Quentin Durward

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Als wir uns den Fenstern näherten, (denn ich bezeigte einige Neugierde, diesen Aufenthalt des Schreckens zu betrachten,) so erhob sich aus dem unterirdischen Abgrund ein gellendes Gelächter, welches, wie wir bald entdeckten, von einer Gruppe spielender Kinder herrührte, welche die vernachlässigten Gewölbe zum Schauplatz eines fröhlichen Spiels, Colin-Maillard, gemacht hatten.

Der Marquis war etwas verstimmt, und nahm seine Zuflucht zu seiner Tabatière; doch, im Augenblick sich fassend, bemerkte er, dies wären Madelons Kinder, die schon vertraut mit den Schrecken der unterirdischen Höhle geworden. »Ueberdies,« fügte er hinzu, »sind diese armen Kinder nach der Periode der vermeinlichen Aufklärung geboren, die unsern Aberglauben mit unserer Religion auf einmal verjagte; dies nöthigt mich, Sie zu erinnern, daß heute ein jour maigre ist. Der Pfarrer des Kirchspiels ist außer Ihnen mein einziger Gast, und ich möchte nicht freiwillig seine Meinungen beleidigen. Ueberdies,« fuhr er männlicher und seine Zurückhaltung von sich schüttelnd, fort, »haben mich Widerwärtigkeiten andere Gedanken über diese Dinge gelehrt, als sie mich das Glück lehrte; und ich danke Gott, daß ich mich nicht schäme, zu gestehen, daß ich die Gebräuche meiner Kirche befolge.«

Ich erwiderte schnell, daß, obwohl sie sich von denen meiner eigenen unterscheiden dürften, ich doch jede mögliche Achtung für die Vorschriften jeder christlichen Gemeinde hege, in dem Gedanken, daß wir uns Alle doch an denselben Gott, nach demselben großen Grundsatze der Erlösung, wenn auch unter verschiedenen Formen, wendeten; und hätte es dem Allmächtigen nicht gefallen, diese Verschiedenheit der Verehrung zu gestatten, so würden uns unsre Gebräuche eben so bestimmt vorgeschrieben worden sein, wie sie im mosaischen Gesetz niedergelegt sind.

Der Marquis war kein Händeschüttler, aber bei dieser Gelegenheit ergriff er die meine und schüttelte sie freundlich – die einzige Art, seine Beipflichtung meiner Meinung auszudrücken, die ein eifriger Katholik bei solcher Gelegenheit sich vielleicht erlauben konnte oder durfte.

Dieser Umstand der Erklärung und Bemerkung, nebst noch andern, welche der Anblick der weiten Ruinen erregte, beschäftigte uns, während wir zwei- oder dreimal auf der langen Terrasse hin- und hergingen, und etwa eine Viertelstunde in dem gewölbten und steinernen Pavillon weilten, der mit dem Wappen des Marquis geziert war, und dessen Dach, obwohl hier und da an seiner Wölbung schadhaft, doch noch fest und dauerhaft war. »Hier,« sagte er, indem er wieder den Ton eines frühern Theils seiner Unterhaltung aufnahm, »hier sitz' ich gern, sowohl des Mittags, wenn ich Schutz vor der Hitze will, als auch des Abends, wenn die Sonnenstrahlen auf der breiten Fläche der Loire verschwimmen – hier raste ich gern, nach den Worten Ihres großen Dichters, mit dem ich, obwohl Franzose, vielleicht vertrauter bekannt bin, als die meisten Engländer, hier raste ich gern,

Showing the code of sweet and bitter fancy.«

Gegen diese abweichende Leseart einer wohlbekannten Stelle Shakespeare's hütete ich mich zu protestiren; denn ich vermuthete, Shakespeare würde in der Meinung eines so feinen Beurtheilers, wie der Marquis, wenig gewonnen haben, wenn ich gezeigt hätte, daß er nach allen Autoritäten geschrieben habe, » chewing the cud« (»die Hülse käuend«, statt des obigen, »das Buch aufschlagend süßen und bittern Träumens«). Ueberdieß hatte ich genug an unserm frühern Streite gehabt, da ich längst überzeugt bin, (aber erst zehn Jahre, nachdem ich die Edinburgher Universität verlassen hatte,) daß das Höchste der Unterhaltung nicht darauf beruht, unsre eigne bessere Kenntniß in unbedeutenden Dingen zu zeigen, sondern darauf, daß wir das Unsere erweitern, verbessern und berichtigen durch die Autorität der Andern. Ich ließ daher den Marquis nach Belieben sein »Buch aufschlagen«, und ward dadurch belohnt, daß er sich in eine gelehrte und gründliche Untersuchung über den prächtigen Styl der Architektur einließ, der während des siebzehnten Jahrhunderts in Frankreich eingeführt wurde. Mit vielem Geschmack deutete er die Vorzüge und Mängel desselben an; und als er auf Punkte kam, denen ähnlich, über die ich mich früher verbreitete, berief er sich zu ihren Gunsten auf etwas ganz Verschiedenes, welches freilich durch den Gedanken ganz damit zusammenhing. »Wer,« sagte er, »würde gern die Terrassen von Sully's Schloß zerstören, da wir sie nicht betreten können, ohne daß uns das Bild dieses Staatsmanns vor die Seele tritt, der gleich ausgezeichnet war durch strenge Rechtlichkeit, wie durch unfehlbaren Scharfblick des Geistes? Wären sie um einen Zoll schmäler, oder um eines Tones Gewicht weniger massiv, oder wären sie nur im geringsten in ihrer Form verändert, könnten sie uns dann noch die Scene seiner patriotischen Betrachtungen sein? Würde ein ganz ordinäres Lusthaus ein passender Ort für den Herzog sein, wie er in seinem Lehnstuhle sitzt, und seine Gemahlin auf einem Tabouret – von dort aus Lehren des Muthes und der Treue ihren Söhnen, der Bescheidenheit und Demuth ihren Töchtern, und beiden der strengsten Sittlichkeit ertheilend, – während der Kreis des jungen Adels aufmerksam zuhörte, die Augen fest an den Boden geheftet, stehend, weder antwortend noch sich setzend, ohne den ausdrücklichen Befehl ihres Fürsten und Obern? – Nein, mein Herr,« sagte er mit Begeisterung; »zerstören Sie den Pavillon, worin diese erbauliche Familienscene vorging, und Sie nehmen dem Betrachtenden die Wahrscheinlichkeit, die Glaubwürdigkeit der ganzen Vorstellung. Oder können Sie sich diesen ausgezeichneten Pair und Patrioten in einem englischen Garten wandelnd vorstellen? Ei, eben so gut könnten Sie ihn sich in einem blauen Frack und weißer Weste denken, statt seines Henry-quatre-Kleides und seines chapeau à plumes: – bedenken Sie, wie er sich könnte bewegt haben, in dem gekrümmten Labyrinth einer ferme ornée, wie Sie sie nannten, mit seinem gewöhnlichen Gefolge von zwei Reihen Schweizergarde, die ihm voranschritten und in gleicher Anzahl folgten. Wollen Sie sich seine Gestalt vorstellen, mit seinem Barte – haut-de-chausses à canon, mit dem Ueberrocke mit zehntausend aiguillettes und Schleifen, Sie werden es nicht können, wenn Sie ihn in einen englischen Garten denken, ohne daß Ihnen dann das Bild in Ihrer Phantasie als das eines alten verrückten Mannes erschiene, den die Grille befallen hat, sich wie ein Ur-urgroßvater zu kleiden, und den eine Abtheilung Gensdarmen nach dem Hôpital de Fous führt. Aber betrachten Sie die lange und prächtige Terrasse, wenn sie noch vorhanden ist, die der redliche und exaltirte Sully gewöhnlich zweimal des Tags zum Schauplatz eines einsamen Spazierganges zu machen gewohnt war, während er die patriotischen Pläne erwog, die er zur Erhöhung von Frankreichs Ruhme nährte, oder in der spätern und sorgenvollern Zeit seines Lebens, wie er über dem Andenken an seinen ermordeten Herrn brütete, und über dem Schicksal seines zerrütteten Vaterlandes; denken Sie dazu den Hintergrund von Arkaden, Vasen, Statuen, Urnen, und was immer die Nähe eines herzoglichen Palastes andeuten kann, und die Landschaft bekommt auf einmal innern Einklang. Die factionnaires mit ihren Arkebussen, an den Enden des langen und ebenen Ganges stehend, zeigen die Gegenwart des Lehensfürsten an; noch deutlicher wird dieser indeß angezeigt durch die Ehrengarde, die ihm Vortritt und nachfolgt, die Hellebarden aufrecht haltend, die Mienen ernst und kriegerisch, als ständen sie einem Feind gegenüber, doch von demselben Geiste, wie ihr fürstlicher Gebieter, beseelt, – genau ihren Schritt nach dem seinigen messend, gehend, wenn er geht, haltend, wenn er hält, und ihren Gang auch nach den kleinsten Unregelmäßigkeiten des Stillstehens und Vorwärtsgehens, wie es seine Gedankenbewegung mit sich brachte, bequemend, und sich mit militärischer Präcision vor und hinter ihm schwenkend, der als Mittelpunkt und belebendes Princip ihrer bewaffneten Reihen erschien, wie das Herz dem menschlichen Körper Leben und Kraft gibt. Oder, wenn Sie lächeln,« fügte der Marquis hinzu, indem er zweifelnd meine Miene beobachtete, »wenn Sie zu einer Promenade lächeln, die mit der leichten Freiheit moderner Sitten so wenig überein stimmt, könnten Sie wohl die andere Terrasse zerstören, welche so oft von der bezaubernden Marquise von Sévigné betreten ward, woran sich so viele Erinnerungen knüpfen, die mit Stellen in ihren reizenden Briefen zusammenhängen?«

Ziemlich ermüdet von dieser Abhandlung, wobei der Marquis gewiß deßhalb so lange weilte, um die Naturschönheiten seiner eigenen Terrasse zu erheben, die, obgleich sie so verfallen war, doch keiner so förmlichen Empfehlung bedurfte, berichtete ich meinem Begleiter, daß ich von England eben das Tagebuch einer Reise nach dem südlichen Frankreich, unternommen von einem jungen Freunde aus Oxford, einem Dichter, Zeichner und Gelehrten, erhalten hätte, worin er eine so lebendige und interessante Beschreibung des Schlosses Grignan, des Aufenthalts der beliebten Tochter der Madame Sévigné und häufig auch ihres eigenen Wohnorts, gebe, daß sich wohl Niemand, der das Buch gelesen, vierzig Meilen in der Runde befinden werde, ohne eine Wallfahrt nach diesem Orte zu unternehmen. Der Marquis lächelte, schien sehr erfreut, und fragte endlich nach dem Titel des fraglichen Werkes; dann schrieb er den Titel, wie ich dictirte, auf: » An Itinerary of Provence and the Rhone, made during the year 1819; by John Hughes, A. M., of Oriel College, Oxford,« – und bemerkte, er könne jetzt keine Bücher für das Schloß kaufen, wolle aber diese »Reise« der Bibliothek empfehlen, bei welcher er in der benachbarten Stadt abonnirt war. »Und hier,« sagte er, »kommt ja der Pfarrer, um uns von weitern Abhandlungen zu erlösen; auch sehe ich den La Jeunesse um den alten Säulengang schleichen, in der Absicht, die Tafelglocke zu läuten – eine sehr unnöthige Ceremonie bei drei Personen, deren Vergessen aber des alten Mannes Herz brechen würde. Nehmen Sie jetzt keine Notiz von ihm, da er die niedern Dienste des Hauses incognito zu verrichten wünscht. Wenn die Glocke ausgetönt hat, so wird er in der Eigenschaft eines Majordomo vor uns auftreten.«

 

Während der Marquis sprach, hatten wir uns dem östlichen Ende des Schlosses genähert, welches der einzige noch bewohnbare Theil des Gebäudes war.

»Die Bande noire,« sagte der Marquis, »als sie den Rest des Hauses zertrümmerte, um das Blei, Holz und andere Materialien zu erhalten, hat mir bei ihrer Verwüstung den unbeabsichtigten Gefallen erwiesen, das Haus in solche Dimensionen zu bringen, die für die Umstände des Besitzers weit besser passen. Es ist immer noch genug Laub für die Raupe da, ihre Puppe hinein zu wickeln, und was kümmert es sie, daß der Rest des Busches von Gewürm weggefressen ist?«

Während er so sprach, erreichten wir das Thor, wo La Jeunesse erschien, mit einer Miene, die zugleich Dienstbereitwilligkeit und tiefe Achtung ausdrückte, und einem Gesicht, welches, obgleich von tausend Runzeln bedeckt, bereit war, das erste freundliche Wort seines Herrn mit einem Lächeln zu beantworten, wodurch dann, trotz seines Alters und seiner Leiden, sich eine Reihe schöner, fester und weißer Zähne zeigte. Seine saubern weißen Strümpfe, die so lange gewaschen worden, bis ihre Farbe in's Gelbliche übergegangen war, – sein Zopf mit einer Rosette gebunden – die dünne graue Locke auf jeder Seite seiner magern Wangen – der perlfarbige Rock ohne Kragen – der Solitaire, das Jabot, die Handmanschetten und der chapeau-bras – alles das verkündigte, daß La Jeunesse die Ankunft eines Gastes im Schlosse als ein ungewöhnliches Ereigniß betrachtete, welchem er seinerseits durch Entfaltung von Pracht und Staat zu entsprechen habe.

Als ich den treuen, wenn auch phantastischen Diener seines Herrn betrachtete, der wahrscheinlich seine Vorurtheile so gut wie seine abgetragenen Kleider erbte, konnte ich nicht umhin, mir im Stillen die Aehnlichkeit einzugestehen, die, wie der Marquis bemerkte, zwischen ihm und meinem eigenen Caleb, dem treuen Squire des Herrn von Ravenswood stattfand. Aber ein Franzose, ein Factotum von Natur, kann sich noch weit leichter zu einer Menge von Dienstleistungen schicken, und vermag alle in eigener Person zu versehen, was der Umständlichkeit und Trägheit eines Schotten schwerer fällt. Dem Caleb an Geschicklichkeit wenn auch nicht an Eifer überlegen, schien La Jeunesse sich mit den gelegentlichen Anforderungen und Bedürfnissen zu vervielfachen, und vollbrachte seine manchfachen Geschäfte mit einer Sorgfalt und Schnelligkeit, daß andere Bedienung außer ihm weder vermißt noch gewünscht wurde.

Das Mittagsmahl vorzüglich war erlesen. Die Suppe, obwohl sie maigre genannt wurde, und die die Engländer zu verachten pflegen, war von trefflichem Geschmack, und der matelot von Hecht und Aal versöhnte mich, obwohl ich ein Schotte, mit dem letztern. Es gab auch ein Schüsselchen mit bouilli, für den Ketzer, so herrlich bereitet, daß es allen Saft behalten, und dabei doch zugleich so mürbe war, daß es nichts Delikateres geben konnte. Die potage nebst einigen andern kleinen Gerichten, war ebenfalls gut zugerichtet. Aber, was der alte Maitre d'Hotel selbst als etwas Vorzügliches pries, indem er voll Freude über meine Ueberraschung selbstgefällig lächelte, als er es auf den Tisch setzte, war ein ungeheurer Napf mit Spinat, nicht zu einer glatten Oberfläche geglättet, wie ihn unsere uneingeweihten Köche über'm Kanal anzurichten gewohnt sind, sondern zu Hügeln schwellend und zu Thälern absinkend, über die ein stattlicher Hirsch hinschwebte, verfolgt von einem Rudel Hunden und von einer edlen Schaar von Jägern zu Roß mit Hörnern und geschwungenen Peitschen – Hunde, Jäger und Hirsch, alles war von geröstetem Brod sehr kunstreich ausgeschnitten. Erfreut über das Lob, welches ich nicht unterließ diesem chef-d'oeuvre zu ertheilen, bekannte der alte Mann, daß er den besten Theil von zwei Tagen zur Vollendung desselben verwendet habe; und dazu sagte er noch, Ehre gebend, dem Ehre gebührte, daß diese glänzende Idee nicht ganz sein eigen sei, sondern daß sich Monsieur selber die Mühe gegeben habe, ihm einige bedeutende Winke deßhalb zu ertheilen, ja daß er sich sogar herabgelassen habe, ihm bei Ausführung einiger Hauptfiguren Beistand zu leisten. Der Marquis erröthete ein wenig bei dieser Erläuterung, die er lieber unterdrückt gewünscht hätte; doch gestand er, er habe mich gern mit einer Scene aus dem Volksliede meines Vaterlandes, Milady Lac, überraschen wollen. Ich antwortete, daß ein so glänzendes Gefolge eher einer großen Jagd Ludwigs XIV. gliche, als der eines armen schottischen Königs, und daß die paysage eher Fontainebleau als den Wildnissen von Callender ähnlich sei. Eine graziöse Verbeugung beantwortete dies Kompliment, und er gestand, es möchten ihm wohl Erinnerungen an die Sitten des alten französischen Hofes, als dieser im vollen Glanze, in der Phantasie vorgeschwebt haben – und so ging die Unterhaltung auf andere Gegenstände über.

Unser Dessert war köstlich – der Käse, die Früchte, der Salat, die Oliven, die cerneaux, sowie der köstliche weiße Wein, jedes war in seiner Art unbezahlbar, und der gute Marquis bemerkte mit einer Miene großer Zufriedenheit, daß sein Gast ihren Verdiensten wahrhaft Ehre mache. »Ueberhaupt,« sagte er, »es ist jedoch nur eine thörichte Schwachheit einzugestehn – doch überhaupt muß ich mich darüber freuen, daß ich noch vermag, einem Fremden eine Art von Gastfreundschaft zu bieten, mit welcher er zufrieden scheint. Glauben Sie, es ist nicht allein Stolz, der uns pauvres revenants so zurückgezogen leben, und die Pflichten der Gastfreundschaft vermeiden läßt. Es ist wahr, nur zu Viele durchwandeln die Hallen unserer Väter, mehr wie die Geister ihrer verstorbenen Eigenthümer, als wie lebende, in ihr Eigenthum wieder eingesetzte Menschen; jedoch ist es mehr in Rücksicht auf euch, als um unsere eigenen Gefühle zu schonen, daß wir die Gesellschaft unserer fremden Besucher nicht festhalten. Wir haben die Idee, eure reiche Nation sei dem Prächtigen und der grande chère vorzüglich zugethan – sowie der Behaglichkeit und dem Genusse jeder Art. Und nun sind die Mittel der Bewirthung, die uns geblieben sind, in den meisten Fällen so beschränkt, daß wir uns selbst von solchem Aufwand und solcher Ostentation gänzlich ausgeschlossen fühlen. Niemand will gern sein Bestes darbieten, wenn er nicht Grund hat, zu glauben, es werde Vergnügen machen; und da viele von euch ihre Tagbücher veröffentlichen, so würde sich der Herr Marquis wahrscheinlich nicht sehr freuen, wenn er das arme Diner, das er dem Milord Anglais bieten konnte, dem ewigen Andenken preisgegeben sähe.

Ich unterbrach den Marquis, daß, wünschte ich je, eine Nachricht von der mir hier gewordenen Bewirthung bekannt zu machen, ich dies einzig in der Absicht thun könnte, das Andenken an das beste Mittagsmahl zu bewahren, das mir in meinem Leben zu Theil geworden. Er verbeugte sich und äußerte: »entweder wiche ich sehr von dem Nationalgeschmacke ab, oder die Nachrichten davon wären sehr übertrieben. Besonders lieb war es ihm, daß ich den Werth der Besitzungen, die ihm geblieben waren, zu schätzen wisse. »Das Nützliche,« sagte er, »hat gewiß das Prächtige zu Hautlieu und anderwärts überlebt. Grotten, Statuen, seltene Sammlungen ausländischer Geräthe, Tempel und Thürme sind zu Grunde gegangen; aber der Weinberg, der potager, der Obstgarten, der étang, sind noch vorhanden;« und nochmals drückte er seine Freude darüber aus, daß die vereinten Produkte von alle dem selbst einem Britten eine erträgliche Mahlzeit bieten könnten. »Ich hoffe nur,« fuhr er fort, »Sie werden mich überzeugen, daß Ihre Complimente auch aufrichtig gemeint sind, indem sie die Gastfreundschaft des Schlosses Hautlieu so oft annehmen, als es Ihre bessern Unterhaltungen während Ihres Aufenthaltes in der Nachbarschaft erlauben.«

Ich versprach bereitwillig, eine Einladung anzunehmen, die so freundlich geboten wurde, daß es schien, als sei der Gast die Person, welche eine Verbindlichkeit auflegte.

Die Unterhaltung ging nun auf die Geschichte des Schlosses und seiner Nachbarschaft über – ein Gegenstand, wo der Marquis festen Grund hatte, obwohl er kein großer Alterthumskundiger, nicht einmal ein gründlicher Historiker war, wo es ein anderes Kapitel, als das hier berührte, galt. Der Pfarrer war indeß zufällig beides, und dabei ein sehr unterhaltender freundlicher Mann, mit sehr zuvorkommendem Wesen und so höflicher Bereitwilligkeit, sich mitzutheilen, die ich als einen Hauptcharakterzug der katholischen Geistlichkeit fand, mag sie nun wohlunterrichtet sein oder nicht. Von ihm erfuhr ich nun auch, daß noch die Reste einer stattlichen Bibliothek im Schlosse Hautlieu vorhanden wären. Der Marquis zuckte die Achseln, als mir der Pfarrer dies berichtete, sah bald auf die eine, bald auf die andere Seite, und zeigte dieselbe Art leichter Verlegenheit, die er nicht im Stande gewesen, zu unterdrücken, als La Jeunesse etwas von seiner Einmischung in die Küchenangelegenheiten geplaudert hatte. »Ich würde mich glücklich schätzen, Ihnen die Bücher zu zeigen,« sagte er, »aber sie sind in so wilder Unordnung, und in so übelm Zustande, daß ich mich schämen muß, sie Jemand vorzuweisen.«

»Um Vergebung, mein theurer Herr,« sagte der Pfarrer, »Sie wissen, daß sie den großen englischen Büchernarren, den Dr. Dibdin, Ihre seltenen Reliquien betrachten ließen, und Sie wissen auch, wie achtungsvoll er davon sprach.«

»Was wollt' ich machen, liebster Freund?« sagte der Marquis; »der gute Doctor hatte eine übertriebene Nachricht von diesen Ueberresten dessen, was einst Bibliothek war, gehört – er hatte sich in der auberge unten niedergelassen, entschlossen, sein Ziel zu gewinnen, oder unter den Mauern zu sterben. Ich hörte sogar, er habe die Höhe des Thurmes ausgemessen, in der Absicht, Sturmleitern anzuwenden. Ihr konntet mir doch nicht zumuthen, einen achtbaren Geistlichen, wenn auch von einer andern Kirche, zu solch' einer That der Verzweiflung zu bringen? Das hätt' ich bei meinem Gewissen nicht verantworten können.«

»Doch Sie wissen, Herr Marquis,« fuhr der Pfarrer fort, »daß Dr. Dibdin über das schlimme Schicksal, das Ihre Bibliothek betroffen, so erzürnt war, daß er die Macht unserer Kirche offen beneidete, weil er inniges Verlangen trug, ein Anathem auf die Häupter jener Zerstörung zu schleudern.«

»Sein Zorn stand im Verhältniß zu seiner getäuschten Erwartung, wie ich vermuthe,« sagte unser Wirth.

»Keineswegs,« sagte der Pfarrer; »denn er war so begeistert von dem Werthvollen, was noch vorhanden, daß ich überzeugt bin, nur Ihr bestimmter Wunsch des Gegentheils verhinderte, daß das Schloß Hautlieu nicht wenigstens zwanzig Seiten in dem splendiden Werke einnimmt, wovon er uns eine Abschrift sandte, und welches ein stetes Denkmal seines Eifers und seiner Gelehrsamkeit bleiben wird.«

»Dr. Dibdin ist äußerst artig,« sagte der Marquis; »und wenn wir unsern Kaffee genossen haben – hier kommt er schon – wollen wir nach dem Thurme gehen; und ich hoffe, der Herr werde, wenn er meine geringe Mahlzeit nicht verschmäht hat, mir auch den Zustand meiner verwirrten Bibliothek verzeihen, während ich mich nicht weniger glücklich schätzen werde, wenn ich Ihnen auch hier einige Unterhaltung geben kann. In der That,« fügte er hinzu, »wäre dies auch nicht der Fall, Sie, mein guter Vater, haben alles Recht über Bücher, die ohne ihre Vermittelung nie zu ihrem Eigenthümer zurückgekehrt sein würden.«

Obwohl dieser Zusatz der Höflichkeit offenbar durch die Zudringlichkeit des Pfarrers dem widerstrebenden Freunde entrissen worden war, dessen Wunsch, die Entblößung des Landes und den Umfang seiner Verluste zu verbergen, stets mit der Neigung, gefällig zu sein, im Streit zu liegen schien, so konnte ich doch nicht umhin, ein Anerbieten anzunehmen, das ich nach strenger Artigkeit vielleicht hätte ablehnen sollen. Da es jedoch eine Sammlung von solcher Merkwürdigkeit war, daß sie unserm bibliomanischen Freunde den Wunsch einflößte, die verlorne Hoffnung selbst Sturm laufen zu lassen, so hätte es eine verzweifelte That der Selbstverläugnung heißen müssen, der Gelegenheit, sie zu sehn, auszuweichen. La Jeunesse brachte Kaffee, wie man ihn nur auf dem Continent genießt, auf einer Präsentirschüssel, die mit einer Serviette bedeckt war, damit man sie für silbern halten konnte, und chasse-café von Martinique auf einem kleinen Aufwärter, der es gewiß war. Nachdem unser Mahl so beendigt war, führte mich der Marquis auf einem escalier dérobé in einen geräumigen und wohl proportionirten Salon, von fast hundert Fuß Länge; aber so wüste und verfallen, daß ich meine Augen am Boden haften ließ, damit sich mein freundlicher Wirth nicht etwa aufgefordert fühlen möchte, die verwischten Gemälde und zerrissenen Tapeten, oder was noch schlimmer, die Fenster, die an einer oder zwei Stellen dem Sturmestoben zu sehr nachgegeben, zu entschuldigen.

 

»Wir haben den Thurm etwas wohnlicher zu machen gesucht,« sagte der Marquis, während er sich eilig durch dies Zimmer der Zerstörung bewegte. »Dies,« sagte er, »war in früherer Zeit die Gemäldegallerie, und im Boudoir drüben, welches wir nun als Lesezimmer benutzen, wurden einige seltene Kabinetsstücke aufbewahrt, deren kleiner Maßstab verlangte, daß man sie in der Nähe betrachtete.«

Bei diesen Worten zog er einen Theil der Tapete, deren ich gedachte, bei Seite, und wir betraten das Gemach, wovon er sprach.

Es war achteckig, ebenso wie die äußere Gestalt des Thurmes, dessen Inneres es bildete. Vier Seiten hatten vergitterte Fenster, deren jedes nach einer andern Richtung eine treffliche Aussicht über die majestätische Loire gewährte, so wie über die umliegende Landschaft, durch welche jene sich wand. Die Fenster waren mit farbigem Glas ausgesetzt, durch zwei derselben strömte der Schimmer der sinkenden Sonne, eine glänzende Vereinigung religiöser Embleme und Wappenbilder zeigend, die man kaum anders, als mit geblendetem Auge betrachten konnte. Aber die andern beiden Fenster, von denen die Sonnenstrahlen gewichen waren, ließen sich genauer untersuchen, und es zeigte sich bald, daß die Fenster mit buntem Glas versehen waren, welches ihnen nicht ursprünglich gehörte, sondern, wie ich nachher sah, vielmehr der entweihten und profanirten Schloßkapelle. Es war mehrere Monate hindurch eine Unterhaltung für den Marquis gewesen, dies rifacimento zu Stande zu bringen, und zwar unter dem Beistande des Geistlichen und des zu Allem brauchbaren La Jeunesse; und obwohl sie nur Fragmente zusammengesetzt hatten, die zum Theil sehr klein waren, so brachte doch das bunte Glas, bis man es genauer und mit dem Auge eines Alterthumkenners untersuchte, im Ganzen eine recht hübsche Wirkung hervor.

Die Seitenwände des Gemachs, die keine Fenster hatten, waren (mit Ausnahme des Raumes für die kleine Thür) von Schränken und Regalen ausgefüllt, einige von Wallnußbaum, künstlich geschnitzt, und durch die Zeit so dunkel geworden, daß sie in der Farbe einer reifen Kastanie glichen; andere waren von gemeinem Holze, und sämmtlich bestimmt, den Mangel zu ersetzen und herzustellen, den die Gewalt und Zerstörungssucht hier angerichtet hatten. In diesen Regalen waren die Trümmer oder vielmehr die kostbaren Reliquien einer sehr splendiden Büchersammlung niedergelegt.

Des Marquis' Vater war ein unterrichteter Mann gewesen, und sein Großvater war selbst am Hofe Ludwig XIV., wo Literatur gewissermaßen als Mode galt, wegen des Umfangs seiner Kenntnisse berühmt worden. Diese beiden Eigenthümer, reich an Glücksgütern, und liberal, wo es die Befriedigung ihres Geschmacks galt, hatten zu einer seltenen, sehr alten Büchersammlung, die sie von ihren Ahnen ererbt hatten, solche Zusätze gemacht, daß es nur wenige Sammlungen in Frankreich gab, welche mit der zu Hautlieu verglichen werden konnten. Sie war gänzlich zerstreut worden in Folge eines übelberechneten Versuchs des jetzigen Marquis, im Jahr 1790, sein Schloß gegen einen revolutionären Pöbelhaufen zu vertheidigen. Glücklicherweise gelang es dem Pfarrer, der durch sein leutseliges und gemäßigtes Betragen, so wie durch seine evangelischen Tugenden, großer Theilnahme bei den benachbarten Landleuten sich erfreute, viele der Bände zu kaufen, oft für die geringe Summe weniger Sous, bisweilen sogar um den Preis eines Glases Branntweins, die ursprünglich große Summen gekostet hatten, aber von den Schurken, die das Schloß plünderten, fortgeschleppt worden waren. Er selbst hatte auch viele solcher Bücher erkauft, so weit seine Mittel reichten, und seiner Bemühung war es zu danken, daß man sie wieder in dem Thurm aufgestellt traf, wo ich sie fand. Es war daher kein Wunder, daß der gute Pfarrer Stolz darein setzte und Freude daran hatte, die Sammlung den Fremden zu zeigen.

Abgesehen von vielen unbedeutenden Bänden, Unvollkommenheiten, und all' den andern ärgerlichen Umständen, die einem Liebhaber begegnen, wenn er eine übelgehaltene Bibliothek beschaut, befanden sich in der zu Hautlieu doch noch viele Artikel, die fähig waren, den Bibliomanen, wie Bayes sagt: »zu erheben und in Staunen zu setzen.« Hier fanden sich:

»Das kleine seltene Buch, woran das Gold erblichen,« wie Dr. Ferrier gefühlvoll singt – seltene und reichgemalte Meßbücher, Manuscripte von 1380, 1320 und noch früherer Zeit, Werke mit gothischer Schrift, gedruckt im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert. Von diesen jedoch denke ich eine genauere Nachricht zu geben, wenn mir der Marquis seine Erlaubniß geben sollte.

Unterdessen reicht es hin, zu sagen, daß ich, erfreut über den Tag, den ich Hautlieu gewidmet hatte, meinen Besuch häufig erneuerte, und daß der Schlüssel zu dem achteckigen Thurme mir stets zu Diensten stand. In diesen Stunden gewann ich einen Theil der französischen Geschichte sehr lieb, die, obwohl höchst wichtig für die von Europa im Ganzen, und durch einen unvergleichlichen alten Historiker erläutert, doch nie von mir genügend studirt worden war. Um den Gefühlen meines trefflichen Wirths zu schmeicheln, beschäftigte ich mich zu derselben Zeit mit einigen Familiendenkwürdigkeiten, die sich glücklicherweise erhalten hatten, und die einige interessante Einzelnheiten, auf Schottland bezüglich, enthielten, welche mich zuerst vor den Augen des Marquis von Hautlieu hatten Gnade finden lassen.

Ich erwog diese Dinge, more meo, bis zu meiner Rückkehr nach England zum Rindfleisch und Steinkohlenfeuer; ein Wechsel des Aufenthalts, der kurz nachher stattfand, nachdem ich diese gallischen Erinnerungen aufgezeichnet hatte. Zuletzt nahm das Resultat meines Nachsinnens die Form an, welche meine Leser, wofern sie diese Vorrede nicht unwillig gemacht hat, nun selbst zu beurtheilen im Stande sind. Sollte sie das Publikum günstig aufnehmen, so werde ich es nicht bereuen, daß ich für eine kurze Zeit abwesend war.

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