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2.2 Analyse von Transaktionen

Die Analyse von Transaktionen zeigt, welcher Ich-Zustand aus dem Verhalten eines anderen Menschen spricht: das Eltern-Ich, das Erwachsenen-Ich oder das Kindheits-Ich. Das gilt auch für das nonverbale Verhalten.

Drei Arten von Transaktionen

Zugleich erkennen wir, um was für eine Art von Transaktion es sich handelt: um eine Komplementär-, eine Überkreuz- oder eine verdeckte Transaktion. Diese Aufschlüsse geben transaktionsanalytisch geschulten Gesprächspartnern die Möglichkeit der Verhaltenssteuerung.

Komplementäre Transaktionen

Komplementäre Transaktionen laufen parallel, wenn die Reaktion des Angesprochenen aus dem erwarteten Ich-Zustand kommt.

Komplementäre Transaktion im Erwachsenen-Ich


Beispiel:

A: „Wie hoch ist das Jahresgehalt?“

B: „Es liegt bei etwa 50.000 Euro.“

In dem Beispiel der Abbildung zielt A mit seiner Frage auf das Erwachsenen-Ich seines Gesprächspartners. Dieser antwortet gemäß der Erwartung. Komplementäre Transaktionen gibt es natürlich auch auf der Ebene des Eltern-Ichs und des Kindheits-Ichs. Beispielsweise sagt A im letzteren Falle: „Das erzähle ich dem Chef“, worauf B antwortet: „Na und, tun Sie es doch!“

Auch zwischen unterschiedlichen Ich-Zuständen können komplementäre Transaktionen verlaufen.

Komplementäre Transaktion zwischen Kindheits-Ich und Eltern-Ich


Beispiel:

A: „Helfen Sie mir bitte, ich schaffe es einfach nicht.“

B: „Keine Sorge, ich werde Ihnen unter die Arme greifen!“

Überkreuz-Transaktionen

Wenn ein anderer als der angesprochene Ich-Zustand aktiv wird, kommt es zu Überkreuz-Transaktionen.Auf einen Reiz folgt eine unerwartete Reaktion. Die Transaktionslinien kreuzen sich.

Überkreuz-Transaktion Beispiel 1


Beispiel:

A: „Wie spät ist es?“

B: „Sie kommen noch früh genug nach Hause.“

Überkreuz-Transaktionen können schnell zu Konflikten führen, wie die Beispiele zeigen.

Überkreuz-Transaktion Beispiel 2


Beispiel:

A: „Machen Sie sofort diesen Bericht fertig.“

B: „Sie haben mir gar nichts zu sagen, wer sind Sie denn überhaupt?“

Verdeckte Transaktion

Verdeckte Transaktionen sind die kompliziertesten. Von den beiden anderen Transaktionsformen unterscheiden sie sich dadurch, dass mehr als zwei Ich-Zustände beteiligt sind.


Ansprache zweier Ich-Zustände

Sagt beispielsweise ein Autoverkäufer zu einem Interessenten: „Das hier ist unser bestes Auto, aber vielleicht ist es Ihnen zu schnell“, dann wendet er sich zugleich an das Erwachsenen-Ich als auch an das Kindheits-Ich. Wenn das Erwachsenen-Ich die Transaktion übernimmt, dann antwortet der Kunde: „Ja, Sie haben Recht. Bei meinem Beruf brauche ich nicht unbedingt ein schnelles Auto“. Wenn dagegen das Kindheits-Ich reagiert, sagt er vielleicht: „Ich nehme den Wagen. Klasse! Er ist genau das, was ich wollte“.

Eine Art verdeckter Transaktion liegt auch bei folgendem Dialog zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem vor. Der Mitarbeiter sagt: „Mensch, gestern habe ich mal richtig einen draufgemacht und mich voll laufen lassen. Einen dicken Kopf habe ich heute!“ Indirekt will er damit zum Ausdruck bringen: „Hoffentlich verzeihst du mir, dass ich heute langsamer arbeite“.

Antwort mit Ansprache zweier Ich-Zustände

Der Vorgesetzte entgegnet: „So etwas ist doch normal und kann mal vorkommen. Übrigens, das von Ihnen gewünschte Gespräch kann ich aus Termingründen erst in der nächsten Woche führen“. Indirekt sagt er damit: „Alter Schlamper! Hier hast du deine Strafe.“

2.3 Die vier menschlichen Grundeinstellungen

Vier Grundhaltungen

Die Transaktionsanalyse geht – bewusst vereinfacht ausgedrückt – von folgenden vier menschlichen Grundeinstellungen aus:

1. Ich bin nicht o. k. – Du bist o. k.

2. Ich bin nicht o. k. – Du bist nicht o. k.

3. Ich bin o. k. – Du bist nicht o. k.

4. Ich bin o. k. – Du bist o. k.

Die Grundhaltung, wie ein Mensch sich selbst und andere sieht, bildet sich meist schon in den ersten drei Lebensjahren heraus. Auf einer dieser Grundanschauungen verharrt der Mensch für den Rest seines Lebens. Jeder wechselt zwar zeitweilig zwischen den Anschauungen. Aber die Grundeinstellung beeinflusst etwa 60 bis 70 Prozent unseres Verhaltens.

Ich bin nicht o. k. – Du bist o. k.

Ich bin nicht o. k. – Du bist o. k. ist die verbreitetste Lebensanschauung. Sie ergibt sich dadurch, dass der junge Mensch all die entmutigenden Sachen, die er über sich hört, als Wahrheit aufnimmt („Du bist schlampig“, „Du bist dumm“ etc.) und sie so verinnerlicht, dass er sich selber so sieht. Verstärkt wird dieser Effekt durch die vielen „Neins“ und einige „Das darfst du nicht“, die er zu hören bekommt, sowie den sich selbst zugefügten Schmerz, wenn er über Dinge stolpert, hinfällt und sich gar verletzt. Solange diese Lebensanschauung wirkt, hat der Mensch das Bedürfnis nach o.k.-Gefühlen. Dem Erwachsenen-Ich stellt sich daher die Frage: „Was muss ich tun, um die Anerkennung der o. k.-Person zu gewinnen?“


Ich bin nicht o. k. – Du bist nicht o. k.

Ich bin nicht o.k. – Du bist nicht o.k. ist die Grundeinstellung von Menschen, die das Interesse am Leben verloren haben. Diese Anschauung kann im Extremfall zum Selbstmord führen, denn mit ihr ist das Leben kaum noch lebenswert.


Ich bin o. k. – Du bist nicht o. k.

Ich bin o.k. - Du bist nicht o.k. ist die Anschauung von Menschen, die sich gequält oder verfolgt fühlen. Schuld haben immer „die anderen“. Es sind überhaupt „immer die anderen“. Ein Vorgesetzter mit dieser Haltung umgibt sich häufig vorzugsweise mit Ja-Sagern, die ihn unermütlich loben und „streicheln“.


Ich bin o. k. – Du bist o. k.

Ich bin o.k. – Du bist o.k. bringt eine gesunde Einstellung zum Ausdruck. In sie werden wir nicht hineingedrängt; wir entscheiden uns bewusst dafür. Man muss sie sich sogar aneignen, indem man das Kindheitsdilemma aufdeckt, das den ersten drei Lebensanschauungen zugrunde liegt. Die ersten drei o. k.-Zustände beruhen auf Gefühlen. Der Zustand Ich bin o. k. – Du bist o. k. beruht dagegen auf Denken, Glauben und Einsatzbereitschaft.


Ein Ziel der Transaktionsanalyse ist es, die Einstellung „Ich bin o. k. – Du bist o.k.“ zu erreichen.

2.4 Die Spielanalyse

Die Spielanalyse ist ein so bedeutendes Phänomen der Transaktionsanalyse, dass Eric Berne ihr ein ganzes Buch gewidmet hat („Spiele der Erwachsenen“). Der Begriff „Spiel“ meint kein Gesellschafts-, Karten- oder Brettspiel, sondern ein sozialpsychologisches Phänomen. Berne definiert den Ausdruck so:

Definition „Spiel“

„Ein Spiel besteht aus einer fortlaufenden Folge verdeckter Komplementär-Transaktionen, die zu einem ganz bestimmten, voraussagbaren Ergebnis führen. Es lässt sich auch beschreiben als eine periodisch wiederkehrende Folge sich häufig wiederholender Transaktionen, äußerlich scheinbar plausibel, dabei von verborgenen Motiven beherrscht; umgangssprachlich kann man es auch als eine Folge von Einzelaktionen bezeichnen, die mit einer Falle bzw. einem Trick verbunden sind.“

Drei Voraussetzungen

Drei spezifische Elemente müssen vorhanden sein, damit Transaktionen als Spiele bezeichnet werden können:

1. Eine fortlaufende Folge von Komplementär-Transaktionen, die gesellschaftlich plausibel sind,

2. eine verdeckte Transaktion (die eigentliche Mitteilung des Spiels) und

3. ein voraussehbarer Nutzeffekt (der eigentliche Zweck des Spiels).

Spiel-Grundtypen

Die Transaktionsanalyse unterscheidet drei Grundtypen von Spielen:

1. Verfolger-Spiele, die von der Grundeinstellung „Du bist nicht o.k.“ ausgehen,

2. Opfer-Spiele von der Grundhaltung „Ich bin nicht o. k.“ ausgehend und

3. Retter-Spiele, ebenfalls auf der Lebensanschauung „Du bist nicht o. k.“ basierend.

Derartige Spiele sind hinderlich

Solche Spiele verhindern aufrichtige, vertraute und offene Beziehungen zwischen den beteiligten Spielern. Sie werden gespielt, um sich die Zeit zu vertreiben, Aufmerksamkeit hervorzurufen, einmal gefasste Meinungen über sich und andere zu verstärken oder um ein Gefühl für das Schicksalhafte zu befriedigen.

 

Verfolger-Spiel

Im Berufsleben wird das Verfolger-Spiel bevorzugt. Ein solches Spiel beginnt damit, dass man jemanden zufällig bei einem Fehler bzw.Verstoß ertappt oder dass man Fehler bzw. Verstöße anderer – ausgehend von der Grundeinstellung „Du bist nicht o. k.“ – sucht, sie dem Gesprächspartner vorhält und sinngemäß „Jetzt habe ich dich, du Schweinehund!“ sagen kann. Danach fühlt man sich besser und der andere schlechter.

Insbesondere Vorgesetzte spielen Verfolger-Spiele, und zwar auf Kosten ihrer Mitarbeiter.

Beispiel

Beispiel: Ein Vorgesetzter spielt ein Verfolger-Spiel

Chef: „Haben Sie den Bericht getippt?“ (Dabei denkt er: „Warte, dich werde ich kriegen!“)

Sekretärin: „Ich war den ganzen Tag mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt.“

Chef: „Das ist keine Entschuldigung.Wenn Sie sich nicht bessern, hat das Konsequenzen!“

Bei diesem Vorfall geht es weniger um die Sache als solche, sondern darum, der Sekretärin eins auszuwischen. Sie wird gemaßregelt, indem der Chef an ihr seinen Ärger ablässt. Damit ist das Spiel schon beendet.

Suche nach einem weiteren Opfer

Ist die Sekretärin nicht in der Lage, Widerstand zu leisten, wird sie sich gegebenenfalls ihrerseits ein Opfer suchen, um den bei ihr aufgestauten Ärger loszuwerden.

Opfer-Spiel

Häufig wird auch das Opfer-Spiel „Tu mir was an“ gespielt. Hier provoziert ein Spieler einen anderen, ihn schlecht zu behandeln.

Beispiel

Beispiel: Ein Mitarbeiter spielt ein Opfer-Spiel

Herr Maier: „Ich möchte gerne wissen, warum mir immer alles misslingt.“

Herr Müller (in Gedanken bei seiner Arbeit): „Das sollten Sie eigentlich wissen. Der Grund liegt bei Ihnen.“

Herr Maier (klagend): „Aber ich gebe mir doch solche Mühe, es gut zu machen.“

Herr Müller (erregt): „Mensch, Ihre Probleme möchte ich haben; sehen Sie nicht, dass ich beschäftigt bin.“

Herr Maier verlässt schweigend den Raum. Er hat die Bestätigung, dass er – wie immer – unerwünscht ist. Seine Grundeinstellung „Ich bin nicht o. k.“ wurde durch Herrn Müllers Reaktion bestätigt.

Retter-Spiel

Beim Retter-Spiel „Ich versuche, dir zu helfen“ geht es um das Einlösen eines verdeckten Motivs, das für den Ausgang des Spiels wichtiger als das „Retten“ selbst ist. Dieses Motiv basiert auf der Annahme, die Menschen seien undankbar und im Großen und Ganzen enttäuschend. Der Hauptdarsteller braucht eine Bestätigung dafür, dass die Hilfe, wie nachdrücklich sie auch immer erbeten wird, letztlich doch nicht akzeptiert wird.

Weitere Spiele

Man kann Spiele im Sinne der Transaktionsanalyse auch unter dem Gesichtspunkt der Lebensanschauungen einteilen. Danach unterscheiden wir

■ „Ich bin o. k. – Du bist nicht o. k“-Spiele

■ „Ich bin nicht o. k. – Du bist o. k.“-Spiele.

Die Anschauung „Ich bin o.k. – Du bist o.k.“ ist gewöhnlich frei von Spielen. Spiele der Anschauung „Ich bin nicht o.k. – Du bist nicht o.k.“ sind pathologische Sonderfälle. Sie sind typisch für Leute, die mit der realen Welt zurechtkommen.

„Ich bin o. k. – Du bist nicht o. k.“ -Spiel

„Ich bin o. k. – Du bist nicht o. k.“-Spiele drehen sich meist um Gefühle wie Ärger, Verachtung, Überheblichkeit oder Ekel, wobei derjenige, der diese Gefühle empfindet, sie auf andere überträgt. Diese Spiele werden meist von einem starken Eltern-Ich oder einem schlecht gelaunten Kindheits-Ich gespielt. Sie zeigen sich in täglich vorkommenden Verhaltensweisen beispielsweise, wenn man jemanden kritisiert, die Schuld auf ihn schiebt oder ihn demütigt.

Wurzeln in der Kindheit

Spiele, die die Anschauung „Ich bin o.k. – Du bist nicht o.k.“ verstärken, entstehen aus dem im Kindesalter gespielten Spiel „Meins ist besser als deins“, bei dem es darum geht, auf eine versteckte Art zu sagen: „Ich bin besser als du“ oder eben „Ich bin o. k. – Du bist nicht o. k.“.

Schnelle Erleichterung

Es gibt keine andere Methode, um sich schnell auf Kosten einer anderen Person gut zu fühlen. Bei allen Spielen nach dem Motto „Ich bin o.k. – Du bist nicht o.k.“ wird eine andere Person als Quelle benutzt und als Zielscheibe aller Probleme angesehen. Auf diese Weise braucht der Spieler nicht über den eigenen Beitrag zur Lösung seiner Schwierigkeiten nachdenken und muss nie selbst den ersten Schritt zu einem positiven Wandel tun.

„Ich bin nicht o. k. – Du bist o. k.“-Spiel

„Ich bin nicht o.k. – Du bist o.k.“-Spiele werden gewöhnlich von einem nachgiebigen (nicht trotzigen) Nicht-o.k.-Kindheits-Ich gespielt und verstärken die Nicht-o. k.-Einstellung.

Das Opfer-Spiel „Tu mir was an“ ist hierfür ein Beispiel: Übergibt man einem guten Spieler ein neues Projekt, dann denkt er sich sofort alle möglichen Gründe aus, warum er es nicht übernehmen kann („Das kann ich nie“).

Ist niemand bereit, auf sein Spiel einzugehen, nimmt er das Projekt vielleicht in Angriff. Versagt er wirklich, schließt sich der Kreis seiner unguten Gefühle. Er sucht dann Trost in dem Spiel „Jetzt sehen Sie, wozu Sie mich gebracht haben.“ Ist sein Bedürfnis nach negativen Gefühlen immer noch nicht befriedigt, sucht er ein besorgtes Eltern-Ich, mit dem er „Ist es nicht schrecklich“ oder „Warum muss es immer mir passieren“ spielen kann.

„Nicht o. k.“-Spieler als Opfer

„Nicht o. k.“-Spieler betrachten sich als Opfer der Lebensumstände, des Systems oder der Einflüsse ihrer Umwelt. Sie fühlen sich benachteiligt oder als Opfer der Leute, mit denen sie leben.

Die hier genannten Spiele sind nutzlos, rauben Kraft und stören. Vermeiden Sie sie.

Auf Gefühle achten

Um aus einem Spiel herauszukommen, muss man erst einmal erkennen, dass man drinsteckt. Am leichtesten lassen sich die Spiele auf der Gefühlsebene identifizieren: durch Ärger, Selbstzufriedenheit und Niedergeschlagenheit. Es ist daher oft ganz nützlich, den oberflächlichen Anschein der Ereignisse einmal außer Acht zu lassen und sich stattdessen auf die daran beteiligten Gefühle zu konzentrieren.

So vermeiden Sie störende Spiele

Darum:

■ Prüfen Sie Ihre Gefühle im Umgang mit anderen Menschen.

■ Machen Sie sich klar, dass Sie an einem Spiel beteiligt sind.

■ Aktivieren Sie Ihr Erwachsenen-Ich.

■ Reden Sie mit Ihrem Gesprächspartner über das Spiel.

■ Vermeiden Sie, eine Spielerrolle als Opfer, Verfolger oder Retter zu übernehmen.

Literatur

Berne, Eric: Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen. Reinbek: Rowohlt 2002.

Berne, Eric: Was sagen Sie, nachdem Sie „Guten Tag“ gesagt haben? Psychologie des menschlichen Verhaltens. Frankfurt/Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag 1994.

English, Fanita: Transaktionsanalyse. Gefühle und Ersatzgefühle in Beziehungen. 4. Aufl. Salzhausen: iskopress 1994.

3. Das Modell von Friedemann Schulz von Thun

Internationale Verbreitung

Das Kommunikationsmodell nach Friedemann Schulz von Thun (geboren 1944) ist eine „deutsche“ Entwicklung und erfreut sich international großer Beliebtheit. Es ist Thema zahlreicher Seminare und Workshops in Studium und Ausbildung, vor allem aber in der betrieblichen Weiterbildung.

Schulz von Thun befasst sich als Professor der Universität Hamburg mit dem Schwerpunkt „Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation“. Aus der Auseinandersetzung mit individualpsychologischen, humanistischen und systemischen Schulrichtungen und aus den praktischen Kurserfahrungen mit Lehrern und Führungskräften entstand in den 1970er Jahren das grundlegende Kommunikationsmodell mit den vier Arten von Botschaften.

Kommunikation erklären und verbessern

Er entwickelte dieses Modell, um Kommunikationsprozesse zu erklären und zu verbessern. Besonders Personen, die auf andere durch Kommunikation aktiv einwirken – wie beispielsweise Führungskräfte –, können von diesem Modell profitieren.

3.1 Die vier Seiten einer Nachricht

Zwischen Menschen kommt es immer wieder zu Konflikten – sei es im Arbeitsleben oder privat. Es wird aneinander vorbeigeredet, Diskussionen führen zu Missverständnissen oder enden ergebnislos.

Das Vier-Seiten-Modell

Schulz von Thuns Untersuchungen zu den Ursachen kommunikativer Konflikte mündeten in seinem Entwurf des Vier-Seiten-Modells der Kommunikation. Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass jede Nachricht aus vier Botschaftsarten besteht, die vom Sender – bewusst oder unbewusst – ausgesendet werden.

Jede Nachricht besteht aus vier Arten von Botschaften:

1. Sachbotschaft

2. Selbstoffenbarungsbotschaft

3. Beziehungsbotschaft

4. Appell

Ziel des Modells

Ziel dieses Vier-Seiten-Modells ist es,

■ psychologisch bedeutsame Vorgänge eines Gespräches aufzuzeigen,

■ gefährliche „Gesprächsklippen“ zu veranschaulichen,

■ förderliche Gesprächshaltungen anzubieten und

■ wichtige Gesprächstechniken in ihrem Zusammenspiel einsichtig zu machen.

Sachinhalt

Zunächst enthält jede Nachricht eine Sachinformation. Ein Sachverhalt wird dargestellt, indem beispielsweise Fakten benannt werden oder ein Problem angesprochen wird. Dabei vermittelt der Sender etwas über das Aussehen oder den Zustand einer Sache aus seiner Sicht.

Klar formulieren

Damit Ihre Sachbotschaft gemäß Ihrer Absichten ankommt, sollten Sie die Aussage einfach aufbauen. Versuchen Sie, verschachtelte Sätze zu vermeiden, und drücken Sie sich klar und verständlich aus.

Das „Innere“ des Senders

Selbstoffenbarung

In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über eine Sache, sondern auch Hinweise zur Person des Senders. Es geht dabei um das, was in seinem Inneren vorgeht.

Hierbei spielt es eine Rolle, inwieweit der Sender sich in seiner Botschaft „selbst offenbart“, das heißt, wie viel er von sich, beispielsweise von seinen Gefühlen, preisgibt.

Beispiel

Beispiel: Selbstoffenbarungsbotschaft

Ein Vorgesetzter bittet einen jungen Mitarbeiter darum, ihn bei einem Kundenbesuch zu begleiten.

Antwortmöglichkeit 1 des Mitarbeiters: „Einen Kundenbesuch? Ich habe so viel Arbeit auf meinem Schreibtisch liegen. Dass schaffe ich zeitlich nicht.“

Antwortmöglichkeit 2 des Mitarbeiters: „Einen Kundenbesuch? Ich habe noch nie einen Kunden besucht. Ich weiß gar nicht, wie ich mich da verhalten soll, denn ich bin Techniker und kein Verkäufer.“

Unsicherheit anvertrauen

Bei der zweiten Antwortmöglichkeit vertraut der junge Mitarbeiter seine Unsicherheit bzw. Bedenken seinem Vorgesetzten an, das heißt, er geht aus sich heraus und spricht offen über seine Unsicherheit.

Unsicherheit verschweigen

Bei der ersten Antwortmöglichkeit könnte man vermuten, dass es dem jungen Mitarbeiter unangenehm ist, seine Unsicherheit gegenüber dem Vorgesetzten zuzugeben. Er verschweigt seine Schwierigkeiten, denn seine Aussage könnte von seinem Vorgesetzten unter dem Gesichtspunkt „Was sagt mir das über dich?“ gedeutet werden. Aus diesem Grund gibt der Mitarbeiter seine Unsicherheit nicht selbstoffenbarend zu, sondern versucht, sie zu verdecken.

Verdeckungstechniken

Mögliche Verdeckungstechniken der Selbstoffenbarung sind Imponier-, Fassaden- und Verkleinerungstechnik.

Imponiertechnik

Bei der Imponiertechnik versucht der Sprecher, sich möglichst von seiner besten Seite zu zeigen. Er spielt sich auf oder beweihräuchert sich selbst, um die eigene Hochwertigkeit und Kompetenz herauszustreichen.

Fassadentechnik

Unter den Begriff Fassadentechnik fallen jene Verhaltensweisen, die darauf abzielen, negativ empfundene Anteile der eigenen Person zu verbergen. Beispielsweise versuchen manche, Ruhe auszustrahlen, obwohl sie Angst haben, sich angegriffen oder gekränkt fühlen.

Verkleinerungstechnik

Bei der Verkleinerungstechnik untertreibt der Sender seine Bedeutung, um den Empfänger zu ermutigen, diese Untertreibungen in positiver Weise zu korrigieren („Fishing for compliments“).

 

Beziehungsinhalt

Am Beziehungsanteil einer Nachricht wird deutlich, wie der Sender sein Verhältnis zum Empfänger einschätzt. Die in einer Botschaft enthaltenen Beziehungsaspekte spiegeln sich oft auch in der Art der Formulierung oder im Tonfall wider. Es wird erkennbar, ob der Gesprächspartner den Empfänger als gleichberechtigten Partner betrachtet oder ihn vielleicht als ihm unter- oder übergeordnet einstuft.

Beispiel

Beispiel: Beziehungsbotschaft

Es findet eine wichtige Verhandlung zwischen einem Geschäftsführer, seinem Vertriebsleiter sowie einem potenziellen Neukunden statt. Der Geschäftsführer eröffnet das Gespräch.

Aussage 1: „Meine Herren, ich habe Ihnen ein interessantes Angebot mitgebracht. Unser Vertriebsleiter wird es Ihnen kurz präsentieren. Fragen beantworte ich dann anschließend selbstverständlich selbst."

Aussage 2: „Meine Herren, wir haben Ihnen ein interessantes Angebot mitgebracht. Mein Vertriebsleiter wird es Ihnen präsentieren. Er steht Ihnen anschließend für alle Fragen gern zur Verfügung.“

Beziehungsanteile berühren das Selbstwertgefühl

Die zweite Aussage zeugt von Respekt und macht im Vergleich zur ersten die Wertschätzung des Geschäftsführers für seinen Vertriebsleiter deutlich. Beziehungsbotschaften werden auf der Gefühlsebene wahrgenommen und berühren das Selbstwertgefühl. Die Geringschätzung und Bevormundung bei der ersten Aussage kann daher zu Konflikten führen.

Die Kombination der beiden Merkmale „Wertschätzung“ und „Bevormundung“ ergibt das Verhaltenskreuz. Die möglichen Verhaltensweisen des Senders bzw. Vorgesetzten lassen sich in vier Quadranten dieses Verhaltenskreuzes eintragen:

Verhaltenskreuz


Die vier Quadranten

■ Quadrant 1 stellt eine Führungskraft dar, die in ihrer Art zu kommunizieren dem anderen Wertschätzung entgegenbringt, sich gleichzeitig aber lenkend, bevormundend und kontrollierend verhält.

■ Quadrant 2 zeigt jemanden, der seinen Mitarbeiter als vollwertigen Partner behandelt, ohne ihn zu bevormunden und durch dauernde Vorschriften einzuengen.

■ Quadrant 3 ist ein Vorgesetzter, der den anderen missachtet und seine Abneigung ausdrückt, jedoch kaum lenkt, kontrolliert und bevormundet. In diesem „Laisser-faire“ drückt sich ein „Mach, was du willst“ aus.

■ Quadrant 4 verkörpert einen Chef, der stark dominiert, sich einengend verhält und den Mitarbeiter geringschätzig behandelt.

Diese Ausführungen veranschaulichen das Problem des Vorgesetzten, seine Aussage auf der Beziehungsebene so zu formulieren, dass sie das gewünschte Ergebnis bringt, ohne bevormundend oder geringschätzig zu klingen. Das Verhalten von Führungskräften des zweiten Quadranten wird dem gerecht.

Ergänzende Informationen zum Beziehungsaspekt einer Nachricht finden Sie im Kapitel A1.2 dieses Buches.

Appell

Der vierte Bestandteil einer Nachricht ist der Appell. Mit ihm möchte der Sender beim Empfänger eine gewünschte Wirkung erzielen, das heißt, er versucht, den Empfänger zu beeinflussen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu fühlen oder zu denken.

Beispiel

Beispiel: Appell

Ein Mitarbeiter soll dafür gewonnen werden, an einem Samstag anlässlich einer Sonderschicht zu arbeiten.

Möglichkeit 1: „Sie kommen am Samstag. Der Betriebsrat hat dieser Sonderschicht zugestimmt. Bitte seien Sie pünktlich.“

Möglichkeit 2: „Ihre Mithilfe am Samstag ist wichtig.Wir müssen alle mit anpacken, um diesen Kunden zu befriedigen. Ich kann doch mit Ihnen rechnen?“

Der zweite Appell wird beim Mitarbeiter eher auf Verständnis stoßen als der erste.

Einflussnahme: offen und versteckt

Die Einflussnahme kann beim Appell offen oder versteckt erfolgen. Offenkundig sind explizite Appelle, wie beispielsweise Befehle, Anleitungen, Ge- oder Verbote. Die versteckte Einflussnahme ähnelt eher der Manipulation. Ein Beispiel dafür ist zweckdienliches Weinen. Versteckte Appelle sind einseitig und tendenziös. Sie zielen beim Empfänger auf eine bestimmte Wirkung, zum Beispiel auf Hilfsbereitschaft oder auf Mitleidsgefühle.

Nicht nur Appelle, sondern auch Botschaften auf der Beziehungsseite können von dem Ziel bestimmt sein, den anderen „bei Laune zu halten“ – etwa durch unterwürfiges Verhalten oder durch Komplimente.

Wenn Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsbotschaften zweckbestimmt bzw. appellorientiert kommuniziert werden, dann sind sie letztendlich nur ein unpersönliches Mittel zur Zielerreichung.