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III

Der Herr, welcher so dringlich um eine Unterredung ersucht hatte, war ein vertrauter Freund, welcher ein Mittel gefunden hatte, um Ernst Lismore aus seiner ernsten Geschäftskrisis zu retten. Es war der Wahrheit gemäß ausgesprengt worden, dass er in Geldverlegenheiten sei, die er dem Bankrott eines Handlungshauses zuzuschreiben hatte, mit welchem er in enger Beziehung gestanden hatte. Unsichere Gerüchte, welche seine eigene Zahlungsfähigkeit anzweifelten, waren dem Bankrott der Firma gefolgt. Er hatte sich schon bemüht, Geldvorschüsse unter den gewöhnlichen Bedingungen zu erlangen und man war ihm mit Ausflüchten begegnet. Sein Freund war nun mit einem Empfehlungsbrief an einen Kapitalisten angekommen, welcher in Handelskreisen wegen seiner kühnen Spekulationen und wegen seines großen Reichtums wohlbekannt war.

Als Lismore auf den Brief blickte, bemerkte er, dass das Couvert versiegelt war. Trotz dieser bedenklichen Neuerung eines feststehenden Herkommens bei persönlichen Empfehlungen überreichte er doch den Brief. Aber diesmal wurde er nicht mit Entschuldigungen abgewiesen. Der Kapitalist lehnte es rundweg ab, die Wechsel von Herrn Lismore zu diskontieren, wenn sie nicht durch zahlungsfähige Namen gedeckt seien.

Lismore machte eine letzte Anstrengung. Er wandte sich um Hilfe an zwei Geschäftsleute, welchen er in ihren Schwierigkeiten geholfen hatte und deren Namen dem Geldverleiher genügt haben würden. Sie bedauerten aufrichtig – aber auch sie lehnten ab. Die einzige Sicherheit, welche er anbieten konnte, war, das konnte er nicht leugnen, von zweifelhaftem Werte.

Er brauchte 20.000 Pfund und konnte als Bürgschaft ein heimwärts bestimmtes Schiff mit Ladung stellen. Aber das Fahrzeug war nicht versichert, und es war bei der stürmischen Jahreszeit schon mehr als einen Monat fällig. Konnten dankbare Geschäftsfreunde getadelt werden, wenn sie die Pflicht der Erkenntlichkeit vergaßen, als sie einem Kaufmann in dieser Lage eine Geldhilfe gewähren sollten? Lismore kehrte ohne Geld und Kredit auf sein Bureau zurück. Ein vom Untergange bedrohter Mann ist in keinem Gemütszustande, um einer Einladung zum tee bei einer Dame zu folgen. Lismore sandte an Frau Callender eine Entschuldigung, dass er durch äußersten Drang der Geschäfte verhindert sei, der Einladung Folge zu leisten.

»Soll ich auf eine Antwort warten, Herr Lismore?« fragte der Bote.

»Nein, Sie sollen nur den Brief übergeben.«

IV

Nach einer Stunde kehrte zur Verwunderung Lismores der Bote mit der Antwort zurück.

»Die Dame war gerade im Begriff auszugehen, Herr Lismore, als ich an der Tür schellte«, berichtete er, »und sie nahm mir selbst den Brief ab. Sie schien Ihre Schrift nicht zu kennen, und fragte mich, von wem ich komme. Als ich Ihren Namen nannte, hieß man mich warten.«

Lismore öffnete den Brief.

»Lieber Herr Lismore!

Eins von uns muss sich aussprechen, und Ihr Entschuldigungsbrief zwingt mich, dieses eine zu sein. Wenn Sie wirklich so stolz und so misstrauisch sind, wie Sie zu sein scheinen, werde ich Sie allerdings beleidigen, wenn nicht, so werde ich mich als Ihre Freundin erweisen.

Ihre Entschuldigung ist 'Drang der Geschäfte'. Die Wahrheit, wie ich mit gutem Grunde annehme, ist 'Geldverlegenheit'. Ich hörte bei jener öffentlichen Versammlung einen Fremden sagen, dass Sie durch irgendeinen Bankrott in der Stadt ernstlich in Verlegenheit gesetzt seien. Lassen Sie mich in zwei Worten Ihnen meine Verhältnisse schildern: Ich bin die kinderlose Witwe eines reichen Mannes –«

Lismore machte eine Pause. Seine allzu rasche Entdeckung von Frau Callenders 'reizender Tochter' war ihm in diesem Augenblick im Gedächtnis. Der kleine Roman muss in die Welt der Träume zurückkehren, dachte er – und fuhr fort zu lesen:

»Nach dem, was ich Ihnen verdanke, sehe ich es nicht als die Abzahlung einer Schuld an, ich betrachte es lediglich als Erfüllung einer Pflicht, wenn ich mich erbiete, Ihnen mit einem Darlehen zu helfen. Warten Sie noch ein wenig, ehe Sie meinen Brief in den Papierkorb werfen. Umstände, die ich Ihnen nur mündlich darlegen kann, stellen es außer meiner Macht, Ihnen zu helfen, wenn ich nicht mit meinem aufrichtigen Anerbieten eine ungewöhnliche und lästige peinliche Bedingung verbinde.

Wenn Sie am Rande des Verderbens stehen, wird Ihr Missgeschick für mich sprechen – und es wird auch Sie entschuldigen, wenn Sie das Darlehen mit meinen Bedingungen annehmen. In jedem Falle vertraue ich auf die Freundlichkeit und die Nachsicht eines Mannes, welchem ich mein Leben schulde.

Ich habe meinen Worten nur noch eins hinzuzufügen. Ich bitte, den Gedanken von sich zu weisen, als ob ich Ihre Entschuldigungen annehme; ich werde Sie morgen abend erwarten, wie wir vereinbart haben. Ich bin eine halsstarrige alte Frau, aber ich bin auch Ihre treue Freundin und Dienerin.

Marie Callender.«

Lismore blickte von dem Briefe auf. »Was kann dies wohl bedeuten?« fragte er sich verwundert. Aber er war ein zu verständiger Mann, als dass er sich mit der Verwunderung begnügt hätte – er entschied sich also, seine Zusage zu halten.

V

Was Doktor Johnson »die Unverschämtheit des Reichtums« nennt, erscheint weit häufiger in den Häusern der Reichen als in ihrer Lebensart. Die Ursache liegt auf der Hand. Persönliches Prunken ist genau genommen lächerlich. Aber der Aufwand mit prächtigen Gemälden, kostbarem Porzellan und herrlichen Möbeln kann guten Geschmack erzeugen, um ihn zu leiten, und er kann sich behaupten, ohne einem Wort der Geringschätzung oder einem Blick der Verachtung sich auszusetzen.

Wenn ich eine Million besitze, und wenn ich sie sterbend zeigen will, bitte ich nicht, nach mir selbst zu sehen, ich bitte, nach meinem Hause zu schauen.

Als Lismore seinem Versprechen gegen Frau Callender nachkam, entdeckte er, dass Reichtum in Fülle und doch mit Maß verwendet werden könne. Indem er den Korridor durchschritt und die Treppe hinaufstieg, wurde seine Aufmerksamkeit, wohin er nur blickte, unmerklich gefesselt von Proben eines Geschmackes, der nicht zu kaufen ist, und eines Reichtums, der zwar seine Börse gebraucht, aber niemals sie zeigt.

Von einem Diener in den ersten Stock geleitet, fand er eine Kammerfrau an der Tür des Empfangszimmers, um ihn anzumelden. Frau Callender ging ihrem Gast entgegen, um ihn zu begrüßen; sie war in einfachem Abendanzuge, der ihrem Alter vollständig entsprach. Alles, was am Tage in ihrem feinen Gesicht Spuren von Ermüdung und Blässe erkennen ließ, war jetzt beim gedämpften Licht der Lampen in ein mildes Halbdunkel zurückgetreten. Herrlicher Schmuck, der in mattem Glanze vom einfach gehaltenen Hintergrund sich abhob, umgab sie. Der äußere Glanz ist der stärkste aller Eindrücke von außen, so lange er andauert. Für den Augenblick verfehlte die Szene ihre Wirkung auf Lismore nicht, trotz der schrecklichen Angst, die ihn verzehrte. Frau Callender hatte sich auf seinem Geschäftszimmer als eine Frau gezeigt, die über ihren eigentlichen Wirkungskreis hinausgeschritten war. Frau Callender war in ihrem Hause eine Frau, die ihm nun von einer ganz neuen Seite erschien.

»Ich fürchte, Sie danken mir nicht, dass ich Sie genötigt habe, Ihr Versprechen zu halten«, sagte sie mit freundlicher Stimme und ihrem anziehenden Lächeln.

»Im Gegenteil, ich bin Ihnen verbunden«, erwiderte er; »Ihr schönes Haus und Ihr liebenswürdiger Empfang haben mich vermocht, meinen Kummer zu vergessen – für eine Weile.«

Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. »Dann ist es wahr«, sagte sie ernst. »Nur zu wahr.«

Sie führte ihn zu einem Sitz neben sich und hielt inne, bis der Tee aufgetragen war.

»Haben Sie meinen Brief in demselben freundschaftlichen Sinne gelesen, in dem ich ihn schrieb?« fragte sie, als sie wieder allein waren.

»Ich danke Ihnen für Ihren Brief, aber –«

»Aber Sie wissen noch nicht, was ich zu sagen habe. Lassen wir uns einander verstehen, bevor wir uns irgendwelche Einwendungen machen. Wollen Sie mir sagen, welches Ihre gegenwärtige Lage ist, im schlimmsten Falle? Ich kann und will meinerseits offen sprechen, sofern Sie mich mit Ihrem Vertrauen beehren wollen. Aber nur, wenn Sie dies nicht in Verlegenheit setzt«, fügte sie hinzu, indem sie ihn aufmerksam beobachtete.

Er war in seiner Unschlüssigkeit verlegen, bis er sie endlich zufriedenstellte.

»Verstehen Sie mich vollständig?« fragte er, als er ihr die ganze Wahrheit ohne Rückhalt dargelegt hatte.

Sie wiederholte kurz seinen Bericht.

»Wenn Ihr längst fälliges Schiff innerhalb eines Monats wohlbehalten zurückkehrt, können Sie das Geld, das Sie nötig haben, ohne Schwierigkeit annehmen. Wenn das Schiff verloren ist, haben Sie am Ende des Monats keine andere Wahl, als ein Darlehen von mir anzunehmen oder Ihre Zahlungen einzustellen. Ist das der genaue Sachverhalt?«

»So ist es.«

»Und die Summe, die Sie brauchen, ist – zwanzigtausend Pfund?«

»Ja.«

»Ich habe zwanzigmal so viel Geld, Herr Lismore, zu meiner alleinigen Verfügung – unter einer Bedingung.«

»Die Bedingung, auf die Sie in Ihrem Briefe anspielten?«

»Ja.«

»Hängt die Erfüllung derselben in irgendeiner Weise von meiner eigenen Entscheidung ab?«

»Sie hängt ganz von Ihnen ab.«

Die Antwort verschloss ihm die Lippen.

Ruhig und mit fester Hand goss sie selbst ihm eine Tasse Tee ein.

»Ich verschweige sie noch«, sagte sie, »aber ich bitte Sie, Vertrauen zu haben. Diese hier (sie zeigte auf die Tasse) ist die Freundin der Frauen, seien sie reich oder arm, wenn sie in Sorge sind. Was ich jetzt zu sagen habe, nötigt mich, mein eigenes Lob zu sprechen. Das ist mir peinlich; lassen Sie mich so schnell als möglich darüber hinweggehen. Mein Gemahl liebte mich sehr; er hatte das unbedingteste Vertrauen in meine Besonnenheit und mein Pflichtgefühl gegen ihn und gegen mich selbst. Seine letzten Worte, ehe er starb, waren Worte, die mir dafür dankten, dass ich das Glück seines Lebens gewesen sei. Sobald ich mich von dem Schmerz, der mich betroffen, wieder etwas erholt hatte, legte sein Anwalt und Testamentsvollstrecker eine Abschrift seines Testamentes vor und sagte, dass zwei Klauseln in demselben seien, bezüglich deren mein Gemahl den Wunsch ausgedrückt habe, dass ich sie lesen möchte. Natürlich gehorchte ich ihm.«

 

Sie beherrschte noch ihre Aufregung – aber sie war unfähig, sie zu verbergen. Lismore machte einen Versuch, sie zu schonen.«

»Bin ich dabei interessiert?« fragte er.

»Ja. Bevor ich Ihnen sage, warum, möchte ich wissen, was Sie tun würden – in einem gewissen Falle, an den nur zu denken mir peinlich ist. Ich habe von Männern gehört, die die an sie gestellten Forderungen nicht bezahlen konnten, aber wieder ein Geschäft anfingen und Erfolge hatten und so im Laufe der Zeit ihre Gläubiger bezahlten.«

»Und Sie wollen wissen, ob irgendeine Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass ich deren Beispiel folge?« fragte er. »Haben Sie auch von Männern gehört, die jene wiederholte Anstrengung machten, sich aber wieder täuschten und ihre Schulden verdoppelten? Ich kannte einen von jenen Männern selbst. Er beging Selbstmord.«

Sie legte ihre Hand einen Augenblick in die seine. »Ich verstehe Sie«, sagte sie. »Wenn der Untergang kommt –«

»Wenn der Untergang kommt«, fiel er ihr in die Rede, »kann ein Mann ohne Geld und ohne Kredit nur eine Sühne geben. Sprechen Sie jetzt nicht davon!«

Sie blickte ihn mit Entsetzen an.

»Ich meinte das nicht!« sagte sie.

»Wollen wir zu dem zurückkehren, was Sie in dem Testamente lasen?« sagte er leise.

»Ja – wenn Sie mir eine Minute Zeit geben wollen, um mich zu fassen.«

VI

In weniger als der Zeit, um welche sie gebeten hatte, war Frau Callender ruhig genug, um fortzufahren.

»Ich besitze jetzt von dem Vermögen meines Gatten, was man eine Lebensrente nennt«, sagte sie; »das Geld soll bei meinem Tode unter mildtätige Stiftungen verteilt werden, einen gewissen Fall ausgenommen –«

»Welcher in dem Testamente vorgesehen ist?« fügte Lismore hinzu, indem er ihr half.

»Ja. Ich soll unumschränkte Herrin von viermalhundertausend Pfund sein« – sie stockte und ihre Augen blickten von ihm weg, als sie die folgenden Worte sprach – »unter dieser einen Bedingung, dass ich wieder heirate.«

Er sah sie erstaunt an. »Ich habe Sie sicherlich missverstanden«, sagte er, »Sie wollten sagen, unter dieser einen Bedingung, dass Sie nicht wieder heiraten?«

»Nein, Herr Lismore, ich meine genau das, was ich gesagt habe. Sie wissen nun, dass die Wiedererlangung Ihres Kredits und Ihrer Gemütsruhe ganz von Ihnen abhängt.«

Nach einem Augenblick der Überlegung nahm er ihre Hand und brachte sie ehrerbietig an seine Lippen. »Sie sind eine edle Frau!« sagte er.

Sie antwortete nicht. Mit gesenktem Kopfe und niedergeschlagenen Augen wartete sie auf seine Entscheidung. Er nahm jetzt seine Zahlungsfähigkeit an.

»Ich darf nicht und wage nicht, an das Traurige meiner eigenen Lage zu denken«, sagte er. »Ich bin es Ihnen schuldig, ohne Rücksicht auf die Zukunft, die mir bevorstehen kann, zu sprechen. Kein Mann kann des Opfers würdig sein, welches Ihre edle Selbstverleugnung zu bringen bereit ist. Ich schätze Sie, ich bewundere Sie, ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Überlassen Sie mich meinem Schicksal, Frau Callender, und lassen Sie mich gehen.«

Er erhob sich. Sie hielt ihn durch eine Handbewegung zurück. »Eine junge Frau«, antwortete sie, »würde davor zurückschrecken, zu sagen – was ich als alte Frau jetzt aussprechen will. Ich bitte Sie, zu beweisen, dass Sie mich schätzen, mich bewundern, und mir von ganzem Herzen danken. Nehmen Sie sich einen Tag Bedenkzeit – und lassen Sie mich das Resultat wissen! Sie versprechen mir das?«

Er versprachs.

»Jetzt gehen Sie!« sagte sie.

VII

Am nächsten Morgen empfing Lismore von Frau Callender einen Brief. Sie schrieb ihm folgendes:

»Es sind einige Umstände, die ich gestern Abend hätte erwähnen sollen, bevor Sie mein Haus verließen. Ich hätte Sie daran erinnern sollen – wenn Sie Ihre Entscheidung aufschieben wollen – dass die Lage der Dinge Sie nicht nötigt, sich vollständig an mich zu fesseln. Bei meinem Alter kann ich Ihnen mit völliger Schicklichkeit versichern, dass ich unsere Heirat einfach nur allein als eine Förmlichkeit betrachte, welche wir erfüllen müssen, wenn ich meine Absicht ausführen soll, zwischen Ihnen und dem Verderben zu stehen. Es fällt deshalb, wenn das vermisste Schiff zu rechten Zeit erscheint, der einzige Grund unserer Verheiratung weg. Wir werden dann ebenso gute Freunde sein, wie jemals, ohne das Hindernis eines förmlichen Bandes zwischen uns. Im anderen Falle würde ich Sie bitten, sich gewissen Einschränkungen zu unterwerfen, welche Sie, eingedenk meiner Stellung, verstehen und entschuldigen werden.

Wir werden, ich brauche es nicht zu sagen, wie Mutter und Sohn zusammen leben. Die Hochzeitsfeierlichkeit soll streng geheim gehalten werden und Sie sollen Ihre Angelegenheiten so ordnen, dass wir unmittelbar nachher England verlassen, um nach einem ausländischen Orte zu gehen, den Sie wünschen. Einige meiner Freunde und vielleicht auch einige von Ihren Freunden würden, wenn wir hier blieben, sicherlich unserer Beweggründe in einer Weise missdeuten, die für eine Frau wie mich unerträglich sein würde.

Was unser zukünftiges Leben betrifft, so habe ich das vollständigste Vertrauen in Sie, und ich würde Sie in derselben Unabhängigkeit lassen, die Sie jetzt besitzen. Wenn Sie meine Gesellschaft wünschen, werden Sie immer willkommen sein. Sonst sind Sie Ihr eigener Herr. Ich lebe in meinem Teile des Hauses und Sie leben in dem Ihrigen – und ich darf mir jeden Tag meine Stunden der Einsamkeit vorbehalten, um meine musikalischen Beschäftigungen fortzusetzen, welche mit meinem ganzen vergangenen Leben so glücklich verbunden waren, und welche ich Ihrer Nachsicht zuversichtlich anheimgeben darf.

Ein letztes Wort, Sie zu mahnen, dass Sie auch an sich selbst denken möchten.

Bei meinem Alter könnten Sie nach dem Laufe der Natur nicht für viele Jahre von der Gesellschaft einer dankbaren alten Frau belästigt werden. Sie sind jung genug, um vorwärts nach einer anderen Heirat zu schauen, welche etwas mehr als eine bloße Form sein wird. Selbst wenn Sie der glücklichen Frau bei meinen Lebzeiten begegnen, so sagen Sie mir aufrichtig davon – und ich verspreche Ihnen, ihr zu sagen, dass sie nur zu warten habe. Inzwischen denken Sie nicht, weil ich gelassen schreibe, dass ich herzlos schreibe. Sie gefielen mir und interessierten mich, als ich Sie in der öffentlichen Versammlung zum ersten Mal sah. Ich denke nicht, dass ich etwas vorgeschlagen habe, was Sie ein Sichselbstwegwerfen einem Manne gegenüber, der mich persönlich zurückgewiesen hat, nennen könnten, obgleich ich meine Schuld der Dankbarkeit so aufrichtig wie je fühlte.

Ob Ihr Schiff gerettet wird, oder ob Ihr Schiff verloren geht, die alte Marie Callender ist Ihnen geneigt und bekennt es ohne falsche Scham. Ich bitte heute noch um Antwort, entweder persönlich oder durch einen Brief, was Sie am liebsten wollen.«

VIII

Frau Callender empfing lange vor dem Abend eine schriftliche Antwort: Sie sagte viel in wenigen Worten:

»Nur ein für solche Güte gefühlloser Mann könnte imstande sein, Ihrem Briefe zu widerstehen. Ich bin jener Mann nicht. Ihr großes Herz hat mich besiegt.«

Die wenigen Formalitäten, welche nach eingeholtem besonderen Dispens der Heirat noch voranzugehen hatten, wurden von Lismore beobachtet. Da das Schicksal ihres zukünftigen Lebens noch in Ungewissheit war, so hielt ein unbestimmtes Gefühl der Verlegenheit auf beiden Seiten Lismore und Frau Callender getrennt.

Jeden Tag brachte die Dame ihren Bericht von der Lage der Dinge in der Stadt, stets in denselben Worten:

»Keine Nachricht von dem Schiff.«

IX

Am Tage, bevor die Zahlung der Verbindlichkeiten des Schiffseigners zu erfolgen hatte, waren die Worte des Berichtes aus der Stadt noch unverändert dieselben und der eingeholte Dispens sollte nunmehr in Wirksamkeit treten. Frau Callenders Anwalt und ihre Kammerfrau waren die einzigen Personen, welche mit dem Geheimnis vertraut gemacht wurden. Nachdem sie die weitere Besorgung der Angelegenheit dem ersten Schreiber übertragen hatten, der zur Befriedigung jeder Geldforderung an seinen Dienstherrn instand gesetzt worden war, verließ das seltsam verheiratete Paar England.

Sie beschlossen, einige Tage in Paris zu warten, um irgendwelche Briefe von Wichtigkeit an Lismore in Empfang zu nehmen. Am Abend ihrer Ankunft erwartete sie eine Depesche von London in ihrem Hotel. Sie teilte mit, dass das vermisste Schiff den Kanal passiert habe, im Nebel verdeckt, bis dass es Dowes erreicht hatte, am Tage vor der Fälligkeit jener Schuld.

»Bedauerst du es?« fragte Frau Lismore ihren Gemahl.

»Nicht einen Augenblick!« antwortete er.

Sie beschlossen, ihre Reise bis anch München fortzusetzen. Frau Lismores Vorliebe für Musik kam dem Geschmack Lismores für Malerei gleich. In seinen Mußestunden pflegte er diese Kunst und erfreute sich an ihr. Die Gemäldegalerien Münchens waren beinahe die einzigen Sammlungen in Europa, welche er nicht gesehen hatte. Treu den Verpflichtungen, welche sie selbst eingegangen war, war seine Frau bereit, mit ihm zu gehen, wohin er ihre Begleitung wünschte. Der einzige Vorschlag, den sie machte, war, möblierte Zimmer zu mieten. Wenn sie in einem Gasthofe lebten, könnten Freunde ihres Gemahls oder von ihr selbst, Besucher der berühmten Stadt wie sie, ihre Namen im Fremdenbuch sehen oder ihnen an der Tür begegnen. Sie waren bald in einem Hause eingerichtet, das groß genug war, um ihnen jede gewünschte Bequemlichkeit zu gewähren.

Lismore verbrauchte seine Zeit in den Galerien, Frau Lismore blieb zu Hause, um zu musizieren, bis es Zeit war, mit ihrem Gemahl eine Spazierfahrt zu machen.

Sie lebten in vollständiger Freundschaft und Harmonie zusammen, nichtsdestoweniger lebten sie nicht glücklich. Ohne irgend welchen sichtbaren Grund für die Veränderung waren Frau Lismores Lebensgeister niedergedrückt.

Als er dies einst bemerkte, zwang sie sich zur Heiterkeit, ohne jedoch seine Besorgnis verscheuchen zu können.

Er überließ ihr zu denken, dass sie ihn von jeder weiteren Verlegenheit befreit habe. Welche Zweifel er immer hegen mochte, es waren Zweifel, die er von jener Zeit an zartfühlend verheimlichte.

Aber wenn zwei Leute in einem Zustande künstlicher Ruhe zusammen leben, scheint es ein Gesetz der Natur zu sein, dass die Elemente der Störung sich unmerklich anhäufen, und dass der Ausbruch endlich einmal unvermeidlich wird.

Zehn Tage nach ihrer Ankunft in München kam die Entscheidung. Lismore kehrte später wie gewöhnlich aus der Gemäldegalerie zurück und – ihres Wissens zum ersten mal – schloss er sich in sein eigenes Zimmer ein. Er erschien zur Stunde des Mittagsmahls mit einer nichtssagenden Entschuldigung.

Frau Lismore wartete, bis die Dienerin sich zurückgezogen hatte. »Jetzt, Ernst«, sagte sie, »ist es Zeit, mir die Wahrheit zu sagen.«

Die Art und Weise, wie sie diese wenigen Worte sagte, setzten ihn in Erstaunen. Sie war ohne Frage verwirrt, und anstatt nach ihm zu sehen, spielte sie mit Obst auf ihrem Teller.

Seinerseits auch in Verlegenheit, konnte er nur antworten: »Ich habe nichts zu erzählen.«

»Waren viele Besucher in der Ausstellung?« fragte sie.

»So ziemlich dieselben wie immer.«

»Jemand, der dir besonders auffiel«, fuhr sie fort, »ich meine unter den Damen?«

Er lachte unbehaglich.

»Du vergisst, wie sehr ich von den Gemälden in Anspruch genommen bin«, sagte er.

Es gab eine Pause. Sie sah zu ihm auf – und blickte plötzlich wieder von ihm weg. Aber er sah es deutlich: Tränen standen in ihren Augen.

»Willst du nicht das Gas nieder drehen?« fragte sie; »ich spürte den ganzen Tag über eine besondere Mattigkeit meiner Augen.«

Er willfahrte ihrem Ersuchen um so bereitwilliger, als er seinen eigenen Gründe hatte, dem blendenden Schein des Lichtes zu entrinnen.

»Ich denke, ich werde ein wenig auf dem Sofa bleiben«, fing sie wieder an.

In der Stellung, die er inne hatte, würde er von ihr abgewendet dagesessen haben. Als er versuchte, seinen Stuhl umzudrehen, verhinderte sie daran.

»Ich will lieber nicht nach dir sehen, Ernst, wenn du das Vertrauen zu mir verloren hast«, sagte sie.

Nicht die Worte, der Ton rührte alles, was in seiner Natur viel und großmütig war. Er verließ seinen Platz, kniete neben ihr nieder – und öffnete ihr sein ganzes Herz.

 

»Bin ich deiner nicht unwürdig?« fragte er, als es vorüber war.

Sie drückte ihm schweigend die Hand.

»Ich würde der undankbarste Wicht sein, der lebt«, sagte er, »wenn ich nicht an dich und nur an dich dächte, nachdem ich jetzt mein Bekenntnis abgelegt habe. Wir wollen morgen München verlassen und, wenn ein rascher Entschluss mir helfen kann, will ich der lieblichsten Frau, die meine Augen je gesehen haben, nur als eines Traumgebildes mich erinnern.«

Sie verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und erinnerte ihn an ihren Brief, der ihr Lebensschicksal entschieden hatte.

»Als ich dachte, du könntest der glücklichen Frau zu meinen Lebzeiten begegnen, sagte ich zu dir: 'Lass es mich wissen, und ich verspreche, ihr zu sagen, dass sie nur zu warten habe.' Es muss Zeit werden, Ernst, ehe ich mein Versprechen erfüllen kann. Aber du könntest mich sie sehen lassen. Wenn du sie morgen in der Galerie findest, könntest du sie hierher bringen.«

Das Verlangen Frau Lismores begegnete keiner Ablehnung. Lismore wusste nur nicht recht, in welcher Weise er es ihr gewähren sollte.

»Du erzähltest mir, dass sie Gemälde kopiere«, erinnerte sie ihn; »sie wird ein Interesse daran haben, von der Mappe mit Zeichnungen großer französischer Künstler zu hören, die ich für dich in Paris gekauft habe. Bitte sie, zu kommen und sie anzusehen; du wirst dann hören, ob sie einige Kopien anfertigen kann. Sage ihr auch, wenn du willst, dass ich mich freuen würde, ihre Bekanntschaft zu machen.«

Er fühlte deutlich ihr Herz an seiner Brust schlagen. Aus Furcht, dass sie alle Gewalt über sich verlieren könnte, versuchte er, ihr zu helfen, indem er einen leichteren Ton anschlug.

»Was ist das für eine Erfindung von dir?« sagte er. »Wenn mein Weib mich jemals versuchte zu täuschen, werde ich nur ein Kind in ihren Händen sein.«

Sie erhob sich plötzlich vom Sofa, küsste ihn auf die Stirn und sagte erregt: »Es wird besser für mich sein, zu Bett zu gehen.«

Bevor er sich erheben oder sprechen konnte, hatte sie ihn verlassen.«