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Dritter Zeitabschnitt in Cosways Leben

Drei Tage waren vorübergegangen. Cosway saß, bleich und erschöpft, allein in seiner Wohnung. Er war nur noch der Schatten seiner früheren Person.



Adele hatte er seit jener Entdeckung nicht gesehen. Es gab nur einen Weg, den er wagen konnte, um die unvermeidliche Eröffnung zu machen – er schrieb ihr und, Herrn Athertons Tochter trug dafür Sorge, dass der Brief in ihre Hände gelangte. Spätere, durch diese gute Freundin eingezogene Erkundigungen ergaben, dass Fräulein Restall erkrankt war.



Die Hausfrau kam herein.



»Frischen Mut, mein Herr« sagte die gute Frau.



»Heute haben wir bessere Nachrichten über Fräulein Restall.«



Er erhob den Kopf.



»Scherzen Sie nicht mit mir!« sagte er gereizt; »sagen Sie mir genau, was der Diener sagte.«



Die Frau wiederholte die Worte. Fräulein Restall hatte eine ruhigere Nacht und war imstande gewesen, für einige Stunden ihr Zimmer zu verlassen. Er fragte dann, ob eine Antwort auf seinen Brief angekommen sei. Es war keine Antwort eingegangen.



Wenn Adele es entschieden vermied, ihm zu schreiben, so war ihr Entschluss zu klar, um missverstanden zu werden. Sie hatte ihn aufgegeben – und wer konnte sie tadeln?



Man hörte ein Pochen an der Haustür; die Hausfrau blickte hinaus.



»Hier ist Herr Stein wieder zurück, Herr Cosway!« rief sie freudig aus – und eilte weg, um ihn hereinzulassen.



Cosway blickte nicht einmal auf, als sein Freund erschien.



»Ich wusste, dass es mir gelingen würde« sagte Stein. »Ich habe deine Frau gesehen.«



»Sprich mir nicht von ihr« rief Cosway. »Ich würde sie umgebracht haben, als ich ihr Gesicht sah, wenn ich nicht augenblicklich ihr Haus verlassen hätte. Die Elende wird noch von mir getötet werden, wenn du fortfährst, von ihr zu sprechen!«



Stein legte sanft seine Hand auf seines Freundes Schulter.



»Muss ich dich daran erinnern, dass du deinem alten Kameraden doch einigen Dank schuldig bist?« sagte er. »An dem Morgen, da ich deinen Brief erhielt, habe ich Vater und Mutter verlassen – und mein einziger Gedanke war, dir zu dienen. Zeige dich dafür erkenntlich. Sei ein Mann und höre, was zu erfahren dein Recht und deine Pflicht ist. Danach wollen wir, wenn du dies wünschest, nie wieder deine Frau erwähnen.«



Cosway ergriff schweigend seine Hand zum Zeichen des Zugeständnisses, dass er recht habe. Sie setzten sich zusammen nieder. Stein fing an:



»Sie ist so außerordentlich schamlos« sagte er, »dass ich keine Mühe hatte, sie zum Sprechen zu bringen. Und sie hasst dich so tiefinnerlich, dass sie ihrer eigenen Falschheit und Verräterei sich rühmt.«



»Sie lügt natürlich« sagte Cosway bitter, »wenn sie sich Fräulein Benshaw nennt?«



»Nein! sie ist wirklich die Tochter des Mannes, der das große Geschäftshaus in der City gründete.



Trotz aller Vorteile, die Reichtum und Stellung geben konnten, heiratete dieses eigensinnige Geschöpf einen der Angestellten ihres Vaters, der verdientermaßen aus seiner Stelle entlassen worden war. Von diesem Augenblicke an gab ihre Familie sie auf. Mit dem Gelde, das sie sich durch den Verkauf ihrer Juwelen verschafft hatte, erwarb ihr Gemahl den Gasthof, der uns so bittere Erinnerungen bringt – und sie führte das Geschäft auch nach seinem Tode weiter. So viel von der Vergangenheit. Gedenke nun der Zeit, da unser Schiff uns nach England zurückbrachte. Damals lag das letzte überlebende Glied der Familie deiner Frau – ihr älterer Bruder – in den letzten Zügen: Er hatte im Geschäfte seines Vaters Stelle eingenommen und außerdem dessen Vermögen geerbt. Nach einem glücklichen ehelichen Leben wurde er Witwer ohne Kinder, und er musste notwendigerweise seinen letzten Willen ändern. Er zögerte aber, dieser Verpflichtung nachzukommen, und erst zur Zeit seiner letzten Krankheit hatte er Weisungen für ein neues Testament gegeben, wonach er sein Vermögen mit Ausnahme gewisser Vermächtnisse an alte Freunde den Krankenhäusern in Großbritannien und Irland vermachte. Sein Rechtsanwalt verlor keine Zeit, die Weisungen auszuführen. Das neue Testament war bis auf die Unterschrift fertig – das alte war von seiner eigenen Hand vernichtet worden – als die Arzte erklärten, dass der Kranke nicht mehr bei Sinnen sei und wahrscheinlich in diesem Zustande sterben werde.«



»Ergab es sich, dass die Arzte recht hatten?«



»Vollkommen recht. Unsere erbärmliche Wirtin erbte als nächste Verwandte nicht allein sein Vermögen, sondern nahm auch nach dem Gesellschaftsvertrage die Stelle ihres verstorbenen Bruders im Geschäfte ein: unter der einzigen leichten Bedingung, dass sie ihren Familiennamen wieder annehme. Sie nennt sich selbst ,Fräulein Benshaw‘, aber gesetzliche Gründe machten es notwendig, sie im Vertrage als »Frau Cosway-Benshaw« zu bezeichnen. Nur ihre Geschäftsteilhaber wissen jetzt, dass ihr Gemahl noch lebt, und dass du der Cosway bist, den sie insgeheim geheiratet hat.



Willst du einen Augenblick Atem schöpfen? Oder soll ich fortfahren und die Sache zu Ende bringen?«



Cosway winkte ihm fortzufahren.



»Sie fragt nicht im geringsten« fuhr Stein fort, »nach einer Bloßstellung. ,Ich bin der Hauptteilhaber,‘ sagt sie, ,und der Reiche im Geschäft; sie dürfen nicht wagen, mir den Rücken zu kehren.« Du erinnerst dich doch der Auskunft, die ich ganz in gutem Glauben von dem jetzigen Inhaber des Gasthofes erhalten habe? Die Behauptung, dass sie einen Londoner Arzt besucht habe und krank sei, war nur ein Vorwand, um die Dame (jetzt die hochangesehene Dame!) auf gute Art von einem Berufe zu trennen, der wie der Wirtschaftsbetrieb ihrer so unwürdig war. Ihre Nachbarn im Seehafen wurden alle bis auf zwei durch diese List getäuscht Es waren dies zwei Männer – zwei Abenteurer, die beharrlich versuchten, sie, als sie noch Witwe war, zu einer Heirat zu verleiten. Sie glaubten nicht an die Krankheit und an den Besuch beim Arzte und bezweifelten die Gründe, die angeblich zu einem Verkaufe des Gasthofes unter so ungünstigen Umständen geführt hatten. Sie entschlossen sich, nach London zu gehen und waren hierbei von der niedrigen Hoffnung erfüllt, Entdeckungen zu machen, die sich als Mittel zu Gelderpressungen erweisen möchten.«



»Sie entwischte ihnen natürlich« sagte Cosway. »Wie ?«



»Mit Hilfe ihres Anwalts, der es nicht verschmähte, eine hübsche Extravergütung zu nehmen. Er schrieb dem neuen Wirte und zeigte ihm fälschlicherweise das Ableben seiner Klientin in einem Briefe an, den ich dir auf unserer Reise nach London im Eisenbahnwagen mitteilte. Noch andere Vorsichtsmaßregeln wurden getroffen, um die Täuschung aufrecht zu erhalten; doch erscheint es unnötig, sich bei ihnen aufzuhalten. Deine natürliche Folgerung, dass du frei seist, um Fräulein Restall den Hof zu machen, und des armen Mädchens unschuldiges Vertrauen in ,Fräulein Benshaws‘ Teilnahme gaben diesem gewissenlosen Weibe die Mittel, dir den herzlosen Streich zu spielen, der uns nun klar vor Augen liegt. Bosheit und Eifersucht – ich weiß es, wohlgemerkt, von ihr selbst! – waren nicht ihre einzigen Beweggründe. ,Wäre nicht dieser Cosway,‘ sagte sie – ich verschone dich mit dem Zusatz zu deinem Namen – ,mit meinem Gelde und in meiner Stellung hätte ich einen armen Lord heiraten und mich in meinen alten Tagen im vollen Glanze der Pairswürde sonnen können.’ Verstehst du nun, wie sehr sie dich hasst? Doch genug von der Sache! Die Moral davon, mein lieber Cosway, ist, diesen Ort zu verlassen und zu versuchen, was ein Ortswechsel für dich tun kann. Ich habe vollauf Zeit und will mit dir ins Ausland gehen. Wann soll es sein?«



»Lass mich noch einen oder zwei Tage warten« erklärte Cosway.



Stein schüttelte den Kopf. »Hoffst du noch, mein armer Freund, auf eine Zeile von Fräulein Restall? Du ängstigst mich.«



»Das tut mir leid, Stein. Wenn ich ein teilnehmendes Wort von ihr erhalten kann, so will ich mich dem elenden Leben unterwerfen, das vor mir liegt.«



»Erwartest du nicht zu viel?«



»Du würdest nicht so sagen, wenn du sie so liebtest, wie ich.«



Beide schwiegen. Allmählich wurde es dunkel, und die Hausfrau kam wie gewöhnlich mit der Lampe herein. Sie brachte einen Brief für Cosway mit.



Er riss ihn auf, las ihn in einem Augenblick und bedeckte ihn mit Küssen. Seine aufs höchste erregten Gefühle machten sich in einer kleinen entschuldbaren Übertreibung Luft.



»Sie hat mir das Leben gerettet!« sagte er, als er Stein den Brief überreichte.



Dieser enthielt nur folgende Zeilen:



»Meine Liebe gehört Dir, mein Versprechen Dir. Trotz aller Not, trotz aller Ruchlosigkeit, die uns bedroht, trotz der hoffnungslosen Trennung, die uns in dieser Welt bevorstehen mag, bete und sterbe ich als die Deinige. Mein Edwin, Gott segne und tröste Dich.«



Vierter Zeitabschnitt in Cosways Leben

Die Trennung hatte beinahe zwei Jahre gedauert, als Cosway und Stein im Landhause den Besuch abstatteten, der im Anfange der gegenwärtigen Erzählung erwähnt wurde. In der Zwischenzeit hatte man nur von Herrn Atherton etwas über Fräulein Restall gehört. Dieser teilte mit, dass Adele ein sehr stilles Leben führe. Das einzige bemerkenswerte Ereignis war eine Zusammenkunft zwischen »Fräulein Benshaw« und ihr gewesen. Niemand anders war anwesend, aber das wenige, was über die Zusammenkunft verlautbarte, war geeignet, Fräulein Restalls Charakter über alles Lob zu erheben. Sie hatte dem Weibe vergeben, das sie so grausam verletzt hatte.



Es mag hier erwähnt werden, dass die beiden Freunde, nachdem sie die vollständigste Erklärung über Cosways befremdliches Benehmen am Frühstückstische gegeben hatten, sogleich nach London reisten. Stein war durchaus nicht sanguinischer Natur. »Ich glaube nicht an unser Glück« sagte er. »Lass uns ganz sicher sein, dass wir nicht die Opfer eines neuen Betruges sind.«



Der gemeldete Unfall auf der Themse hatte sich wirklich zugetragen, und die Meldung in der Zeitung erwies sich in jeder Hinsicht als richtig. Stein stellte persönlich seine Nachforschungen an. Aus natürlichem Zartgefühl gegen Adele zögerte Cosway, über die Sache an sie zu schreiben. Der immer hilfsbereite Stein schrieb an seiner Stelle. Kurze Zeit darauf traf eine Antwort ein. Sie enthielt eine kurze, amtliche Darlegung der zuständigen Behörde vom letzten Akte der Bosheit, die von der verstorbenen Teilhaberin des Hauses Benshaw und Comp. verübt worden war. Sie war nicht, wie ihr Bruder, ohne Testament gestorben. Der erste Punkt ihres Testamentes enthielt der Erblasserin dankbare Anerkennung, dass Adele Restall ihr in echt christlicher Barmherzigkeit vergeben hatte. Nach der Feststellung, dass weder Verwandte noch Kinder vorhanden seien, die im Testamente hätten bedacht werden müssen – vermachte der zweite Paragraph Frau Cosway-Benshaws Vermögen der Adele Restall unter der einen unbarmherzigen Bedingung, dass sie Edwin Cosway nicht heirate. Der dritte Absatz überwies – wenn Adele Restall diese Bedingung verletzte – alles Geld dem Geschäftshause in der City »zur Ausdehnung des Geschäftes und zum Vorteile der überlebenden Teilhaber.«

 



»Einige Monate später wurde Adele großjährig. Zum Ärger ihres Vaters und zum Erstaunen der »Handelsgesellschaft« gelangte das Geld wirklich an das Londoner Geschäftshaus. Der vierte Abschnitt in Cosways Leben war Zeuge seiner Vermählung mit einer Frau, die mit Freuden eine halbe Million Pfund für das Glück hingab, das Leben bei achthundert Pfund jährlich mit einem geliebten Manne zu teilen.



Aber Cosway fühlte sich aus Dankbarkeit verpflichtet, sein Weib zu einer reichen Frau zu machen, wenn Arbeit und Entschlossenheit dies ausrichten konnten. Als Stein zuletzt von ihm hörte, machte er seine Studien für die Advokatur, und Herr Atherton war bereit, ihm den ersten Unterricht im Rechtsverfahren zu geben.



Anmerkung

Jener »unwahrscheinlichste« Teil der gegenwärtigen Erzählung, der im »ersten Abschnitte« von Cosways Leben enthalten ist, gründet sich auf ein Abenteuer, das keinem Geringeren als einem Vetter von Walter Scott wirklich begegnete. In Lockharts köstlichem »Leben« ist die Anekdote zu finden, wie sie von Walter Scott dem Kapitän Basil Hall erzählt wird. Das übrige der gegenwärtigen Erzählung ist vollständig erdacht. Der Verfasser wollte gerne wissen, was solch eine Frau, wie die Wirtin, unter gewissen gegebenen Umständen tun würde, nachdem sie einen jungen Seeoffizier geheiratet hatte – und hier ist die Antwort.



Herr Lismore und die Witwe.

(Mr. Lismore and the widow)

I

Vor mehreren Jahren wurde im Spätherbste unter der Leitung des Lordmayors im Mansionhouse in London eine öffentliche Versammlung abgehalten.



Die Rednerliste war mit Rücksicht auf zwei Gegenstände ausgewählt worden. Berühmtheiten, welche die allgemeine Begeisterung zu erregen verstanden, wurden durch Redner unterstützt, die mit dem Handel in Verbindung standen und in praktischer Weise nützlich sein konnten, indem sie den Zweck der Berufung dieser Versammlung näher erläuterten. Die geeignete Aufwendung von Geldern für die öffentliche Bekanntmachung der Versammlung hatte den gewohnten Erfolg: jeder Stuhl war besetzt, ehe noch die Verhandlung begann.



Unter den zuletzt Angekommenen, welche nur die Wahl hatten, zu stehen, oder den Saal wieder zu verlassen, befanden sich auch zwei Damen. Eine von ihnen entschied sich sogleich, wieder wegzugehen.



»Ich werde mich zu dem Wagen begeben«, sagte sie, »und an der Tür auf Sie warten.«



»Und ich werde Sie nicht lange warten lassen«, entgegnete ihre Freundin. »Er soll nach der Ankündigung den zweiten Beschluss zur Annahme empfehlen; ich möchte ihn gern sehen, das ist alles!«



Ein ältlicher Herr, der am Ende einer Bank saß, erhob sich und bot seinen Platz der zurückbleibenden Dame an. Sie zögerte, von seiner Güte Gebrauch zu machen, bis er ihr verriet, dass er ihre Unterredung mit ihrer Freundin angehört hätte. Bevor der dritte Punkt der Tagesordnung zur Erörterung gestellt werde, würde sein Sitz wieder zu seiner eigenen Verfügung sein. Sie dankte ihm und nahm ohne weitere Umstände Platz. Er war mit einem Opernglas versehen, welches er ihr wiederholt anbot, wenn berühmte Redner auftraten; sie machte aber keinen Gebrauch davon, bis ein Sprecher, der in der Stadt als Schiffseigner bekannt war, zur Unterstützung des zweiten Punktes sich erhob.



Sein Name war in der öffentlichen Anzeige angekündigt: Ernst Lismore.



In dem Augenblick, in welchem er sich erhob, bat die Dame um das Opernglas. Sie hielt es so lange Zeit und mit einem so augenscheinlichen Interesse für Lismore auf ihn gerichtet, dass die Neugier ihrer Nachbarinnen erregt wurde. Hatte er etwas zu sagen, woran eine Dame (offenbar eine ihm fremde) persönlich interessiert war? In seiner Anrede war nichts, was an die Begeisterung von Frauen appellierte. Er war unzweifelhaft ein schöner Mann, der ganzen Erscheinung nach in der Blüte des Lebens, vielleicht in der Mitte der Dreißig. Aber warum einer Dame es einfiel, das Opernglas während seiner ganzen Rede auf ihn gerichtet zu halten, war eine Frage, die den allgemeinen Scharfsinn in Verlegenheit um eine Antwort fand.



Indem die Dame das Glas mit einer Entschuldigung zurückgab, wandte sie sich mit einer Frage an dessen Eigentümer.



»Machte es Ihnen, mein Herr, den Eindruck, als ob Herr Lismore niedergeschlagen sei?«



»Ich kann dies nicht sagen, gnädige Frau!«



»Vielleicht bemerkten Sie aber, dass er die Rednerbühne sofort nach Beendigung seiner Rede verließ?«



Dass sie so ihr Interesse an dem Redner verriet, entging der Aufmerksamkeit einer Dame nicht, welche vor ihr saß.



Ehe der alte Herr antworten konnte, versetzte sie rasch: »Ich fürchte, Herr Lismore ist durch eine geschäftliche Angelegenheit beunruhigt; mein Mann hörte gestern in der Stadt erzählen, dass er ernstlich in Verlegenheit gesetzt sei durch den Bankrott…«



Ein lauter Ausbruch des Beifalls machte das Ende des Satzes unhörbar. Ein berühmter Parlamentsredner hatte sich erhoben, um den dritten Punkt der Tagesordnung zu besprechen. Der höfliche alte Herr nahm seinen Sitz wieder ein, und die Dame verließ den Saal, um sich zu ihrer Freundin zu gesellen.



»Nun, Frau Callender, hat Herr Lismore Sie in Ihren Erwartungen getäuscht?«



»Weit entfernt! Aber ich habe von einem Gerücht über ihn gehört, das mich beunruhigt: er soll in Geldangelegenheiten ernstlich in Verlegenheit sein. Wie kann ich seine Adresse in der Stadt ausfindig machen?«



Wir können bei dem ersten Buchhänderladen anhalten und im Adressbuche nachsehen lassen. Wollen Sie Herrn Lismore einen Besuch abstatten?«



»Ich will mirs überlegen.«



II

Am nächsten Tage trat ein Schreiber in das bei dem Geschäftszimmer befindliche Privatgemach Lismores und überreichte eine Visitenkarte. Frau Callender war zu einem Entschlusse gekommen. Unter ihren Namen hatte sie die erklärenden Worte geschrieben: »In einer wichtigen Angelegenheit.«



»Sieht sie aus, als ob sie Geld nötig hätte?« fragte Lismore.



»O nein! Sie kommt zu Wagen.«



»Ist sie jung oder alt?«



»Alt! Gnädiger Herr.«



Es war dieser Umstand Lismore gegenüber, welcher sich des unheilvollen Einflusses, der bisweilen auf geschäftige Menschen durch Jugend und Schönheit ausgeübt wurde, bewusst war, eine Empfehlung und er sagte: »Führe sie herein!«



Indem er die eintretende Dame mit der Neugier eines Fremden beobachtete, bemerkte er, dass sie noch Spuren von Schönheit bewahrte. Sie war auch dem Missgeschickt entgangen, welches bei Leuten ihres Alters häufig eintritt, dass sie zu wohlbeleibt werden. Sogar in den Augen eines Mannes schien ihre Putzmacherin allen möglichen Vorteil aus jenem günstigen Umstande gezogen zu haben, und hatte die Mängel ihres Äußeren verheimlicht, dagegen die noch verbleibenden Vorzüge ihrer Gestalt hervortreten lassen. Dabei hatte sie die gewöhnlichen Täuschungen verschmäht, durch welche manche Frauen ihr Alter zu verheimlichen suchen. Sie trug ihr eigenes graues Haar und ihre Gesichtsfarbe vertrug die Probe des Tageslichtes.



Als sie in das Zimmer trat, entschuldigte sie sich in einiger Befangenheit. Da dies die Verlegenheit einer Fremden, und nicht einer jugendlichen Fremden war, so verfehlte sie, auf Lismore einen günstigen Eindruck zu machen.



»Ich fürchte, dass ich eine unpassende Zeit für meinen Besuch gewählt habe«, begann sie.



»Ich stehe zu Diensten«, antwortete er ein wenig steif, »besonders wenn Sie so gütig sein wollen, Ihre Angelegenheit in wenigen Worten darzulegen.«



Sie war eine kluge Frau, und diese Antwort musste sie eigentümlich berühren. »Ich will sie in einem Worte erwähnen«, sagte sie mit schärferer Betonung, »mein Geschäft ist – Dankbarkeit.«



Er konnte durchaus nicht verstehen, was sie meinte und gestand dies offen. Anstatt eine Erklärung zu geben, richtete sie die Frage an ihn: »Erinnern Sie sich der Nacht des 11. März vor fünf oder sechs Jahren?«



Er dachte einen Augenblick nach. »Nein«, sagte er, »ich erinnere mich ihrer nicht. Entschuldigen Sie, Frau Callender, ich habe meine eigenen Angelegenheiten, die mir einige Besorgnis bereiten.«



»Lassen Sie mich Ihr Gedächtnis unterstützen, Herr Lismore, und dann will ich Sie Ihren Geschäften überlassen. An dem erwähnten Tage waren Sie auf dem Wege nach der Eisenbahnstation Bexmore, um den Nachtschnellzug aus dem Norden nach London zu erreichen.«



Als ein Wink, dass seine Zeit wertvoll sei, war der Schiffseigner bisher stehen geblieben. Jetzt nahm er seinen Sitz wieder ein und begann sie mit Interesse anzuhören. Frau Callenders Worte hatten schon ihre Wirkung hervorgebracht.



»Sie mussten durchaus um 9 Uhr des folgenden Morgens«, fuhr sie fort, »an Bord Ihres Schiffes in den Londoner Docks sein. Wenn Sie den Schnellzug versäumt hätten, würde das Schiff ohne Sie abgesegelt sein.«



Der Ausdruck seines Gesichts zeigte offenbare Überraschung. »Von wem wissen Sie das?« fragte er.



»Sie sollen es bald hören. Auf dem Wege in die Stadt wurde Ihr Wagen durch ein Hindernis auf der Landstraße angehalten. Die Leute von Bexmore standen vor einem brennenden Hause.«



Er sprang auf. »Guter Himmel! Sind Sie die Dame?«



Sie erhob ihre Hand, um sich spöttisch hiergegen zu verwahren.



»Sache! Mein Herr! Sie argwöhnten eben, dass ich Ihre kostbare Zeit unnütz in Anspruch nehme. Schließen Sie nicht zu eilig, dass ich die Dame bin, bsi Sie finden, dass ich mit den betreffenden Umständen genau bekannt bin.«



»Gibt es keine Entschuldigung dafür, dass ich nicht imstande war, Sie wiederzuerkennen?« fragte Lismore. »Wir waren auf der dunklen Seite des brennenden Hauses, Sie fielen in Ohnmacht und ich« –



»Und Sie waren, nachdem Sie mich mit Gefahr Ihres eigenen Lebens gerettet hatten, taub gegen die Bitten meines armen Gemahls, der Sie bat, doch zu warten, bsi ich meine Besinnung wieder erlangt hätte.«



»Ihr armer Gemahl? Er erlitt doch wohl durch das Feuer keinen ernstlichen Schaden?«



»Der Feuerwehrmann rettete ihn aus der Gefahr«, entgegnete sie, »aber bei seinem hohen Alter erlag er einem Schlaganfall. Ich habe den liebevollsten, besten Mann verloren. Erinnern Sie sich, wie Sie von ihm weggingen, versengt und geschunden durch meine Rettung? Er redete oft in seiner letzten Krankheit davon. Nennen Sie mir wenigstens, sagte er zu Ihnen, den Namen des Mannes, welcher meine Frau vor einem schrecklichen Tode bewahrt hat. Sie warfen ihm Ihre Karte aus dem Wagenfenster zu und fuhren im Galopp davon, um Ihren Zug zu erreichen. In all den Jahren, die seitdem vergangen sind, habe ich jene Karte aufbewahrt und vergebens nach meinem braven Schiffskapitän geforscht. Gestern sah ich Ihren Namen auf der Rednerliste in Mansionhouse. Brauche ich noch zu sagen, dass ich der Versammlung beiwohnte? Muss ich Ihnen jetzt noch erklären, warum ich hierher komme und Sie in Ihren Geschäftsstunden störe?«



Sie hielt ihm ihre Hand hin. Lismore nahm sie schweigend und drückte sie mit Wärme.



»Sie sind noch nicht mit mir fertig!« fing sie lächelnd wieder an; »erinnern Sie sich, was ich von einem Auftrag sagte, als ich eintrat?«



»Sie sagten, es sei ein Auftrag der Dankbarkeit.«



»Etwas mehr als eine Erkenntlichkeit, die nur sagt: Ich danke Ihnen. Indessen ehe ich mich erkläre, möchte ich wissen, wie es Ihnen nach jener schrecklichen Nacht gegangen ist und wie es kam, dass meine Nachforschungen, Sie aufzufinden, vergeblich waren.«



Die Spur von Niedergeschlagenheit, welche Frau Callender in der Versammlung bemerkt hatte, zeigte sich wieder in Lismores Gesicht. Er seufzte, als er antwortete: »Meine Geschichte hat

einen

 Vorzug, sie ist bald erzählt. Ich kann mich nicht wundern, dass es Ihnen nicht gelang, mich zu entdecken. Zunächst war ich damals nicht Kapitän meines Schiffes, ich war nur Gehilfe. Dann erbte ich einiges Geld und hörte innerhalb Jahresfrist auf, das Leben eines Seemannes zu führen. So konnten Sie mich wohl schwerlich auffinden. – Mit einem kleinen Kapital fing ich erfolgreich ein Geschäft als Schiffseigner an. Damals wünschte ich mir natürlich zu meinem Erfolge Glück. Aber wir wissen wenig, was die Zukunft uns vorbehält.«

 



Er hielt inne. Seine schönen Gesichtszüge