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Armadale

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Welches ist der Weg? Ich kann ihn nicht sehen. Ich möchte mir das Haar vom Kopfe reißen! Das Haus möchte ich niederbrenneni Wäre die ganze Welt mit Schießpulver unterminirt, so möchte ich einen Funken hineinwerfen und die ganze Welt in die Luft sprengen, so wüthend, so rasend bin ich über mich, daß ich den Weg nicht sehen kann!

Der arme liebe Midwinter! Ja »liebe«. Meinetwegen. Ich bin einsam und hilflos. Es verlangt mich nach Jemand, der sanft und liebevoll ist und viel aus mir macht; ich wollte, ich hätte seinen Kopf wieder an meiner Brust; ich denke stark daran, nach London zu reisen und ihn zu heirathen. Bin ich verrückt? Ja, alle Leute, die so elend sind wie ich, sind verrückt. Ich muß ans Fenster gehen, um frische Luft zu schöpfen. Soll ich hinaus springen? Nein, das entstellt so, und die Leichenschau läßt es so viele Leute sehen.

Die Luft hat mich belebt. Ich beginne mich zu erinnern, daß ich wenigstens die Zeit auf meiner Seite habe. Niemand außer mir weiß etwas von ihren geheimen Zusammenkünften in der ersten Morgenfrühe im Park. Versucht der eifersüchtige alte Bashwood, der zu Allem listig und verschlagen genug ist, etwa in seinem eigenen Interesse dem jungen Armadale aufzulauern, so wird er dies zur gewohnten Zeit thun, wenn er sich nach seiner Expedition verfügt. Er weiß nichts von Miß Milroy’s Morgengewohnheiten und wird nicht eher an Ort und Stelle sein, als bis Armadale bereits nach seiner Wohnung zurückgekehrt ist. Ich kann immer noch eine Woche warten und ihnen auflauern und selbst den Augenblick wählen, mich dazwischen zu legen, sowie ich irgendwie Gefahr sehe, daß er ihr Zögern überwindet und sie ja sagen will.

Und so warte ich hier, ohne zu wissen, wie die Sache in London mit Midwinter enden wird, während meine Börse immer leerer wird, sich keine Aussicht auf neue Schülerinnen bietet, dieselbe wieder zu füllen, und Mrs. Oldershaw sicherlich auf Rückzahlung ihres Geldes bestehen wird, sowie sie erfährt, daß mir die Sache fehlgeschlagen ist; ohne Aussichten, Freunde oder Hoffnungen irgend welcher Art – ein verlorenes Weib, wenn es je ein solches gab. Nun, ich sage es noch einmal und noch einmal und noch einmal – meinetwegen! Hier bleibe ich, und wenn ich die Kleider vom Leibe verkaufen und mich vermiethen muß, um den Bauerlümmeln in der Schenke vorzuspielen; hier bleibe ich, bis der Augenblick kommt und ich den Weg sehe, Armadale und Miß Milroy auf immer von einander zu trennen!

Sieben Uhr. Sind Zeichen vorhanden, daß der Augenblick herannaht? Ich weiß es kaum, jedenfalls gewahre ich Zeichen von einer Veränderung meiner Stellung in der Umgegend.

Zwei der ältesten und häßlichsten der vielen alten und häßlichen Damen, die sich meiner Sache annahmen, als ich Major Milroy’s Haus verließ, haben mir so eben einen Besuch gemacht, wobei sie sich mit der unerträglichen Dreistigkeit mildthätiger Engländerinnen als eine Deputation von meinen Gönnerinnen vorstellten. Wie es scheint, ist die Nachricht von meiner Aussöhnung mit Armadale aus der Bedientenstuhe des Herrnhauses bis nach der Stadt gedrungen und hat folgendes Resultat herbeigeführt. Die einstimmige Ansicht meiner Gönnerinnen (und auch des Majors, der zu Rathe gezogen worden) ist, daß ich mit der unverzeihlichsten Unvorsichtigkeit gehandelt habe, indem ich nach Armadale’s Hause ging und mich dort in freundschaftlicher Weise mit einem Manne unterhielt, dessen Betragen gegen mich seinen Namen in der ganzen Nachbarschaft zum Schandworte gemacht. Mein gänzlicher Mangel an Selbstachtung in dieser Sache hat das Gerücht hervorgerufen, daß ich schlau mit meiner Schönheit Handel treibe und daß es ebenso wahrscheinlich sei als nicht, daß ich Armadale schließlich dennoch mich zu heirathen zwinge. Meine Gönnerinnen sind natürlich zu wohlwollend, um dies zu glauben. Sie fühlen nur die Notwendigkeit, mir in christlichem Geiste Vorstellungen zu machen und mich zu bedeuten, wie eine zweite ähnliche Unvorsichtigkeit alle meine besten Freunde im Orte zwingen würde, mir das Wohlwollen und die Protection zu entziehen, deren ich mich jetzt erfreue.

Nachdem sie sich dergestalt abwechselnd gegen mich ausgesprochen hatten – offenbar nach mehrfachen Proben – richteten meine beiden Gorgonenbesucherinnen sich in ihren Sesseln auf und sahen mich an, als hätten sie sagen wollen: »Gewiß haben Sie oft von der Tugend gehört, Miß Gwilt, aber wir glauben nicht, daß Sie dieselbe wirklich je in ihrer vollen Blüte erblickt haben, bis wir kamen und Ihnen unsern Besuch machten.«

Da ich sah, daß sie darauf erpicht waren, mich zu reizen, so beherrschte ich mich und antwortete ihnen in meiner süßesten, sanftesten, feinsten Manier. Ich habe die Bemerkung gemacht, daß die Frömmigkeit einer gewissen Klasse von respectablen Leuten Sonntags elf Uhr Vormittags, wenn sie ihr Gebetbuch öffnen, beginnt und um ein Uhr, wenn sie es schließen, wieder aufhört. Christen dieser Sorte kann man durch nichts so sehr in Verwunderung setzen und beleidigen, als wenn man sie an einem Wochentage an ihr Christenthum erinnert. In diesem Sinne sprach ich.

»Was habe ich Unrechtes gethan?« fragte ich unschuldig. »Mr. Armadale hat mich gekränkt und ich bin zu ihm gegangen und habe ihm vergeben. Sicherlich muß hier ein Jrrthum obwalten, meine Damen. Sie können doch wahrhaftig nicht gekommen sein, um mir in christlichem Geiste vorzuwerfen, daß ich eine christliche Handlung begangen habe?«

Die beiden Gorgonen erhoben sich. Ich glaube fest, gewisse Frauenzimmer haben nicht nur Katzengesichter, sondern auch Katzenschwänze. Ich bin fest überzeugt, daß die Schwänze dieser besondern beiden Katzen langsam unter ihren Röcken wedelten und zur vierfachen Größe ihres ursprünglichen Umfangs anschwollen.

«.Aus Heftigkeit waren wir vorbereitet, Miß Gwilt«, sagten sie, »aber nicht auf Gotteslästerung. Wir wünschen Ihnen guten Abend.«

Damit verließen sie mich und damit schwindet Miß Gwilt aus der protegirenden Beachtung der Nachbarschaft.

Was nur aus diesem jämmerlichen kleinen Streite entstehen wird? Eins jedenfalls, das ich bereits wahrnehmen kann. Der Bericht davon wird zu Miß Milroy gelangen. Sie wird darauf bestehen, daß Armadale sich rechtfertigt, und Armadale wird sie schließlich von seiner Unschuld überzeugen, indem er ihr einen abermaligen Heirathsantrag macht. Dies wird sehr wahrfcheinlicherweise die Dinge zwischen ihnen beschleunigen, wenigstens würde dies bei mir der Fall sein. Wäre ich an ihrer Stelle, so würde ich zu mir sprechen: »Ich will ihn mir sichern, solange ich es noch im Stande bin? Wenn es morgen früh nicht regnet, gedenke ich abermals eine Frühpromenade nach dem Parke zu machen.

Mitternacht. Da ich in Hinsicht auf den frühen Morgenspaziergang meine Tropfen nicht nehmen kann, will ich nur alle Hoffnung auf Schlaf aufgeben und mein Tagebuch fortsetzen. Ja selbst wenn ich die Tropfen nähme, würde diese Nacht mein Kopf wohl nicht recht ruhig auf meinem Kissen liegen. Seit die kleine Aufregung infolge des Auftritts mit meinen Gönnerinnen sich gelegt hat, werde ich von Zweifeln geplagt, die mir unter allen Umständen nur wenig Aussicht auf Ruhe gewähren.

Ich kann mir nicht erklären, wie es kommt, aber die letzten Worte jenes alten Unthiers von einem Advocaten zu Armadale gehen mir wieder im Kopfe herum. Mr. Bashwood berichtet dieselben in seinem Briefe folgendermaßen: »Es ist möglich, daß eines Andern Neugierde die Sache da, wo Sie und ich dieselbe fallen lassen, aufnimmt und schließlich noch ein helles Licht auf Miß Gwilt wirft.«

Was will er damit sagen? Und was meinte er später, als er den alten Bashwood auf dem Fahrwege einholte, indem er ihm empfahl, seine Neugierde zu befriedigen? Glaubt dieser verhaßte Pedgift wirklich an die Möglichkeit – Lächerlich! Ich brauche das schwache alte Geschöpf nur anzusehen, und ohne meine Erlaubniß wagt es nicht den Finger aufzuheben. Er sollte in meine Vergangenheit einzudringen wagen! Leute, die zehnmal soviel Verstand und hundertmal soviel Muth hatten, haben es versucht und sind ebenso klug wieder abgestanden davon, wie sie es angefangen hatten.

Indessen weiß ich nicht, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, hätte ich mich neulich abends, als der alte Bashwood hier war, etwas mehr beherrscht Und vielleicht dürfte es noch besser sein, wenn ich ihn morgen sähe und wieder zu Gnaden aufnähme, indem ich ihm etwas für mich zu thun gäbe. Gesetzt, ich gäbe ihm den Auftrag, den beiden Pedgifts aufzulauern, ob sie irgendwie Versuche machen, ihren Verkehr mit Armadale zu erneuern? Das ist zwar gar nicht wahrscheinlich, aber der Auftrag würde dem alten Bashwood schmeichelhaft sein, da er einen Beweis seiner Wichtigkeit für mich darin sehen würde, und außerdem die vortreffliche Wirkung haben, ihn anderweitig zu beschäftigen.

Donnerstag früh neun Uhr. So eben bin ich aus dem Parke zurückgekehrt.

Diesmal bin ich ein guter Prophet gewesen. Zur selben frühen Stunde waren sie an derselben versteckten Stelle unter den Bäumen beisammen und Miß von meinem Besuche im Herrnhause auf das genaueste unterrichtet, welchem Ereignisse sie ihren Ton anpaßte.

Nachdem er ein paar Dinge von mir gesagt, die ich ihm nicht vergessen werde, wählte Armadale den Weg, sie von seiner Treue zu überzeugen, zu dem er sich, wie ich im voraus wußte, getrieben sehen würde. Er wiederholte seinen Heirathsantrag diesmal mit vortrefflichem Erfolge. Darauf folgten Thränen, Küsse und Betheuerungen und meine ehemalige Schülerin schüttete endlich so unschuldig wie möglich ihr Herz aus. Zu Hause sei es ihr jetzt so unerträglich, daß es nur um einen Grad weniger schrecklich sei, als in die Pension geschickt zu werden. Ihre Mutter werde mit jedem Tage heftiger und unlenksamer. Die Wärterin, die einzige Person, die noch einen Einfluß auf sie gehabt, sei ihrer überdrüssig fortgegangen. Ihr Vater vertiefe sich immer mehr in seine Uhr und bestärke sich immer mehr in seinem Entschlusse, sie aus dem Hause zu schicken, und zwar wegen der traurigen Scenen, die jetzt Tag für Tag mit ihrer Mutter stattfänden. Ich ertrug diese häuslichen Enthüllungen in der Hoffnung, daß sie noch zu ihren Plänen für die Zukunft kommen würden, und meine Geduld sah sich, nachdem sie in nicht Unbedeutendem Grade auf die Probe gestellt worden war, endlich auch belohnt.

 

Wie dies einem solchen Dummkopf wie Armadale gegenüber nicht mehr als natürlich war, ging der erste Vorschlag von dem Mädchen aus. Miß Milroy sprach eine Idee aus, die ich, wie ich bekennen muß, nicht erwartet hatte. Sie schlug vor, Armadale möge an ihren Vater schreiben, und was noch gescheidter von ihr war, sie beugte aller Gefahr, daß er die Sache verpfuschte, vor, indem sie ihm sagte, was er schreiben müsse. Er sollte seine tiefe Bekiimmerniß über die Entfremdung des Majors ausdrücken und sich die Erlaubniß erbittert, ihm im Parkhäuschen aufwarten und einige Worte zu seiner Rechtfertigung vorbringen zu dürfen. Das war Alles. Der Brief sollte noch nicht an diesem Tage abgesandt werden, denn der Major werde heute mit den Bewerberinnen um die Stelle der abgegangenen Wiirterin bei Mrs. Milroy beschäftigt sein, und dies werde den Major bei seiner Abneigung gegen solche Dinge in keine günstige Stimmung für Armadale’s Gesuch versetzen. Der Freitag werde der rechte Tag für die Absendung des Briefes sein, und sollte die Antwort unglücklicherweise nicht günstig ausfallen, so könnten sie sich Montag früh wieder treffen. »Ich hintergehe meinen Vater so ungern, er ist stets so gütig gegen mich gewesen, und wenn Ihr nur erst wieder Freunde seid, Allan, dann wird es nicht länger nöthig sein, ihn zu täuschen.« Dies waren die letzten Worte, welche die kleine Heuchlerin sprach, ehe ich sie verließ.

Was wird der Major thun? Der Sonnabend-Morgen wird dies zeigen. Ich will nicht mehr daran denken, bis dieser Morgen da und vorüber ist. Noch sind sie nicht Mann und Weib, und ich sage es noch einmal, obgleich mein Gehirn noch so rathlos ist wie nur je: Mann und Weib werden sie nimmer.

Auf meinem Heimwege traf ich Bashwood beim Frühstück mit seinem ärmlichen, alten, schwarzen Theetopfe, seinem Pfennigbrödchen, seinem einzigen Stückchen billiger, ranziger Butter und seinem geflickten, schmuzigen, kleinen Tischtuche. Es wird mir übel, wenn ich daran denke.

Ich schmeichelte und tröstete das elende alte Geschöpf, bis ihm die Thränen in den Augen standen und er vor Vergnügen förmlich erröthete. Mit der größten Bereitwilligkeit übernimmt er die Bewachung der beiden Pedgifts. Den ältern Pedgift beschreibt er als den halsstarrigsten Menschen von der Welt, wenn er einmal erzürnt ist; es wird ihn nichts zum Nachgeben bewegen, wenn nicht Armadale seinerseits ebenfalls nachgibt. Der jüngere Pedgift ist viel eher der Mann, um eine Aussöhnung zu versuchen. Dies wenigstens ist Bashwoods Ansicht. Es hat jetzt sehr wenig zu bedeuten, ob diese Aussöhnung stattfindet oder nicht. Das einzige Wichtige ist, daß ich meinen ältlichen Verehrer wieder fest an meine Schürzenbänder anbinde Und das ist geschehen.

Die Post ist heute spät, so eben erst angelangt und mit ihr ein Brief von Midwinter.

Es ist ein allerliebster Brief, ein Brief, der mich entzückt und bewegt, als ob ich wieder ein junges Mädchen wäre. Keine Vorwürfe darüber, daß ich ihm nicht geschrieben habe; kein deutlich ausgesprochenes Drängen, ihn zu heirathen. Er schreibt nur, um mir eine Neuigkeit mitzutheilen. Durch seine Rechtsanwälte ist ihm eine Aussicht auf eine Stelle als gelegentlicher Correspondent einer Zeitung eröffnet worden, die in London erscheinen soll. Diese Stelle wird ihn nöthigen, England zu verlassen und sich auf dem Continent aufzuhalten, was gerade seinen eigenen Wünschen für die Zukunft entsprechen würde; doch kann er den Vorschlag nicht eher ernstlich in Erwägung ziehen, als bis er sich versichert, daß derselbe auch meinen Wünschen entspricht. Er kennt keinen andern Willen als den meinigen und überläßt mir die Entscheidung, nachdem er mich von der Frist unterrichtet, binnen welcher seine Antwort gegeben werden muß. Das ist, falls ich meine Zustimmung dazu gebe, daß er England verläßt, natürlich die Zeit, in der er mich heirathen muß. Davon steht jedoch kein Wort in dem Briese. Er erbittet sich nichts als den Anblick meiner Handschrift, damit er sich während unserer Trennung daran erquicken kann.

Dies ist der Brief, nicht sehr lang, aber so hübsch gefaßt.

Ich denke mir, ich durchschaue das Geheimniß seiner Passion, ins Ausland zu gehen. Noch immer spukt ihm die wilde Idee im Kopfe, Berge und Meere zwischen sich und Armadale zu legen. Als ob er sowohl als ich dem ausweichen könnten, was wir zu thun bestimmt sind – wenn es wirklich eine Bestimmung gibt – wenn wir ein paar hundert oder ein paar tausend Meilen zwischen uns und Armadale legten! Welche seltsame Inconsequenz und Albernheit! Und dennoch gefällt er mir mit seiner Inconsequenz und seiner Albernheit; denn sehe ich nicht klar, daß ich die Ursache von Allem bin? Wer führt diesen gescheidten Mann wider seinen Willen irre? Wer macht ihn so blind, daß er den Widerspruch in seinem eigenen Benehmen nicht sieht, der ihm im Verhalten Anderer so klar erscheinen würde? Welches Interesse er mir einflößt! Wie gefährlich nahe ich daran bin, meine Augen vor der Vergangenheit zu schließen und mir zu gestatten, ihn zu lieben! Ob nur Eva ihren Adam inniger denn je liebte, nachdem sie ihn überredet hatte, den Apfel zu essen? Ich an ihrer Stelle würde ihn vergöttert haben. (NB. Meinerseits einen allerliebsten kleinen Brief mit einem Kusse darin an Midwinter zu schreiben und ihn, da ihm Zeit mit der Einsendung seiner Antwort gelassen wird, ebenfalls um Zeit zu bitten, bevor ich ihm sage, ob ich mit ihm ins Ausland reisen will oder nicht.)

Fünf Uhr. Ein langweiliger Besuch von meiner Hauswirthin, die ein wenig schwatzen wollte und voll von Neuigkeiten war, die mich, wie sie meinte, interessiren würden.

Wie ich von ihr höre, ist sie mit Mrs. Milroy’s ehemaliger Wärterin befreundet und hat ihre Freundin heute Nachmittag nach dem Bahnhofe begleitet. Natürlich sprachen sie von dem, was im Parkhäuschen vorgeht, und im Verlauf des Gesprächs ward auch mein Name erwähnt. Ist der Angabe der Wärterin Glauben beizumessen, so bin ich völlig im Irrthume wenn ich es Miß Milroy in die Schuhe schiebe, Mr. Armadale nach London geschickt zu haben, um über mich Erkundigungen einzuziehen. Miß Milroy wisse in Wahrheit nichts von der Sache, und die ganze Geschichte habe ihren Ursprung in der wahnsinnigen Eifersucht ihrer Mutter. Der gegenwärtige unglückliche Zustand der Dinge im Parkhäuschen ist ebenfalls ganz derselben Ursache zuzuschreiben. Mrs. Milroy ist der festen Ueberzeugung, daß mein dauernder Aufenthalt in Thorpe-Ambrose mit meinem heimlichen Verkehr mit dem Major in Zusammenhang steht, den sie durchaus nicht zu entdecken vermag. Unter dem Einslusse dieser Ueberzeugung ist sie so unlenksam geworden, daß Niemand, wenn er sonst noch eine Zuflucht hat, es in ihrem Dienste auszuhalten im Stande ist, und der Major wird früher oder später, wie sehr ihm dies auch widerstreben mag, sie unter geeignete ärztliche Obhut stellen müssen.

Dies das Wesentliche von dem, was die langweilige Hauswirthin mir zu erzählen hatte. Es ist unnöthig, zu sagen, daß es mich nicht im mindesten interessirte. Selbst wenn die Behauptung der Wärterin Glauben verdiente, was ich noch immer bezweifle, so ist dies doch jetzt ohne Wichtigkeit. Ich weiß, daß Miß Milroy und Niemand anders als sie meine Aussichten, Mrs. Armadale von Thorpe-Ambrose zu werden, zerstört hat, und ich will auch weiter nichts wissen. Hat ihre Mutter wirklich allein den Versuch angestiftet, meine falsche Empfehlung bloßzustellen, so scheint sie jedenfalls jetzt dafür zu büßen. Und damit leben Sie wohl, Mrs. Milroy, und der Himmel behüte mich vor noch fernern letzten Blicken in das Parkhäuschen durch die Brille meiner Hauswirthin!

Neun Uhr. Bashwood hat mich so eben verlassen, nachdem er mir Nachrichten aus dem Herrnhause überbracht. Der jüngere Pedgift hat wirklich´heute eine Aussöhnung versucht, jedoch vergeblich. Ich bin allein schuld an diesem Mißlingen. Armadale ist zur Versöhnung vollkommen bereit, wenn der ältere Pedgift allen fernem Anlaß zu Differenzen dadurch meiden will, daß er nie auf das Kapitel Gwilt zurückkommt. Dies ist aber nun zufälligerweise gerade diejenige Bedingung, die Pedgift’s Vater bei seiner Meinung von mir und meinem Thun nicht einzugehen für seine Pflicht halten würde. Und so bleiben Advocat und Client noch ebenso getrennt wie zuvor, und das Hinderniß der Pedgifts ist aus meinem Wege geräumt.

Was den ältern Pedgist betrifft, so hätte sich hier ein sehr unbequemes Hinderniß herausstellen können, sobald einer seiner Vorschläge zur Ausführung gelangt wäre, ich meine, sobald man einen Londoner Polizeibeamten zu meiner Beaugenscheinigung hergeschickt hätte. Selbst jetzt fragt es sich noch, ob es nicht vielleicht besser sein wird, wenn ich wieder den dichten Schleier vornehme, den ich stets in London und andern großen Städten trage. Der einzige bedenkliche Umstand dabei ist, daß es in diesem kleinen Klatschneste Verdacht erregen dürfte, wenn ich in diesem Sommerwetter plötzlich einen dichten Schleier zu tragen begönne.

Es ist fast zehn Uhr – ich habe mich länger bei meinem Tagebuche aufgehalten, als ich glaubte. Mit Worten läßt sich nicht beschreiben, wie müde und erschöpft ich mich fühle. Warum nehme ich nicht meine Schlaftropfen und lege mich zur Ruhe? Morgen wird ja keine Zusammenkunft zwischen Armadale und Miß Milroy stattfinden, die mich zu frühem Aufstehen nöthigen könnte. Fürchte ich mich etwa seltsamerweise vor meinem Bette, gerade wenn ich seiner am meisten bedarf? Ich weiß es nicht – ich fühle mich müde und unglücklich; ich sehe entsetzlich elend und alt aus. Ich könnte fast so thöricht sein, in Thränen auszubrechen.«

Wie die Nacht nur sein mag? Eine wolkige Nacht mit von Zeit zu Zeit durchbrechendem Monde und steigendem Winde. Eben kann ich ihn zwischen den unvollendeten Häusern am Ende der Straße stöhnen hören. Meine Nerven müssen etwas angegriffen sein. Ich erschrak so eben über einen Schatten an der Mauer und fand erst einige Augenblicke später Fassung genug, um zu bemerken, wo die Kerze stehe und daß der Schatten mein eigener war. Der Schatten erinnert mich an Midwinter, oder wenn nicht der Schatten, etwas Anderes. Ich muß mir seinen Brief noch einmal ansehen, dann will ich ganz gewiß zu Bette gehen.

Ich werde ihn schließlich noch lieben lernen. Wenn ich noch lange in diesem Zustande von Einsamkeit und Ungewißheit verbleibe – unentschlossen, mir so Unähnlich! – so werde ich ihn schließlich noch lieben lernen. Welche Tollheit! Als ob ich wirklich je wieder einen Menschen lieben könnte!

Gesetzt, ich faßte einen meiner plötzlichen Entschlüsse und heirathete ihn? So arm er ist, würde er mir doch wenigstens einen Namen und eine Stellung geben, wenn ich seine Gattin würde. Laß sehen, wie sein Name – sein eigener Name – sich ausnehmen würde, wenn ich diesen wirklich gegen den meinigen eintauschte.

»Mrs. Armadale!« Hübsch!

»Mrs. Allan Armadale!« Noch hübscher!

Meine Nerven müssen angegriffen sein. Da erschrecke ich jetzt über meine eigene Handschrift! Es ist so seltsam – genug, um Jeden zu erschrecken. Die Gleichheit der beiden Namen ist mir noch nie zuvor so aufgefallen. Welchen von beiden ich immer heirathete, mein Name würde natürlich derselbe sein. Hätte ich den blonden Armadale im Herrnhause geheirathet, so wäre ich Mrs. Armadale gewesen, und ich kann noch jetzt Mrs. Armadale werden, wenn ich den dunkellockigen Allan in London heirathe. Es ist zum Tollwerden, wenn man es niederschreibt, zu fühlen, daß etwas daraus werden sollte, und dann zu sehen, daß eben nichts daraus wird.

Wie kann etwas daraus werden? Würde er, wenn ich nach London reiste und ihn, wie ich dies natürlich thun müßte, unter seinem wahren Namen heirathete, mich später unter solchem bekannt werden lassen? Bei allen seinen Gründen, seinen wahren Namen geheim zu halten, würde er darauf bestehen – nein, dazu hat er mich zu lieb – würde er mich anflehen, den Namen zu tragen, den er angenommen hat. Mrs. Midwinter! Gntsetzlich! Und Ozias, wenn ich vertraulich mit ihm sprechen, ihn vertraulich anreden wollte, wie dies seiner Gattin zukommt. Schlimmer als entsetzlich!

Dennoch aber dürften Gründe vorhanden sein, ihm hierin zu willfahren, wenn er mich darum bäte. Gesetzt, der Lümmel im Herrnhause verließe diese Gegend als unverheiratheter Mann, und gesetzt, viele seiner Bekannten hörten von einer Mrs. Armadale, so würden sie sofort annehmen, daß diese seine Gattin sei. Selbst wenn sie mich wirklich sähen und er nicht selbst zugegen wäre, um widersprechen zu können, sowürde seine eigene Dienerschaft sagen: »Wir wußten von Anfang an, daß sie ihn schließlich dochnoch heirathen würde.« Und meine Gönnerinnem die jetzt nach unserm Zanke gereizt und bereit sind, alles Mögliche von mir zu glauben, würden sotto voce in den Chor einstimmen: »Denken Sie sich nur, meine Liebe, das Gerücht, das uns so sehr empörte, hat sich in der That als begründet erwiesen.« Nein, wenn ich Midwinter heirathe, muß ich entweder meinen Gatten und mich selbst fortwährend in eine falsche Lage bringen, oder ich muß seinen wahren Namen, seinen hübschen, romantischen Namen an der Kirchenthür hinter mir zurücklassen.

 

Meinen Gatten! Als ob ich ihn wirklich heirathen wollte! Ich will ihn nicht heirathen, und damit ist die Sache abgemacht.

Halb elf Uhr. O Himmel, wie meine Schläfe zucken und wie mir die müden Augen brennen! Da ist der Mond und sieht mich durchs Fenster an. Wie schnell die kleinen, zerstreuten Wolken vor dem Winde dahinfliegen! Welch seltsame Gestalten die kleinen Flecken gelben Lichts annehmen und schnell wieder verlieren! Kein Friede und keine Ruhe für mich, wohin ich immer blicke. Die Kerze sogar flackerte und selbst der Himmel scheint heute Abend rastlos.

»Zu Bett, zu Bett? wie Lady Macbeth sagt. Beiläufig möchte ich wohl wissen, was Ladh Macbeth an meiner Stelle gethan hätte. Sowie sich ihr die ersten Verlegenheiten entgegenstellten, würde sie Jemand umgebracht haben. Wahrscheinlich Armadale.

Freitag Morgen. Eine Nacht Ruhe, Dank meinen Tropfen! Ich bin in besserer Stimmung zum Frühstück gekommen und habe einen Morgengruß in Gestalt eines Briefes von Mrs. Oldershaw empfangen.

Mein Schweigen hat seine Wirkung auf die Mutter Iesabel geübt. Sie schreibt es der wahren Ursache zu und zeigt endlich ihre Krallen. Wenn ich nicht im Stande bin, meinen Wechsel auf dreißig Pfund einzulöfen, der nächsten Dienstag fällig ist, so wird ihr Rechtsanwalt auf ihre Instruction »das übliche Verfahren einschlagen«. Wenn ich ihn nicht einlösen kann! Nachdem ich heute meine Miethe bezahlt, werden mir kaum noch fünf Pfund übrig bleiben! Keine Spur von Aussicht, daß ich mir von jetzt bis nächsten Dienstag noch Geld verdienen kann, und ich habe in dieser Gegend keinen einzigen Freund, der mir einen Sixpence leihen würde. Zu den Schwierigkeiten, die mich umlagern, brauchte nur noch eine zu kommen, um vollständig zu sein, und auch diese ist gekommen.

Natürlich würde mir Midwinter helfen, wenn ich es über mich gewönne, ihn zu bitten. Aber das heißt soviel als ihn heirathen. Bin ich wirklich so hilflos, um so zu enden? Nein, noch nicht.

Mein Kopf ist mir schwer; ich muß in die frische Luft hinaus und überlegen.

Zwei Uhr. Ich glaube, ich habe mich von Midwinters Aberglauben anstecken lassen. Ich beginne zu ahnen, daß die Ereignisse mich immer näher und näher einem Ziel zutreiben, das ich noch nicht erkenne, von dem ich aber fest überzeugt bin, daß es jetzt nicht mehr fern ist.

Ich bin von Miß Milroy beschimpft, geradezu vor Zeugen beschimpft worden.

Nachdem ich, wie gewöhnlich, an dem einsamsten Orte, den ich finden konnte, einen Spaziergang gemacht und ohne besondern Erfolg nachgesonnem was ich zunächst anfangen solle, erinnerte ich mich, daß es mir an Briefpapier und Federn fehle, und ging deshalb zur Stadt zurück und nach einem Papierladen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn ich mir das Fehlende hätte holen lassen. Allein ich war meiner und meines einsamen Zimmers überdrüssig und machte den kleinen Einkauf selbst, und zwar aus keinem bessern Grunde, als um etwas zu thun zu haben.

Eben war ich in den Laden eingetreten und forderte das Papier, als noch eine Käuferin hereinkam. Wir blickten beide auf und erkannten einander auf der Stelle.

Außer dem Manne, der mich bediente, standen noch eine Frau und ein Knabe hinter dem Ladentische. Die Frau sagte höflich zu der zweiten Käuferim »Womit kann ich Ihnen auswarten, Miß Milroy?« Diese erwiderte nachdrücklich, indem sie mir gerade ins Gesicht sah: »Für jetzt mit nichts. Ich will wiederkommen, sobald der Laden leer ist.«

Sie ging hinaus. Die drei Leute im Laden sahen mich schweigend an. Ich meinerseits zahlte schweigend für meine Einkäufe und ging dann ebenfalls. Ich weiß nicht, was ich gefühlt haben würde, hätte ich mich in meiner gewohnten Stimmung befunden. In dem sorgenvollen, unruhigen Zustande, in dem ich jetzt bin, fühlte ich mich, das kann ich nicht leugnen, empfindlich getroffen.

In der Schwachheit des Augenblicks, denn weiter war es nichts, war ich auf dem Punkte, ihre kleinliche Bosheit mit ebenso kleinlicher Bosheit zu vergelten. Wirklich war ich auf dem Wege nach der Wohnung des Majors bis ans Ende der Straße gegangen. in der Absicht, ihn in das Geheimniß der Morgenspaziergänge seiner Tochter einzuweihen, ehe mir bessere Einsicht zurückkehrte. Sowie ich mich abkühlte, wandte ich augenblicklich um und schlug den Heimweg ein. Nein, nein, Miß Milroy, ein bloßes vorübergehendes Unheil, das nur damit enden würde, daß Ihr Vater Ihnen verzeihen und Armadale aus seiner Nachsicht Vortheil ziehen würde, reicht nicht im entferntesten hin, meine Schuld an Sie abzutragen. Ich vergesse nicht, daß Ihr Herz an Armadale hängt und daß der Major, was er auch sagen mag, Ihnen schließlich doch immer den Willen gelassen hat. Mein Kopf mag wohl schwächer werden, aber ganz dumm ist er noch nicht.

Inzwischen wartet Mutter Oldershaws Brief auf Antwort, und da sitze ich und weiß noch immer nicht, was ich in der Sache beginnen soll. Soll ich ihr antworten oder nicht? Für den Augenblick ist es noch gleichgültig, denn noch bleiben mir mehrere Stunden, ehe die Post abgeht.«

Soll ich Armadale bitten. mir das Geld zu leihen? Es sollte mir ein Hochgenuß sein, wenigstens etwas aus ihm herauszubekommem und ich glaube, daß er bei seinem gegenwärtigen Verhältnisse zu Miß Milroy. Alles thun würde, mich loszuwenden. Ziemlich gemein von mir. Bahl Wer macht sich wohl etwas daraus, ob er in den Augen eines Mannes gemein erscheint, den man verachtet und haßt, wie ich Armadale verachte und hasse.

Und dennoch sträubt sich mein Stolz oder sonst etwas, ich weiß nicht was, dagegen.

Halb drei Uhr, erst halb drei. O über die fürchterliche Langeweile dieser langen Sommertage! Ich kann nicht länger mehr denken; ich muß etwas thun, mir das Herz zu erleichtern. Kann ich mich ans Klavier setzen? Nein; dazu tauge ich nicht. Arbeiten? Nein; bei der Nadel würde ich wieder zu denken beginnen. Ein Mann nähme an meiner Stelle seine Zuflucht zum Trinken. Ich bin kein Mann und kann nicht trinken. Ich will mich mit meinen Kleidern unterhalten und meine Garderobe ordnen.

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Ist eine Stunde vergangen? Ueber eine Stunde. Mir scheint es eine Minute. Ich kann nicht zurückblättern in diesem Buche, aber ich weiß, daß ich die Worte irgendwo geschrieben habe. Ich weiß, daß ich fühlte, wie ich mich immer mehr und mehr einem Ziele nähere, das mir noch verborgen war. Dieses Ziel ist jetzt nicht mehr verborgen. Die Wolke ist von meinem Geiste gewichen, die Blindheit von meinen Augen hinweggenommen. Ich sehe es! Ich sehe es!

Es ist zu mir gekommen, ich habe es nicht gesucht. Mit ruhigem Gewissen könnte ich auf meinem Sterbebette schwören, daß ich es nicht gesucht habe.

Ich habe blos meine Sachen geordnet; ich bin fo frivol, so nichtsnutzig beschäftigt gewesen wie das müßigste, frivolfte Frauenzimmer von der Welt. Ich sah mir meine Kleider und meine Wäsche an. Was kann es Harmloseres geben? Kleine Kinder sehen ihre Kleider und ihre Wäsche an.