XII
Was Eduard empfand, als er eine Viertelstunde später an dem Lager des kranken Mädchens niederkniete, ist schwer zu sagen. Die ruheatmende Dämmerung des Schlafgemachs legte sich besänftigend auf sein Herz, das in alles zu fügen sich vorgenommen, das des Kampfes müde geworden. Auch jetzt erweckte die schöne blasse Gestalt, die in den weißen Polstern so schmachtend ruhte, wie ein Schwan im Schaume der Flut, wohl kaum eine volle, kräftige Leidenschaft in seiner Brust. Aber ein unsägliches Mitleid, eine innige Dankbarkeit, neben dem Gefühl, nun doch wieder seiner Kunst huldigen zu dürfen, durchströmte den Stillnachsinnenden, wenn ihr mattes, glückseliges Lächeln ihn traf. Gott sei Dank! sein Leben war doch noch des Lebens wert, die furchtbare Aussicht, ein Verbrecher zu sein, war von ihm genommen, das übrige galt gleich. Mochte sonst kommen, was wollte. Sie hielt seine Hand auf der Bettdecke in der ihren, die sie manchmal zuckend fester umspannte und während er, nur zuweilen zu ihr aufschauend, träumerisch vor sich nieder sann, ruhte ihr stiller Blick immer vertrauungsvoll auf seinen fein geschnittenen Zügen.
»Es wird sanft dahinfließen, von nun an unser Leben,« flüsterte sie, »o mein Freund! Ich fühle, daß ich genese.«
Ist es manchmal beklagt worden, daß wir nicht in dem Busen unserer Freunde lesen können, wie in einem offenen Buche, so mag man uns eben so oft Glück wünschen, daß wir dies nicht vermögen. Welche Frage würde Isabella im Inneren ihres Freundes vernommen haben, wenn ihr dies Innere offen gelegen, wie ihr eigenes? Meine Ehe, wird sie eine glückliche sein? frug sich der Künstler schmerzlich bewegt und beantwortete sich diese Frage: sie wird wenigstens keine unglückliche sein und das ist vielleicht mehr wert. Denn: »Nicht dem Glück, der Schmerzlosigkeit geht der Weise nach.«