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Antonia

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»Ihre Figur gefällt mir,« brummte Fritigern, ein schwerfälliger, phlegmatischer Riese, der wegen seiner unzerstörbaren guten Laune und seiner Tapferkeit im Trinken berühmt war. »Das winzige Bischen, was davon vorhanden ist, sieht so schlapp aus, daß Hermanrich sie in sein leichtes Gepäck stecken und überall hin auf den Schultern mitnehmen könnte.«

»Durch welches Verfahren Du, alter Weinschlauch, sagen willst, daß er den doppelten Vortheil erlangen wird, sie stets für sich zu haben und stets warm zu halten,« unterbrach ihn Colias, ein dicker, leichtsinniger, sechzehnjähriger Junge, dem man aus Rücksicht auf seine Jahre das Recht gestattete, impertinent zu sein.«

»Ist sie eine Orthodoxe oder eine Arianerin,« fragte Athanarich, der sich etwas auf seine theologischen Kenntnisse und außerordentliche Frömmigkeit zu Gute that, ernsthaft.

»Welches Haar sie hat!«" rief Swerid sarkastisch, »es ist so schwarz, wie die Pferdehäute einer Schwadron von Hunnen.«

»Zeige uns ihr Gesicht. Wessen Zelt wird sie zunächst besuchen?« rief Witherich mit insolentem Lachen.

»Das meine!« antwortete Fritigern gemächlich.«

»Was sagt der Refrain des Liedes?

 
Geld und Wein
Machen die Schönheit mein!
 

ich habe von Beiden mehr, als Ihr Alle, sie wird in mein Zelt kommen.«

Während dieser unbeholfenen Scherze die einander Schlug auf Schlag folgten, trat an die Stelle der Verachtung, welche sich anfänglich auf Hermanrich’s Gesicht kund gab, allmälig eine Miene unwiderstehlichen Zornes. Bei Fritigern’s Worten verlor er alle Herrschaft über sich, ergriff sein Schwert und trat drohend auf den gutmüthigen Riesen zu, der weder zurückwich noch einen Versuch, sich zu vertheidigen, machte, sondern beschwichtigend ausrief:

»Geduld, Mann, Geduld! Willst Du einen alten Kameraden umbringen, weil er einen Spaß gemacht hat. Ich beneide Dich um Dein Glück! als Freund, nicht als Feind.«

Der Nothwendigkeit, sein Schwert vor einem Waffenlosen zu senken, nachgebend, wollte Hermanrich Fritigern eben eine zornige Antwort geben, als seine Stimme durch das Schmettern einer Trompete dicht vor dem Zelte übertäupt wurde. Das Signal, welches sie gab, wurde von der witzelnden Gruppe, die um den jungen Gothen herstand, augenblicklich begriffern. Sie wendeten sich ab und entfernten sich ohne Säumen. Der Letzte ihrer Zahl war kaum verschwunden, als derselbe Veteran, welcher bei Goiswinthens Entfernung am vorigen Abends mit Hermanrich gesprochen hatte, eintrat und ihn folgendermaßen anredete:

»Du erhältit hiermit den Befehl, Dich mit der Dich jetzt erwartenden Abtheilung an einer Stelle«östlich von Deinem gegenwärtigen Posten, welchen Dir ein Führer zeigen wird, aufzustellen. Mache Dich, sofort bereit, – Du hast keinen Augenblick zu verlieren.«

Während die Wort über die Lippen. des Greises gingen, wendete sich Hermanrich und blickte Goiswinthen an. So lange die Gothen, im Zelte geblieben waren, hatte sie dagesessen und ihre rauhen Späße, mit unterdrückten Zorn und sprachloser Geringschätzung angehört. Jetzt stand sie auf und trat einige Schritte vor. Plötzlich aber zeigte sich eine ungewohnte Zögerung in ihrem Gange, ihr Gesicht war blaß, sie athmete schnell und schwer.

»Wo willst Du sie jetzt unterbringen?« rief sie Hermanrich zu, indem sie mit ausgestreckten Händen nach dem Mädchen hindrohte, »Du magst sie Deinen Kameraden übergeben oder sie mir da lassen – auf beide Weisen ist sie verloren. – Ich werde triumphiren – triumphiren!«

In diesem Augenblicke senkte sich ihre Stimme zu einem unverständlichen Murmeln herab und sie schwankte. Offenbar hatten der lange Kampf der Leidenschaften während ihrer vergangenen Nachtwache und die wechselnden Bewegungen des Morgens, welche plötzlich durch ihren Triumph, als sie die Botschaft des alten Kriegers hörte, zu einer Krisis gebracht worden waren, endlich die Kräfte selbst ihres mächtigen Körpers überspannt. Noch einen Augenblick versuchte sie, vorwärts zu schreiten, zu sprechen, das Jagdmesser aus Hermanrich’s Hand zu reißen – im nächsten stürzte sie bewußtlos zu seinen Füßen nieder.

Durch die vielfachen Prüfungen, welche er erlitten, fast bis zum Wahnsinn gestachelt, mit Goiswinthens wüthendem Versprechen, seine Absichten zu vereiteln, vor seinem, Geiste, den spöttischen Worten seiner Kameraden noch in seinen Ohren, und den ohne Rückhalt oder Zögerung seine Beachtung fordernden, unerbittlichen Pflichten, unterlag Hermanrich endlich den Schwierigkeiten seiner Stellung und gab verzweifelnd alle weiteren Hoffnungen, das Mädchen zu retten, auf. Er deutete auf einige in einer Ecke des Zeltes liegende Nahrungsmittel und nach der Gegend hinter ihm und sagte mit gebrochener, düsterer Stintme zu ihr:

»Nimm diese Mundvorräthe und fliehe so lange Goiswintha Dich noch nicht verfolgen dann, ich vermag Dich nicht weiter zu beschützen!.

Bis zu diesem Augenblick! hatte Antonina ihr Gesicht verborgen gehalten und war aus dem Boden zusammengesunken geblieben, ohne sich zubewegen, außer wenn ihr bei den lauten, rohen Späßen der Gothen ein Schauder durch den Körper zuckte, und sprachlos, außer daß sie, als Goiswintha bewußtlos niedergestürzt war, einen Ruf des Schreckens ausgestoßen hatte. Jetzt aber, wo sie ihr Verbannungsurtheil von denselben Lippen hörte, welche ihr erst am Abend vorher Schutz und Obdach zugesagt hatten, stand sie schnell auf, warf dem jungen Gothen einen solchen Blick von sprachlosem Elend und Verzweiflung zu, daß er unwillkürlich davor zusammenzuckte, und verließ dann ohne Thräne und Seufzer, ohne einen Blick des Vorwurfs, oder ein Wort der Bitte, versteinert und von Schrecken und Schmerz darniedergebeugt, das Zelt.

Hermanrich beeilte seine Handlungen mit der Energie eines Mannes, der entschlossen ist, seine Gedanken durch Beschäftigung zu verbannen, stellte sich an die Spitze seiner Abtheilung und marschirte schnell vom Pincischen Thore nach Osten zu. Zwei von seinen Dienern, die nach seiner Entfernung in das Zelt traten, brachten Goiswinthen, die noch auf dem Boden ausgestreckt dalag, nach dem Theile des Lagers, welchen die beim Heere befindlichen Frauen einnahmen, und dann war das kleine Zelt, welches die Wohnung des Gothen bildete und in so wenigen Stunden einen so großen Antheil menschlichen Elends und einen so erbitterten Kampf menschlicher Leidenschaften gesehen hatte, eben so stumm und einsam, wie die verlassene Gegend, in welcher Antonina jetzt eine Zufluchtsstätte und Heimath suchen sollte.

Kapitel V
Der Weg durch die Mauer

»Eine schöne Nacht, Balldus! Der Mond scheint hell und es ist kein Nebel zu sehen! Ich war gestern Abend am Ostia’schen Thore postirt, wo mich der Nebel halb erstickt hat.«

»Wenn »Du gestern Abend am Ostia’schen Thore warst, so befandest Du Dich an einem besseren Platze wie jetzt. Die Mauer hier ist so einsam, wie eine Ruine in den Provinzen. Hinter uns nichts als die Rückseite des Monte Pincio – vor uns nichts als die leeren Vorstädte – zu beiden Seiten nichts als Stein und Ziegel, – auf unsern Posten nichts als wir selbst. Ich will mich kreuzigen lassen, wie St. Petrus, wenn ich glaube, daß es in der ganzen Runde der Mauer noch eine Stelle gibt, die so einsam und langweilig wäre, wie diese.«

»Du bist ein Mensch, der sich noch beklagen würde, wenn er auch in einem jener Paläste einquartiert wäre. Der Ort ist allerdings einsam genug, aber ob er langweilig oder nicht ist, hängt von uns selbst, den ehrenwerthen Anwesenden ab. Ich meinestheils bin entschlossen, seine Heiterkeit durch die lobenswerthe Anstrengung zu befördern, Dir, mein unzufriedener Freund, eine unerschöpfliche Reihe von den Geschichten zu erzählen, wegen welcher ich, wie ich ohne Anmaßung sagen kann, in der ganzen Länge und Breite der römischen Kasernen berühmt bin.«

»Du magst so viele Geschichten erzählen, wie Du willst, aber stelle Dir nicht vor, daß ich Dir zuhören werde.«

»Du kannst auf mich achten oder nicht, wie Du willst. Wenn Du auch nicht zuhörst, so werde ich doch meine Geschichten erzählen, um mich in der Uebung zu erhalten. Ich werde sie an die Mauern oder an die Lust oder an die alten Götter und Göttinnen von Rom richten, im Falle sie, wie uns einige Unbekehrte einreden wollen, wüthend über der Stadt schweben, oder an unsere Nachbarn die Gothen, wenn sie von einem plötzlichen Wunsche ergriffen werden, ihr Lager zu verlassen und die Festungswerke, welche zu stürmen sie so wenig Lust haben, in der Nähe zu betrachten. Wenn mir aber alle diese Bestandtheile einer geziemendem anständigen Zuhörerschaft ausbleiben, so werde ich meine Geschichten dem aufmerksamsten aller Zuhörer, mir selbst, erzählen.«

Und die Schildwache eröffnete ohne weitere Zögerung ihren Vorrath von Anekdoten mit der behaglichen Geläufigkeit eines Mannes, der ein gut angebrachtes Vertrauen auf seine Erzählertalente hat. Entschlossen, seinen mürrischen Kameraden zur Aufmerksamkeit zu bewegen, trotzdem, daß ihn derselbe nicht anhören wollte, sprach er mit erhöhter Stimme, indem er auf seinem angewiesenen Raume mit schnellen Schritten hin und her ging und bei jedem Spaß den er im Laufe seiner schlecht belohnten Erzählung machte, mit komischer Regelmäßigkeit und Selbstgefälligkeit zu lachen begann. Er ahnte bei seiner Geschichte nicht, daß der Beginn derselben von einem ungesehenen Zuhörer mit Empfindungen begrüßt worden war, die weit von denjenigen entfernt waren, welche die Bemerkungen seines unfreundlichen Wachkameraden diktirt hatten.

Seinem Entschlusse getreu hatte Ulpius mit einem Theile des Lohns, welchen er in Numerian’s Dienste erspart, in einem Laden eines Stadttheiles wo er nicht bekannt war, eine kleine Laterne gekauft, ihr Licht mit einem groben, dicken Tuehe verhüllt und sich auf dem einsamen Wege zu seiner zweiten Nachtarbeit an die Mauer begeben. Er gelangte zu Anfang des oben erzählten Zwiegesprächs an die Bresche und hörte mit Freuden den lärmenden Beschluß der Schildwache, ihren Kameraden ihm selbst zum Trotz zu unterhaltem da, je lauter und länger der Mann sprach, desto geringer auch die Wahrscheinlichkeit war, daß seine Arbeiten im Innern der Mauer vermuthet oder gehört werden würden.

 

Er räumte leise das Reissig am Eingange des in der vorigen Nacht gebrochenen Loches hinweg, kroch so weit hinein, wie er damals gekommen war und nahm dann mit einem Gemisch von Erwartung und Besorgniß, welches ihn so mächtig in Anspruch nahm, daß er für den Augenblick kaum seiner Bewegungen Herr war, langsam und vorsichtig die Decke von seinem Lichte.

Sein erster Blick war unwillkürlich auf die Höhlung unter ihm gerichtet. Er sah sofort, daß sie an Breite wie an Tiefe geringer war, als er es sich vorgestellt hatte. Die Erde war an dieser Stelle unter den Grundlagen der Mauer gewichen, welche in den nachgiebigen Boden gesunken waren und durch ihr Gewicht den Abgrund noch tiefer gemacht hatten. Eine kleine Wasserquelle, – wahrscheinlich die erste Ursache des Einsinkens der Erde – war in dem Raume des Mauerwerkes, welches sie allmälig, und Jahr für Jahr mehr unterwühlt hatte, heraufgesprudelt. Sie blieb aber an dieser Stelle nicht stehen, sondern rieselte munter und siill weiter – ein Bächlein, das sich nur dazu aus einem Gefängnisse im Boden losgerungen hatte, um ein anderes in der Mauer zu betreten, das von keinem begrasten Ufer eingefaßt, von keinem heitern Tageslicht erhellt, von keinem menschlichen Auge bewundert wurde, dem in seinem engen Bette durch die innern Spalten der Ziegel kein lebendes Wesen folgte, als etwa eine aufgeschwollene Kröte oder eine einsame Eidechse, das aber doch so glücklich seinen Weg durch Finsterniß und Ruinen verfolgte wie seine Brüder, die im Sonnenschein auf der Wiese murmelten oder in dem frischen Winde des freien Berghanges hüpften.

Ulpius erhob seine Augen von der kleinen Quelle und wendete zunächst seine Aufmerksamkeit der Aussicht über ihm zu.

Obgleich unmittelbar über seinem Kopfe das innere Material der Mauer eine glatte, ebene, harte Oberfläche zeigte, welche im Stande schien, selbst den kräftigsten Versuchen zu ihrer Zerstörung Widerstand zu leisten, bemerkte er doch auf der einen Seite und weiter nach innen eine dunkle, formlose Unregelmäßigkeit, die ihn zu weiteren Anstrengungen aufmunterte. Er stieg in das Bett des Baches hinab, kroch über einen Haufen von verwitterten Ziegeln hinauf und gelangte in ein Loch, welches er augenblicklich zu erweitern begann, um hindurch zu dringen. Zoll um Zoll erweiterte er die Spalten, kroch hinein und sah sich auf einem Bruchstück der Wölbung eines von den Bögen des Grundes, welches sich, wiewohl theilweise zerfallen, doch von aller Verbindung mit dem Theile der obern Mauer, welchen es einst getragen, und der allmälig in die unteren Höhlungen gebröckelt war, isolirt, doch immer noch im Gleichgewichte hielt. Er blickte auf. Ueber ihm ging eine ungeheure Spalte hinauf, die ihre geschlängelten Verzweigungen an verschiedenen Punkten in jeden Theil der Mauer welcher ihm noch sichtbar war, erstreckte. Das ganze Gebäude schien an dieser Stelle einen plötzlichen furchtbaren Ruck erlitten zu haben. Wenn es nicht von den besser erhaltenen Befestigungen zu beiden Seiten gestützt worden wäre, so hätte es sich nach dem Stoße nicht mehr aufrecht erhalten können.

Der Heide blickte mit ununterdrückbarer Furcht in die breiten Spalten, die über ihm klafften, empor. Sein kleines flackernds Licht war nicht hinreichend, um ihm ihre Endpunkte zu zeigen. Sie sahen, als er sie so im dunkeln Abstich gegen den übrigen ausgehöhlten Theil der Mauer erblickte, wie ungeheuere Schlangen aus, die sich gerade hinauf bis zu den Zinnen wanden, und er selbst, mit seinem kleinen Lichte neben ihm, wurde von der wilden Großartigkeit der feierlichen Düsterkeit der dunkeln, phantastischen Gegenstände um ihn her zu Pygmäengröße zusammengedrückt. Wenn man ihn von den Zinnen oben hätte sehen können, wie er jetzt hinter seiner Laterne in die Höhlungen und Unebenheiten unter ihm hinabblickte, so würde er mit seinem flackernden Lichte ausgesehen haben, wie ein von einem Glühwurm geführter Maulwurf.

Er hielt an, um seine nächsten Bewegungen zu überlegen. Während er an einem Orte verharrte, war die feuchte Kälte der Atmosphäre fast unerträglich, aber er erlangte durch seine jetzige Unbeweglichkeit einen großen Vortheil, er konnte vor dem Geräusch der im Gehen unter ihm zerbröckelnden Ziegelsteine ungestört lauschen. Bald darauf hörte er einen feinen anhalten den Ton, der bald lauter, bald leiser war, sich bald näherte, bald entfernte, bald fast schrill wurde, schnell aber wieder zu einem schwachen, sanften Schwellen zurückkehrte. Plötzlich wurde diese seltsame, gespenstische Musik von einer Reihe langer, tiefer, rollender Töne unterbrochen, die großartig in den Spalten über ihm umherzogen, wie eingekerkerte Donner, die einen Ausgang suchten. Gänzlich damit unbekannt, daß das erste gehörte Geräusch durch den Nachtwind verursacht wurde, welcher sich durch die Spalten in den Ziegeln der äußern Mauerwand, und das zweite durch das Echo, welches die Tritte der Wachen über ihm in den unregelmäßigen Höhlungen derselben hervorbrachte – durch den furchtgebietenden Ort und seine geheimnißvolle Beschäftigung einer fanatischen Exaltation erhoben, welche für den Augenblick geradezu seine Vernunft zum Schwanken brachte – von dem rasenden Enthusiasmus seiner Pläne und den Legenden über unsichtbare Wesen und Welten, die die Grundlagen seiner Religion bildeten, erfüllt, glaubte Ulpius, als er die Laute über sich und um sich her vernahm, daß die Götter des Alterthums jetzt über ihm schwebten und ihm mit gespenstischer Stimme in unbekannter Sprache zuriefen, sein kühnes Unternehmen mit der vollen Gewißheit des nahen, herrlichen Erfolges fortzusetzen.

»Braust und murmelt und macht Euern Orkan zu Musik in meinen Ohren!« rief der Heide, seine welken Hände erhebend und seine Gottheiten mit wilder Energie anredend. »Euer Diener Ulpius hält nicht auf der Reise an, welche ihn zu Euern wiederbevölkerten Heiligthümern führt! Blut, Verbrechen, Gefahr, Pein – Stolz und Ehre, Freude und Ruhe habe ich, Opfern gleich, an Euern Altären ausgestreut! Die Zeit ist an mir vorüber gewirbelt, die Jugend und das Mannesalter liegen längst schon in dem Lethe vergraben, welches das Erbtheil des Lebens ist – das Alter hat seine Bande um die Kraft meines Körpers geschlungen, aber ich wache immer noch an Euern Tempeln und diene Eurer mächtigen Sache. Eure Rache ist nahe, Monarchen der Welt! Euer Triumph steht uns bevor.«

Er verweilte eine Zeit lang in derselben Stellung, blickte fest in die pfadlose Dunkelheit über ihm hinauf und sog die Laute ein, welche, abwechselnd steigend und fallend, immer noch um ihn schwebten. Der zitternde Schein seiner Laterne fiel roth und wild aus sein blasses Gesicht. Sein verworrenes Haar flatterte in dem kalten an ihm vorbeistreichenden Winde. Er würde in diesem Augenblicke, von ferne betrachtet, ausgesehen haben, wie ein feuriges Phantom, welches in einem dunkeln Nebel untergeht, wie ein Gnome, der in den Eingeweiden der Erde anbetet, wie ein verstoßener Geist in einem einsamen Fegefeuer, welcher auf das Erscheinen eines Blickes der Schönheit oder das Kommen eines Lufthauches lauscht.

Endlich erhob er sich aus seiner Verzückung, putzte mit vorsichtiger Hand die ihn führende Laterne und schritt weiter, um durch die große, so eben betretene Spalte zu dringen.

Er kam in schiefer Richtung um mehrere Fuß breit weiter, wobei er bald über die Gipfel der Grundbogen kroch, bald hervorspringende Ecken in dem zerbröckelnden Mauerwerk vermied, bald in dunkle, schlüpfrige, von Trümmern halbausgefüllte Schlünde hinabstieg, bis nach allen Seiten hin die Spalte plötzlich enger wurde.

Die Atmosphäre war an dcr Stelle, wo er sich jetzt befand, wärmer, er konnte schwache Flecken von feuchtem, dunklen Moos unterscheiden, die hier und da die unebene Mauerfläche bedeckten und ein paar mal wurden ihm lange Grashalme, die von einem Vorsprunge unmittelbar über seinem Kopfe herabwuchsen, von dem Winde, den er jetzt durch die schmale Ritze, welche er zu erweitern suchte, hereinblasen fühlte, in’s Gesicht geweht. Offenbar hatte er sich der äußern Fläche der Mauer bis aus wenige Fuß genähert.

»Numerian sucht auf den Straßen nach seinem Kinde,« murmelte der Heide, als er seine Laterne neben sich niedersetzte, seine zitternden Arme entblößte und seine Eisenstange erhob. »Die Sklaven seines Nachbars, des Senators, sind ausgezogen, um mich zu verfolgen. Auf allen Seiten jagen mir meine Feinde nach, aber hier postirt. spotte ich ihres eifrigsten Suchers. Wenn sie mir bis zu meinem Versteck nachspüren wollen, so müssen sie die Mauern von Rom durchdringen. Wollen sie mich in meinem Lager niederjagen, so müssen sie mich heute bis zu den Gothen verfolgen. Die Thoren, sie mögen sich vorsehen! Mit dem letzten Ziegel, den ich von ihren schutzlosen Mauern reiße, besiegele ich das Schicksal ihrer Stadt!«

Er lachte vor sich hin, während er sein Brecheisen kühn in die Spalte stieß. An einigen Stellen wichen die Ziegel seinen Anstrengungen leicht, an andern ließ sich ihr Widerstand nur durch Anwendung seiner äußersten Kräfte besiegen. Er setzte entschlossen und unablässig seine Arbeiten fort, wobei er bald seine Hände an den zackigen Spitzen der weiter. werdenden Oeffnung verwundete, bald unwillkürlich sein Werkzeug vor Erschöpfung sinken ließ, aber doch, trotz jedes sich ihm entgegenstellenden Hindernisses, wacker fortarheitete, bis er in das Innere der neuen Spalte gelangte.

Als er seine Laterne in die von ihm gemachte Höhlung nachzog, nahm er wahr, daß er, wenn er dieselbe nicht unmittelbar über sich erhöhte, selbst kriechend nicht weiter kommen konnte. Ueber diese unerwartete Nothwendigkeit zu heftigerer Anstrengung bereit, und in dem verzweifelten Entschlusse, auf alle Fälle noch in dieser Nacht durch die Mauer zu kunnten, stieß er rücksichtslos mit aller seiner Kraft das Brecheisen aufwärts, statt allmälig und leise das Material der Oberfläche, welche sich ihm entgegenstellte, aufzulockern, wie er es früher gethan hatte.

Er hatte diese Arbeit kaum einige Augenblicke lang fortgesetzt als ein bedeutender Theil des Mauerwerkes in einer festen, zusammenhängenden Masse mit Blitzesschnelle herabstürzte. Sie schleuderte ihn aus den Gründungsbogen, welcher seine Stütze gewesen war, nieder, quetschte und renkte seine rechte Schulter aus und zertrümmerte seine Laterne.

Er stieß ein Stöhnen der Pein aus. Er befand sich in undurchdringlicher Finsterniß. Die Ziegelmasse rollte, nachdem sie ihn getroffen hatte, etwas seitwärts. Mit einer verzweifelten Anstrengung rang er sich unter derselben hervor, nur um von der neuen Qual, die ihm die Anstrengung verursachte-in Ohnmacht zu fallen.

Eine kurze Zeitlang lag er in seiner kalten, dunkeln Einsamkeit besinnungslos da. Hierauf, als er nach dem ersten Stoße wieder zu sich kam, begann er in aller ihrer Schwere die Zuckungen, das dumpfe Nagen, die pochenden Schmerzen zu erleiden, welche die Folgen der erhaltenen Verletzung sein mußten. Sein Arm lag bewegungslos an seiner Seite; er besaß weder Kraft, noch Entschlossenheit genug, um eines von den gesunden Gliedern seines Körpers zu bewegen. In dem einen Augenblicke bildeten seine tiefen, stöhnendem halb erstickten Athemzüge entsetzliche, halb artikulirte Flüche – im nächsten erstarb sein keuchender Athem plötzlich und dann konnte er das Blut mit grausiger Regelmäßigkeit langsam von seiner Schulter in eine kleine Lache, die es neben ihm bereits gebildet hatte, tröpfeln hören.

Der Nachtwind, welcher sich von außen durch die Mauerritzen drängte, war jetzt nur an seinem verwundeten Gliede fühlbar. Er berührte dessen Oberfläche gleich unzählichen Splittern dünnen, scharfen Eises, er drang in sein Fleisch wie Funken, die aus einem See von geschmolzenem Blei hervorsprühten. Es gab während der ersten Qualen dieser Folter Augenblicke, wo er, wenn er eine Waffe und die Kraft, dieselbe anzuwenden, gehabt hörte, er seinen Ehrgeiz für immer aufgeopfert und sich das Leben genommen haben würde.

Aber dieser Wunsch, seine Schmerzen mit seiner Existenz zu enden, dauerte nicht lange. Allmälig erweckte seine Körperpein in seinem Geiste eine mildere, stärkere Krankheit und jetzt wütheten die körperlichen und Geistesqualen in wilder Rivalität in ihm, und beraubten ihn aller Gedanken, die nicht durch ihre Einwirkung erschaffen oder erweckt worden waren.

Eine Zeitlang lag er hülflos in seinem Elend da und machte abwechselnd durch unterdrücktes Stöhnen der Pein seiner Wunden Luft und beklagte unter Flüchen das Mißlingen seines Unternehmens in dem Augenblicke seines anscheinenden Erfolgs. Endlich schienen die ihn durchzuckenden Schmerzen allmälig weniger schnell hintereinander zu kommen; er wußte jetzt kaum mehr, in welchem Theile seines Körpers sie unmittelbar entstanden. Unmerklich stumpfte sich sein Denk- und Gefühlsvermögen ab, dann blieb er eine kurze Zeit in räthselhafter, unerquicklicher Ruhe des Körpers und Geistes liegen und dann wurden seine ungeleiteten und ungezügelten Sinne das Opfer eines plötzlichen furchtbaren Blendwerks.

 

Die Finsterniß um ihn her schien allmälig in ein trübes, dickes, nebeliges Licht, gleich dem Widerscheine von Gewitterwolken am Abend, überzugehen. Bald darauf war es, als ob diese Atmosphäre von einem phantastischen Gitterwerkt weißen, sich kräuselnden Dampfes durchkreuzt und durchstreift würde. Dann wurde die Ziegelmasse, welche ihn zu Boden geschlagen hatte, an seiner Seite, zu ungeheurer Größe angewachsen, sichtbar und schien mit einer Bewegungskraft begabt zu sein, durch welche sie geheimnißvoll größer und kleiner wurde und sich anschwellte und zusammenzog, ohne auch nur einen Augenblick ihre Lage neben ihm zu verlassen. Dann erhob sich von ihrer dunkeln, beweglichen Oberfläche ein langer Strom von Nebelgestaltem die sich um das Gitterwerk über ihm schlangen und die greifbare Form von menschlichen Gesichtern annahmen, die jede Altersverschiedenheit blicken ließen und von jeder Verschiedenheit des Leidens verzerrt wurden.

Er sah Kindergesichter mit Grabeswürmern umschlungen, die um sie her hingen wie Locken schmutzigen Haares, alte Gesichter mit Blut befleckt und von Wunden zerfleischt, junge von schwarzgelben Kanälen durchzogene Gesichter, in denen unaufhörliche Thränenströme herabflossen – schöne Gesichter, die zum festen Ausdrucke zuckender Pein, wilder Bosheit und verzweifelnder Düsterkeit verzerrt waren. Kein Einziges von diesen Gesichtern glich dem Andern genau. Jedes unterschied sich durch einen eignen empörenden Charakter, Wie entstellt aber auch ihre anderen Züge sein mochten, waren doch die Augen Aller unverletzt geblieben. Sprachlos und körperlos schwebten sie in nie endenden Myriaden zu dem phantastischen Gitterwerk empor, welches seine ungeheuern Proportionen noch weiter aufschwellen zu lassen schien, um sie aufzunehmen. Dort hingen sie sich an ihren gespenstischen Amphitheater zusammen und starrten fest und schweigend ohne Ausnahme auf das Gesicht des Heiden herab.

Unterdessen begannen die Seitenwände von einem eigenen Lichte zu glimmen und zackige Grenzen für die Bühne der gespenstischen Gesichter zu bilden, dann erweiterten sich die Spalten ihrer Oberfläche und spieen ungestaltete Figuren von heidnischen Götzen und heidnischen Priestern aus, die in jeder häßlichen Entstellung des Aeußern hervorkamen und die Gesichtern auf dem Gitterwerk nachäfften, während hinter und über dem Ganzen gigantische, dunkle Formen heraufragten, die in düstere, wallende Nachahmungen von Häuten, wie sie die Gothen trugen, gekleidet waren und in dem zitternden Dunste mächtige, schattengleiche Kriegswaffen schwangen. Von dieser ganzen gespenstischen Versammlung stieg nicht der mindeste Laut aus. Eine Stille, gleich der einer todten, in Ruinen liegenden Welt, hielt das entsetzliche Schauspiel nach allen Seiten hin umfangen.

Die tiefen Echos von den Schritten der Schildwachen und das schwache Rauschen des Windes waren verklungen. Das Blut, welches bisher aus seiner Wunde geträufelt war, brachte in dem Ohre des Heiden jetzt keinen Ton mehr hervor, sogar sein eignes Entsetzen war eben so stumm, wie die Dämonen der Vision, welche es erweckt hatten. Tage, Jahre, Jahrhunderte schienen zu vergehen, während er dalag und in wahnsinnigem Schrecken zu seinem Reiche bevölkerter, gespenstischer Dunkelheit emporblickte. Endlich unterlag die Natur der Prüfung, das Phantomschauspiel wirbelte plötzlich mit grausiger Schnelligkeit um ihn her und seine Sinne suchten vor der Folter ihrer eignen Schöpfung in tiefer, willkommener Bewußtlosigkeit Zuflucht.

Die Zeit war träge vorwärts geschritten, die scheltenden Winde hatten oftmals die trocknen Locken seines Haares auf seiner Stirn hin und her getrieben, wie um ihn erwachen und aufstehen zu heißen, ehe er wieder zum Bewußtsein gelangte. Von Neuem zur Kenntniß seiner Lage und dem Gefühl seiner Wunde erwacht, richtete er sich langsam auf seinem unverletzten Arme auf und blickte sich wild nach selbst der schwächsten Spur eines Lichtstrahles um, aber der gewundene und unebene Weg, welchen er sich durch die Mauer bereitet hatte, verhinderte die Moudstrahlem welche jetzt in die äußerste von seinen Höhlungen strömten, den Ort, wo er jetzt lag, zu erreichen. Um ihn her war kein einziger Gegenstand auch nur schwach erkennbar. Auf allen Seiten war er von Finsterniß umgeben.

Die ersten Qualen seiner Verletzung hatten sich jetzt in ein dumpfes, schweres, wechselloses Schmerzgefühl aufgelöst. Die Vision, welche seine Sinne überwältigt hatte, war jetzt in schattenartiger, ungeheurer Form nur noch seiner Erinnerung gegenwärtig, erfüllte die Dunkelheit mit furchtbaren Erinnerungen, aber nicht mehr mit Schreckensgestalten und drängte ihn zu einein rastlosen Sehnen, sich aus dem einsamen, ungeweihten Grabe, dem Gefängniss der Einsamkeit und des Todes, zu retten, womit ihn seine eigenen Anstrengungen bedrohten, wenn er noch in den Höhlungen der Mauer liegen bleiben würde.

»Ich muß aus dieser Finsterniß an’s Licht kommen! Ich muß die Luft des Himmels einathmen, wenn ich nicht in der feuchten Kälte dieser Gruft umkommen soll!« rief er mit heiserer, stöhnender Stimme, indem er sich allmälig und mit peinlicher Anstrengung auf die Kniee erhob, sich langsam umwendete und seinen beabsichtigten Rückzug begann.

Sein Gehirn drehete sich immer noch, von den Aufregungen, die seinen Geist vor so Kurzem zu Boden geschmettert hatten, wie im Kreise herum; seine rechte Hand hing hülflos an seiner Seite herab, schleppte ihm nach, wie die Kette eines Gefangenen und wurde von der unebenen Fläche des Bodens, über welche sie langsam hinschleifte, zierfleischt, als er sich auf seinen linken Arm stützend und jedesmal nur um wenige Zoll vorwärts kriechend, seine mühselige Reife antrat.

Hier hielt er, verwirrt in der Dunkelheit, an, dort bewahrte er sich mir durch eine convulsivische Anstrengung vor dem Sturze in die unbekannten Tiefen unter ihm oder verlor den geringen Vortheil, welchen er mit Mühe und Noth erlangt hatte, dadurch, daß er, von einem unerwarteten Hindernisse gezwungen, eine Strecke weit zurück mußte. Bald knirschte er mit den Zähnen, bald war er athemlos vor Erschöpfung dessen ungeachtet aber ließ er mit einer Hartnäckigkeit welche etwas Heroisches an sich hatte, nie in dem festen Entschluß, sein Entkommen zu bewirken, nach.

Langsam und peinlich mit dem Schritte und der Ausdauer der Schildkröte, hoffnungslos und doch entschlossen, gleich einen Seefahrer in einem unbekannten Meere, kroch er vorwärts, bis er endlich für seine langen Leiden durch die plötzliche Entdeckung eines dünnen Strahles von blassem Licht, welcher sich durch eine Ritze im verwitterten Mauerwerk vor ihm ergoß, belohnt wurde. Kaum die Herzen der Weisen aus dem Morgenlande konnten entzückter gepocht haben, als der Stern des Ostens zuerst vor ihnen aufging, als das des Ulpius in dem Augenblicke, wo er den, leitenden und ermuthigenden Lichtstrahl erblickte.

Nur noch ein wenig Anstrengung – noch ein wenig Geduld – noch ein wenig Pein – und seine gespenstische und verkrüppelte Gestalt stand wieder vor der äußern Höhlung der Mauer. Der Tag begann herauf zu dämmern, der Mond verblich mit kaltem Scheine am grauen Morgenhimmel – ein dünner, dunstartiger Regen träufelte aus den formlosen Wolken herab, der Morgen zeigte sich der Erde kalt und trostlos, übte aber keinen trüben oder tadelnden Einfluß auf den Geist des Heiden. Er sah sich auf seinem einsamen Lauerorte um, erblickte aber keine menschliche Gestalt. Er schaute an den Mauern hinauf und sah. daß die Wachen schweigend und getrennt in ihre schweren Wachmäntel gehüllt und auf ihre Waffen gelehnt da standen. Es war nicht zu verkennen, daß die Ereignisse seiner Leidens- und Verzweiflungsnacht, von der äußern Welt unbemerkt, vergangen waren.