Za darmo

Antonia

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Ein dunkler Verdacht, daß er sich in die Hände eines Bösewichts geliefert, der einen verbrecherischen Plan in Bezug auf seine Sicherheit oder Ehre ausgeheckt habe, begann in dem verwirrten Gehirn des Senators aufzusteigen, als er sich widerwillig der durchdringenden Forschung der Blicke des Heiden unterwarf. In diesem Momente öffneten sich, jedoch langsam, die welken Lippen des alten Mannes und er begann zu sprechen.

Ob Ulpius Muth beim Gedanken an sein heimtückisches Vorhaben zum ersten Male seit seinem Bekanntwerden mit dem Senator sank, als er in Vetranio’s unruhiges Gesicht blickte und dessen schwankende Haltung bemerkte, oder ob die Annäherung des Augenblickes, welcher von nun an, wie er sich einbildete, Vetranio zu seinem Gehülfen und Verbündeten stempeln mußte, einen so mächtigen Eindruck aus seinen Geist übte, daß er der Bewegung desselben instinktmäßig durch die natürliche Vermittelung von Worten, Luft zu machen suchte, dies zu untersuchen, würde nutzlos sein. Was aber auch seine Beweggründe zum Sprechen sein mochten, so legte jedenfalls der eindringliche Ernst seines Wesens genügendes Zeugniß von der Tiefe und Fülle seiner Empfindungen ab, als er den Senator folgendermaßen anredete:

»Ich habe mich der Dienstbarkeit in einem Christenhause unterworfen, ich habe die Befleckung durch das Gebet eines Christen erlitten, um den Beistand Deiner Macht und Stellung zu erlangen, wenn die Zeit zu ihrer Anwendung kommen würde. Die Stunde ist jetzt erschienen, wo mein Theil der Bedingungen unseres Bündnisses erfüllt werden soll, die Stunde wird noch kommen, wo Dein Theil von Dir gefordert werden wird! Wunderst Du Dich über das, was ich gethan habe und was ich thun will? Erstaunst Du, daß ein Domestik so mit einem römischen Edelmann spricht? Bist Du überrascht, daß ich es wage, Dich durch die Aufopferung des Mädchens, welches jetzt über uns schläft, für die Sache anzuwerben, deren Ziel die Zurückführung der Götter unserer Väter ist, und in deren Dienste ich gelitten habe und alt geworden bin? Höre mich an und Du wirst vernehmen, von welcher Stellung ich herabgestürzt bin – selbst wissen, was ich einst war!

»Meine Geburt, meine Eltern, meine Erziehung und frühere Wohnung, werde ich Dir nicht enthüllen. Ich habe bei meinen Göttern geschworen, daß bis zum Tage der Wiedereinsetzung diese Geheimnisse meines frühern Lebens kein fremdes Ohr erfahren soll. Ich bin ungekannt nach Rom gekommen und ungekannt werde ich in Rom arbeiten, bis die Pläne, für welche ich gelebt habe, mit Erfolg gekrönt sein werden. Genug, wenn ich Dir gestehe, daß ich einst bei den heiligen Bildern wohnte, deren Trümmer Du so eben erblickt hast, daß ich einst die geweihten Gewänder trug, deren Ueberbleibsel Du zu Deinen Füßen sahst. Es gab nichts, dessen ich mich nicht entäußerte, um die Ehren stellen des Priesterthums zu erlangen, es gab nichts, was ich nicht ausführte, um sie zu bewahren, es giebt nichts, was ich nicht versuchen werde, um sie wieder zu erlangen!

»Ich war einst vornehm, glücklich, geliebt. Meines Glanzes, meines Glückes und Ansehens haben mich die Christen beraubt und ich werde es noch erleben, ihnen dies schwer zu vergelten! Ich hatte einen Vormund, der mich in meiner Jugend liebte, er ward von den Christen ermordet! Unter der Herrschaft meines Mannesalters stand ein Tempel, – die Christen haben ihn zerstört! Ein ganzes Volk lauschte einst auf meine Stimme – die Christen haben es verstreut! Große, Schöne, Gute, waren mir einst ergeben, – die Christen haben mich zum Fremdling an ihrer Thür gemacht, aus ihren Herzen und Gedanken verstoßen! – Soll ich für Alles dies nicht Rache nehmen? Soll ich nicht Pläne spinnen, um meine zerstörten Tempel wieder zu erbauen und in meinem Alter die Ehren, welche mich in meiner Jugend geziert haben, wieder zu erlangen!

»Ueber die Leichen erschlagener Christen zu steigen und die von den Christen umgestürzten Altäre wieder zu erbauen, ist das Streben, welches mir die Leiden meines ganzen Lebens leichter gemacht hat. Ich habe gekämpft und bin mitten im Blutbade davon aufrecht erhalten worden, ich bin gewandert und es ist meine Heimath in der Wüste gewesen, ich habe Unglück gehabt und es hat mich gestützt, ich bin mit dem Tode bedroht worden und es hat mich vor Furcht bewahrt, ich bin in die Sklaverei geschleppt worden und es hat meine Fesseln leicht gemacht. Du siehst mich jetzt alt, herabgewürdigt, einsam – glaube mir, daß ich mich weder nach Weib, Kind, Ruhe noch Reichthum sehne, daß ich außer meinem geliebten hohen Zwecke keine Gefährten wünsche. Erinnere Dich also in der Stunde der Erfüllung des Versprechens, welches Du mir jetzt gegeben hast, mir zur Ausführung jenes Zweckes Beistand zu leisten. Erinnere Dich, daß Du selbst ein Heide bist! Schmause, lache, zeche mit Deinen Genossen, bleibe der heitere Witzling, der muntere Gesellschafter, vergiß aber nie den Zweck, welchem Du Dich gelobt hast – die ruhmvolle Bestimmung, welche die Wiedereinführung unserer Götter uns Beiden aufbewahrt!«

Er schwieg.

Obwohl sich seine Stimme, so lange er sprach, nie über ein rauhes, eintöniges, halbes Flüstern erhoben hatte, war doch die ganze Wildheit seines gemißhandelten herabgewürdigten Geistes durch die Aufzählung des ihm widerfahrenen Unrechts völlig erweckt worden. Wenn Vetranio in diesem Augenblicke ein Zeichen von Unschlüssigkeit gegeben, oder ein Wort der Entmuthigung gesprochen hätte, so würde er ihn auf der Stelle ermordet haben. Alle Züge des runzeligen gespenstischen Gesichts des Heiden gaben die stürmischen Gefühle kund, welche über sein Herz hereinströmten, als er jetzt vor seinem verblüfften, aber aufmerksamen Zuhörer stand. Seine feste drohende Haltung, seine ärmlich geringe Kleidung, sein wild verworrenes Haar, seine gekrümmte, verzerrte Gestalt, sein strenger, feierlicher, unverwandter Blick, bildete in dem flackernden Lichte der verlöschenden Lampe und dem zunehmenden Schimmer des Tages einen so seltsamen Kontrast mit der unstäten Stellung, dem gedankenleeren Antlitz, den reichen Gewändern der jugendlich anmuthigen Gestalt und den zarten Zügen seines patrizischen Verbündeten, daß sie kaum wie Wesen des gleichen Geschlechts aussahen. Es konnte nichts Unermeßlicheres geben, als den Unterschied, nichts Phantastischeres, als die Ungleichartigkeit zwischen ihnen. Es war Krankheit Hand in Hand mit Gesundheit, Schmerz von Angesicht zu Angesicht mit dem Genusse, Finsterniß im monströsen Gegensatze mit dem Lichte.

Im nächsten Augenblicke, gerade als der erstaunte Senator sich auf eine passende Beantwortung der seltsamen Anrede, deren Gegenstand er gewesen war, vorbereitete, erfaßte ihn Ulpius am Arme, öffnete eine Thür auf dem innern Ende des Gemaches und führte ihn einige Stufen hinauf in das Innere des Hauses.

Sie durchschritten die Halle, auf deren Fußboden im milden Lichte des Morgens undeutlich sichtbar noch die Trümmer der zerbrochenen Laute lagen, stiegen eine Treppe hinauf, blieben an einer kleinen Thür, welche Ulpius vorsichtig öffnete, stehen und im nächsten Augenblicke befand sich Vetranio in Antonina’s Schlafgemach.

Das Zimmer war von geringem Umfang; sein spärlicher Hausrath von der gewöhnlichsten Art, an seinen Wänden schimmerten keine Verzierungen, die Decke war mit keinen Fresken geschmückt und doch lag in seinem Aussehen eine einfache Eleganz, in seinen kleinsten Einzelheiten ein ruhiger Anstand, der es sowohl interessant wie für das Auge anziehend machte. Von den weißen Fenstervorhängen bis zu der am Bette stehenden Blumenvase zeigte sich dieselbe angeborene Feinheit des Geschmackes in der Anordnung alles Desjenigen, was das Zimmer enthielt. Kein Ton unterbrach die tiefe Stille des Ortes als die leisen sanften zuweilen von einem langen bebenden Seufzer unterbrochenen Athemzüge der schlafenden Bewohnerin. Sein einziges Licht bestand in einer kleinen, so in die Mitte der um die Vase herstehenden Blumen gesetzten Lampe, daß ihr Schimmer auf keinen Theil des Gemachs einen starken Schein verbreitete. In der freundlichen Ordnung aller im Schlafzimmer sichtbaren Gegenstände, in der sanften Dämmerung seiner Atmosphäre, in dem leisen wohlklingenden Tone, der allein seine magische Stille unterbrach, lag, wie man hätte denken sollen, etwas hinreichend Eindrucksvolles, um einiges Zaudern in der Brust des dreistesten Wüstlings zu erwecken, ehe er mit Vorbedacht daran ging, den unbeschützten Schlummer der Bewohnerin zu unterbrechen.

Vetranio’s Gedanken wurden jedoch von keiner solchen Unentschlossenheit beunruhigt, als er einen schnellen Blick in dem Gemache umherwarf, in welches er so verrätherischer Weise gedrungen war. Die Dünste des von ihm bei dem Gastmahle getrnnkenen Weines waren von der drückenden Atmosphäre des so eben verlassenen unterirdischen Raumes wieder so vollkommen in ihm aufgestiegen, daß sie ihm nichts von seiner feineren Natur gelassen hatten. Alle ehrenhaften oder intellectuellen Bestandtheile seines Charakters waren jetzt allem Gemeinen und Thierischen völlig gewichen. Er blickte sich um, bemerkte, daß Ulpius ihn schweigend verlassen hatte, und schloß leise die Thür. Dann begab er sich mit der größten Vorsicht, welche bei dem unfreiwilligen Schwanken eines Berauschten möglich war, an das Lager, nahm die Lampe aus der Vase, in welcher sie halb versteckt war und betrachtete bei ihrem Scheine aufmerksam die Gestalt des schlafenden Mädchens.

Antoninens Kopf war zurückgeworfen und ruhte mehr oberhalb ihres Kissens als auf demselben. Ihr leichtes Linnengewand hatte stch während der Nacht so verschoben, daß es ihren Hals und einen Theil ihrer Brust in der ganzen aufknospenden Schönheit ihrer jugendlichen Bildung erblicken ließ. Die eine Hand lag halb unter ihrem Kopfe und war fast gänzlich in den Locken ihres langen schwarzen Haares verborgen, welches unter dem weißen Gürtel, der es umschließen sollte, hervorgequollen war und jetzt im blendenden Kontrast mit dem es umgebenden hellen Bettzeuge über das Kissen hinwallte. Die andere Hand hielt fest an ihren Busen gedrückt das kostbare Bruchstück ihrer zerbrochenen Laute.

 

Die tiefe Ruhe, die ihre Lage andeutete, hatte sich ihrem Gesicht nicht völlig mitgetheilt, dann und wann bewegten sich zitternd ihre leicht geöffneten Lippen und von Zeit zu Zeit zeigte sich auf ihren Wangen eine so leise und flüchtige Veränderung, daß sie kaum bemerkbar wurde und hauchte auf die natürliche zarte Olivenfarbe die leichte rosige Wärme, welche die Bewegungen der vergangenen Nacht ihr aufgedrückt hatten, ehe sie einschlief. Ihre Lage schien in ihrer üppigen Nachlässigkeit ein Ideal orientalischer Lieblichkeit zu sein, während ihr in seinem Ausdrucke stilles, trübes Gesicht die verfeinerten, geistigere Grazie des europäischen Musterbildes zeigte. So brachten diese beiden Eigenthümlichkeiten zwei verschiedener Arten der Schönheit, die sich gemeinschaftlich unter einer Gestalt zeigten, ein so verschiedenes und doch so harmonisches, so eindrucksvolles und doch so anziehendes Bild hervor, daß der Senator, als er sich über ihr Lager beugte, obgleich der warme, sanfte Hauch des jungen Mädchens auf seinen Wangen spielte und in den Spitzen seiner duftenden Locken wehte, sich kaum vorstellen konnte, daß die Scene vor ihm mehr als ein glänzender trügerischer Traum sei.

Während Vetranio noch in Bewunderung ihrer Reize versunken war, bewegte sich Antoninens Gestalt leise wie von dem Einflusse eines vorüberziehenden Traumes aufgeregt; die so in ihrer Lage hervorgebrachte Veränderung brach den Zauber, mit welcher ihre frühere Stille und Schönheit unbewußt die unheilige Gluth des ausschweifenden Römers gezügelt hatte. Er schlang jetzt seinen Arm um ihre warnte, schlanke Gestalt, erhob sie sanft, bis ihr Haupt auf seiner Schulter ruhte, setzte sich neben ihr auf das Bett und drückte den reinen Lippen, die ihm der Schlaf unschuldig überliefert hatte, einen Kuß nach dem andern auf.

Wie er vorausgeseben hatte, erwachte Antonina augenblicklich. Zu seinem ungemessenen Erstaunen schrak sie aber weder zusammen, noch schrie sie.

In dem Augenblicke, wo sie ihre Augen öffnete, hatte sie auch Vetranio’s Person erkannt und das überwältigende Entsetzen, welches seinen Opfern jede Fähigkeit des Geistes und Körpers raubt, augenblicklich von ihrem Herzen Besitz genommen. Zu unschuldig, um sich den wahren Grund der Unterbrechung ihres Schlafes durch den Senator vorzustellen, fürchtete sie den Tod, wo andere ihres Geschlechts Entehrung geahnt haben würden.

Alle unbestimmten Schmähungen ihres Vaters gegen die Edelleute von Rom stürmten augenblicklich in ihren Geist und ihre kindische Einbildungskraft, malte ihr Vetranio als mit einer furchtbaren, geheimnißvollen Rache bewaffnet, die er an ihr üben wolle, weil sie allen Verkehr mit ihm vermieden, sobald sie von ihrer Laute Besitz erlangt hatte.

Von ihrer Furcht versteinert, vor ihm bewegungslos und kraftlos, wie das Vögelchen vor der Schlange, machte sie keinen Versuch, sich zu bewegen oder zusprechen, sondern blickte mit starren und vom Schrecken weit geöffneten Augen fest in das Gesicht des Senators auf.

So berauscht er auch war, entging doch der entsetzte Ausdruck aus dem blassen, starren Gesichte des armen Mädchens Vetranio’s Bemerkungen nicht, und er bot alle Kräfte seines verworrenen Gehirns auf, um beschwichtigende und tröstende Ausdrücke zu finden, die ihn in den Stand setzen könnten, seine Wüstlingsanträge mit einiger Aussicht, daß sie angehört und verstanden werden würden, vorzubringen.

»Theuerste Schülerin! Schönstes der römischen Mädchen!« begann er in den belegten, einförmigen Tönen der Trunkenheit, »stelle Deine Furcht ein. Ich komme, auf dem Hauche der Liebe herbeigeweht, hierher, um die Anbetung der Göt – ich wollte sagen, um Dich an meiner Brust nach einer Villa zu tragen, deren Name für jetzt meinem Gedächtnisse entschwunden ist. Du kannst nicht vergessen haben, daß ich es war, der Dich die Zusammensetzung der Nachtigallsauce – oder nein – vielmehr das Lautenspiel lehrte. Liebe, Musik, Vergnügen, Alles erwartet Dich in den Armen Deines zärtlichen Vetranio. Dein beredtes Schweigen spricht ermuthigend zu meinem Herzen. Geliebte Anto —«

Hier hielt der Senator plötzlich inne, denn die Augen des Mädchens, welche sich bisher mit demselben Ausdrucke des Entsetzens, wie von allem Anfang her, auf ihn geheftet hatten, bewegten sich langsam der Thür zu. Einen Augenblick darauf vernahm Vetranio’s Ohr ein leises Geräusch und Antonina schauderte so heftig zusammen, daß er, der sie an seine Seite gedrückt hielt, es durch seinen ganzen Körper zucken fühlte. Langsam und wider Willen wendete er seinen Blick von dem bleichen und doch so schönen Gesicht, auf welches er geheftet war und schaute auf.

An der offnen Thür stand bleich, stumm, bewegungslos der Herr des Hauses.

In der Verwirrung seiner Ideen keines andern Gefühles als des animalischen Instinkts der Selbstvertheidigung fähig, hatte Vetranio, kaum Numerian’s Gestalt erblickt, als er aufstand, einen kleinen Dolch aus seiner Brust zog und dem Eingedrungenen entgegen gehen wollte. Er sah sich jedoch durch Antonina zurückgehalten, die vor ihm auf die Kniee gefallen war und sein Gewand mit einer Kraft, welche mit der Schlankheit ihrer Gestalt und der Schwäche ihres Geschlechts und Alters vollkommen unverträglich zu sein schien, erfaßt hatte.

Die erste Stimme, welche das jetzt eintretende Schweigen unterbrach, war die Numerian’s. Er trat mit schmerzverstörten, Gesicht und von unterdrückter Bewegung bebender Lippe zu dem Senator heran und wendete sich folgendermaßen zu ihm:

»Stecke Deine Waffe ein, ich komme nur, um von Dir eine Gunst zu erbitten.«

Vetrauio gehorchte ihm mechanisch.

Die in einem solchen Augenblicke furchtbare, finstere Ruhe im Wesen des Christen flößte ihm unwillkürliche Ehrfurcht ein.

»Die Gunst, welche ieh von Dir erbitten möchte,« fuhr Numerian mit leisem, festem, bitterem Tone fort, »ist die, daß Du Deine Dirne dort nach Deiner eignen Wohnung bringen möchtest. Hier giebt es keine Sängerknaben, keine Bankethallen, keine von Wohlgerüchen durchdufteten Ruhebetten. Der Zufluchtsort eines einsamen, alten Niaunes ist für Eine, wie sie, kein Platz. Ich bitte Dich, sie nach einer passenderen Wohnstätte zu bringen. Sie eignet sich vortrefflich für ihr Gewerbe, schon ihre Mutter war eine Dirne!«

Er lachte verächtlich und deutete auf die Gestalt des unglücklichen Mädchens, welches mit ausgestreckten Armen zu seinen Füßen kniete.

»Vater, Vater« rief sie in, ihrer angeborenen Weichheit und Melodie beraubten, Tönen; »hast Du mich vergessen?«

»Ich kenne Dich nichts« antwortete er, sie von sich stoßend; »kehre an seine Brust zurück, an die meine sollst Du nie wieder gedrückt werden. Gehe nach seinem Palaste, mein Haus geht Dich nichts mehr an. Du bist seine Dirne nicht meine Tochter! Ich befehle Dir – geh!«

Als er mit zornigem Blick und drohender Haltung auf sie zutrat, stand sie plötzlich auf. Ihre Vernunft schien zu Boden geschmettert zu sein, als sie mit deliciösen Ausdruck von Vetranio auf ihren Vater und dann wieder von ihrem Vater auf Vetranio blickte. Auf der einen Seite sah sie einen Feind, der sie in’s Verderben gestürzt hatte, ohne daß sie wußte, auf welche Art, und sie mit einer ihr unbekannten Gefahr bedrohte; auf der andern einen Vater, der sie verstoßen hatte. Sie warf noch einen letzten Blick auf das Zimmer, welches, so freudlos und einsam es auch war, doch Heimathsstelle für sie vertreten hatte, wendete sich dann ohne ein Wort, ohne einen Seufzer ab und floh, zusammengekrümmt wie ein geschlagener Hund, aus dem Hause.

Während dieser ganzen Scene war Vetranio so von dem hülflosen Erstaunen der Trunkenheit erstarrt gewesen, daß er sich weder zu bewegen, noch ein Wort zu sprechen vermochte. Alles, was in dem kurzen, furchtbaren Gespräche zwischen Vater und Kind vorging, versetzte ihn in völlige Verwirrung. Er hörte weder auf der einen Seite lauten, heftigen Zorn, noch auf der andern wortreiches Bitten um Verzeihung. Der finstere, alte Mann, den Antonina Vater genannt, und auf den er als den strengsten Christen in Rom aufmerksam gemacht worden war, hatte, weit entfernt, sein Eindringen in Antonina’s Schlafgemach zu rächen, freiwillig seine Tochter seinem ausschweifenden Willen anheim gegeben. Daß der Zorn oder die Ironie einen so strengen Mann zu einer solchen Handlung bewegen könne, oder daß Numerian, gleich seinem Diener, den Plan habe, dadurch daß er Antoninen als Köder aushing, eine seltsame, räthselhafte Gefälligkeit von ihm zu erlangen, schien ihm vollkommen unmöglich zu sein. Alles, was sich vor dem Senator zutrug, war für seine verwirrte Einbildungskraft vollkommen unbegreiflich. So frivol, leichtsinnig und ausschweifend er auch sein mochte, war doch seine Natur nicht von Grund aus schlecht und als die Scene, deren erstaunter Zeuge er gewesen war, sich plötzlich mit der Flucht Antonina’s endigte, machte ihn für den Moment der Blick entsetzlichen Elends, welchen das unglückliche Mädchen im Hinausgehen auf ihn heftete, fast nüchtern und er stand vor dem jetzt kinderlosen Vater, der sich wie blödsinnig umschaute, mit unüberwindlicher Verwirrung und unwillkürlichem Schrecken da.

Unterdessen näherte sich eine dritte Person den beiden in dem von seiner armen Herrin verlassenen Schlafgemache befindlichen Männern.

Wiewohl Ulpius in dem unterirdischen Gewölbe, wohin er sich beim Verlassen Vetranio’s begeben, das geräuschlose Eintreten des Hausherrn nicht bemerkt hatte, war doch durch die offenen Thüren die, wenn auch leise, Stimme des Christen zu ihm gedrungen.

Als er alles beargwöhnt kund auf jedes Ereigniß gefaßt aufstand, um nach dem Schlafzimmer zu gehen, sah er beim Ersteigen der untersten Treppe eine weiße Gestalt schnell durch die Halle eilen und am Haupteingange des Hauses verschwinden.

Er war einen Augenblick unschlüssig und blickte ihr nach; die flüchtige Gestalt war aber im ungewissen Lichte der Morgenfrühe so schnell an ihm vorübergeflohen, daß er sie nicht zu erkennen vermocht hatte, und er beschloß den Lauf der Ereignisse jetzt, wo Numerian wenigstens einen Theil des Complotts gegen seine Tochter und ihn selbst entdeckt haben mußte, dadurch zu ermitteln, daß er sofort nach Antonina’s Gemach hinaufstieg, was auch immer die Folgen seines Eindringens zu einer solchen Stunde bei dem Zorne ihres Vaters haben mochte.

Sobald sich der Heide vor Vetranio zeigte, trat eine merkliche Veränderung bei diesem ein. Ulpius Anwesenheit in dem Gemache war geradezu eine Erleichterung für den verwirrten Geist des Senators nach dem geheimnisvollen, übermächtigen Einflusse, den die bloße Gegenwart des Vaters und Herrn vom Hause zu einer solchen Stunde auf ihn ausgeübt hatte.

Auf Ulpius besaß er ein absolutes Recht, Ulpius war sein Diener und er beschloß daher, dem Knechte, den er verachtete, eine Erklärung des räthselhaften Benehmens des Herrn, welchen er fürchtete, und der Tochter, an der er zu zweifeln begann, abzupressen.

»Wo ist Antonina?« schrie er, wie aus einem Traume aufspringend und zornig auf den verrätherischen Heiden zugehend; »sie hat das Zimmer verlassen – sie muß bei Dir Zuflucht gefunden haben.«

Ulpius blickte langsam scharf im Zimmer umher. Eine leise Aufregung war auf seinem bleichen Gesichte zu erkennen, aber er sprach kein Wort.

Das Gesicht des Senators wurde von abwechselnder Besorgniß und Wuth bald blaß, bald roth. Er ergriff den Heiden an der Kehle, seine Augen funkelten, sein Blut kochte, er begann zu argwöhnen daß Antonina auf ewig für ihn verloren sei.

»Ich frage Dich wieder, wo sie ist?« schrie er mit zornbebender Stimme. »Wenn sie durch das Werk dieser Nacht verloren geht, oder zu Schaden kommt, so werde ich es an Dir rächen. Ist dies die Erfüllung Deiner Zusage? Denkst Du, daß ich dafür die von Dir gewünschte Wiederaufrichtung der alten Götter leiten werde? Wenn Antoninen durch Deine Verrätherei Böses zustößt, so möchte ich, statt Dir in Deinen geheimen Plänen beizustehen, lieber Dich samt Deinen verfluchten Göttern in der Christenhölle brennen sehen. Wo ist das Mädchen, Du Sklave? Wo war Deine Wachsamkeit, Schurke, als Du dein Manne da gestattetest, uns bei unserer ersten Zusammenkunft zu überraschen?«

Er wies bei diesen Worten auf Numerian.

Sorge und Noth verleihen dem Geiste einen mehr als sterblichen Scharfblick. Jedes Wort, welches er gesprochen, hatte sich fressend in das Herz des Vaters geätzt. Eine stundenlange Erzählung hätte ihn nicht stärker überzeugen können, wie schwer er getäuscht worden war, als die wenigen hastigen, so eben gehörten Ausdrücke. Ueber seine Lippen kam kein Wort. Sein Unglück ward durch keine Bewegung verrathen. Er stand vor den Entweihern seines Hauses, in einem Augenblicke aus den muthigen Enthusiasten zu dem schwachen, hülflosen Manne mit gebrochenem Herzen verwandelt, da. Trotzdem, daß in Vetranio die ganze Wildheit seines altrömischen Blutes erwacht war, als er Ulpins bedrohte, ließ der kalte, stumme Blick furchtbarer Verzweiflung, welchen ihm der Vater zuwarf, doch dasselbe schnell seine junge Adern erstarren. Sein Herz war noch das leicht erregbare der Jugend und er trat zum ersten Male in seinem Leben, von Entsetzen und Reue ergriffen, einen Schritt vor, um die beste Erläuterung und Entschädigung, welche er aufbieten konnte, zu geben, als Ulpius Stimme seinen Absichten Einhalt that, und ihn bewog, stehen zu bleiben und zu lauschen.

 

»Sie kam in der Halle an mir vorüber,« murmelte der Heide verstockt »Ich habe mein Theil gethan, indem ich sie in Deine Macht lieferte, an Dir war es, ihre Flucht zu hindern. Warum hast Du ihn nicht zu Boden gestreckt?« fuhr er mit einem spöttischen Lächeln auf Numerian deutend hinzu; »Du bist reich und ein römischer Edelmanm ein Mord würde bei Dir kein Verbrechen gewesen sein.«

»Zurück,« rief der Senator ihn von der Stelle hinwegstoßend, welche er bis dahin unter der Thür eingenommen hatte. »Sie ist vielleicht noch wieder zu erlangen! Ganz Rom soll nach ihr durchsucht werden.«

Im nächsten Augenblicke verschwand er aus dem Zimmer, wo jetzt Herr und Diener allein zurückblieben.

Das nun im Gemache herrschende Schweigen wurde durch fernen Tumult und verwirrten Lärm auf den Straßen der Stadt unterbrochen.

Dieses ominöse Geräusch hatte sich mit dem Anbruche des Tages erhoben, aber die in Numerian’s Wohnung Befindlichen waren von ihren verschiedenen Gefühlen so gänzlich in Anspruch genommen worden, daß der Lärm der äußern Welt von Allen unbeachtet vorüber gegangen war. Vetranio hatte sich jedoch kaum entfernt, als Ulpius Aufmerksamkeit erregt wurde und er an das Fenster trat. Was er dort sah und hörte, war von ungewöhnlicher Wichtigkeit, denn es heftete ihn sofort in stummem, unüberwindlichem Erstaunen an die Stelle, wo er sich befand.

Während Ulpius am Fenster stand, war Numerian an das Bett geschwankt, welches seine unzeitige Strenge – vielleicht für immer leer gemacht hatte. Die Macht der Bewegung, die Fähigkeit, hinaus zusehen und selbst sein Kind zu suchen, war von dem Schmerze um dessen Verlust gänzlich gelähmt, als der unglückliche auf seine Kniee sank und In der Qual seines Herzens Trost beim Gebet zu finden suchte. Herr und Diener blieben lange in ihren beiderseitigen Stellungen – der Verräther am Fenster wartend, der Verrathene am Bett seiner verlorenen Tochter trauernd – Beide gleich stumm, gleich bewußtlos für den Verlauf der Zeit.

Endlich begann«Numerian, wie es schien, anfänglich ohne zu bemerken, daß er sich nicht allein im Zimmer befand, zu sprechen. In seiner leisen, gebrochenen, betenden Stimme würde Keiner von seinen Anhängern den Ton des beredten Predigers, des kühnen Züchtigers der Laster der Kirche erkannt haben. Die ganze moralische, intellectuelle und physische Natur des Mannes schien eine verderbliche, vollständige Veränderung erlitten zu haben.

»Sie war unschuldig! sie war unschuldig»flüsterte er vor sich hin, »und selbst wenn sie schuldig wäre, würde es mir dann angestanden haben, sie von meiner Thür zu vertreiben? Es geziemte mir, gleich meinem Erlöser, ihr Reue zu lehren und Gnade zu beweisen! Verflucht sei der Stolz und Zorn, der Gerechtigkeit und Geduld aus meinem Herzen trieb, als ich sie sich, wie es mir erschien, ohne Widerstand und Geschrei meiner und ihrer Schmach ergeben sah! Hätte ich mir nicht ihren Schrecken vorstellen, mich nicht ihrer Reinheit erinnern können? Ach, meine Geliebte, wenn ich mich selbst von dem Gottlosen habe täuschen lassen, was Wunder ist es denn, daß Du ebenfalls verrathen worden bist! und ich habe Dich von mir getrieben, Dich, deren Munde nie ein Wort des Zornes entfallen ist. Ich habe Dich, die Du die Zierde meines Alters warst, von meiner Brust verstoßen! Mein Tod ist nahe und Du wirst nicht bei mir sein, um mir mein schweres Vergehen zu verzeihen, meine müden Augen zu schließen, an meinem einsamen Grabe zu klagen. Gott – o Gott! wenn ich so einsam aus der Erde zurückbleiben muß, so hast Du mich schwerer, als ich es ertragen kann, gestraft!«

Er schwieg, seine Bewegung raubte ihm für den Augenblick die Sprache. Nach einiger Zeit murmelte er mit leisem ächzenden Tone vor sich hin:

»Ich habe sie Dirne genannt! mein armes unschuldiges Kind! ich habe sie Dirne genannt! ich habe sie Dirne genannt!«

In seinem Verzweislungsparoxysmus sprang er auf und blickte wirr um sich. Ulpius stand immer noch bewegungslos am Fenster. Beim Anblicke des unmenschlichen Heiden zitterte er an allen Gliedern. Alle Gebrechen des Alters, mit denen er bis jetzt verschont geblieben war, schienen ihn in einem Augenblicke zu überwältigen. Er schritt schwach auf den Verräther zu und richtete folgende Worte an ihn:

»Ich habe Dir ein Obdach gegeben, Dich belehrt, für Dich gesorgt, ich habe mich nie in Deine Geheimnisse gedrängt, nie Dein Wort bezweifelt und für Alles dies hast Du mich durch Complottiren gegen meine Tochter und Täuschung meiner selbst belohnt! Wenn es Dein Zweck war, mir dadurch wehe zu thun, daß Du das Glück und die Ehre meines Kindes angriffest, so ist es Dir gelungen! Wenn Du mich, um irgend einem persönlichen geheimnißvollen Ehrgeize zu dienen, von Rom verbannen, wenn Du mich in Dunkelheit stürzen willst, so verfüge über mich, wie Du es wünschest. Ich beuge mich vor der furchtbaren Macht Deiner Verrätherei! Ich will Allem entsagen, was Du befiehlst, wenn Du mir mein Kind zurückgeben willst. Ich bin hülfslos und elend, ich habe weder Muth noch Kraft, sie selbst zu suchen. Du, der Du Alles weißt und allen Gefahren Trotz bieten kannst, vermagst sie mir zur Verzeihung und zum Segen zurückzugeben, wenn Du willst. Wer Du auch wirklich sein magst, bedenke, daß Du einst hülflos und allein warst und immer noch alt bist gleich mir! Bedenke, daß ich Dir versprochen habe, Dir abzutreten was Du verlangst – bedenke, daß mich jetzt, wo ich alt und einsam bin, keines Weibes Stimme mehr erheitern, keines Weibes Herz für mich fühlen kann, als das meiner Tochter! Ich habe aus den Worten des Edelmanns, welchem Du dienst, errathen, welche Pläne Du hegst und zu welchem Glauben Du Dich bekennst. Ich will weder die Einen verrathen noch den Andern angreifen. Ich dachte, daß meine Arbeiten für die Kirche mir mehr seien, als sonst etwas auf Erden, aber jetzt, wo durch meine Schuld meine Tochter aus ihres Vaters Hause vertrieben ist, weiß ich, daß ich sie mehr liebe, als selbst meine größten Pläne. Ich muß ihre Verzeihung erlangen, ich muß ihre Liebe wieder gewinnen ehe ich sterbe! Du bist mächtig und kannst sie mir wieder bringen! Ulpius! Ulpius!«

Bei diesen Worten kniete der Christ vor dem Heiden nieder. Es war entsetzlich, den Mann der Liebe und der Rechtschaffenheit so vor dem der Herzlosigkeit und des Verbrechens gedemüthigt zu sehen!

Ulpius wendete sich um ihn anzublicken, erhob ihn dann ohne ein Wort zu sprechen vom Boden, zog ihn an das Fenster und deutete mit blitzenden Augen auf die weite Aussicht, welche man von dort aus hatte.

Die Sonne war schon hoch am Himmel gestiegen und strahlte mit blendendem Glanze auf Rom und die Vorstädte herab. Eine unbestimmte, furchtbare geheimnißvolle Verödung schien plötzlich die ganze Gebäudereihe jenseits der Mauern überfallen zu haben. Aus den Gärten stieg kein Laut empor, auf den Straßen trieb sich kein Mensch umher. Andrerseits waren die Wälle auf jedem sichtbaren Punkte mit Menschen aller Stände angefüllt und die fernen Plätze und Amphitheater der Stadt selbst sahen mit der sich auf ihnen umherrennenden und wogenden Menge wie Ameisenhügel aus. Auf allen Punkten erhob sich von diesen Menschenmassen verwirrtes Geschrei und seltsamer wilder Lärm. Ganz Rom schien einer ungeheuern allgemeinen Empörung zur Beute gefallen zu sein.