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Armadale

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Mit diesen Worten, die ihm gewissermaßen über Hals und Kopf von den Lippen stürzten, bemerkte er in einer wahren Todesangst von Verlegenheit, wie er seinen Abgang bewerkstelligen sollte, gar nicht Midwinter’s ausgestreckte Hand, sondern schritt geräuschlos die Stufen hinab und verlor sich in der Dunkelheit der Nacht.



Wie Midwinter in das Haus eintrat, öffnete sich die Thür des Speisezimmers, und sein Freund kam ihm im Flur entgegen.



»Ist Mr. Bashwood fort?« fragte Allan.



»Er ist fort«, erwiderte Midwinter, »er hat mir eine sehr traurige Geschichte erzählt und mich ein wenig beschämt, daß ich ihm ohne gerechte Ursache mißtraute. Ich bin mit ihm überein gekommen, daß er mir am Montag Morgen in der Verwalterstube meine erste Lection geben soll.«



»Sehr schön!« sagte Allan. »Du brauchst keine Sorge zu haben, alter Junge, daß ich Euch in Euren Studien stören werde. Ich habe wahrscheinlich Unrecht – aber Mr. Bashwood gefällt mir nicht.«



»Ich habe wahrscheinlich Unrecht«, entgegnete der Andere ein wenig gereizt. »

Mir

 gefällt er.«



Der Sonntag Morgen sah Midwinter im Park, wo er dem Briefboten auflauerte, für den Fall, daß dieser ihm fernere Nachrichten von Mr. Brock brächte.



Zur gewohnten Stunde erschien der Mann und händigte Midwinter den erwarteten Brief ein. Dieser öffnete denselben und las, diesmal ohne Störung besorgen zu müssen, wie folgt:



»Mein lieber Midwinter!

Ich schreibe mehr, um Sie zu beruhigen, als weil ich irgend etwas Bestimmtes zu sagen hätte. hatte keine Zeit, Ihnen in meinem letzten eiligen Briefe mitzutheilen, daß die ältere der beiden Frauen, denen ich in den Gärten begegnete, mir gefolgt war und auf der Straße mit mir gesprochen hatte. Ohne ungerecht gegen sie zu sein, glaube ich, was sie zu zu mir sagte, von Anfang bis zu Ende als ein Gewebe von Unwahrheiten bezeichnen zu dürfen. Jedenfalls bestätigte sie mich in dem Argwohne, daß eine Intrigue im Werke ist, deren Opfer Allan sein soll und daß die Hauptanstifterin des Complotes jenes schändliche Weib ist, das bei der Heirath seiner Mutter behilflich war und später ihren Tod beschleunigte.



In dieser Ueberzeugung habe ich kein Bedenken getragen, etwas für Allan zu thun, was ich für sonst Niemanden in der Welt zu thun im Stande wäre. Ich habe mein Hotel verlassen und mich mit meinem alten Diener Robert in einem Hause etabliert, demjenigen gegenüber, nach dem ich jenen beiden Frauen folgte. Wir liegen nun Tag und Nacht abwechselnd auf der Lauer, von den Leuten uns gegenüber völlig unbemerkt, wie ich gewiß bin. Alle meine Gefühle als die eines Geistlichen und Gentleman empören sich gegen eine solche Beschäftigung aber es bleibt mir keine andere Wahl. Ich muß entweder meiner Selbstachtung diese Gewalt anthun, oder Allan selbst mit seinem sorglosen Wesen und in seiner ungreifbaren Stellung sich gegen eine Elende vertheidigen, die, wie ich fest überzeugt bin, gerüstet ist, in der gewissenlosesten Weise seine Schwachheit und seine Jugend zu benutzen. Die Bitte seiner sterbenden Mutter ist mir stets im Gedächtniß und, Gott helfe mir! in Folge derselben erniedrige ich mich jetzt in meinen eignen Augen.



Das Opfer hat bereits einigen Lohn eingebracht. Ich habe heute (Sonnabend) einen ungeheuren Vortheil errungen – ich habe das Gesicht der Person gesehen. Sie ging, wie zuvor, mit herabgelassenem Schleier aus, und Robert, der meine Instructionen erhalten, ihr, wenn sie nach Hause zurückkehrte, nicht zu folgen, behielt sie im Auge. Sie kam in der That nach Hause zurück, und der Erfolg war, wie ich erwartet, daß sie auf ihrer Hut zu sein vergaß. Ich sah ihr Gesicht unverschleiert am Fenster und später nochmals auf dem Balcon. Sollte sich irgend Anlaß bieten, daß Sie ihr Signalement brauchen, so will ich es Ihnen geben. Gegenwärtig habe ich nur zu erwähnen, daß sie reichlich so alt aussieht, wie Sie die Person schätzten (fünfunddreißig Jahre), und daß sie durchaus nicht so schön ist, wie ich sie mir, ich weiß kaum warum, gedacht hatte.



Das ist Alles, was ich Ihnen jetzt mittheilen kann. Wenn sich bis nächsten Montag oder Dienstag nichts weiter ereignet, so wird mir nichts anderes übrig bleiben, als die Mithilfe meiner Advocaten in Anspruch zu nehmen; obgleich es mir im höchsten Grade widerstrebt, diese zarte und gefährliche Angelegenheit andern Händen, als den meinigen, anzuvertrauen. Wenn ich indeß meine eigenen Gefühle gänzlich bei Seite setze, ist die Angelegenheit, welche meine Reise nach London veranlaßt, doch eine zu wichtige, als daß ich sie noch länger so leicht behandeln dürfte, wie ich es jetzt thue. Auf jeden Fall verlassen Sie sich darauf, daß ich Sie über den fernem Verlauf der Dinge ganz au fait erhalten werde.



Immer aufrichtig der Ihre

Decimus Brock.«

Midwinter hob diesen Brief am selben Orte auf, wo er schon den vorigen verwahrt hatte, in seinem Taschenbuche, zusammen mit der Erzählung von Allan’s Traume.



»Wie viele Tage noch?« fragte er sich auf dem Rückwege nach dem Hause. »Wie viele Tage noch?«



Nicht viele. Der erwartete Augenblick rückte heran.



Der Montag kam und mit, ihm Mr. Bashwood pünktlich zur bestimmten Stunde. Der Montag kam und fand Allan ganz absorbiert von den Vorbereitungen zu dem Picknick. Den ganzen Tag lang zu Hause und außer dem Hause hielt er eine Reihe von Besprechungen. Er hatte Geschäfte mit Mr. Gripper, mit dem Kellermeister und mit dem Kutscher, in ihren drei verschiedenen Departements des Essens, Trinkens und Fahrens. Er ging in die Stadt, um seine Rechtsanwälte hinsichtlich der »Breiten« zu Rathe zu ziehen und beide Advocaten, den Vater wie den Sohn in Ermangelung irgendwelcher anderer Nachbarn, die er einladen konnte, aufzufordern, sich an dem Picknick zu betheiligen. Pedgift Senior ertheilte, in seinem Departement, die allgemeine Auskunft, bat aber, daß Allan ihn von dem Picknick dispensire, da er durch Geschäfte davon abgehalten werde. Pedgift juuior lieferte, in seinem Departement, die nöthigen Details und nahm, die Geschäfte preisgebend, mit dem größten Vergnügen die Einladung an. Von der Expedition der Advocaten zurück, begab Allan sich zunächst nach dem Häuschen des Majas, um sich der Zustimmung der jungen Dame für den Ort zu versichern, welchen er zur Vergnügungspartie in Aussicht genommen hatte. Nachdem dies besorgt war, kehrte er nach Hause zurück, um hier der letzten Schwierigkeit zu begegnen – der Schwierigkeit, Midwinter zur Theilnahme an der Expedition nach den »Breiten« zu überreden.



Bei der ersten Erwähnung der Sache fand Allan seinen Freund fest entschlossen, zu Hause zu bleiben. Midwinter’s Widerstreben, nach dem, was sich im Parkhäuschen zugetragen, mit dem Major und dessen Tochter zusammenzukommen, wäre vielleicht zu überwinden gewesen. Allein sein Entschluß, den Unterrichts-Cursus Bashwoood’ nicht unterbrechen zu lassen, war unerschütterlich. Nachdem er die äußersten Anstrengungen gemacht, seinen Einfluß zur Geltung zu bringen, mußte sich Allan mit einem Vergleiche begnügen. Midwinter versprach, freilich nicht sehr bereitwillig, gegen Abend da zur Gesellschaft zu stoßen, wo ein Zigeuner-Thee stattfinden, mit dem die Festlichleit des Tages geschlossen werden sollte. So weit war er bereit, die Gelegenheit zu benutzen, um sich mit den Milroys wieder auf freundschaftlichen Fuß zu stellen. Mehr könne er, selbst auf Allan’s dringende Bitten, nicht zugeben, und mehr zu fordern, sei völlig nutzlos.



Der Tag des Picknicks kam. Der schöne Morgen, sowie die fröhliche Geschäftigkeit bei den Vorbereitungen zu der Partie vermochten Midwinter nicht zu einer Aenderung seines Entschlusses zu verlocken. Zur gewohnten Stunde zog er sich vom Frühstückstisch zurück, um sich zu Mr. Bashwood in die Verwalterstube zu verfügen. Die Beiden saßen auf der Hinterseite des Hauses ruhig über ihren Büchern, während vorn das Packen der Proviantkörbe für das Picknick vor sich ging. Der junge Pedgift, klein von Gestalt, aufgeputzt und zuversichtlichen Wesens, kam, etwas vor der Abfahrtsstunde, um die Anordnungen zu überwachen und die letzten Maßregeln zu treffen, zu denen seine Ortskenntniß ihn berechtigte. Allan und er waren noch in eifriger Berathung mit einander begriffen, als sich das erste Hindernis; einstellte. Das Hausmädchen vom Parkhäuschen brachte Allan ein Billet von Miß Milroy und wartete unten aus Antwort.



Offenbar hatte bei diesem Anlaß Miß Milroy’s Gemüthsbewegung ihr Schicklichkeitsgefühl in den Hintergrund gedrängt. Der Ton des Briefes war ein fieberhaft aufgeregter, und die Schrift wanderte, in beklagenswerther Nichtachtung alles schicklichen Zwanges, schief auf und ab.



»O, Mr. Armadale«,

 schrieb die Tochter des Majors,

»was für ein Unglück! Was sollen wir anfangen? Der Papa hat heute Morgen einen Brief von der Großmama wegen der neuen Gouvernante erhalten. Ihre Empfehlungen haben sieh als völlig befriedigend herausgestellt, und sie ist bereit, unverweilt zu kommen. Großmama meint, je eher je lieber (wie ärgerlich!), und sie sagt, wir dürfen sie – die Gouvernante meine ich – schon heute oder morgen erwarten. Papa sagt, er ist stets so lächerlich rücksichtsvoll gegen alle Leute, wir dürfen Miß Gwilt, für den Fall, daß sie heute anlangen sollte, nicht eintreffen lassen, ohne daß Jemand im Hause bleibt, um sie zu empfangen, Was sollen wir anfangen? Ich könnte weinen vor Verdruß. Miß Gwilt macht mir schon den unvortheilhaftesten Eindruck von der Welt, obgleich Großmama sagt, sie sei charmant. Wissen Sie irgendeinen Rath, lieber Mr. Armadale? Wenn Sie ihn haben, so wird Papa sich sicherlich fügen. Halten Sie sich nicht mit Schreiben auf, sondern senden Sie mir eine mündliche Antwort. Ich habe einen neuen Hut zu dem Pickuick bekommen, und, o, die Qual, nicht zu wissen, ob ich ihn aufbehalten oder wieder abnehmen muß! —



Aufrichtig die Ihre

L. M«

»Der Teufel hole Miß Gwilt!« sagte Allan, in hilfloser Bestürzung seinen Rechtsanwalt anstierend.

 



»Von ganzem Herzen, Sir; ich möchte durchaus nicht verhindern«, bemerkte Pedgift junior. »Darf ich fragen, was es gibt?«



Allan erzählte es ihm. Mr. Pedgift junior mochte seine Fehler haben, aber Verlegenheit um Auskunftsmittel gehörte nicht dazu.



»Es gibt einen Ausweg aus dieser Schwierigkeit, Mr. Armadale«, sagte er. »Wenn sie heute anlangt, so lassen Sie die Gouvernante mit zum Pickenick kommen.«



Allan machte vor Erstaunen große Augen.



»Alle Pferde und Fuhrwerke in den Ställen und Remisen von Thorpe-Ambrose brauchen wir für unsre kleine Partie nicht«, fuhr der junge Pedgift fort. »Das versteht sich! Sehr gut also. Wenn Miß. Gwilt heute kommt, kann sie unmöglich vor fünf Uhr anlangen. Wieder gut. Sie lassen um diese Zeit einen offenen Wagen vor dem Hause des Majors halten, Mr. Armadale, und ich will dem Kutscher seine Anweisungen gehen, wohin er fahren soll. Wenn die Erzieherin im Parkhäuschen eintrifft, mag sie ein hübsches kleines Billet mit einer Entschuldigung vorfinden – in Begleitung kalten Geflügels oder was man ihr sonst nach ihrer Reise vorsetzen mag – worin sie ersucht wird, sich des Wagens zu bedienen, um sich dem Picknick anzuschließen. Beim Zeus, Sir«, sagte der junge Pedgift fröhlich, »sie muß in der That von empfindlicher Natur sein, wenn sie sich danach noch vernachlässigt fühlt!«



»Vortrefflich«, rief Allan. »Es soll ihr jede Aufmerksamkeit erwiesen werden. Ich will ihr den Ponywagen mit dem weißen Geschirr geben, und sie soll sich selber fahren, wenn sie Lust hat.«



Er kritzelte eine Zeile, um Miß Milroy’s Angst zu beschwichtigen, und gab die nöthigen Befehle hinsichtlich der Ponykutsche. Zehn Minuten später hielten die für die Vergnügungsparties bestimmten Wagen vor der Thür.



»Jetzt, da wir uns ihretwegen all diese Mühe genommen«, sagte Allan, als sie aus dem Hause traten, »bin ich neugierig, ob wir, wenn sie wirklich heute kommt, sie beim Picknick sehen werden!«



»Komm ganz und gar auf ihr Alter an, Sir«, sagte der junge Pedgift mit der glücklichen Zuversicht, die ihn in so hohem Grade auszeichnete, sein Urtheil abgebend. »Ist sie alt, so wird sie von der Reise erschöpft sein und sich an dem kalten Kapaun stärken und das Haus halten. Ist sie jung, so verstehe ich entweder nichts von den Weibern, oder die Ponys mit dem weißen Geschirr bringen sie zum Picknick.«



Darauf fuhren sie nach dem Parkhäuschen ab.



Viertes Kapitel

Die kleine Gruppe, die in Major Milroy’s Wohnzimmer versammelt war und auf die Wagen von Thorpe-Ambrose wartete, würde auf Niemanden, der nichts davon gewußt hätte, den Eindruck einer Gesellschaft gemacht haben, die einem Picknick entgegensähe. Soviel man sah, waren die Anwesenden in sattsam feierlich langweiliger Stimmung, um für Hochzeitsgäste gelten zu können.



Selbst Miß Milroy, obgleich sich vollkommen bewußt, daß ihr hübsches Musselinkleid und ihr schöner neuer Federhut sie vortrefflich kleideten, erschien in diesem unvortheilhaften Augenblicke als Miß Milroy unter einer Schattenwolke. Obgleich Allans Billet ihr in kräftigster Sprache die Versicherung gegeben, daß der eine große Zweck, die Ankunft der Erzieherin mit der Feier des Picknicks in Einklang zu bringen, erreicht sei, blieb ihr doch noch der Zweifel, ob Allans Plan, sei er, was er sei, von ihrem Vater gebilligt würde. Mit Einem Worte, Miß Milroy wollte sich ihres Vergnügens für den Tag nicht gewiß dünken, bis der Wagen vor der Thür halten und sie von dannen führen würde. Der Major seinerseits, zur Feier des Tages in einen knappen blauen Frack eingeknöpft, den er seit Jahren nicht getragen, und mit einer zwölfstündigen Trennung von seiner alten Freundin und Gefährtin, der Uhr, bedroht, war ein Mann so sehr außer seinem Fahrwasser, wie es nur je einen gegeben. Was die Freunde betraf, die auf Allan’s Wunsch dazu geladen worden, nämlich die Wittwe Mrs. Pentecost und ihr Sohn, Se. Ehrwürden Mr. Samuel Pentecost, so hätte man ganz England von einem Ende zum andern durchsuchen können, ohne ein Paar Leute zu entdecken, die weniger zur Lust des Tages beizutragen geeignet waren, als diese Beiden. Ein junger Mann, der seine Rolle in der Gesellschaft spielt, indem er durch eine grüne Brille zuschaut und mit einem krankhaften Lächeln zuhört, mag wohl ein Wunder von Verstand und ein Abgrund von Tugend sein, aber für ein Picknick ist er kaum der rechte Mann. Eine alte Dame, die an Taubheit leidet, deren einziges unerschöpfliches Thema ihr Sohn ist und die bei den glücklicherweise seltenen Gelegenheiten, wo ihr Sohn spricht, Jeden eifrigst fragt: » »Was sagt mein Sohn?« ist eine Person, die vermöge ihrer Gebrechen zu Mitleid und wegen ihrer mütterlichen Zärtlichkeit zu aller Achtung berechtigt, allein ist es irgendwie zu umgehen, nicht gerade zu einem Picknick taugt. Ein solcher Mann aber war Se. Ehrwürden Mr. Samuel Pentecost, und eine solche Frau war Sr. Ehrwürden Mutter; und in Ermangelung anderer produzierbarer Gäste waren sie engagiert, heute auf Mr. Armadales Vergnügungspartie nach den »Breiten« von Norfolk zu essen, zu trinken und fröhlich zu sein.



Die Ankunft Allan’s, der von seinem getreuen Begleiter, Pedgift junior, gefolgt ward, fachte die sinkenden Lebensgeister der Gesellschaft im Parkhäuschen wieder an. Der Plan, der Erzieherin die Mittel an die Hand zu geben, um sich dem Picknick anschließen zu können, genügte selbst dem Major in seinem Wunsche: der Dame, die er in seinem Hause aufzunehmen im Begriff stand, alle Aufmerksamkeit zu erzeigen. Nachdem sie die erforderliche Entschuldigung und Einladung geschrieben und in ihrer besten Handschrift an die Gouvernante adressiert, lief Miß Milroy hinauf, um ihrer Mutter Adieu zu sagen, und kehrte mit lächelndem Gesicht und einem Seitenblicke auf ihren Vater zurück, um zu verkünden, daß sie jetzt das Haus verlassen könnten. Die Gesellschaft verfügte sich unverzüglich an das Gartenpförtchen und sah sich, dort angelangt, der zweiten großen Schwierigkeit des Tages gegenüber. In welcher Weise sollten sich die sechs Personen des Picknicks in die beiden offenen Vehikel theilen, die ihrer warteten?



Da legte Pedgift junior abermals seine unschätzbaren Talente in Bezug auf Auskunftsmittel an den Tag. Dieser höchst begabte junge Mann besaß in einem erstaunlichen Grade ein den meisten jungen Leuten unseres Zeitalters eigenthümliches Talent: er war vollkommen fähig, sein Vergnügen zu genießen, ohne darüber seine Geschäfte zu vergessen. Ein Client, wie der Squire von Thorpe-Ambrose, fiel seinem Vater nur sehr selten in den Schooß, und es war daher des jungen Pedgift’s Geschäft, daß er Allan den ganzen Tag hindurch eine besondere, doch nicht aufdringliche Aufmerksamkeit erwies, ein Geschäft, das er vom Anfang bis zum Ende der Lustpartie keinen Augenblick aus dem Gesichte verlor, während er sich zu gleicher Zeit als Leben und Seele des Festes bewahrte. Er hatte auf den ersten Blick erkannt, wie es zwischen Allan und Miß Milroy stand, und sorgte auf der Stelle für die Erfüllung der nach dieser Richtung hin gehenden Wünsche seines Clienten, indem er sich erbot, um seiner Ortskenntniß willen, im ersten Wagen voran zu fahren und Major Milroy und den Geistlichen um ihre Begleitung ersuchte. »Wir werden an einer für einen Soldaten sehr interessanten Stelle vorbeikommen, Sir«, sagte der junge Pedgift mit seiner glücklichen und dreisten Zuversicht zum Major, »an den Ueberresten eines römischen Feldlagers. Und mein Vater, Sir, der einer der Beitragenden ist«, fuhr der angehende Advocat zum Geistlichen gewendet fort, wünscht, daß ich Sie um Ihre Ansicht über die neue Kleinkinderschule befrage, die in Little Gill Beck gebaut wird. Wollen Sie mir dieselbe auf unserer Fahrt gütigst mittheilen?« Er öffnete den Wagenschlag und half dem Major und dem Geistlichen hinein, ehe weder der Eine noch der Andere Einwendungen zu erheben im Stande war. Dies hatte die nothwendige Folge, daß Allan und Miß Milroy in einem und demselben Wagen zusammen fuhren und noch des Extravortheils einer tauben alten Duena genossen, welche des Squires Höflichkeiten in den unerläßlichen Schranken hielt.



Allan hatte sich noch nie eines Zusammenseins mit Miß Milroy erfreut, wie es ihm jetzt auf der Fahrt nach den, »Breiten« zu Theil wurde. Die liebe alte Dame that, nachdem sie ein paar Anekdoten über ihren Sohn erzählt, das Eine, was noch fehlte, um das Glück ihrer beiden jugendlichen Gefährten vollständig zu machen »– sie ward für die Gelegenheit absichtlich eben sowohl blind, wie sie taub war. Eine Viertelstunde, nachdem der Wagen das Häuschen des Majors verlassen, sank die arme gute Seele, auf bequemen weichen Kissen ruhend und von lauen Sommerlüften angefächelt, in einen friedlichen Schlummer. Allan machte seinen Hof und Miß Milroy gestattete die Fabrication dieses zuweilen sehr kostbaren Gegenstandes menschlichen Verkehrs – beide vollkommen gleichgültig gegen das in zwei Noten spielende feierliche Aecompagnement, das die arglose Nase der Predigersmutter abgab. Die einzige Unterbrechung, die das Hofmachen erlitt, denn das Schnarchem als ein seiner Natur nach bei weitem ernsteres und dauernderes Ding, ward nicht unterbrochen, kam von Zeit zu Zeit von dem voran fahrenden Wagen. Nicht zufrieden, des Majors römisches Feldlager und des Predigers Kleinkinderschule im Kopfe zu haben, erhob Pedgift junior sich hin und wieder in seinem Wagen, rief das ihnen folgende Fuhrwerk an und lenkte mit durchdringender Tenorstimme und in höchst gewählten Ausdrücken Allan’s Aufmerksamkeit auf die interessanten Punkte der Fahrt. Das Einzige, was ihn zum Schweigen brachte, war die stereotype Antwort: »Ja, herrlich!« die Allan zurückbrüllte, worauf Mr. Pedgift in den Tiefen seines Wagens wieder verschwand und die Römer und Kinder da wieder aufnahm, wo er sie hatte fallen lassen.



Die Gegend, durch die jetzt die Gesellschaft fuhr, verdient weit größerer Aufmerksamkeit, als ihr sowohl von Allan wie von seiner Freundin zu Theil wurde.



Eine Fahrt von einer Stunde hatte den jungen Armadale und seine Gäste über den Bereich von Midwinter’s einsamen Spaziergängen hinausgebracht und führte sie einem der eigenthümlichsten und anmuthigsten Naturbilder immer näher, welches die Binnenlandschaft nicht nur von Norfolk, sondern von ganz England aufzuweisen hat. Je mehr die Wagen sich der entlegenen und einsamen Breitengegend näherten, je mehr veränderte« sich allmählig die Landschaft Die Weizen- und Rübenfelder wurden sichtlich seltener, und die fetten grünen Weideplätze mit ihrem weichen schwellenden Rasen dehnten sich zu beiden Seiten weiter und weiter aus. Haufen von trockenem Rohr und Binsen lagen für Korbmacher und Dachdecker am Wege aufgestapelt. Die alten Giebelhäuschen, an denen sie auf der ersten Strecke ihrer Fahrt vorüber gekommen, verschwanden, und Lehmhütten erschienen an ihrer Stelle. Außer den alten Kirchthürmen und den Wind- und Wassermühlen, welche bisher die einzigen Gegenstände gebildet hatten, die man aus dem flachen Marschboden aufragen gesehen, erhoben sich jetzt rings am Horizonte die Segel von unsichtbaren Booten, die langsam hinter einem fernen Saume niedriger Weidenbäume auf unsichtbaren Gewässern dahinglitten. Alle die Linien des seltsamen und überraschenden, von der gewöhnlichen Erscheinung völlig abweichenden Bildes, wie es ein binnenländischer Ackerbaubezirk darbietet, welcher, durch das ihn umspannende verworrene Netz von Sümpfen und Wassern von seinen Umgebungen abgeschlossen, seinen Verkehr zu Wasser anstatt zu Lande bewerkstelligen muß, begannen in immer gedrängterer Reihenfolge sich zu zeigen. Netze erschienen auf den Hüttengeländern; kleine flache Boote lagen fremdartig zwischen den Blumen der Hüttengärtchen; Ackersleute gingen in einer merkwürdig zusammengesetzten Tracht umher, die zugleich auf See- und auf Landleben deutete, in Matrosenhüten, Fischerstiefeln und Bauernkitteln – und noch immer war das niedrige Wasserlabyrinth in seiner geheimnißvollen Einsamkeit ein verstecktes Labyrinth. Eine Minute später bogen die Wagen plötzlich von der harten Landstraße in einen kleinen grasbewachsenen Nebenweg ein. Geräuschlos rollten die Räder über den feuchten schwammigen Boden dahin. Eine einsame kleine Hütte mit ihren Netzen und Booten erschien. Ein paar Ellen weiter, und das letzte Stückchen fester Erde endete mit einem Male in eine kleine Bucht und einen Hafendamm. Und am Ende des Dammes – da, rechts und links ihren großen glänzenden, glatten Wasserspiegel ausgießend, da, so rein in ihrem makellosen Blau, so still in ihrem himmlischen Frieden wie der Sommerhimmel über ihr, lag die erste der Norfolk-Breiten.



Die Wagen hielten, das Hofmachen hatte ein Ende und die ehrwürdige Mrs. Pentecost, die in einem Augenblicke völlig ihrer Stimme mächtig ward, heftete, sowie sie vermochte, ihre Augen streng auf Allan.

 



»Ich lese in Ihrem Gesicht, Mr. Armadale«, sagte die alte Dame scharf, »daß Sie glauben, ich habe geschlafen.«



Das Schuldbewußtsein wirkt auf die beiden Geschlechter verschieden.In neun Fällen von zehn ist es ein weit minder unbequemes Bewußsein bei den Frauen, als bei den Männern. Die Verlegenheit war diesmal ganz und gar auf der Seite des Mannes. Während Allan erröthete und verlegen aussah, umarmte Miß Milroy mit einem hellen unschuldigen Gelächter schnell die alte Dame. »Er ist einer solchen Aehnlichkeit, Sie für eingeschlafen gehalten zu haben, ganz unfähig, liebe Mrs. Pentecost«, sagte die kleine Heuchlerin.



»Ich möchte Mr. Amardale nur wissen lassen«, fuhr die alte Dame, noch immer auf Allan argwöhnisch, fort, »daß ich, da mir leicht schwindlig wird, im Wagen die Augen schließen muß. Die Augen schließen, Mr. Armadale, ist etwas ganz anderes als einschlafen. Wo ist mein Sohn?«



Se. Ehrwürden, Mr. Samuel, erschien schweigend mit seiner grünen Brille und seinem kränklichen Lächeln in schönster Ordnung an der Wagenthür und war seiner Mutter beim Aussteigen behilflich.



»Hat Dir die Fahrt gefallen, Sammy?« fragte die alte Dame. »Herrliche Gegend, nicht wahr, mein Söhnchen?« Der junge Pedgift, welchem die ganzen Vorkehrungen zur Entdeckungsreise nach den »Breiten« zufielen, war eifrig beschäftigt, den Bootsleuten seine Befehle zu ertheilen. Major Milroy saß gelassen und geduldig allein auf einem umgestülpten Fischerboote und sah heimlich nach seiner Uhr. War Mittag schon vorbei? Schon länger als eine Stunde. Seit langen Jahren hatte die berühmte Uhr zu Hause zum ersten Male in einer leeren Werkstatt geschlagen und ihre Künste produziert Der Major seufzte, als er seine Uhr wieder in die Tasche steckte. »Ich fürchte, ich bin für derlei Partien zu alt«, dachte der gute Mann, indem er sich träumerisch umsah. »Mir scheint, ich finde nicht so viel Vergnügen daran, als ich mir gedacht hatte. Wann werden wir nun auf dem Wasser fahren? wo ist Neelie?«



Neelie, oder schicklicher gesprochen, Miß Milroy, befand sich mit dem Veranstalter des Picknicks hinter einem der Wagen. Sie waren in das interessante Thema von ihren Taufnamen vertieft, und Allan war so nahe daran, ihr einen directen Heirathsantrag zu machen, wie dies einem sorglosen jungen Herrn von zweiundzwanzig Jahren nur möglich ist.



»Sagen Sie mir die Wahrheit«, sprach Miß Milroy, die Augen bescheiden auf den Boden heftend, »als Sie zuerst meinen Namen erfuhren, gefiel er Ihnen nicht, wie?«



»Mir gefällt Alles, was Ihnen angehört«, erwiderte Allan entschieden. »Ich finde, daß Eleonore ein wunderschöner Name ist, und dennoch denke ich fast, ich weiß nicht warum, daß der Major ihn noch verschönerte, als er ihn in Neelie umwandelte.«



»Ich kann Ihnen sagen, warum, Mr. Armadale«, entgegnete die Tochter des Majors mit großem Ernste. »Es gibt in dieser Welt unglückliche Menschen, deren Namen – wie soll ich es gleich ausdrücken? – deren Namen nicht für sie passen. Der meine paßt nicht für mich. Ich tadle meine Eltern deshalb nicht, denn als ich noch ein kleines Kind war, konnten sie natürlich nicht wissen, zu welcher Art von Wesen ich heranwachsen würde. So aber – passen mein Name und ich nicht für einander. Wenn man eine junge Dame Eleonore nennen hört, so denkt man sich augenblicklich ein großes, schlankes, schönes, interessantes Geschöpf ganz das Gegentheil von

mir

! Bei meinem Aeußeren klingt Eleonore lächerlich – und deshalb ist Neelie, wie Sie selbst bemerkten, gerade das Rechte. Nein! nein! sagen Sie nichts weiter darüber – ich habe genug davon; wenn wir einmal von Namen reden müssen, so habe ich einen andern Namen im Kopfe, der weit würdiger ist, besprochen zu werden.«



Sie warf dabei ihrem Gefährten einen verstohlenen Blick zu, welcher deutlich genug sagte: »Es ist Ihr Name Allan trat einen Schritt näher zu ihr heran und dämpfte, ohne die geringste Notwendigkeit, die Stimme zu einem geheimnißvollen Flüstern herab. Miß Milroy nahm augenblicklich ihre Untersuchung auf dem Erdboden wieder auf. Sie betrachtete denselben mit einem so außerordentlichen Interesse, daß ein Geologe sie fast des Kokettierens mit den oberen Gesteinsschichten hätte beargwöhnen können.



»An welchen Namen denken Sie?« fragte Allan. Miß Milroy richtete ihre Antwort in Gestalt einer Bemerkung an die oberen Schichten und lief; diese in ihrer Beschaffenheit als Schallleiter damit anfangen, was ihnen beliebte: »Wenn ich ein Mann gewesen