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Durch das Mißlingen seiner Anstrengungen niedergeschlagen und über das unter seinen Anhängern bereits stattgefunde Blutbad einsetzt, befahl der Erzbischof plötzlich die Feindseligkeiten einzustellen und schlug den Vertheidigern des Tempels einen kurzen günstigen Waffenstillstand vor. Nach einigem Verzug und, wie es schien einiger Zwiste in ihren Reihen sendeten die Heiden dem Primus die Versicherung der Annahme seiner Bedingungen, welche darin bestanden, daß beide Theile sich weiteren Kampfes um die Oberhand enthalten sollten, bis man von Theodosius ein Edikt über das endliche Schicksal des Tempels verlangt und erhalten haben würde.

Sobald der Waffenstillstand einmal abgeschlossen war, wurde der weite Raum vordem gefristeten Gebäude allmälig von Menschen gereinigt. Langsam und traurig entfernte sich der Erzbischof mit seinen Leuten von den alten Mauern, deren Zinnen sie vergeblich gestürmt hatten, und als die Sonne unterging, waren von der ungeheuern Menge, die sich am Morgen zusammengefunden hatte, nur noch einige Leichen vorhanden. In dem Tempelgebäude selbst trat mit der Nacht die Herrschaft des Todes und der Ruhe ein, wo der Morgen hell auf Leben und Thätigkeit geschimmert hatte. Die Verwundetem Müden und Todten lagen alle jetzt gleich still von den Nachtwinden gestichelt, die durch die hohen Säulenhallen zogen, oder von der in den stummen Sälen herrschenden Dunkelheit beschwichtigt. In den Reihen der Heiden gab es nur Einen, der sich noch mühte und dachte. Rastlos wie ein Raubthier, welches in seiner Höhle bedroht wird, wachsam wie ein einsamer Geist in einer Stadt von fremden Gräbern, wenderte Ulpius brütend im Tempel umher. Für ihn gab es keine Ruhe des Körpers – keine Stille ins Geistes. Ueber den Ereignissen der nächsten wenigen Tage schwebte die furchtbare Entscheidung welche bald auf die Jahre seines künftigen Lebens einen unwiderruflichen Einfluß zum Elend oder Glücke haben sollte. Rund um die gewaltigen Mauern wachte er mit mechanischer nutzloser Aengstlichkeit, jeder Stein des Gebäudes war beredt für sein einsames Herz – schön für seine wilde Phantasie. In jenen nackten Gebäuden war für ihn das geliebte fruchtbare Vaterhaus, hier war der Tempel, für dessen Verherrlichung sein Geist in Sklavenbande geschlagen, zu dessen Ehre seine Jugend geopfert worden war. Um die geheimen Raume und die geheiligten Höfe schritt er mit eiligen Tritten und reinigte mit sanfter, fleißiger Hand die Statuen neben ihm von Blutflecken und den Befleckungen des Kriegs. Trübe, einsam, nachdenklich, wie in den ersten Tagen seiner Lehrzeit zum Götterdienst, schweifte er jetzt in den mondhellen Gemächern umher, wo in seiner Jugendzeit Macrinus sein Lehrer gewesen war. Wie die drohenden Tumulte des Tages seinen Zorn erregt hatten, so erweckte die Stille der ruhigen Nacht seine Sanftmuth. Er hatte am Morgen für den Tempel gekämpft, wie ein Sohn für seinen Vater, und ietzt bei Nacht wachte er über ihm, wie der Geizige über seinen Schätzen, wie der Liebende über seiner Geliebten, wie eine Mutter über ihrem Kinde!

Die Tage vergingen und endlich erschien der denkwürdige Morgen, welcher das Schicksal des letzten Tempels entscheiden sollte, den der christliche Fanatismus für die Bewunderung der Welt ausgespart hatte. In der Frühe des Tages trafen die verminderten Schaaren der heidnischen Streiter mit ihren verstärkten, entschlossenen Gegnern, beide unbewaffnet, auf dem Hauptplatze von Alexandria zusammen. Die kaiserliche Verfügung wurde hier öffentlich vorgelesen.

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Sie begann damit, daß sie den Heiden versicherte, wie das Ansuchen ihres Priesters um Schutz für den Tempel dieselbe Berücksichtigung erfahren habe, welche der von dem christlichen Erzbischof übersendeten Petition gegen die Götter zu Theil geworden sei und endete mit dem Befehl des Kaisers, daß Serapis und alle andere Götzenbilder in Alexandria sofort vernichtet werden sollten.

Das Triumphgeschrei, welches dem Schlusse des kaiserlichen Edikts folgte, war in den christlichen Reihen noch nicht verstummt, als die Vorhut der zur Unterstützung des Vollzugs des kaiserlichen Dekrets bestimmten Soldaten aus dem Platze erschien. Einige Minuten lang standen die verlassenen Heiden an die Stelle gewurzelt, wo sie sich versammelt hatten, und blickten in stumpfer Verwirrung und Verzweiflung auf die kriegerischen Vorbereitungen um sie her.

Als sie sich dann erinnerten, wie vermindert ihre Zahl, wie schwer ihre erste Vertheidigung gegen Wenige gewesen war und wie unmöglich eine zweite gegen Viele sein würde, wurden die Kühnsten wie die Schwächsten von einem panischen Schrecken ergriffen, und ohne an Ulpius, ohne an die Ehre, ohne an die Götter zu denken, wendeten sie sich wie ein Mann und flohen vom Platze.

Mit der Flucht der Heiden begann das Werk der Zerstörung. Selbst Frauen und Kinder eilten herbei, um an der willkommenen Aufgabe rücksichtsloser Vernichtung Theil zu nehmen. Diesmal versperrten keine Vertheidiger den Christenschaaren die Thore des Tempels. Die erhabene Einsamkeit des bewohnerlosen Gebäudes wurde augenblicklich gestört und geschändet Die Statuen wurden zerschlagen, das Gold der Verzierung davon geschleppt, die Thüren zersplittert – hier aber hielt für jetzt das Werk der Zerstörung an. Diejenigen, denen die Arbeit, das äußere Gebäude zu zertrümmern, anvertraut worden war, hatten dabei geringern Erfolg als ihre Freunde, welche das Innere ausplünderten. Die gewichtigen Steine der Säulen, die massive Oberfläche der Mauern widerstanden selbst ihren kräftigsten Anstrengungen und zwangen sie, sich mit dem Verstümmeln Desjenigen, was sie nicht zerstören konnten, zu begnügen – mit dem Abreißen der Dächer, dem Verstümmeln der Statuen und Zerschlagen der Capitäle. Das übrige Gebäude blieb unverletzt und stand selbst jetzt in seinen Ruinen noch großartiger da, als es je in der Pracht seiner Vollkommenheit und Macht gewesen war.

Aber die wichtigste That blieb noch zu verrichten. Dem Heidenthume mußte noch seine Todeswunde geschlagen, die Bildsäule des Serapis, der die Herzen von Millionen beherrscht hatte und in den entferntesten Winkeln des Reiches berühmt war, zerstört werden.

Athemlose Stille herrschte in den Reihen der Christen, als sie in die Halle des Gottes drangen. Eine abergläubische Scheu, der sie sich bis jetzt überlegen geglaubt hatten, kam über ihre Herzen, als ein einziger Soldat, kühner wie seine Genossen, auf einer Leiter bis zum Kopfe der kolossalen Statue hinaufstieg und mit seiner Axt einen Streich nach ihrer Wange führte. Der Schlag war kaum erfolgt, als, ein tiefes Stöhnen von der entgegengesetzten Mauer des Saales her ertönte, dann hörte, man sich entfernende Schritte und darauf war Alles still. Auf einige Minuten hielt dieser Vorfall Diejenigen zurück, welche im Begriff waren, ihrem Genossen in der Verstümmelung des Götterbildes beizustehen, dann aber verschwand ihr Zaudern, sie führten ihre Streiche nach der Statue und es folgten denselben keine weiteren Laute.

In unglaublich kurzer Zeit lag das Bild des Serapis in Trümmern auf dem Boden. Die Menge bemächtigte sich der Glieder der Bildsäule und eilte hinweg, um sie triumphirend durch die Straßen zu schleppen. Noch wenige Minuten und die Ruinen waren öde, der Tempel verstummt, das Heidenthum vernichtet!

Die Christen waren in ihrem Zerstörungslaufe durch den Tempel mit der hartnäckigsten Ausdauer und zugleich der vollkommensten Straflosigkeit von dem einzigen Heiden, der nicht in der Flucht Sicherheit gesucht hatte, gefolgt worden. Dieser Mann, der jeden geheimen Gang, jede Treppe des heiligen Gebäudes kannte, konnte insgeheim bei jeder neuen Zerstörungshandlung, in welchem Theile des Gebäudes sie auch stattfinden mochte, zugegen sein Von Halle zu Halle, und Zimmer zu Zimmer folgte er mit geräuschlosem Schritte und glühendem Auge den Bewegungen des christlichen Pöbels – bald hinter einer Säule versteckt, bald in geheime Höhlungen der Mauern schlüpfend, bald von unmerklichen Spalten in der Decke herabblickend; wo er aber auch immer sein mochte, stets mit derselben Aufmerksamkeit und demselben bewegten Schweigen, selbst die geringstfügigsten Zerstörungen der Niedrigsten unter den Reihen der Christen beobachtend.

Erst als er mit den siegreichen Verwüsten in das ungeheure Gemach trat, welches von dem Bilde des Serapis eingenommen wurde, begann das Gesicht des Mannes Zeugniß von der Pein abzulegen, in welcher sein Herz zuckte. Er stieg eine Geheimtreppe, die in der massiven Wand ausgehauen war, hinauf, gelangte in einen Gang, der um den Rand der Decke lief und blickte durch eine Art von Fenster, welches in den Zierrathen des Karnises verborgen war. Als er so hinabschauend, den Soldaten die Axt in den Händen zu dem Kopfe der Statue hinaufsteigen sah, träufelten große Schweißtropfen von seiner Stirn. Der heiße Athem zischte dick durch seine zusammengepreßten Zähne und seine Hände griffen in die starken Metallstützen des Fensters, daß sich dieselben verbogen.

Als der Streich auf das Götterbild fiel, schloß er die Augen. Als das von dem Schlage abgelöste Bruchstück zu Boden stürzte, entfloh seinen behenden Lippen ein Stöhnen. Noch einen Augenblick starrte er mit Entsetzen auf die Menge zu seinen Füßen und stieg dann mit rasender Eile die steile Treppe, über die er hinaufgelangt war, herab, und floh aus dem Tempel.

In der Nacht darauf wurde der Mann wieder von einigen Schäfern, die die Neugier zu einem Besuche in dem entheiligten Gebäude getrieben hatte, gesehen, wie er in den zerstörten, verlassenen Säulenhallen bitterlich weinte. Als sie sich ihm näherten, um ihn anzureden, erhob er den Kopf und winkte ihnen mit flehender Geberbe, ihn zu verlassen. Während der wenigen Augenblicke, wo er ihnen gegenüber stand, schien der Mond voll auf sein Gesicht und die Schäfer, die in früheren Tagen den Ceremonien im Tempel beigewohnt hatten, sahen mit Erstaunen, daß der einsame, trauernde, dessen Betrachtungen sie unterbrochen hatten, kein Anderer war als Ulpius der Priester.

 

In der Morgendämmerung kamen diese Schäfer wieder an den Mauern des geplünderten Tempels vorüber. Während der Stunden der Nacht hatte ihnen die Erinnerung an den trostlosen, ungetheilten Schmerz, den sie erblickt, an die furchtbare Einsamkeit des Elendes, in welcher sie den verlassenen Mann mit dem gebrochenen Herzen, dessen leisestes Wort sie einst freudig verehrt hatten, gesehen, ein Gefühl des Mitleids für den unglücklichen Heiden eingeflößt, welches weit von dem Verfolgungsgeiste abwich, den das Wahnchristenthum ihrer Zeit der Brust selbst seiner geringsten Schüler einflößen wollte. Auf Trost bedacht, von dem Verlangen, Hülfe zu gewähren, erfüllt, traten diese Männer gleich dem barmherzigen Samaritaner ein, um einem bekümmerten Bruder beizustehen. Sie durchsuchten alle Theile des leeren Gebäudes, aber der Gegenstand ihrer Theilnahme war nirgends zu sehen. Sie riefen, aber sie vernahmen außer den Klagen des frühen Morgenwindes durch die zerstörten Hallen, die vor Kurzem noch von der Beredtsamkeit des einst berühmten Priesters erfüllt gewesen waren, keinen antwortenden Ton. Mit Ausnahme einiger Nachtvögel, denen das öde Gebäude bereits Zuflucht gewährte, bewegte sich kein lebendes Wesen in Dem, was einst der Tempel der östlichen Welt gewesen war. Ulpius war verschwunden.

Diese Ereignisse fanden im Jahrr 389 statt.

Ein Jahr darauf wurde das Halten von heidnischen Ceremonien im ganzen römischen Reiche dem Hochverrathe gleich gestellt. Von dieser Periode an spalteten sich die zerstreuten Wenigen, welche noch dem alten Glauben anhingen, in drei Theile, die alle gleich unbedeutend waren, mochte man sie nun als offene oder geheime Feinde der neuen Staatsreligion betrachten.

Die erste Abtheilung bemühte sich ohne Erfolg, die die Opfer und Wahrsagereien verbietenden Gesetze zu umgehen, indem sie ihre religiösen Feierlichkeiten unter der Form von gastlichen Zusammenkünften verbarg.

Die zweite bewahrte ihre alte Ehrerbietung für die Theorie des Heidenthums, gaben aber alle Hoffnung und Absicht auf, je wieder die Ausübung derselben vorzunehmen. Durch dergleichen rechtzeitige Zugeständnisse gelang es Vielen, hohe und einträgliche Staatsämter zu behaupten und selbst zu erlangen.

Die Dritten zogen sich als freiwillige Verbannte von jeder Religion in ihre Heimath zurück, gaben aus Nothwendigkeit die Uebnng des Heidenthums auf und vermieden aus freier Wahl die Gemeinschaft der Christen.

Dies waren die unwichtigen Abtheilungen, in welche jetzt die letzten Ueberbleibsel der einst mächtigen Heiden versanken. Aber der von seiner stolzen Höhe herabgestürzte Ulpins schloß sich nie einer von denselben an.

Fünf lange Jahre von der Epoche der Verbietung des Heidenthums an gerechnet, wanderte er durch das ganze Reich und besuchte als freundloser, hoffnungsloser, einsamer Mann in allen Ländern die zerstörten Heiligthümer seiner unterdrückten Religion.

Durch ganz Europa und alles, was in Asien und Afrika noch zu Rom gehörte, nahm er seinen langsamen mühseligen Weg. Durch die fruchtbaren Thaler Galliens, über den glühenden Sand von Afrika, durch die sonnenhellen Städte von Spanien reiste er freundlos, wie ein fluchbelasteter, einsam, wie ein zweiter Kain. Keinen Augenblick verließ die Erinnerung an seine zerstörten Pläne sein Gedachtniß oder der wahnsinnige Vorsatz, seine Religion neu zu beleben, seinen Geist. An jedem Ueberbleibsel des Heidenthums, welches er auf seinem Wege traf, wie geringfügig es auch sein mochte, fand er Nahrung für seine grimmige Pein, Beschäftigung für seine rachsüchtigen Gedanken. In den kleinen Dörfern wurden oft die Kinder von ihren Spielen in einem verlassenen Tempel durch das Erscheinen seiner magern, starren Gestalt unter den schwankenden Säulen oder den Ton seiner hohlen Stimme unter den heidnischen Gräberruinen aus ihren Spielen aufgeschreckt. Oft fanden ihn in menschenvollen Städten Männergruppen, die sich versammelt hatten, ums über ihre Erinnerungen an den Fall des Heidenthums zusprechen, lauschend an ihrer Seite und wenn sie nachlässig ihren alten Glauben bedauerten, sie mit der lächelnd geflüsterten Versicherung tröstend, daß noch die Zeit des Wiederersatzes kommen würde. Von Allen und überall wurde er als ein unschädlicher Wahnsinniger betrachtet, dessen seltsame Verblendungen und Vorurtheile nicht bekämpft werden durften, sondern mit Nachsicht betrachtet werden mußten.

So wanderte er durch die christliche Welt, ohne auf das Verfließen der Zeit und die Veränderung des Klimas zu achten, lebte nur mit sich, fand Genuß in der Trauer über den Untergang seiner Religion, ließ sich geduldig die ihm zu Theil werdenden Beleidigungen, Schmähungen und Hoffnungstäuschungen gefallen, wartete auf die-Gelegenheit, die, wie er immer noch glaubte sicher kommen würde, und hielt mit aller Rücksichtslosigkeit des Ehrgeizes und aller Ausdauer der Rachsucht an seinem Vorsatze fest.

Die fünf Jahre vergingen unbeachtet, unberechnet, von Ulpius unbedauert. Für ihn, der nur in der Vergangenheit lebte, nur für die Zukunft hoffte, besaß der Raum keine Hindernisse, war die Zeit etwas Vergessenes. Jahre vergehen wie Tage, Stunden wie Augenblicke, wenn die wechselnden Empfindungen, welche ihre Existenz im Gedächtnisse bezeichnen und ihre Reihenfolge auf dem Zifferblatte des Herzens anmerken, nicht mehr zum Glück oder Schmerz existiren, für alle neuen Gefühle todt, lag Ulpius Geist, seine ganzen Wanderungen hindurch, unter der einen Idee, welche ihn ausfüllte, erstarrt da. Erst nach Verlauf dieser unbeachteten Jahre, als der Zufall der Reise seine Schritte nach Alexandria lenkte, brach sein Geist die lange Knechtschaft, welche ihn bedrückt hatte. Dort – als er durch das Thor schritt, in welches er vor langen Jahren als ein stolzer, ehrgeiziger Knabe getreten war, als er unbegrüßt durch die Ruinen des Tempels wanderte, wo er einst berühmt und verehrt gelebt hatte, – erhoben sich seine dumpfen, kalten Gedanken stark und lebenskräftig in ihm. Der Anblick des Schauplatzes seiner frühern Herrlichkeit, welcher bei Andern vielleicht Verzweiflung erweckt haben würde, regte in ihm die schlafenden Leidenschaften auf, machte die erstickten Kräfte frei. Die Pläne der Rache und die Visionen der Wiederherstellung des Heidenthums, über welchen er fünf lange Jahre hindurch gebrütet hatte, stiegen jetzt vor ihm auf, als wären sie schon von dem belebenden Einflusse der ihn umgebenden, entweihten Lokalitäten verwirklicht worden. Als er so in den zertrümmerten Säulengängen des Heiligthums stand, gab es keinen zu seinen Füßen zerbröckelten Stein, der ihn nicht über seine bisherige Unthätigkeit getadelt und ihn zum Wagen zu Verschwörungen, zur Rache im Dienste der beleidigten Götter gestärkt hätte. Die Tempelruinen, welche er auf seinen düstern Wanderungen besucht hatte, wurden jetzt von seiner Phantasie wieder belebt, als sie sich eine nach der andern in seinem angestrengten Gedächtnisse erhoben. Zerbrochene Säulen stiegen vom Boden auf, entweihte Götterbilder nahmen wieder ihre leeren Fußgestelle ein und er, der Verbannte und Trauernde, stand wieder als Herrscher, Lehrer und Priester da.

Die Zeit der Wiederherstellung war gekommen obgleich sein Verstand ihm noch keine bestimmten Pläne eingab, trieb ihn doch sein Herz an, blindlings auf die Ausführung seiner Reform zuzueilen. Der Augenblick war erschienen – Macrinus sollte noch gerächt, der Tempel endlich wieder hergestellt werden.

Er stieg in die Stadt hinab, er eilte, ohne bewillkommnet oder wieder erkannt zu werden, durch die menschenvollen Straßen, er trat in das Haus eines Mannes, der einst in frühern Tagen sein Freund und College gewesen war, schüttete gegen ihn seine phantastischen Vorsätze und unzusammenhängenden Pläne aus, flehte ihn um Beistand an und versprach ihm herrlichen Erfolg. Aber sein alter Genoss war durch rechtzeitige Bekehrung zum Chtistenthume ein Mann von Vermögen und Ansehen in Alexandria geworden und wendete sich mit Entrüstung und Verachtung von dem freundlosen Enihusiasten ab.

Zurückgewiesen aber nicht entmuthigt suchte Ulpius Andere auf, die er in seinem Glück und Glanz gekannt. Sie alle hatten ihren alten Glauben abgeschworen, – sie alle empfingen ihn mit studierter Kälte oder nachlässiger Geringschätzung, er aber verharrte trotzdem auf seinen nutzlosen Versuchen. Er verblendete seine Augen gegen ihre verächtlichen Blicke, er verschloß seine Ohren ihren spöttischen Worten. In seiner Selbstverblendung verharrend, ernannte er sie zu Boten an ihre Brüder in anderen Ländern, zu Anführern der Verschwörung, die in Alexandria beginnen sollte, zu Rednern vor dem Volke, wenn die denkwürdige Revolution einmal begonnen haben würde. Umsonst verweigerten sie jede Theilnahme an seinen Plänen, er verließ sie, als eben die Worte der Weigerung auf ihre Lippen stiegen und eilte zu andern in seinen Anstrengungen so eifrig, seiner unwillkommenen Sendung so hingegeben, als ob« sich die Hälfte der Bevölkerung der Stadt freudig gelobt habe, ihm in seinem rasenden Vorhaben beizustehen.

So setzte er den ganzen Tag hindurch seine Arbeit unablässiger Ueberrednng unter denjenige Bewohnern der Stadt, welche einst seine Freunde gewesen waren, fort. Als der Abend kam, begab er sich müde, aber nicht niedergeschlagen nach dem irdischen Paradiese, weiches er wieder zu erlangen eutschlossen war – dem Tempel, wo er einst gelehrt hatte, und welchem er immer noch dereinst vorzustehen hoffte. Hier begann er, mit den neuen Gesetzen unbekannt, gleichgültig gegen Entdeckung und Gefahr, wie in alten Zeiten durch seine Wahrsagekunst zu untersuchen, ob seinen großen Plan Mißlingen oder Erfolg erwarte.

Unterdessen waren die Freunde, deren Beistand zu erzwingen Ulpius beschlossen hatte, ihrerseits nach der Entfernung des eifrigen Priesters keineswegs unthätig geblieben. Sie erinnerten sich mit Schrecken, daß die Gesetze eben so streng gegen Diejenigen waren, welche ihre Kenntniß von einer heidnischen Intrige geheim hielten, wie gegen die wirklich an einer heidnischen Verschwörung Betheiligten. Und sie begaben sich, in der Besorgniß um ihre persönliche Sicherheit mit Ueberwindung aller Rücksichten der Ehre und Ansprüche alter Freundschaft, zusammen zu dem Präfekten der Stadt, um ihn mit dem ganzen Eifer der Besorgniß von der Anwesenheit des Ulpius in Alexandria und dessen verbrecherischen Plänen zu benachrichtigen.

Jetzt wurde sofort Nachsuchung nach dem unbekehrten Heiden gehalten. Man fand ihn noch im Laufe der Nacht vor einem zerstörten Altare über den Eingeweiden eines so eben von ihm geopferten Thieres brüten. Es bedurfte keines weitern Beweises seiner Schuld. Er wurde gefangen genommen, am folgenden Morgen unter den Verwünschungen des Volkes, welches ihn einst fast angebetet hatte, vor Gericht gestellt und verurtheilt, den nächsten Tag die Todesstrafe zu erleiden.

Zur angesetzten Stunde versammelte sich der Pöbel, um die Hinrichtung anzusehen. Zu seiner Entrüstung sah er sich jedoch in seinen Erwartungen getäuscht, denn als die Gerichtsbeamten der Stadt vor dem Gefängnisse erschienen, geschah es nur, um den Zuschauern anzuzeigen, daß die Ausführung der blutigen Feierlichkeit verschoben worden sei. Nach einer räthselhaften mehrwöchentlichen Frist wurden sie wieder zusammenberufen, aber nicht um der Hinrichtung beizuwohnem sondern um die außerordentliche Ankündigung zu erhalten, daß das Leben des Missethäters geschont werden würde, und der abgeminderte Richterspruch ihn jetzt zu lebenslänglicher Sklavenarbeit in den spanischen Kupferbergwerken verdamme.

Welcher mächtige Einfluß den Präfekten bewogen hatte, sich durch Begnadigung eines Gefangenen, dessen Schuld so vollkommen erwiesen war wie die des Ulpius, dem öffentlichen Hasse auszusetzen, kam nie an den Tag. Die Einen behaupteten, daß der Stadtrichter noch im Herzen ein Heide sei und sich daher scheue, den Tod eines Mannes zu autorisiren, der einst der berühmteste von den Bekennern des salten Glaubens gewesen war. Andere meinten, daß Ulpius die Nachsicht seiner Richter dadurch erlangt habe, daß er sie mit der Lage eines von den geheimen Behältnissen unter den Grundlagen des zerstörten Serapistempels, die, wie man glaubte, ungeheure Schätze enthalten sollten, bekannt gemacht habe. Es wurde aber nie zur Genüge erwiesen, welches von diesen beiden Gerüchten begründet sei, man entdeckte weiter nichts, als daß Ulpius um Mitternacht von Alexandrien nach dem ihm von den glaubenseifrigen Behörden bestimmten Orte irdischer Pein geschafft worden war und die Schildwache an dem Thore, durch welches man ihn brachte, ihn im Vorbeigehen vor steh hin murmeln gehört hatte, daß die Augurien ihn auf das Mißlingen vorbereitet, der große Tag der Wiederherstellung des Heidenthums aber noch erscheinen werde.

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Im Jahre 407, zwölf Jahre nach den eben erzählten Ereignissen, betrat Ulpius Rom.

 

Er war noch nicht weit gekommen, als ihn schon das Getümmel und die Verwirrung aus der Straße völlig außer Fassung zu bringen schien, er eilte nach dem nächsten öffentlichen Garten, welchen er bemerken konnte, vermied die besuchteren Wege und warf sich, wie es schien, in ohnmächtiger Erschöpfung am Fuße eines Baumes nieder.

Eine Zeitlang lag er auf dem von ihm gewählten schattigen Ruheplatze peinlich aufathmend mit fortwährend von plötzlichen Krämpfen durchzittertern Körper und von einer Aufregung, die er umsonst zu unterdrücken versuchte, bebenden Lippen da. Sein Aussehen war so verändert, daß die Wachen, welche ihn von Alexandrien fortgebracht hatten, so elend sein Aeußeres selbst damals schon war, ihn jetzt unmöglich als denselben Mann wieder erkannt haben würden, der einst von ihnen zur Sklaverei in die spanischen Bergwerke abgeliefert worden war. Die Dünste der Kupferbergwerke in denen er zwölf Jahre wie vergraben gelegen, hatten nicht nur das Fleisch auf seinen Gebeinen verzehrt, sondern auch seiner Oberfläche eine fast todtenartige gelbe Farbe ertheilt. Seine vom Alter abgezehrten und durch Leiden verkrümmten Glieder beugten sich und zitterten unter ihm und seine in ihren edeln Verhältnissen einst so majestätische Gestalt war jetzt so verzerrt und verkrüppelt, daß wer ihn erblickte, nicht anders glauben konnte, als daß er von Geburt an verunstaltet gewesen sein müsse. Von dem frühern Manne war kein Kennzeichen mehr übrig geblieben, als der Ausdruck der strengen, traurigen Augen und diese, die wahrhaften Dolmetscher des unbesiegbaren Geistes, dessen Empfindungen auszudrücken sie geschaffen schienen, bewahrten von Leiden unverändert und von der Zeit unvermindert noch denselben Blick theils der Reflexion, theils des Trotzes und theils der Verzweiflung, welcher in ihnen geleuchtet hatte, als der Tempel zerstört und die Gemeinde der Heiden zerstreut wurde.

Aber die in diesem Augenblicke von seinem erschöpften Körper geforderte Ruhe wurde ihm selbst jetzt von seinem ungezähmtem unermüdlichen Geiste verweigert, und als die Stimme seiner alten Verblendung wieder in seinem Innern sprach, erhob sich der glanbenseifrige Priester von seinem einsamen Rastorte und blickte auf die große Stadt, deren neue Religion er umzustzürzen gelobt hatte.

»Durch jahrelange geduldige Wachsamkeit,« flüsterte er vor sich hin, »ist es mir gelungen, glücklich aus meinem Kerker in den Bergwerken zu entkommen. Nur noch ein wenig mehr List, ein wenig mehr Ausdauer, ein wenig mehr Wachsamkeit und ich werde es noch erleben, durch meine Anstrengungen die verlassenen Tempel Rom’s wieder zu bevölkern.«

Mit diesen Worten trat er aus dem Garten auf die Straße hinaus. Der heitere Sonnenschein der ihn Jahre lang fremd gewesen war, strahlte warm auf sein Gesicht, wie um ihn in der Freiheit und, der Welt willkommen zu heißen. Die Töne muntern Gelächters erklangen in seinen Ohren, wie um ihn zu den frohen Genüssen des Lebens zurückzulocken; aber der Einfluß der Natur und das Beispiel der Menschen waren für sein einsames Herz jetzt gleich stumm. In den traurigen Einöden desselben herrschte immer noch der Ehrgeiz, welcher aus seiner Jugend die Liebe und aus seinem Mannesalter die Freundschaft verbannt hatte und bestimmt war, seine Zerstörungssendung damit zu beenden, daß er aus seinem Alter die Ruhe verbannte. Er suchte, grimmig auf Alles, was ihn umgab, starrend, die einsamsten und schattigsten Straßen auf, die Einsamkeit war für sein Herz jetzt eine Nothwendigkeit geworden, der tiefe Abgrund seiner ungetheilten Bestrebungen hatte ihn längst schon für immer von seinen Mitmenschen getrennt. Er dachte, arbeitete und litt allein.

Wenn wir die Jahre unbelohnter Arbeit und durch nichts gemilderter Mühseligkeiten, welche Ulpius am Orte seiner Strafe erlitt, beschreiben, auf dem Tage, der, was auch die Jahreszeit über ihm in der Welt sein mochte, die gleiche wechsellose Bestimmung von Anstrengnug und Ermattung mitbrachte, verweilen, die Geschichte der Nächte verzeichnen wollten, in denen der unruhige Schlummer der einen Stunde nur mit dem ermattenden Nachdenken der andern abwechselte, so würden wir ein Gemälde liefern, vor dessen trauriger Eintönigkeit die Aufmerksamkeit des Lesers mit Abscheu zurückschrecken müßte? Es wird hier genügen, wenn wir bemerken, daß der Einfluß derselben Verblendung, welche ihn zur Vertheidigung des angegriffenen Tempels gestählt und zu seinem unüberleigten Versuche der Wiederherstellung des Heidenthums ermuthigt hatte, auch im Stande gewesen war, ihn unter Leiden aufrecht zu erhalten, die stärkere und jüngere Männer für immer darniedergedrückt haben würden, ihm den Entschluß, aus der Sklaverei zu entfliehen, eingegeben, und ihn jetzt nach Rom geführt hatte, um so alt, verlassen und schwach er auch war, für die Sache, der er sich rücksichtslos für immer mit Leib und Seele geweiht neue Gefahren zu bestehen und, neue Drangsale zu erleiden.

Von seiner Verblendung getrieben, war er daher jetzt in, eine Stadt gekommen, wo man nicht einmal seinen Namen kannte, um seinem rasenden Plane treu sich hülflosen einzelnen Mann dem Volke und der Regierung eines Kaiserreiches zu, widersetzen. Während seiner Sklavenzeit hatte er, ohne seine vorgerückten Jahre zu achten, eine Reihe von Plänen gefaßt, deren allmälige Ausführung ein langes thatkräftiges Leben erfordert haben würde. Er wollte nicht mehr wie bei seinem frühern Versuche in Alexandria den Erfolg seiner Absichten auf einen Wurf sehen. Er war jetzt darauf gerüstet, jahrelang zu wachen und zu warten, zu arbeiten und zu sinnen, er wollte sich mit dem ärmlichsten und langsamsten Fortschritte begnügen, von der geringsten Aussicht auf endlichen Sieg ermuthigen lassen.

Diesem Entschlusse zu Folge begann er damit, Alles, was von seinen geschwächten Kräften noch vorhanden war, darauf zu verwenden, sich vorsichtig durch alle in seiner, Macht stehenden Mittel über die politischen, religiösen und Privatansichten aller Männer von Einfluß in Rom zu belehren. Wo sich eine Volkskmenge zusammenfand, begab er sich unter sie, um das Geschwätz des Tages zu hören, wo die Möglichkeit vorhanden war, ein Privatgespräch zu behorchen, wußte er unbemerkt darauf zu lauschen. Er schlicht gerauschlos wie ein Schatten und eben so achtsam auf die leichtsinnigen Enthüllungen der Trunkenheit, wie auf die Schmähungen boshafter Sklaven an Wirthshausthüren und Herlbergen dienstloser Domestiken umher. Ein Tag verging nach dem andern und immer noch gab der sich seiner Beschäftigung, die, so niedrig sie auch an sich war, doch in seinen Augen durch ihr hohes Ziel veredelt wurde, hin, bis er sich nach einigen Monaten im Besitz eines Vorrathes von unbestimmten und ungenauen Nachrichten sah, welche er als einen kostbaren Schatz in seinem Geiste aufspeicherte. Dann erkundigte er sich nach den Namen und der Wohnung jedes römischen Edelmanne der im Verdacht auch nur der gleichgültigsten Anhänglichkeit für die alten Religionsformen stand. Er besuchte die christlichen Kirchen, unterrichtete sich über die Lehrsätze der verschiedenen Sekten und beurtheilte die Wichtigkeit der mit einander streitenden Schismen und erlangte diese Sammlung von heterogenen Thatsachen unter den vereinigten Nachtheilen der Armuth, Einsamkeit und des Alters, wobei er in Bezug auf seinen Lebensunterhalt von dem geringsten öffentlichen Almosen und auf sein Obdach von den ärmlichsten öffentlichen Freistätten abhing.