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Blinde Liebe

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Der schrecklich gequälte Kranke brach in ein furchtbares Wut- und Schmerzensgeschrei aus. Das war mehr, als Hugh ertragen konnte; er eilte aus dem Hause.

* * *

Zehn Tage vergingen. Iris erhielt in Passy einen Brief, von einer ihr unbekannten Hand geschrieben.

Der erste Teil des Briefes handelte von dem irischen Desperado, welchen Mrs. Vimpany während seiner Krankheit gepflegt hatte.

So lange sie ihn nur als einen leidenden Mitmenschen kannte, hatte sie versprochen, seine Pflegerin zu sein. Rechtfertigte nun die Entdeckung, daß er ein Mörder war, ihren Weggang, oder würde sie sogar eine Vernachlässigung entschuldigen? – Nein! Das Amt eines Pflegers ist wie das Amt eines Arztes ein Akt des Wohlthuns, in sich selbst wesentlich zu edel, als daß es darnach fragte, ob der Kranke die Hilfe verdiene oder nicht. All die Erfahrung, all die Einsicht, all die Sorge, die sie bieten konnte, widmete die Pflegerin dem Mann, dessen Hand sie niemals berühren würde, sobald sie ihm das Leben gerettet hatte.

Eine Zeit war gekommen, wo das Fieber drohte, die Rache, welche Lord Harry üben wollte, seinen Händen zu entwinden. Dann nahte die Krisis der Krankheit. Schon unter dem Schatten des Todes, überstand sie der Leidende doch, dank seiner kräftigen Natur und dank der Geschicklichkeit und Furchtlosigkeit der Frau, welche ihn pflegte. Als er sich wieder auf dem Weg der Genesung befand, erschienen einige Freunde aus Irland in dem Hause in Begleitung eines Arztes ihrer eigenen Wahl und fragten nach ihm unter dem Namen, unter dem er hier bekannt war, Carrigeen. Unter Anwendung aller möglichen Sorgfalt wurde er fortgeschafft; wohin, ist niemals entdeckt worden; seit der Zeit war alle Spur von ihm verloren.

Schreckliche Nachrichten folgten auf der nächsten Seite des Briefes.

Die geheimnisvolle Gewalt der Ansteckung der Krankheit hatte sich an dem armen Sterblichen gerächt, der ihr Trotz geboten. Hugh Mountjoy lag, von demselben Mann, der seinen Bruder getötet, angesteckt, an einem heftigen Scharlachfieber darnieder.

Aber die Krankenpflegerin wachte bei ihm Tag und Nacht.

Fünfundvierzigstes Kapitel

»Hier, Sie alter Vagabund, hier ist ein interessanter Fall für Sie, Vimpany, der Schmerzensschrei eines Leidenden mit einem kranken Geist. Ich komme mir vor wie ein Mann, der seines Verstandes beraubt ist. Zuerst wurde mir gemeldet, daß der Mörder Arthur Mountjoys in London gesehen worden; ich machte mich daran, seine Spur zu verfolgen; da wurde ich durch die Nachricht ereilt, zuerst, daß er krank sei, dann, daß er sich wieder erholt und endlich, daß er verschwunden; das sind die Schläge, welche mich ganz meines Verstandes beraubt haben. Zum zweitenmal ist der Frevler meiner Rache entschlüpft; er wird jetzt ruhig in seinem Bett sterben und dann mitten unter schuldlosen Toten auf einem stillen Friedhof begraben werden. Ich kann nicht darüber hinauskommen!

»Fügen Sie hinzu die Besorgnisse um meine Frau und die Briefe von Gläubigern, die mich ganz wahnsinnig machen, und Sie werden nicht erwarten, daß ich vernünftig schreibe.

»Was ich zu wissen wünsche, ist, ob Ihre Kunst, oder wie Sie es sonst nennen wollen, zu meinem kranken Geist durch meinen gesunden Körper gelangen kann. Sie haben mir mehr als einmal gesagt, daß Aerzte das vermögen. Die Zeit ist gekommen, es zu beweisen. Mein einziger Freund und Doktor, erretten Sie mich vor mir selber!

»Auf jeden Fall bitte ich Sie, das Folgende mit aller Ruhe zu lesen.

»Ich muß Ihnen gestehen, daß der Teufel, dessen Name Eifersucht ist, über mich Gewalt bekommen hat und nun die Ruhe meines ehelichen Lebens bedroht. Sie lieben Iris nicht, ich weiß es, und sie erwidert Ihre feindlichen Gefühle. Versuchen Sie trotzdem, meiner Frau Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wie ich es thue. Ich glaube nicht, daß mein Mißtrauen gegen Iris irgendwelche Entschuldigung hat, und dennoch bin ich eifersüchtig. Und was noch viel unvernünftiger ist, ich bin noch ebenso verliebt in sie, wie ich es in den ersten Tagen der Flitterwochen war. Liebt sie mich nun auch noch so wie früher?

»Als Iris die erste Nachricht von Hughs ernstlicher Erkrankung erhielt, saßen wir gerade beim Frühstück. Sie traf sie schwer; sie übergab mir den Brief stillschweigend und verließ den Tisch.

»Ich hasse einen Mann, der nicht weiß, was es heißt, Geld nötig zu haben; ich hasse einen Mann, der immer seinen Gleichmut bewahrt; ich hasse einen Mann, der behauptet, der Freund meiner Frau zu sein, und der sie von jeher heimlich liebt. Was würde es für mich für ein Unterschied sein, ob Hugh Mountjoy stirbt oder am Leben bleibt? – Wenn ich irgend ein Interesse an der Sache hätte, so müßte ich notwendigerweise, da ich sehe, daß ich eifersüchtig bin, seinen Tod wünschen. Nun gut! Ich erkläre mit aller Bestimmtheit, daß die beunruhigenden Nachrichten aus London mein Frühstück gestört haben; es ist so eine Sache mit dem Freunde meiner Frau, mit diesem schmucken, glücklichen, wohlgesitteten Engländer; es scheint etwas für ihn zu sprechen, Gott weiß wie – wenn ich noch wenig zu seinen Gunsten gestimmt bin. Während ich den Bericht von seiner Krankheit las, lebte in mir – meinem Hasse zum Trotz – die Hoffnung, daß er wieder genesen werde.

»Lassen Sie uns zu meiner Frau zurückkehren. Nach langer Abwesenheit erschien sie wieder und konnte endlich etwas mit ihrem Mann sprechen.

»›Ich bin die unschuldige Ursache,‹ begann sie, ›daß Hugh Mountjoy dies furchtbare Unglück befallen hat. Wenn ich ihm nicht einen Auftrag an Mrs. Vimpany gegeben hätte, so würde er niemals darauf bestanden haben, sie zu sprechen, und würde niemals sich das Fieber geholt haben. Es wird mir helfen, meine Selbstvorwürfe und meine Angst zu tragen, wenn ich immer Nachrichten über sein Befinden erhalte; es liegt auch keine Gefahr der Ansteckung vor, wenn ich Briefe bekomme. Ich werde an eine Freundin von Mrs. Vimpany schreiben, die in einem andern Hause wohnt und die mir dann antworten wird. Lieber Harry, verbietest Du mir's, daß ich mir jeden Tag über das Befinden Hugh Mountjoys berichten lasse, so lange er in Gefahr ist?‹

»Ich war vollständig mit diesem Briefwechsel einverstanden; sie hätte es selbst wissen sollen.

»Es schien mir auch verdächtig zu sein, daß sie ihre Bitte mit thränenlosen Augen stellte. Sie mußte geweint haben, als sie gehört hatte, daß er wahrscheinlich dem Fieberanfall erliegen würde. Warum verbarg sie vor mir ihre Thränen und weinte nur, wenn sie sich allein auf ihrem Zimmer befand? Als sie zu mir zurückkam, war ihr Gesicht bleich, hart und thränenlos. Glauben Sie, daß sie meine Eifersucht ganz vergessen haben könnte, da ich mich ernstlich bemühte, sie nicht zu zeigen? Nach meiner festen Ueberzeugung war ihr sehnlichster Wunsch, nach London zu eilen und Ihre Frau in der Pflege des armen Mannes zu unterstützen, sich das Fieber zu holen und mit ihm zu sterben, wenn er sterben sollte.

»Ist das bitter? – Vielleicht ist es so. Zerreißen Sie den Brief, und zünden Sie Ihre Pfeife damit an.

»Also die Briefe, welche von dem Kranken handelten, kamen und gingen nun jeden Tag, und jeden Tag händigte Iris mir sie ein, damit ich sie lesen sollte. Ich lehnte es unter allen möglichen Ausflüchten ab, die ärztlichen Berichte zu lesen. Eines Morgens, als sie den Brief dieses Tages öffnete, ging mit ihr eine wunderbare Veränderung vor, die mir, so lange ich lebe, im Gedächtnis bleiben wird. Niemals vorher habe ich in den Augen einer Frau eine solche Verklärung gesehen, wie ich sie damals sah, als sie die wenigen Zeilen las, welche ihr meldeten, daß man des Fiebers Herr geworden. Iris ist süß, Iris ist lieb, Iris ist schön, mit einem Wort, Iris ist bezaubernd. Aber so schön war sie nie wie in dem Augenblick, da sie erfuhr, daß Mountjoys Leben gerettet war, und sie wird niemals wieder eine so schöne Frau sein, bis die Zeit kommt, wo mein Tod es ihr freistellt, ihn zu heiraten. An ihrem Hochzeitstag wird er die Veränderung sehen, welche ich jetzt wahrgenommen habe, und er wird davon ebenso geblendet sein, wie ich es war.

»Sie sah mich an, als ob sie erwartete, ich sollte etwas sagen.

»›Ich freue mich in der That,‹ sagte ich, ›daß er sich außer Gefahr befindet.‹

»Sie eilte auf mich zu und küßte mich; ich hatte nie geglaubt, daß sie so stürmisch küssen könnte. ›Jetzt, da Du an meiner Freude teilnimmst,‹ rief sie aus, ›ist mein Glück vollkommen!‹ Glauben Sie, daß ich wegen dieser Küsse mir selber oder jenem andern Mann verpflichtet bin? – Nein, nein, das ist ein unwürdiger Verdacht. Ich verwerfe ihn. Niedriger Argwohn soll diesmal Iris nicht unrecht thun.

»Und doch . . . die Entfremdung zwischen Iris und mir nimmt von Tag zu Tage zu. Lassen Sie mich auf etwas anderes übergehen. Das neue Journal wird, wie ich mit Vergnügen Ihnen mitteile, allgemein bewundert. Als ich mich aber nach meinem Gewinnanteil erkundigte, sagte man mir, die Ausgaben seien sehr große, und ich müsse daher warten, bis die Verbreitung sich noch steigere. Wie lange? – Niemand weiß es.

»Wie soll ich nun meinen Verpflichtungen nachkommen, wenn der Wechsel fällig ist? – Zum Glück ist ja der schlimme Tag noch fern genug; einstweilen kann ich Ihnen, wenn Ihre literarische Spekulation keine besseren Ergebnisse erzielt als meine Zeitung, einige Pfund leihen, damit Sie leben können. Was sagen Sie zu dem Gedanken, in Ihr altes Quartier nach Passy zurückzukehren und mir mündlich anstatt schriftlich Ihren wertvollen Rat zu erteilen?

»Kommen Sie, fühlen Sie meinen Puls, sehen Sie sich meine Zunge an, und dann sagen Sie mir, wie ich den verschiedenen Verlegenheiten, in denen ich mich jetzt befinde, ein Ende machen kann, bevor einer von uns ein Jahr älter geworden. Werde ich wie Sie von meiner Frau getrennt werden? – Natürlich nur auf ihren Wunsch, gewiß nicht auf den meinigen. Oder werde ich in ein Gefängnis gesperrt werden? Und was wird aus Ihnen, Doktor?«

 

Sechsundvierzigstes Kapitel

In früher Morgenstunde empfing Lord Harry ein Telegramm des Doktors. Da Iris noch nicht aufgestanden war, ließ er Fanny Mere rufen und befahl ihr, das Fremdenzimmer zur Aufnahme eines Gastes bereit zu halten.

Iris selbst traf mit ihrem Gatten am Frühstückstisch zusammen. In ihrem Gesicht war eine gewisse Unruhe zu lesen.

»Wie ich höre, kommt jemand zu Besuch,« sagte sie. »Ich hoffe mit Bestimmtheit, daß es nicht wieder Mr. Vimpany ist.«

Lord Harry gab ihr den gewohnten Morgenkuß und sagte dann mit gewinnendem Lächeln:

»Warum sollte denn mein treuer alter Freund nicht wieder hierher kommen und mich besuchen?«

»Bitte,« antwortete sie, »sprich von diesem verhaßten Menschen nicht in einer Weise, als ob er wirklich Dein Freund wäre. Mr. Vimpany ist ein schlechter Mensch. Er ist der schlimmste Freund, den Du um Dich haben konntest – und nun besonders noch zu einer Zeit, in der Du Deine ganze Kraft und Aufmerksamkeit nötigeren Dingen zuwenden solltest.«

»Ein Wort, Iris! Je beredter Du bist, um so mehr bewundere ich Dich. Nur erwähne nie wieder die, wie Du zu sagen beliebst, für mich nötigen Dinge!«

Sie ließ die Unterbrechung unbeachtet.

»Lieber Harry,« fuhr sie freundlich fort, »Du bist immer so gut mit mir. Bin ich daher im Unrecht, wenn ich glaube, daß mir die Liebe immer noch einigen Einfluß auf Dich gewährt? Frauen sind eitel, und ich bin nicht besser als alle übrigen. Schmeichle der Eitelkeit Deiner Frau, Harry, indem Du ihrer Meinung wenigstens einige Berechtigung zugestehst. Laß Mr. Vimpany, wenn er nun doch einmal unabänderlich hierherkommen soll, wenigstens nicht in unserem Hause wohnen! Ich werde schon irgend eine passende Entschuldigung finden und für ihn in der Nachbarschaft ein Unterkommen suchen, solange er hier zu bleiben hat. Es überläuft mich kalt, wenn ich daran denke, daß er mit uns unter ein und demselben Dache schlafen soll. Nur nicht zu uns, Harry, nur nicht zu uns!«

Ihre Augen suchten eifrig in dem Gesicht ihres Gatten zu lesen; sie wollte darin Nachgiebigkeit, sie wollte darin Ueberzeugtsein finden. Aber nichts dieser Art stand darin.

»Auf mein Ehrenwort!« rief er laut aus. »Du bereitest mir eine ungeahnte Ueberraschung. Welch reiche Phantasie besitzest Du! Eines Tages werde ich noch viel stolzer auf Dich sein dürfen als bisher; ich werde Dich als eine berühmte Schriftstellerin begrüßen können.«

»Ist das alles, was Du mir zu erwidern hast?« fragte sie.

»Was soll ich denn anders sagen? Du wirst doch nicht etwa verlangen, daß ich das für ernst nehmen soll, was Du soeben über Vimpany gesagt hast?«

»Und warum nicht?«

»Ach, geh doch, geh doch, mein Liebling! Ueberlege Dir's, bitte, nur einmal! Wir haben oben noch Zimmer leer stehen und auch hinreichend Dienerschaft, und da soll ich meinen alten Freund für die paar Nachtstunden zu fremden Leuten schicken? Ich möchte um alles in der Welt nicht unfreundlich gegen Dich sein, Iris, und ich leugne ja auch nicht, daß der lustige Doktor zuweilen etwas zu sehr sein Gläschen Grog liebt. Du wirst mir vielleicht sagen, daß er sich nicht gut gegen seine Frau benommen hat; ich gebe das auch zu. Aber es gibt eben nicht viel Menschen, die ein so schönes Beispiel einer musterhaften Ehe geben wie wir beide. Wenn Du mir aber entgegenhältst, daß Vimpany ein schlechter Mensch ist und der schlimmste Freund, den ich möglicherweise haben könnte und so weiter, was kann ich da anderes thun, als solche Reden für Erzeugnisse Deiner blühenden, regen Einbildungskraft ansehen! Nun, was ist denn? Du hast doch gewiß noch nicht gefrühstückt?«

»Doch.«

»Willst Du mich denn allein lassen?«

»Ich will auf mein Zimmer gehen.«

»Du hast ja gewaltige Eile, hinweg zu kommen. Ich wollte Dich ganz gewiß nicht kränken, Iris. Ich möchte wirklich wissen, was Du eigentlich auf Deinem Zimmer zu thun hast!«

»Meine Einbildungskraft zu pflegen und weiter auszubilden,« antwortete sie, zum erstenmale ihrer Bitterkeit Luft machend.

Sein Gesicht nahm einen finsteren und harten Ausdruck an.

»Das klingt ja gerade so, als ob darin etwas wie Groll läge? Das wäre ja das erstemal, daß Du mich ungnädig, feindselig behandelst! Wodurch habe ich das verdient?«

»Nenne es einfach eine Verstimmung meinerseits,« versetzte sie ruhig und verließ das Zimmer.

Lord Harry wandte sich seinem Frühstück wieder zu. Seine Eifersucht war von neuem wachgerufen.

»Sie vergleicht mich mit ihrem abwesenden Freunde,« sagte er zu sich selbst, »und wünscht jedenfalls, sie hätte den liebenswürdigen Mountjoy anstatt mich geheiratet.«

So endete der erste Zwist in dieser Ehe, und Mr. Vimpany war die Ursache desselben gewesen.

Siebenundvierzigstes Kapitel

Der Doktor kam gerade zur rechten Zeit zum Diner und begrüßte den irischen Lord mit kräftigem Händeschütteln in der vortrefflichsten Laune. Er hatte die Taschen voll schlau eingefädelter Projekte, die er aber vorerst wohlweislich für sich behielt.

Er sah sich im Zimmer um und fragte nach Mylady. Lord Harry erwiderte, er sei von einem weiten Ausritt erst vor wenigen Minuten zurückgekommen; Iris werde wohl sogleich erscheinen.

Das Mädchen setzte die Suppe auf den Tisch und überbrachte zugleich die Meldung, daß ihre Herrin heftige Kopfschmerzen habe und deshalb nicht mit den Herren speisen könne.

Aus seinen eigenen ehelichen Erfahrungen wußte Mr. Vimpany natürlich ganz genau, was das zu bedeuten hatte. Er bat um die Erlaubnis, der leidenden Dame des Hauses eine angenehme und tröstliche Nachricht übersenden zu dürfen. Fanny möchte so freundlich sein und ihrer Herrin sagen, er habe, bevor er London verlassen, Erkundigungen über das Befinden Mr. Mountjoys eingezogen. Der Bericht habe durchaus günstig gelautet; es sei nichts von der Krankheit zurückgeblieben als die in solchen Fällen immer ziemlich lang anhaltende Schwäche. Nur aus diesem Grunde sei eine sorgfältige Pflege vorderhand noch notwendig.

»Vergessen Sie nicht, auch meine besten Empfehlungen an Lady Harry auszurichten!« rief er Fanny nach, als diese in mürrischem Stillschweigen das Zimmer verließ.

»Ich habe mich bei Ihrer Frau Gemahlin angenehm eingeführt,« bemerkte der Doktor mit einem Grinsen, das deutlich die eigene Befriedigung über sein Verfahren zu erkennen gab. »Vielleicht wird sie nun morgen mit uns essen. Reichen Sie mir den Sherry herüber!«

Die Erinnerung an das, was sich heute morgen am Frühstückstische zugetragen hatte, schien immer noch außerordentlich verstimmend auf Lord Harrys Geist zu lasten. Er sprach nur sehr wenig, und dieses wenige bezog sich ausschließlich auf das, worüber er seinem ärztlichen Freund schon in aller Ausführlichkeit geschrieben hatte.

Während einer Zwischenpause, in welcher die Bedienung der Tafel die Anwesenheit Fannys in der Küche nötig machte, nahm Mr. Vimpany die Gelegenheit wahr, einige ermunternde Worte zu sagen. Er habe das richtige Heilmittel für eine geistige Verstimmung mitgebracht. Er werde sich jedoch erst zu einer passenderen Zeit erklären. Lord Harry fragte ungeduldig, warum er denn seinen Bericht nicht jetzt gleich erstatten wolle. Wenn die Gegenwart des Mädchens störe, so würde es ja nur eines Wortes bedürfen, um sie aus dem Zimmer zu entfernen.

Der schlaue Doktor wollte jedoch davon durchaus nichts wissen.

Er hatte während seines ersten Besuches Fanny genau beobachtet und hatte die Entdeckung gemacht, daß sie ihm mißtraue. Das Mädchen war schlau und argwöhnisch. Seitdem sie sich zu Tische gesetzt hatten, war es leicht ersichtlich, daß sie sich in der Absicht im Zimmer zu schaffen machte, um etwas von dem Gespräch der beiden Herren zu erlauschen unter einem oder dem andern Vorwande. Schickte man sie hinaus, so würde sie ohne Zweifel an der Thür horchen.

»Glauben Sie meinem Wort, Fanny Mere besitzt alle Eigenschaften zu einer Spionin,« schloß der Doktor.

Lord Harry war hartnäckig. Bedrückt von seiner verzweifelten pekuniären Lage, war er entschlossen, sofort zu hören, welche Hilfe Mr. Vimpany für seine Verlegenheiten entdeckt hätte.

»Sie haben doch, wenn ich mich nicht irre,« sagte er, »während Ihrer Studienjahre einige Zeit in Paris zugebracht? Nicht wahr?«

»Gewiß!«

»Nun also! Haben Sie denn Ihr Französisch ganz wieder verlernt?«

Der Doktor wußte sogleich, worauf Lord Harry abzielte, und antwortete, es sei um sein Französisch immerhin noch ganz leidlich bestellt. Eines indessen wünschte er vor allem zu wissen. Waren sie auch vollständig sicher, daß das Kammermädchen der Lady nicht schon so viel Französisch gelernt habe, um ihre Ohren zu gewissen Zwecken zu verwenden? Lord Harry konnte ohne Mühe die Bedenken des Doktors zerstreuen. Das Mädchen verstand so wenig von der Sprache des Landes, in dem sie jetzt lebte, daß sie nicht einmal im stande war, in den Kaufläden die einfachsten und gebräuchlichsten Waren zu verlangen; man mußte es ihr jedesmal französisch auf einen Zettel schreiben, wenn sie eine Besorgung machen sollte.

Das war entscheidend. Als Fanny wieder in das Speisezimmer zurückkam, erwartete sie eine Ueberraschung. Die beiden Herren hatten sich ihrer Nationalität entäußert und unterhielten sich in der fremden Sprache.

Als eine Stunde später häusliche Angelegenheiten das Mädchen in das Zimmer der Lady Harry führten, bemerkte sie einen traurigen, sorgenvollen Ausdruck in den Gesichtszügen ihrer Herrin.

»Ich glaubte, es wäre nur ein Vorwand,« sagte sie, »als Sie mir vor dem Essen den Auftrag an die beiden Herren erteilten. Sind Sie wirklich krank, Mylady?«

»Ich bin etwas angegriffen und verstimmt,« erwiderte Iris.

Fanny machte den Thee zurecht.

»Das kann ich begreifen,« sagte sie vor sich hin, als sie sich anschickte, das Zimmer wieder zu verlassen. »Bin ich doch selber verstimmt.«

Iris rief sie zurück und sagte:

»Ich habe die Worte gehört, die Sie soeben ausgesprochen haben, Fanny, daß Sie selbst verstimmt wären. Wenn Sie einfach nur von Ihren Sorgen gesprochen hätten, so würde ich Sie bedauert, aber sonst nichts weiter hinzugefügt haben. Wenn Sie aber wissen, welches meine Sorgen sind und wenn Sie sie teilen –«

»Was davon auf mich kommt, das ist der schlimmere, härtere Teil,« brach Fanny plötzlich los. »Es geht mir gegen das Gefühl, Mylady, Sie zu betrüben. Aber da der Anfang bereits gemacht ist, sollen Sie auch alles erfahren. Der Doktor hat mich schon beleidigt.«

»Schon beleidigt?« wiederholte Iris. »Erklären Sie mir deutlicher, wie ich das verstehen soll!«

»Sie sollen es mit einer Deutlichkeit erfahren, die nichts zu wünschen übrig läßt. Mr. Vimpany hat etwas – natürlich etwas Unrechtes und Schlechtes – meinem Herrn mitzuteilen, aber er wollte es nicht hier im Hause aussprechen.«

»Warum nicht?«

»Weil er argwöhnt, daß ich an der Thür horche und durch das Schlüsselloch sehe. Ich weiß nicht, ob er Sie auch im Verdacht hat, Mylady. ›Wenn ich etwas in meinem Leben gelernt habe,‹ sagte er zum gnädigen Herrn, ›so ist es die Weisheitsregel, sehr vorsichtig bei allem zu sein, was man innerhalb von vier Wänden laut werden läßt, sobald Frauen im Hause sind. Was beabsichtigen Sie morgen zu thun?‹ fragte er dann. Mylord sagte, er habe einer Versammlung im Zeitungsbureau anzuwohnen. ›Ich werde mit Ihnen nach Paris fahren,‹ sagte der Doktor. ›Das Zeitungsbureau ist nicht weit von dem Luxembourg-Garten entfernt. Dort werden Sie mich, sobald Sie mit Ihrem Geschäfte fertig sind, am Eingang finden. Was ich Ihnen zu sagen habe, sollen Sie dort hören.‹ Der gnädige Herr schien ärgerlich über diese Verzögerung zu sein. ›Was haben Sie mir denn eigentlich mitzuteilen?‹ fragte er. ›Ist es vielleicht wieder etwas Derartiges wie der Vorschlag, den Sie mir bei Ihrem letzten Besuche machten?‹ Der Doktor lachte. ›Bis morgen ist es nicht mehr lange hin,‹ sagte er. ›Geduld, Mylord, Geduld!‹ Es war nicht möglich, ihn zu einer weiteren Mitteilung zu bringen.«

– »Was machen Sie?« fragte er in flüsterndem Ton.


»Aber woher,« fragte Iris im höchsten Erstaunen, »wollen Sie denn das alles so genau Wort für Wort wissen? Die beiden Herren können doch unmöglich ihre Privatangelegenheiten besprochen haben, während Sie bei Tische bedienten?«

Es trat eine Pause ein. Furcht und Scham stiegen verstohlen auf dem farblosen Gesicht des Mädchens auf.

»Es ist hart,« sagte Fanny endlich, »etwas zu bekennen, was mich in Ihrer guten Meinung herabsetzen wird, aber ich muß es thun. Ich habe Sie getäuscht, Mylady, und schäme mich dessen. Ich habe den Doktor getäuscht und rühme mich dessen. Mein Herr und Mr. Vimpany glaubten sicher zu sein, wenn sie französisch sprächen, während ich sie bediente. Ich verstehe französisch ebenso gut wie die beiden Herren.«

 

Iris wollte kaum ihren Ohren trauen.

»Warum aber in aller Welt haben Sie dann die Rolle einer Unwissenden, Ungebildeten gespielt?«

»Ich dachte,« erwiderte das Mädchen mit gesenktem Blick, »an einen Rat, der mir einst erteilt wurde.«

»Von einem Freunde?«

»Von einem Mann, Mylady, der der schlimmste Feind war, den ich jemals gehabt habe.«

Ihre einsichtsvolle Herrin wußte, wen sie meinte, und wünschte sie zu schonen. Fanny fühlte jedoch, daß sie ihrer Wohlthäterin eine Erklärung schuldig sei. So berichtete sie denn eingehender über den, von dem sie soeben gesprochen. Er war ein Franzose, ihr Musiklehrer während der kurzen Zeit ihres Schulbesuches. Er hatte ihr die Heirat versprochen, und sie hatte sich überreden lassen, mit ihm zu entfliehen. Das wenige Geld, von dem sie lebten, verdiente sie mit der Nadel und er als Klavierspieler in einer Singspielhalle. So lange sie noch fähig war, ihn zu fesseln, und so lange sie noch auf die Einlösung seines Versprechens hoffte, machte er sich ein Vergnügen daraus, sie in seiner Muttersprache zu unterrichten. Als er sie verließ, enthielt der Abschiedsbrief unter anderem auch den besprochenen Rat.

»In Deiner Lebenslage,« hatte der Mann geschrieben, »ist die Kenntnis des Französischen noch ein seltener Vorzug. Mache aber daraus ein Geheimnis gegen jedermann. Vornehme Engländer haben die Gewohnheit, französisch miteinander zu sprechen, wenn sie nicht von ihren Untergebenen verstanden sein wollen. In Deinem zukünftigen Leben kannst Du auf die Weise hinter Geheimnisse kommen, die Dir bei geschickter Mischung der Karten ein Vermögen verschaffen können. Jedenfalls ist dies der einzige Besitz, den ich Dir zurücklassen kann.«

Das war das Abschiedsgeschenk des Schurken an die Frau gewesen, die er betrogen hatte.

Sie hatte ihn zu bitter gehaßt, um seinen Rat zu befolgen. Sie erachtete es im Gegenteil für besser und für ihren Zweck dienlicher, gleich zu erwähnen, daß sie französisch lesen, schreiben und sprechen könne, als ihr eine mildherzige, gütige Freundin, die jetzt nicht mehr in England lebte, die erste Stelle als Kammermädchen verschaffte. Der Erfolg erwies sich nicht nur als eine herbe Enttäuschung, sondern er diente ihr auch als Warnung für spätere Zeiten. Etwas so Außergewöhnliches wie die Kenntnis einer fremden Sprache bei einer Engländerin in so untergeordneter Lebensstellung schien ihrer Herrin äußerst verdächtig. Namentlich aber gestaltete sich ihr Zusammenleben mit den anderen Dienstboten, die ihr die überlegenen Sprachkenntnisse nicht verzeihen konnten, unerträglich, und sie verließ ihre Stellung. Von dieser Zeit an hatte sie die Verheimlichung ihrer Kenntnis der französischen Sprache als eine Notwendigkeit betrachtet. Sie würde unzweifelhaft dies alles schon früher ihrer jetzigen Gebieterin anvertraut haben, wenn sich gerade die Gelegenheit dazu geboten hätte. Aber Iris hatte sie niemals zu Mitteilungen über den dunkelsten Punkt in ihrem Leben ermutigt. Als ihre Herrin dann heiratete, mißtraute Fanny dem Lord und seinem intimen Freunde, – waren sie nicht beide Männer? – dachte an den Rat, den ihr der abgefeimte Franzose gegeben, und beschloß, eine Probe damit zu machen, nicht aus dem niedrigen Motiv, das er angeführt hatte, sondern in dem Vorgefühl, daß ihr dies einmal dazu dienlich sein werde, Vimpany zu entlarven und dadurch ihrer Wohlthäterin einen Dienst zu erweisen.

»Vielleicht, Mylady,« wagte Fanny hinzuzusetzen, »kann es noch zu Ihrem eigenen Besten dienen, wenn Sie zu niemand etwas davon sagen, daß Sie ein Kammermädchen haben, das französisch gelernt hat.«

Iris maß sie mit einem ernsten und kalten Blick.

»Muß ich Sie daran erinnern,« sagte sie, »daß Sie mir zu dienen vorgeben, indem Sie meinen Gatten hinters Licht führen?«

»Der gnädige Herr wird mich auf der Stelle fortschicken,« entgegnete Fanny, »wenn Sie ihm sagen, was ich Ihnen anvertraut habe.«

Das war unwiderleglich richtig. Iris zögerte. In ihrer gegenwärtigen Lage war das Mädchen die einzige Freundin, auf die sie sich verlassen konnte. Vor ihrer Verheiratung würde sie unter allen Umständen davor zurückgeschreckt sein, derartige Dienste sich zu nutze zu machen, wie sie die rückhaltlose Dankbarkeit Fannys ihr jetzt anbot. Aber die moralisch verdorbene Umgebung, in der sie jetzt lebte, konnte auf ihr eigenes Thun unmöglich ohne Einfluß bleiben. Die Herrin ließ sich herab, mit ihrer Dienerin ein Bündnis zu schließen.

»Sei es denn!« sagte sie; »täuschen Sie den Doktor, und ich will mir immer ins Gedächtnis zurückrufen, daß es zu meinem Heile geschieht. Respektiren Sie jedoch Ihren Herrn, wenn Sie wollen, daß ich Ihr Geheimnis bewahren soll. Ich verbiete Ihnen, auf das zu horchen, was Mylord sagt, wenn er morgen mit Mr. Vimpany sprechen wird.«

»Ich werde ohnehin keine Gelegenheit haben, Mylady,« erwiderte Fanny, »das zu erlauschen, was außerhalb des Hauses verhandelt wird. Ich kann aber jedenfalls den Doktor beobachten. Wir können nicht wissen, was er zu thun vorhat, während der gnädige Herr sich in der Sitzung befindet. Ich werde den Versuch machen, ob es mir gelingt, dem Schurken durch die Straßen nachzufolgen, ohne daß er mich bemerkt. Bitte, schicken Sie mich daher morgen mit irgend einem Auftrage nach Paris!«

»Sie setzen sich aber da einer schweren Gefahr aus,« erinnerte Iris sie, »wenn Mr. Vimpany Sie entdeckt!«

»Ich werde schon meine Vorkehrungen dagegen treffen,« lautete die vertrauensvolle Antwort.

Iris willigte ein.