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Jeder Schluß, welchen er aus allem, was er erfuhr, zog, nahm den sanguinischen Charakter der verderblichen Selbsttäuschung an, welche sein ganzes Leben verbittert hatte. Er glaubte, daß die Zwistigkeiten, welche er in der Kirche erblickte, über kurz oder lang die Vernichtung des Christenthums selbst zur Folge haben würden, daß, wenn eine solche Periode eintrete, das Publikum nur der Leitung eines höhern Geistes bedürfe, um wieder zu seiner alten Religion zurückzukehren und daß es um die Grundlage einer solchen erwünschten Revolution zu verrichten, für ihn nothwendig sei, so unmöglich es auch in seiner gegenwärtigen, entwürdigten Stellung erscheinen möge, Zutritt bei den unzufriedenen Edelleuten von Rom zu erlangen und das Geheimnis zu entdecken; über sie einen Einfluß zu gewinnen, der ihn in den Stand setzen konnte, sie mit seinem Enthusiasmus zu erfüllen und mit seiner Entschlossenheit anzufeuern. Es waren schon noch größere Schwierigkeiten als diese von andern Männern überwunden worden; es hatten schon früher einzelne Individuen Revolutionen bewirkt. Die Götter würden ihn begünstigen, seine eigne Schlauheit ihn beschützen. Nur noch ein wenig mehr Geduld – noch ein wenig mehr Entschlossenheit und er konnte trotz aller seiner Unglücksfälle noch immer des Erfolgs gewiß sein.

Um diese Zeit hörte er zuerst während seiner Forschungen von einem unbekannten Manne, der sich Möglich erhoben hatte, um eine Revolution in der christlichen Kirche zu bewirken, deren erklärter Zweck es war, die neue Religion gerade von der Ausartung zu befreien, auf deren Fortschreiten alle seine Hoffnungen des Triumphes berühren. Man sagte, daß dieser Mann schon seit einiger Zeit mit seinen Reformationsarbeiten beschäftigt sei, aber die Schwierigkeiten der Aufgabe, welche er sich gestellt, ihn bisher verhindert habe, die Notorität zu erlangen, welche zur erfolgreichen Ausführung seiner Pläne wesentlich war. Sobald Ulpius dieses Gerücht vernahm, schloß er sich sofort den Wenigen an, die den Predigten des neuen Redners beiwohnten, und hörte jetzt genug, um sich zu überzeugen, daß er den entschlossensten Eiferer für das Christenthum, den es in Rom gab, vor sich habe. Das Vertrauen dieses Mannes zu gewinnen, jeden Versuch, den er in seinem neuen Berufe machen könnte, zu vereiteln, sein Ansehen bei seinen Zuhörern zu vernichten und seine persönliche Sicherheit dadurch zu bedrohen, daß er dessen mächtigen Feinden in der Kirche seine innersten Geheimnisse verrieth, waren Entschlüsse, welche der Heide augenblicklich als von seinem Glauben gefordert, annahm.

Von diesen Augenblicke an ergriff er jeden Anlaß, die Aufmerksamkeit des neuen Reformators auf sich zu lenken, und wurde endlich für seine Schlauheit und Ausdauer dadurch belohnt, daß ihn der verdachtlose, wohlthätige Numerian als einen frommen Bekehrten zu dem Christenthume der Urkirche in sein Hans aufnahm.

Sobald der hinterlistige Heide erst unter Numrian’s Dache eingerichtet war, erblickte er in der Tochter des Christen ein Werkzeug, welches in seinen unskrupulösen Händen vortrefflich geeignet war, seinem Phantastischen Plan das Ohr eines der bestehenden Religion abgeneigten Römers von Macht und vornehmen Stande zu verschaffen.

Unter den Patriziern, mit deren christenfeindlichem Charakter ihn das Gerücht bekannt gemacht hatte, befand sich auch Numerian’s Nachbar, der Senator Vetranio. Für einen solchen Mann, der durch sein üppiges Leben berühmt war, würde ein Mädchen von der Schönheit Antonina’s eine hinreichend große Bestechung sein, um ihn in den Stand zu setzen, jedes nöthige Versprechen als Belohnung für ihren Verrath, so lange sie sich noch unter dem Schutze des väterlichen Daches befand, zu erpressen. Außer diesem Vortheile, welchen ihm. ihr Verderben bringen würde, hatte er noch die Gewißheit, daß ihr Verlust Numerian so tief berühren mußte, daß er wenigstens auf eine Zeitlang unfähig wurde, seine Arbeiten in der Sache des Christenthums fortzusetzen. In dieser verabscheuungswürdigen Absicht befestigt, erwartete also der mitleidslose Priester geduldig den Angenblick zum Beginn seiner Ränke. Er wachte nicht umsonst, das Opfer, Antonina, fiel unschuldiger Weise gerade in die Schlinge, welche er ihr vorbereitet hatte, als sie zum ersten Male auf die Klänge von Vetranio’s Laute horchte und ihrem verätherischen Hüter gestattete, ihr Freund zu werden, der ihren Ungehorsam vor ihrem Vater verbarg. Nach diesem ersten verderblichen Schritte brachte jeder Tag die Pläne des Ulvius ihrem Gelingen näher. Die lange gesuchte Zusammenkunft mit dem-Senator wurde endlich erlangt, die auf der eiuen Seite gebieterisch geforderte Zusage, wie wir bereits erzählt haben, von der andern sorglos angenommen, der Tag, welcher den Ränken des Verräthers Erfolg und den Verrathenen Schmach bringen sollten, angesetzt und das kalte Harz des Fanatikers erwärmte sich wieder unter der Berührung der Freude. Es kam ihn nie in den Sinn, die bindende Kraft seiner Abrede mit Vetranio in Zweifel zu ziehen. Er ahnete nicht, daß ihm der mächtige Senator mit vollkommener Straflosigkeit den unausführbaren Beistand, welchen er als seine Belohnung verlangt hatte, verweigern und ihn als einen unwissenden Tollhäusler aus seiner Palastthüre werfen lassen könne. Er glaubte fest und aufrichtig, daß Vetranio mit seiner Bereitwilligkeit zum Gelingen seiner verbrecherischen Absichten beizutragen, so zufrieden und von der Aussicht auf den Ruhm, welchen den Erfolg in dem großen Unternehmen erwarten würde, so geblendet sei, daß er sich gern an die Erfüllung seines Versprechens gebunden halten würde, wann auch immer sie von ihm verlangt werden würde.

Unterdessen hatte das Werk bereits begonnen. Numerian wurde selbst jetzt schon aus seine Anregung von den Spionen der eifersüchtigem rücksichtslosen Kirche beobachtet, Fehden, Schismen, Verräthereien und Zwistigkeiten herrschten in den christlichen Reihen. Alles vereinigte sich, um es gewiß zu machen, daß die Zeit nahe sei, wo durch seine Anstrengungen und die Hülfe des befreundeten Senators die Wiederherstellung des Heidenthums gesichert werden könne.

Trotz der größesten Verschiedenheit der Handlungsweise und des Planes herrschte doch eine seltsame, rathselhafte Analogie zwischen der jetzigen Lage von Ulpius und Numerian. Der Eine war bereit für den Tempel, der Andere für die Kirche das Märtyrerthum zu erleiden. Beide waren Enthusiasten in einer unwillkommenen Sache, Beide hatten mehr als den sonst auf ein Leben fallenden Antheil von Bekümmerniß erlitten und Beide waren alt und schritten unwiderbringlich von ihren verbleichenden Aussichten auf Erden auf die sie in dem unbekannten Jenseits erwartende ewige Zukunft zu.

Hier hört aber die Aehnlichkeit zwischen ihnen auf.

Der leitende Grundsatz der Handlungen des Christen war aus der Gottheit, welcher er diente, gezogen, die Liebe; der des Heiden aus dem ihn vernichtenden Aberglauben entsprungen, der Haß. Der Eine arbeitete für die Menschheit, der Andere für sich und so konnten die auf das allgemeine Gute gegründeten, durch gute Thaten genährten und edel auf ein großes Ziel gerichteten Bestrebungen ihn zu Unvorsichkeiten verleiten, aber nie zum Verbrecher herabwürdigen, die Heiterkeit seines Lebens« trüben, ihn aber nie der Hoffnung berauben. Der Ehrgeiz des Ulpius dagegen entsprang aus Rache, war, auf Zerstörung gerichtet, forderte Grausamkeit von seinem Herzen und Hinterlist von seinem-Geiste, und spottete seiner zum Lohn für seine Dienste abwechselnd mit Täuschung und Verzweiflung.

—–

Und nun, ehe wir Weiter gehen, wollen wir den einsamen alten Mann, dessen Priesterthumsgeschichte zu Ende gelangt ist, betrachten, wie er in dem dunkeln Zufluchtsorte, nach welchem er sich begab, als sein Opfer aus seinen Augen verschwunden warund das Bruchstück ihrer zerbrochenen Laute auf ihr Gemach getragen hatte, dessen Reinheit zu beschmutzen er sich nicht scheute – über seine mitleidlosen Pläne nachdenkt. Stellen wir uns ihn in seiner Kindheit vor, wie er gelehrig und liebevoll, lernbegierig und freudig gehorsam, mit allen Fähigkeiten des Guten begabt, mit allen Eigenschaften zum Glücke versehen, frisch aus den Händen des Schöpfers kam – und dann wollen wir ihn in seinem Alter anblicken, wie er durch die Einmischung der Menschen verdorben worden ist.

Seht, wie er allein da sitzt, wie keine Kinder um seine Kniee spielen, wie keine Erinnerung an vergangene Liebe und Freundlichkeit seine düstere Gegenwart vergoldet, keine wachsamen Freunde, keine himmelsgeborenen Bestrebungen die Schrecken der Todesaussichten zerstreuen, welche sich bereits aus ihn niedersenken. Der verkrümmt schwankende Körper ist durch viele Länder gereist, aber nie zu einer Sendung des Guten ausgegangen, die strengen, trüben Augen haben in Zorn geglüht und in Verachtung gefunkelt, aber Jahre sind vorübergegangen und kein Mitleid hat sie erreicht, keine Thränen haben in ihren eingesunkenen Höhlen gestanden. Selbst jetzt noch hält, wenn er nach dem Himmel hinaufblickt, der auf seinen verwelkten Wangen zitternde Mondschein keinen Verkehr mit seinem liebeleeren Herzen und das sich über ihm ausbreitende Firmament ist, trotz des schönen, durchsichtigen, reichen, nächtlichen Schattens, womit es geziert, für seinen achtlosen Geist bedeutungsleer und ohne Sprache. Seine Gedanken richten sich auf vergangene Verletzungen und künftige Rache, auf die Verrätherei. deren Beginn die Morgendämmerung bezeichnen soll, auf den vertrauensvollen Vater und die unschuldige Tochter, deren Glück er auf das Gebot der schlimmen Verblendung, die auf lebenslang seine bessern Eigenschaften gefangen genommen hat, ohne Bedauern zum Scheitern bringen kann. So ist er jetzt mit Herz und Seele an seinen monströsen Zweck festgekettet, an Körper eine Ruine und an Geist eine Mißgestalt Die Erziehung, welche seine Kindheit irre geleitet, die Bestrebungen, welche seine Jugend getäuscht, und der Ehrgeiz, der sein Mannesalter entwürdigt hat, haben ihr Werk vollendet; und jetzt ebnet das Greisenalter des Verbrechens schnell den Pfad zu der letzten Folge von jenem Allen – dem Tode der Verzweiflung.

 

Kapitel V
Das Schlafgemach

Es ist jetzt Zeit in unserm Berichte, über die ereignißreiche Nacht, welche durch die Zerstörung von Antonina’s Laute und die Verschwörung gegen Antonina’s Ehre bezeichnet wurde, zu schreiten.

Die Thore von Vetranio’s Palast waren geschlossen und jedes Geräusch in demselben verstummt. Das Gastmahl war vorüber, der Triumph der Nachtigallensauce gefeiert, und schon dämmerte der Morgen am östlichen Himmel herauf, als der Lieblingsdiener des Senators, der Freigelassene Carrio, den Fensterladen des Pförtnergemachs, wo er seit dem Schlusse des Mahles genickt hatte, zurückwarf und träge aus die Straße hinausschaute. Das matte, schwache Licht der Dämmerung verstärkte sich jetzt allmälig auf der einsamen Gasse und den Mauern der hohen Häuser. Von den Müssiggängergruppen der untersten Klasse, die sich am Abend vorher auf der Straße versammelt hatten, um die wohlriechenden Düfte einzuathmen, welche aus Vetranio’s Küchen aufstiegen, war nicht ein einziges Mitglied mehr vorhanden. Männer, Weiber und Kinder hatten sich längst schon entfernt, um ein Obdach zu suchen, wo sie es finden konnten, und ihre mageren Leiber mit Dem, was ihnen freigebig von den gröberen Ueberbleibseln des Festmahls zu Theil geworden war, zu mästen. Die geheimnißvolle Einsamkeit und Ruhe des Tagesanbruchs in einer großen Stadt waltete über Allem. Ohne jedoch von der eigenthümlichen ernsten Anziehungskraft Dessen, was er in diesem Augenblicke sah, beeinflußt zu werden, ließ sich der Freigelassene gegen die ihn anwehende frische Morgenluft in kräftigen Ausdrücken des Unwillens aus, und wagte es sogar, in leiseren Tönen gegen die unbehagliche Laune seines Herrn sich nach einem Gastmahle mit der Morgendämmerung aufwecken zu lassen, loszuziehen. Carrio wußte jedoch viel zu gut, wie nöthig es war, den erhaltenen Befehlen auf das Unbedingteste zu gehorchen, um sich noch länger den angenehmen Versuchungen der Ruhe hinzugeben. Er gähnte daber noch ein paar Mal, rieb sich die Augen, überließ sich noch auf einige Momente dem Genusse des Klagens und machte sich dann ernstlich auf, um die nach dem Innern des Palastes führenden Gänge zu durchschreiten und Vetranio ohne weiteren Verzug auszuwecken.

Er war erst ein paar Schritte weit gekommen, als eine mit goldenen Buchstaben auf ein blaues Bret geschriebene und an die Wand neben ihm gehängte Ankündigung seine Aufmerksamkeit erregte. Diese öffentliche Anzeige, welche seine Schritte schon beim ersten Tritte hemmte und zur besondern Erbauung aller Einwohner von Rom bestimmt war, lautete folgendermaßen:

»Heute und die nächsten zehn Tage wird unser Patron durch seine Geschäfte von Rom fern gehalten.«

Hiermit war die Mittheilung zu Ende, ohne sich auf Einzelnheiten einzulassen. Sie war in Uebereinstimmung mit der behaglichen Mode der Zeit aufgehangen worden, um sofort während der Abwesenheit des Senators alle Nachfragen zu beantworten. Obgleich das Farben des Bretes, das Schreiben der Buchstaben und die Abfassung des Satzes das Werk seines eigenen Scharfsinns gewesen waren, konnte es der wackere Carrio doch nicht über sich gewinnen, an der Proklamation vorbeizugehen, ohne ihre Pracht von Neuem zu bewundern.

Eine Zeitlang stand er da und betrachtete sie mit demselben Ausdrucke hoher, selbstgefälliger Zufriedenheit, welchen wir in unsern modernen Zeiten das Gesicht eines Kenners vor einem seiner alten Gemälde, das er für ein Spottgeld gekauft hat, erhellen oder über die freundlichen Züge eines Manufakturwaarenhändlers aufdämmern sehen, wenn er von der Straße aus des Morgens die neu in seinen Ladenfenstern getroffene Anordnung betrachtet.

Alles hat jedoch seine Grenzen, selbst die, Zufriedenheit des Menschen mit den Beweisen seiner Geschicklichkeit; in dem Geiste des verständigen Carrio lebten also nach langer Besichtigung der Anzeige einige schwache Jdeen von der Notwendigkeit, sofort den Befehl seines Herrn zu erfüllen, wieder auf, und riethen ihm, seine Schritte eiligst den Schlafgemächern des Palastes zuzulenken.

Höchlichst verwundert, welche neue Laune den Senator bewogen haben möge, Rom mit Tagesanbruch zu verlassen – denn Vetranio hatte Niemandem den Zweck seiner Abreise mitgetheilt – trat der Freigelassene leise in das Schlafgemach seines Herrn. Er zog die faltenreichen seidenen Vorhänge, die aus den Händen von marmornen Grazien und Amoretten über und um das Ruhebett herabhingen, bei Seite, aber die Statuen umstanden ein leeres Lager. Vetranio war nicht da.

Jetzt trat Carrio in das Badegemach. Das wohlriechende Wasser dampfte in seinem langen Marmordecken, die weichen Umhüllungstücher lagen zum Gebrauche bereit da. Der dienstthuende Sklave wartete mit seinem Badegeräth schlaftrunken an seiner gewohnten Stelle, aber auch hier erblickte man kein Zeichen von der Gegenwart des Herrn. Einigermaßen verblüfft sah der Freigelassene in mehreren andern Gemächern nach. Er fand Gäste, Tänzerinnen, Schmarozer, Dichter, Maler – eine bunte Menge – alle Arten von Schlafzimmern erfüllend und friedlich die Wirkungen des Weines, den sie beim Banket getrunken hatten, verschlafend, aber der Hauptgegenstand seiner Forschungen war immer noch nicht zu erschauen. Endlich fiel es ihm ein, daß der Senator in einem Uebermaße von gastfreundlichem Enthusiasmus noch einen bevorzugten Gast an der Festtafel bewirthen könne.

Er blieb an einer geschnitzten Thür stehen, die an dem einen Ende einer geräumigen Halle halb offen stand, stieß sie auf und trat hastig in das Speisezimmer.

In diesem Gemache, welches, so weit es das Auge unterscheiden konnte, eine graziöse, malerische Verwirrung zeigte, herrschte ein mildes, üppiges Dämmerlicht. Von den verschiedenen Lampen, die in allen möglichen Formen von der Decke herabhingen, brannten nur noch wenige. Diejenigen, welche noch unverlöscht waren, verbreiteten jedoch eine sanfte Helle, welche vortrefflich geeignet war, die Gegenstände in ihrer unmittelbaren Nähe hervortreten zu lassen. Die goldenen Guirlanden und alabasternen Gefäße mit Wohlgerüchen, welche während des Bankets vor den Gästen von der gemalten Decke herabgehangen hatten, befanden sich noch an ihren Plätzen.

Auf dem massiven, mit Silber eingelegten Ebenholztische lagen noch in der wildesten Verwirrung Ueberbleibsel von gastronomischen Delikatessen, grotestes Speisegeschirr, Blumenvasen, Musikinstrumente und Krystallwürfel umher, während sich über Alles die schimmernde Schüssel erhob, die die von den Gästen verzehrten Nachtigallen enthalten hatte und um sie her die vier goldenen Amoretten, aus welchen die köstliche Erfindung der Nachtigallensauce auf sie herabgesprudelt war.

Außerhalb der violetten und rosenfarbigen Ruhebetten, die den Tisch umgaben, bemerkte man noch aus einige Schritte weit die wohlriechenden bnntgefärbten Pulver, welche auf dem Marmorfußboden gestreut worden waren. Ueber diesen Punkt hinaus ließ sich aber nichts mehr deutlich erkennen. Das Auge schweifte die Seiten des herrlichen Gemaches hinab und ließ undeutlich prächtige Draperien, kostbare Statuen und Marmorsäulen erkennen, aber nichts genau unterscheiden, bis es die halb offenen Fenster erreichte und auf dem frischen, thauigen Grün ruhte, welches jetzt in dem schattigen Garten erkennbar zu werden begann. Dort erhoben sich im Morgenwinde flüsternd, aus jeder Nadel mit reiner, willkommener Feuchtigkeit belastet die schlanken Pinien, welche die Wiederkehr der schönen, unsterblichen Jugend des neuen Tages bewillkommneten und einen tadelnden Kontrast mit den erschöpften Lockungen der Ueppigkeit und den kleinlichen Kunstgegenständen bildeten, mit denen die Tische der Speisehalle überdeckt waren.

Nach einer hastigen Umschau im Zimmer schien der Freigelassene auf dem Punkte zu stehen, es in Verzweiflung zu verlassen, als das Geräusch einer fallenden Schüssel, dem einige halb unterdrückte, verwirrte Schreckensrufe folgten, in sein Ohr drangen. Er näherte sich wieder dem Speisetische, putzte eine in der Nähe hängende Lampe, nahm sie in die Hand und begab sich nach der. Seite des Zimmers, von welcher das Geräusch ausgegangen war. Ein häßlicher, kleiner Neger, der in komischem Schreck einen eben an seiner Seite herabgestürzten halb mit Brod angefüllten silbernen Backofen anstarrte, war der erste Gegenstand, welchen er entdeckte. Einige Schritte von dem Neger entfernt ruhte ein schöner, mit Weinlaub und Epheu bekränzter Knabe noch neben seiner Lyra in Schlummer versunken und noch weiter hin lag auf einem seidenen Ruhebett der Gegenstand der Forschung des Freigelassenen, der vornehme Erfinder der Nachtigallensauce in einem unruhigen Schlafe.

Unmittelbar über dem schlummernden Senator hing dessen Portrait, auf welchem er bescheiden dargestellt war, wie er mit Hülfe Minerva’s den Gipfel des Parnaß erstieg, während die neun Musen erfreut um ihn her standen. Zu seinen Füßen ruhte eine prächtige weiße Katze, deren Kopf in der üppigen Trägheit der Sättigung auf dem Rande einer goldenen, halb mit in Milch gekochten Mäusen angefüllten Untertasse lag.

In Vetranio’s verschobener Kleidung und erhitztem Gesicht war das unzweifelhafteste Zeugniß der nächtlichen Orgie zu erblicken. Einige Minuten lang stand der wackere Carrio unschlüssig da, ob er seinen Herrn aufwecken solle oder nicht, entschied sich jedoch endlich dafür, den erhaltenen Befehlen zu gehorchen und den Schlaf des vor ihm liegenden Genußmenschen zu stören.

Zu diesem Zwecke war es nöthig, die Hülfe des Sängerknaben anzusprechen, da Vetranio die Ueppigkeit so weit verfeinerte, daß er seinen Dienern verboten hatte, ihn auf irgend eine andere Weise als durch die Vermittelung von Musik aufzuwecken.

Mit einiger Schwierigkeit wurde der Knabe hinreichend ermuntert, um den von ihm verlangten Dienst zu begreifen. Eine Zeitlang ertönten die Klänge der Lyra vergeblich. Endlich als die Melodie einen lauteren und kriegerischeren Charakter annahm, schlug der schlafende Patrizier langsam die Augen auf und blickte noch halb bewußtlos um sich.

»Mein geehrter Gönner,« sagte der höfliche Carrio in entschuldigenden Tönen, »hat geboten, daß ich ihn mit der Dämmerung aufwecken solle. Der Tag ist bereits angebrochen.«

Als der Freigelassene schwieg, richtete sich Vetranio von dem Ruhebette auf, verlangte ein Becken mit Wasser, tauchte seine Finger in die erfrischende Flüssigkeit, trocknete sie zerstreut an den langen seidenen Locken des neben ihm stehenden Sängerknaben, blickte nochmals um sich, wiederholte fragend mehrere Male das Wort: Tagesanbruch! und sank sanft auf sein Lager zurück.

Wir müssen zu unserm Leidwesen gestehen, daß der Erfinder der Nachtigallensauce ziemlich betrunken war.

Es trat eine kurze Pause ein, während welcher der Freigelassene und der Sängerknabe einander verblüfft ansahen. Endlich begann der Eine seine Entschuldigungsrede und der Andere seine Melodie aus der Lyra von Neuem. Nach einiger Zeit öffneten sich wieder träge die Augen Vetranio’s und diesmal begann er zu sprechen – aber seine Gedanken, wenn sie Gedanken zu nennen waren, beschäftigten sich noch gänzlich mit den Tischgesprächen des Bankets der vergangenen Nacht.

»Die alten Egypter – reizende, muntere Camilla – waren ein weises Volk!« murmelte der Senator schläfrig, »und ich selbst stamme von den alten Egyptern ab und halte daher die Katze in Deinem Schoße und alle übrigen Katzen in hoher Verehrung. Herodot – ein Geschichtsschreiber, dessen Werke ich mit einer gewissen Zufriedenheit öffentlich für gut erkläre – theilt uns mit, daß, wenn in der Wohnung eines alten Egypters eine Katze starb, der Eigenthümer sich zum Zeichen der Trauer die Augenbraunen abrasirte, das selige Thier in einem geweihten Hause einbalsamirte und es zum Begräbniß nach einer bedeutenden Stadt von Unteregypten, Namens Bubastis brachte, – ein egyptisches Wort, welches, wie ich entdeckte, das Grab aller Katzen bedeutet, woher man sich kaum irren kann, wenn man annimmt —«

Hier verließ den Sprecher plötzlich das Gedächtniß und die Worte, und Curio, der die Rede seines Herrn über die Katzen mit der vollkommensten Gravität angehört hatte, benutzte sofort die ihm jetzt gebotene Gelegenheit wieder zu sprechen.

»Der Wagen, welchen es meinen Patron gefallen hat zu bestellen, um ihn nach Aricia zu bringen –« sagte er mit starkem Nachdruck auf den Ortsnamen, »steht jetzt an der Privatthür des Palastgartens bereit.«

Als der Senator das Wort Aricia hörte, schien plötzlich sein Erinnerungs- und Wahrnehmungsvermögen zurückzukehren.

Unter der hohen Klasse von Trinkern, welche bis zum Punkte des vollsten Genusses zechen und wissenschaftlich vor der vollkommenen Vergessenheit anhalten können, nahm Vetranio eine erhabene Stelle ein. Der Wein, welchen er im Laufe der Nacht getrunken, hatte sein Gedächtnis in Unordnung gebracht und seine Selbstbeherrschung ein wenig gestört, ihn aber nicht seines Verstandes beraubt. Selbst in seinen Ausschweifungen war nichts Plebejesches zu finden. Er ließ der Kunst und Verfeinerung bis in seine Orgien die Herrschaft.

 

»Aricia – Aricia – sprach er vor sich hin – ach, die Villa, die mir Julia, als ich in Ravenna war, geliehen hat! Die Freuden der Tafel müssen aus einen Augenblick das Bild meiner schönen Schülerin aus früherer Zeit verdunkelt haben, das sich jetzt wieder vor mir belebt, indem Amor die Herrschaft, welche Bachus an sich gerissen hatte, wieder übernimmt.«

»Vortrefflichster Carrio,« fuhr er zum Freigelassenen gewendet fort, »Du hast vollkommen Recht gethan, mich aufzuwecken. Zögere keinen Augenblick weiter, mein Bad bereiten zu lassen, sonst wird mein Ungeheuer Ulpius, der König der Verschwörer und der Hohepriester alles Geheimnißvollem umsonst auf mich warten! – Und Du, Glyco,« fügte er hinzu, als sich Carrio entfernt hatte, »kleide Dich zu einer Reise an und warte mit meinem Wagen an der Gartenthüre. Du wirst mich auf meiner fahrt nach Aricia begleiten müssen. Zuerst aber, mein begabter und geschätzter Sänger, laß Dich für die harmonische Symphonie, welche mich so eben erweckt hat, belohnen. Welchen Rang unter meinen Musikern nimmst Du jetzt ein, Glyco?«

»Den fünften,« antwortete der Knabe.

»Bist Du gekauft oder in meinem Haufe geboren?«

»Weder das Eine noch das Andere, sondern Dir durch Getas Testament zugefallen,« entgegnete der freudig bewegte Glyco.

»Ich befördere Dich,« fuhr Vetranio fort, »zu den Rechten und der Besoldung des ersten Ranges meiner Musiker, und gebe Dir zum Beweise meiner fortdauernden Gunst diesen Ring. Zur Vergeltung für diese Gefälligkeit wünsche ich, daß Du Alles, was meine bevorstehende Reise betrifft, geheim hältst, Deine sanftesten Töne anwendest, um das Ohr eines jungen Mädchens, welches uns begleiten wird, zu erfreuen – ihre Schrecken zu beruhigen, wenn sie sich fürchtet, ihre Thränen zu trocknen, wenn sie weint und endlich Deine Stimme und Laute unablässig zu üben, um den Namen Aritonina mit den lieblichsten Harmonieen, welche Dir Deine Phantasie eingehen kann, zu verbinden.«

Vetranio sprach diese Worte mit einem behaglichen, wohlwollenden Lächeln, blickte selbstgefällig auf die ihn umgebende üppige Verwirrung und verfügte sich dann nach dem Bade, welches ihn auf seinen nnhen Triumph vorbereiten sollte.

Unterdessen trug sich ein Auftritt von ganz anderer Natur an Numerians Gartenthür zu.

Hier waren keine Sängerknaben, keine Freigelassenen, keine verstreuten, reichen Schätze zu blicken – hier zeigte sich nur die einsame Mißgestalt des Ulpius halb unter den Bäumen verborgen, während er an dem bestimmten Posten wartete.

Als die Zeit verstrich und Vetranio sich immer noch nicht zeigte, begann den Heiden seine Fassung zu verlassen. Er ging rastlos auf dem weichen, bethauten Grase hin und her, rief zuweilen in leisen Tönen seine Götter an, die säumenden Schritte des ausschweifenden Patriziers zu beschleunigen, der das Werkzeug werden sollte, um dem Tempel die Anbetung früherer Tage wieder zu geben, verwünschte dann das leichtsinnige Zögern des Senators, oder jubelte über die Verrätherei, durch welche, wie er wahnsinnig glaubte, endlich sein Ehrgeiz befriedigt werden sollte, fortwährend aber, was auch seine Worte oder Gedanken sein mochten, zu demselben Gipfel von wüthendem, fanatischem Enthusiasmus aufgeregt, der ihn zur Vertheidigung seiner Götterbilder in Alexandria gestärkt und gegen jahrelange Qualen und Mühseligkeiten während seiner Sklaverei in den spanischen Kupferminen gestählt hatte.

Die kostbaren Augenblicke eilten unwiderbringlich vorwärts. Seine Ungeduld verwandelte sich schnell in Wuth und Verzweiflung und er strengte seine Augen zum letzten Male an, um nach den Palastgärten zu schauen, wo er endlich in der Ferne unter den Bäumen ein weißes Gewand erblickte.

Vetranio kam eiligen Schrittes auf ihn zu.

Durch sein Bad neugestärkt, war in dem Gehirn des Senators von dem nächtlichen Feste außer seiner Aufheiterung keine Spur mehr zurückgeblieben. Wenn nicht eine kleine Unsicherheit in seinem Gange und eine ungewöhnliche Bedeutungslosigkeit in seinem Lächeln erschienen wäre, so hätte der galante Gastronom jetzt dem aufmerksamsten Beobachter von dem Einflusse berauschender Getränke gänzlich frei vorkommen können. Er schritt, in strahlendem Triumph zur Eroberung bereit, auf die Stelle zu, wo ihn Ulpius erwartete, und wollte eben den Heiden mit der satyrischen Vertraulichkeit anreden, die bei den römischen Edelleuten in ihrem Verkehr mit dem Volke so an der Tagesordnung war, als ihn der Gegenstand seiner beabsichtigten Scherzreden streng unterbrach und eher in Tönen des Befehles, als des Rathes sagte:

»Schweig! wenn Du willst, daß Dir Deine Absicht gelingen soll, so folge mir, ohne ein Wort zu sprechen.«

In der Stimme des Greises, so leise, zitternd und heiser sie auch war, lag beim Aussprechen dieser Worte etwas so Strenges und Entschlossenes, daß der kühne, zuversichtliche Senator instinktmäßig schwieg, als er seinen strengen Führer in Numerian’s Haus folgte.

Ulpius vermied den regelmäßigen Eingang, welcher zu dieser frühen Morgenstunde nothwendiger Weise geschlossen war und führte den Patrizier durch ein kleines Pförtchen in das unterirdische Gemach oder vielmehr Nebengebäude, welches in seinen Musestunden sein gewöhnlicher, wiewohl unbehaglicher Zufluchtsort war, und welches die übrigen Mitglieder der Haushaltung des Christen fast nie betraten.

Von der niedrigen, gewölbten Ziegeldecke dieses Raumes hing eine irdene Lampe herab, deren kleines, zitterndes Licht die Ecken desselben in völliger Dunkelheit ließen. Die dicken von der Mauer einwärts gehenden Strebepfeiler zeigten, durch ihr Hervorragen sichtbar geworden, auf ihrer Oberfläche rohe Darstellungen von Götzen und Tempeln, die mit Kreide gezeichnet und mit seltsamen, geheimnißvollen Hieroglyphen bedeckt waren. Auf einem zum Tische dienenden Steinblocke lagen einige Bruchstücke von Statuetten, die Vetranio als früher zu den alten Darstellungen heidnischer Götter gehörig erkannte.

Auf den Seiten des Tisches selbst standen in lateinischen Schriftzügen die beiden Worte: »Serapis« »Macrinus« und an ihrem Fuße lagen einige beschmutzte, zerrissene Leinwandstücke, deren Gestalt, Größe und Farbe immer noch genug von ihrer frühem Eigenthümlichkeit bewahrte, um Vetranio zu überzeugen, daß sie einst ein heidnisches Priestergewand gewesen waren. Weiter als dies gingen die Beobachtungen des Senators nicht, denn die schwüle, fast mephytische Atmosphäre des Ortes begann ihn bereits unangenehm zu berühren. Er fühlte eine erstickende Empfindung in seiner Kehle, und einen Schwindel in seinem Kopfe, der erquickende Einfluß seines vor Kurzem genommenen Bades verflog schnell. Die Dünste des Weines, welchen er über Nacht getrunken hatte, waren keineswegs, wie er sich vorgestellt vollständig zerstreut und stiegen ihm wieder zu Kopfe. Er mußte sich an den steinernen Tisch lehnen, um sein Gleichgewicht zu bewahren und forderte schwach den Heiden aus, sein Verweilen an diesem erbärmlichen Orte abzukürzen.

Ohne von dem Verlangen des Senators auch nur Notiz zu nehmen, vermischte Ulpius schnell die Zeichnungen auf den Strebepfeilern und die Inschriften auf den Tischen. Hierauf sammelte er die Statuenbruchstücke und Leinwandfetzen und legte sie in einen Versteck im Winkel des Kellergemachs nieder. Sobald dies geschehen war, kehrte er zu dem Steine zurück, an welchen sich Vetranio noch immer stützte, und betrachtete den Senator einige Minuten lang schweigend mit festem, ernstem, durchdringendem Blicke.