber ich habe meine eigene Meinung von dem Geschöpfe in dem offenen Wagen.«



Vom sittlichen Standpunkt aus war dies schlimmer als alles. Aber logisch betrachtet, konnte es durchaus nicht das diamantene Armband und die prächtige Einrichtung erklären. Wir gingen weiter in den obersten Stock. Er war von dem übrigen Hause durch eine starke Scheidewand von Holz und eine Tür abgeschlossen, die mit grünem Wollenzeug überzogen war.



Als ich die Tür untersuchte, fand ich sie verschlossen. »Ha!« sagte Felicia. »Ich wünschte, dass du es selber sähest.«



Ein noch verdächtigeres Verfahren meines Schwiegersohnes! Er hielt die Tür beständig verschlossen und den Schlüssel in der Tasche.



Wenn seine Frau ihn fragte, was dies bedeute, antwortete er: »Mein Studierzimmer ist dort oben und ich habe es gerne für mich ganz allein.« Nach solch einer Erwiderung erlaubte die Wahrung ihrer Würde meiner Tochter nur die eine Antwort: »O, so behalte es nur allein für dich selbst!« Meine böse Ahnung nahm jetzt eine andere Richtung. Ich fragte mich selbst, im Hinblick auf den verschwenderischen Aufwand meines Schwiegersohnes, ob die Lösung des Rätsels nicht vielleicht die Herstellung falscher Banknoten auf der Innenseite der mit Wollenzeug überzogenen Tür sein möchte. Mein Gemüt war damals auf alles vorbereitet. Wir gingen wieder in das Speisezimmer hinunter. Felicia sah, wie meine Lebensgeister am Verlöschen waren, sie kam und setzte sich auf meine Knie. »Genug von meinem Kummer für heute Abend, Vater!« sagte sie. »Ich will wieder dein kleines Mädchen sein, und wir wollen von nichts als von Cauldkirk reden, bis Marmaduke zurückkommt.«

 



Ich bin einer der standhaftesten Männer, die leben; aber ich konnte nicht die heißen Tränen aus meinen Augen zurückhalten, als sie ihren Arm um meinen Hals schlang und diese Worte sagte. Zum Glück saß ich mit meinem Rücken gegen die Lampe; sie bemerkte es daher nicht.



Ein wenig nach 11 Uhr kehrte Marmaduke zurück. Er sah blass und ermüdet aus. Aber noch mehr Champagner und diesmal etwas Essen dazu schien ihn wieder zurechtzubringen: ohne Zweifel, weil er dadurch sich von den Vorwürfen eines schuldigen Gewissens befreite.



Ich war von Felicia ermahnt worden, das Vorgefallene für jetzt vor ihre Gemahl geheim zu halten; so hatten wir, äußerlich betrachtet, zuletzt einen fröhlichen Abend. Mein Schwiegersohn war fast ein ebenso guter Gesellschafter wie immer und erstaunlich fruchtbar in Ratschlägen und Auskunftsmitteln, wenn er sah, dass sie nötig waren. Als er von seiner Frau hörte, bei der ich es erwähnt hatte, dass ich beabsichtigte, dem Grundeigentümer von Cauldkirk und vom Lande ringsumher den verfallenen Zustand der Kirche und des Pfarrhauses vorzustellen, drängte er mich, eine Liste der Ausbesserungen, die am notwendigsten seien, aufzustellen, ehe ich meinem Herrn eine Aufwartung mache.



Dieser Rat, wie lasterhaft und unwürdig auch der Mann sein mochte, der ihn gab, ist nichtsdestoweniger ein gesunder Rat. – Ich werde ihn sicherlich annehmen.



So weit hatte ich am Vormittag mein Tagebuch geschrieben. Da ich zu meinem täglichen Bericht nach Verlauf einiger Stunden zurückkehre, habe ich ein neues Geheimnis seines Unrechts auszuzeichnen. Mein abscheulicher Schwiegersohn scheint jetzt, ich erröte, es zu schreiben, nicht mehr und weniger als ein Genosse von Dieben zu sein!



Nach der Mahlzeit, dem sogenannten Luncheon, erachtete ich es für gut, ehe ich mich an dem Anblick von London ergötzte, der schreienden Not der Kirche und des Pfarrhauses zu gedenken. Mit meiner geschriebenen Liste versehen, stellte ich mich im Palais Sr. Herrlichkeit vor. Ich wurde sofort benachrichtigt, dass er anderweitig beschäftigt sei und mich unmöglich empfangen könne. Wenn ich wünschte, meines Herrn Sekretär, Herrn Helmsley, zu sehen, könnte ich es tun. Da ich einwilligte, um meine Botschaft nicht gänzlich fehlschlagen zu lassen, wurde ich in das Zimmer des Sekretärs geführt.



Herr Helmsley hörte ganz höflich an, was ich zu sagen hatte; indessen drückte er ernste Zweifel aus, ob Se. Herrlichkeit etwas für mich tun würde, da die Anforderungen an seine Börse schon unerträglich zahlreich seien. Indessen übernahm er es, meine Liste seinem Herrn vorzulegen und mich das Ergebnis wissen zu lassen. »Wo halten Sie sich in London auf?« fragte er. Ich antwortete: »Bei meinem Schwiegersohne, Herrn Marmaduke Falmer.« Ehe ich die Adresse hinzufügen konnte, sprang der Sekretär auf und warf mir meine Liste über den Tisch hin in der unhöflichsten Weise wieder zu.



»Auf mein Wort«, sagte er; »Ihre Anmaßung überschreitet alles, was ich je gehört habe. Ihr Schwiegersohn ist beim Diebstahl des Diamant–Armbandes der gnädigen Frau beteiligt, die Entdeckung wurde vor noch nicht einer Stunde gemacht. Verlassen Sie das Haus, mein Herr, und schätzen Sie sich glücklich, dass ich keine Anweisung habe, Sie der Polizei zu übergeben!« Ich protestierte gegen diese grundlose Beschimpfung in so heftigen Ausdrücken, dass ich diese besser nicht wiederholen will. Als Geistlicher hätte ich trotz jener Herausforderung meine Selbstbeherrschung bewahren sollen.



Das einzige, was ich zunächst tun konnte, war, zu meiner unglücklichen Tochter zurückzufahren. Ihr schuldiger Gatte war bei ihr. Ich war zu zornig, um auf eine passende Gelegenheit zum Sprechen zu warten. Die christliche Demut, welche ich mein ganzes Leben lang als die erste der Tugenden gepflegt habe, schwand in mir. In Ausdrücken glühenden Unwillens erzählte ich ihnen, was vorgefallen war. Die Wirkung war über alle Beschreibung schmerzlich. Die Sache endigte damit, dass Felicia ihrem Gatten das Armband zurückgab. Der Verworfene lachte in seiner Verstockung über uns. »Wartet, bis ich Seine Herrlichkeit und Herrn Helmsley gesehen habe«, rief er und verließ das Haus.



Hat er die Absicht, ins Ausland zu fliehen?



Felicia glaubte noch immer an ihn nach Frauenart. Sie ist völlig überzeugt, dass irgendein Irrtum vorliegen müsse. Ich selbst bin in stündlicher Erwartung der Ankunft der Polizei.



*

Mit Dankbarkeit gegen die Vorsehung schreibe ich, ehe ich zu Bette gehe, die unbedenkliche glückliche Erledigung der Angelegenheit mit dem Armband nieder, soweit es Marmaduke angeht. Der Agent, welcher ihm das Juwel verkaufte, wurde gezwungen, zu erscheinen und