Öffentliches Recht im Überblick

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7. Europäische Zentralbank

Vertiefungshinweis:

Art. 282-284, 127-133 AEUV

170

Die Europäische Zentralbank (EZB) genießt neben ihrer Stellung als EU-Organ auch eine eigene Rechtsfähigkeit (Art. 282 III AEUV). Sie wird vom EZB-Rat geführt, dem das Direktorium und die (derzeit 18) Präsidenten der nationalen Notenbanken aller Euro-Staaten[47] angehören. Die sechs Mitglieder des Direktoriums (einschließlich Präsidentin und Vizepräsident) werden vom Europäischen Rat auf Empfehlung des (Minister-)Rates nach Anhörung des EP und des EZB-Rates für die Dauer von acht Jahren (ohne Wiederernennungsmöglichkeit) ernannt (Art. 283 II AEUV).

171

Die EZB ist für die Leitung des Europäischen Zentralbanksystems, dem neben der EZB alle nationalen Notenbanken des Euro-Raumes angehören, zuständig. Sie legt zur Sicherung der Preisniveaustabilität die Währungspolitik des Euro fest, nimmt nach Bedarf Deviseninterventionen vor und verwaltet die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten (Art. 127 II AEUV). Außerdem ist die EZB exklusiv berechtigt, über die Ausgabe von Euro-Banknoten und -Münzen zu entscheiden (Art. 128 AEUV). Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben ist die EZB ausdrücklich unabhängig, was alle übrigen EU-Organe und die Mitgliedstaaten zu respektieren haben (Art. 282 III AEUV).

172

Besondere Aufregung hat deshalb ein Urteil des BVerfG vom Mai 2020 verursacht, in dem infrage gestellt wurde, ob das PSPP[48]-Anleihenprogramm noch vom währungspolitischen Mandat der EZB gedeckt oder bereits im Schwerpunkt als wirtschaftspolitische Maßnahme – für die die Mitgliedstaaten zuständig wären – anzusehen ist.[49] Denn natürlich kann die Unabhängigkeit der EZB nur innerhalb ihrer Aufgabenfelder gelten, wozu das PSPP allerdings laut einer vorherigen Entscheidung des EuGH zählt.[50]

8. Rechnungshof

Vertiefungshinweis:

Art. 285-287 AEUV

173

Dem Rechnungshof gehört pro Mitgliedstaat ein Mitglied an (Art. 286 I AEUV). Die Mitglieder müssen – idealerweise durch eine Tätigkeit an einem nationalen Rechnungshof – eine besondere Eignung aufweisen und werden vom (Minister-)Rat auf der Grundlage von Vorschlägen der jeweiligen nationalen Regierungen und nach Anhörung des EP für die Dauer von sechs Jahren (mit Wiederwahlmöglichkeit) ausgewählt (Art. 286 II AEUV).

174

Die zentrale Aufgabe des Rechnungshofs ist die Rechnungsprüfung bei grundsätzlich allen Organen und Einrichtungen der EU, worüber der Rechnungshof einen jährlichen Tätigkeitsbericht – vor allem über entdeckte Mängel – vorlegt (Art. 287 I, IV AEUV). Die Prüftätigkeit des Rechnungshofs umfasst die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit aller Einnahmen und Ausgaben sowie die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung (Art. 287 II AEUV). Die Rechnungshofmitglieder sind allein auf das Wohl der EU verpflichtet und genießen volle Unabhängigkeit (Art. 285 UA 1 AEUV).

9. Problem Demokratiedefizit

175

Angesichts der weitreichenden Aufgabenfelder der EU (s. Rn. 208 ff.), die teilweise weit und in hoheitlicher Weise in die Rechtssphäre des einzelnen Bürgers hineinwirken können, stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation der Gesamtorganisation der EU. Denn trotz eines prominenten Bekenntnisses der EU zum Demokratieprinzip (Art. 2 EUV) weist die EU-Organisation sowohl im Institutionengefüge als auch in den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen verschiedene Mängel unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten auf. Man spricht daher von einem Demokratiedefizit der EU. Dies hat auch zu dem polemischen Bonmot geführt, dass die EU selbst nicht die Demokratieanforderungen erfüllt, die sie an ihre Beitrittskandidaten stellt.[51]

176

Zu diesen Mängeln zählen insbesondere folgende Punkte:[52]


Die fehlende Wahlrechtsgleichheit bei der Wahl des EP wegen unterschiedlicher Stimmengewichte der Wähler je Mitgliedstaat und national verschiedener Wahlrechtsausgestaltungen (s.o., Rn. 105 f.),
die teilweise zu schwache Stellung des EP als einziges direktdemokratisch legitimiertes Organ sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei der Bildung der Kommission (s.o., Rn. 110 ff., 120, 122),
die zu starke Exekutivprägung der EU-Organisation wegen der immer noch teilweise dominanten Rolle des (Minister-)Rates (und des Europäischen Rates), in dem die nationalen Regierungen vertreten sind (s.o., Rn. 127 ff.), und
die bis heute faktisch kaum bestehende europäische Öffentlichkeit.

177

Aufgrund dieser Mängel vertritt das BVerfG schon in seiner Maastricht-Entscheidung und noch deutlicher in der Lissabon-Entscheidung den Standpunkt, dass die demokratische Rückbindung der EU bis auf Weiteres nur über die nationalen Parlamente erfolgen kann. Um dies leisten zu können, müssen zum einen diese Parlamente wie z.B. der Deutsche Bundestag substantielle Zuständigkeiten behalten. Und zum anderen muss sich die EU auch künftig legitimatorisch auf ihre Mitgliedstaaten stützen, die als „Herren der Verträge“ nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung souverän darüber entscheiden können müssen, wofür die EU zuständig sein soll und für was nicht.[53]

178

Diesem Demokratiedefizit stellt die EU ein Legitimationsmodell gegenüber, das auf verschiedenen Säulen ruht (vgl. nachfolgende Grafik):[54]


So gibt es erstens – hauptsächlich – eine repräsentativ-demokratische Legitimation, die auf zwei Säulen ruht. Denn die Unionsbürger werden einerseits als Angehörige ihrer Heimatländer durch die von ihnen (mittelbar) gewählten Regierungen im (Minister-)Rat indirekt und andererseits als EU-Angehörige in dem von ihnen gewählten Europäischen Parlament direkt repräsentiert (Art. 10 EUV).

179


Ergänzend tritt zweitens eine partizipativ-demokratische Legitimation hinzu, indem den EU-Bürgern eine direkte Beteiligung am politischen Leben der EU ermöglicht wird. So fördern die EU-Organe die Kommunikation von Bürgern und Verbänden mit dem Ziel einer Stärkung der europäischen Öffentlichkeit. Außerdem treten die EU-Organe in einen kontinuierlichen Dialog mit Verbänden und Zivilgesellschaft ein und führen Anhörungen Betroffener durch. Und schließlich haben die EU-Bürger die Möglichkeit, über eine EU-Bürgerinitiative ein aus ihrer Sicht wichtiges Thema auf die Agenda der EU zu bringen (Art. 11 EUV).

180

Abbildung 18:

Demokratische Legitimation der EU


[Bild vergrößern]

181

Verständnisfragen:


1. Vergleichen Sie die Stellung des EP bei der Rechtssetzung und bei der Haushaltsverabschiedung. (Rn. 109–119)
2. Welche Mehrheitsbegriffe gibt es beim (Minister-)Rat? (Rn. 131 f.)
3. Warum nennt man die Kommission die „Hüterin der Verträge“? (Rn. 149–152)
4. Kann man die Kommission als „Europa-Regierung“ bezeichnen? (Rn. 142 f.)
5. Welches EU-Organ hat die relativ stärkste Stellung? (Rn. 127)
6. Welches EU-Organ legt die Richtlinien der EU-Politik fest? (Rn. 123 f.)
7. Welche Instanzen kennt das europäische Gerichtssystem? (Rn. 159–164)
8. In welchen Konstellationen können auch Privatpersonen oder -unternehmen vor einem europäischen Gericht klagen? (Rn. 168)
9. Wie ist die EU demokratisch legitimiert und was versteht man unter dem „Demokratie-Defizit“ der EU? (Rn. 175–180)

Anmerkungen

[1]

 

Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EU-Verfassungsrecht, AEUV Art. 341 Rn. 2.

[2]

Bergmann, in: Bergmann (Hg.), Handlexikon, S. 535 Sp. 2/535 Sp. 1.

[3]

Der Europäische Rat zählt als ein über der operativen Ebene stehendes Leitungsorgan nicht dazu, vgl. Rn. 123.

[4]

BVerfGE 129, 300 (353); das BVerfG bezeichnet das EP auch als „eine Vertretung der Völker der Mitgliedstaaten“, BVerfGE 123, 267 (373) – Lissabon.

[5]

Eigentlich sind es 751 Mitglieder (Art. 14 II UA 1 S. 2 EUV); da der Brexit aber erst nach der Wahl von 2019 wirksam wurde, hat man die weggefallenen 73 britischen Parlamentssitze zum Teil auf andere Länder „umverteilt“ und zum Teil eingespart, um im Fall künftiger Erweiterungen das Parlament nicht über die Zahl von 751 Mitglieder anwachsen lassen zu müssen, vgl. https://www.europarl.europa.eu/news/de/faq/12/wie-viele-mitglieder-hat-das-europaische-parlament (4.11.2020).

[6]

Seit dem Brexit nach der EP-Wahl 2019 gehören den beiden großen Fraktionen zusammen 331 Mitglieder an; 29 Abgeordnete sind fraktionslos.

[7]

Weshalb das BVerfG meint, dass die Fraktionen auch noch Vertreter von Kleinst- und Splitterparteien integrieren könnten und die 5 %- bzw. 3 %-Hürde im deutschen Europawahlrecht unnötig sei, vgl. BVerfGE 129, 300 (327 ff.); kritisch dazu Haug, Muss wirklich jeder ins Europaparlament? Kritische Anmerkungen zur Sperrklausel-Rechtsprechung aus Karlsruhe, ZParl 2014, S. 467 (475 f.).

[8]

Vgl. <http://www.handelsblatt.com/politik/international/europaeischer-wanderzirkus-steuerzah lerbund-lobt-vorstoss-von-eu-parlament/9101130.html> (4.11.2020); der Bund der Steuerzahler beziffert danach die Mehrkosten dafür mit 200 Mio. € pro Jahr.

[9]

BVerfGE 123, 267 (374 f.) – Lissabon; dafür hat sich Deutschland allerdings im Rat (durch das Bevölkerungsquorum) ein starkes Gewicht gesichert (s.u. Rn. 131).

[10]

Art. 7, 8 des Protokolls (Nr. 7) über Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union.

[11]

Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 14 EUV Rn. 4.

[12]

Alle Fallzahlen in dieser Rn. sind auf den gescheiterten Verfassungsvertrag bezogen, dessen diesbezüglichen Inhalte jedoch weitgehend in Lissabon primärrechtlich übernommen wurden, vgl. Margedant, in: Bergmann (Hg.), Handlexikon, S. 351 Sp. 2 m.w.N.

[13]

Margedant, in: Bergmann (Hg.), Handlexikon, S. 351 Sp. 2.

[14]

Gellermann, in Streinz, EUV/AEUV, Art. 289 AEUV Rn. 6.

[15]

Deshalb sind die großen Parteienfamilien 2014 und 2019 mit europaweiten Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten in den EP-Wahlkampf gezogen (2014: Jean-Claude Juncker und Martin Schulz; 2019: Manfred Weber und Frans Timmermans).

[16]

Fischer/Fetzer, Europarecht, Rn. 135.

[17]

Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 14 EUV Rn. 5, bezeichnet das EP in diesem Zusammenhang als den „große[n] Gewinner sämtlicher Vertragsrevisionen“.

[18]

BVerfGE 123, 267 (372 ff.); 129, 300; 135, 259; kritisch dazu Haug, Muss wirklich jeder ins Europaparlament? Kritische Anmerkungen zur Sperrklausel-Rechtsprechung aus Karlsruhe, ZParl 2014, S. 467 (476 f.).

[19]

Fischer/Fetzer, Europarecht, Rn. 75.

[20]

Erster Amtsinhaber war der Belgier Herman Van Rompuy, anschließend der vormalige polnische Ministerpräsident Donald Tusk. Seit 2019 ist der frühere belgische Premierminister, Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates.

[21]

Calliess, in: Calliess/Ruffert, EU-Verfassungsrecht, EUV Art. 15 Rn. 5.

[22]

Ausnahmen vom Halbjährigkeitsprinzip können sich durch das Prinzip der Teampräsidentschaft ergeben, wonach immer eine Gruppe von drei Mitgliedstaaten für die Dauer von 18 Monaten den Vorsitz wahrnimmt; ausführlich zur Vorsitzthematik Obwexer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 16 EUV, Rn. 83 ff.

[23]

Im Detail ist die Mehrheitsbegriffsstruktur noch etwas komplexer; so gibt es zu den einzelnen Begriffen noch verschiedene Unterfälle sowie die vierte Gruppe „besonderer Mehrheiten“. Näher hierzu Obwexer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 238 AEUV, Rn. 10.

[24]

Weitere Beispiele sind die Einrichtung und Organisation der vertraglich vorgesehenen Ausschüsse (Art. 242 AEUV) oder die Festlegung des Rahmens für die Ausübung der Auskunfts- und Nachprüfungsbefugnisse der Kommission (Art. 337 AEUV), vgl. Obwexer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 238 AEUV, Rn. 12.

[25]

Dieses „Lissabon-Regime“ gilt erst seit dem 1.11.2014; bis dahin galt das „Nizza-Regime“, das auf einer unterschiedlichen Stimmengewichtung der Mitgliedstaaten (zwischen 3 und 29) basierte und in einem Übergangszeitraum bis zum 1.4.2017 auf Antrag eines Mitgliedsstaates noch Anwendung fand, vgl. Obwexer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 16 EUV, Rn. 43 ff.

[26]

Hintergrund des „oder-Zusatzes“ ist, dass nicht drei große Staaten mit zusammen mehr als 35 % der EU-Bevölkerung (z.B. D, F, I haben zusammen rund 41 %) die qualifizierte Mehrheit allein verhindern können sollen; Art. 16 IV UA 2 EUV verlangt deshalb für die Sperrminorität mindestens vier Staaten.

[27]

Siehe die umfassende Auflistung bei Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 289 AEUV Rn. 7, die u.a. die Bekämpfung von Diskriminierungen (Art. 19 I AEUV), die operative Zusammenarbeit der Polizeibehörden (Art. 87 III AEUV), die Steuerharmonisierung (Art. 113 AEUV) sowie die Sozial-, Umwelt- und Energiepolitik (Art. 153 II UA 3, 192 II, 194 III AEUV) umfasst.

[28]

Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 289 AEUV, Rn. 9.

[29]

Vgl. die vollständige Aufzählung bei Obwexer, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 242 AEUV, Rn. 5 f.

[30]

Vgl. Margedant, in: Bergmann (Hg.), Handlexikon, S. 800 Sp. 2/801 Sp. 1.

[31]

<http://europa.eu/about-eu/facts-figures/administration/index_de.htm> (4.11.2020).

[32]

Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 17 EUV Rn. 12-14.

[33]

Vgl. Bubrowski, Im Spiel der Kräfte, FAZ v. 21.5.2014, S. 8.

[34]

Vgl. Kugelmann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 17 EUV Rn. 86 f.; <http://www.handelsblatt.com/politik/international/regierungen-beschliessen-eu-kommission-wird-nicht-kleiner/8241488.html> (4.11.2020).

[35]

Fischer/Fetzer, Europarecht, Rn. 119 f.

[36]

Vgl. <https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_19_3030> (4.11.2020).

[37]

Vgl. Mitteilung der Kommission 2019/C 70/01; Schwarze/Wunderlich, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 260 AEUV Rn. 10.

[38]

<http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/eu-verdonnert-microsoft-zu-561-millionen-strafe-a-887199.html> (4.11.2020); das war nicht die erste Strafaktion gegen das Unternehmen Microsoft, das von der EU bereits Geldbußen in Höhe von zusammen über 1,6 Mrd. € auferlegt bekommen hat. Zur Geldbuße von 2004 vgl. Eichholz, Europarecht, Rn. 163.

[39]

Vgl. <https://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Kartellwaechter-lassen-Google-mit-2-4-Milliarden-Euro-buessen-3756693.html> und <https://ec.europa.eu/germany/news/20180718-kommission-google-android-strafe-von-434-milliarden-euro_de> (4.11.2020).

[40]

Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 756 f.

[41]

 

Das EuGöD bestand von 2005 bis 2016 und wurde dann in das EuG wieder eingegliedert, vgl. Erwägungsgrd. 9 der VO (EU, Euratom) 2015/2422 zur Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

[42]

Vgl. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 253 AEUV Rn. 2 f. Der Richterwahlausschuss besteht je hälftig aus den zuständigen Landesministern und vom Bundestag nach Fraktionsproporz gewählten Mitgliedern, §§ 2-5 RiWG.

[43]

Vgl. Art. 258 UA 1 (Vertragsverletzungsverfahren), 265 UA 2 (Untätigkeitsklage) AEUV.

[44]

Ähnlich Fischer/Fetzer, Europarecht, Rn. 148.

[45]

So beruht beispielsweise das EuGH-Urteil, mit dem die deutsche „Infrastrukturabgabe“ (vulgo: Pkw-Maut) für unionsrechtswidrig erklärt wurde, nicht auf einer Klage der Kommission, sondern von Österreich mit Unterstützung der Niederlande (vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.2019 – Az. C 519/17).

[46]

EuGH, Urt. v. 8.4.2014 – Az. C-293/12 und C-594/12.

[47]

Der Eurozone gehören (Stand seit 1.1.2015) folgende EU-Mitgliedstaaten an: Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern.

[48]

Public Sector Purchase Programme.

[49]

BVerfG, Urt. v. 5.5.2020 – Az. 2 BvR 859/15.

[50]

EuGH, Urt. v. 11.12.2018 – Az. C-493/17; näher zu diesem Konflikt zwischen BVerfG und EuGH s.u., Rn. 231 f.

[51]

Vgl. Bergmann, in: Bergmann (Hg.), Handlexikon, S. 219.

[52]

Vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 303 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 384 f.

[53]

Vgl. BVerfGE 89, 155 (185 ff.) – Maastricht; BVerfGE 123, 267 (347 ff.) – Lissabon.

[54]

Daher ist im Einzelnen hoch streitig, für wie „gravierend“ man die demokratietheoretischen Schwächen der EU halten muss; Bergmann, in Bergmann (Hg.), Handlexikon, S. 219 ff., weist relativierend darauf hin, dass die EU aufgrund ihrer besonderen Verbundstruktur die eher staatlich geprägten Demokratievorstellungen gar nicht 1:1 erfüllen kann und außerdem die EU den vier Elementen demokratischer Verfassungen – Legitimation, Kontrolle und Transparenz hoheitlicher Macht, Partizipation der Bürger – in ausreichendem Maße Rechnung trägt.

Erstes Kapitel Europarecht › IV. Unionsrecht

IV. Unionsrecht

1. Kategorien des Unionsrechts

Vertiefungshinweis:

Fischer/Fetzer, Europarecht, Rn. 153-208.

182

Sowohl im europäischen als auch im nationalen Recht lassen sich drei Rechtsebenen unterscheiden. Die erste Ebene legt die grundlegenden „Spielregeln“ für die Union bzw. die Nation fest, während die zweite Ebene dann die konkreten Sachregelungen ausgestaltet. Die erste Ebene nennt man im Unionsrecht „Primärrecht“ und im nationalen Recht „Verfassung“, während die zweite Ebene als „Sekundärrecht“ bzw. „(einfaches) Gesetzesrecht“ bezeichnet wird. Die (weniger bedeutsame) dritte Ebene umfasst das aus der zweiten Ebene abgeleitete Recht, das als „Tertiärrecht“ (EU) bzw. Rechtsverordnungen (in Deutschland) bezeichnet wird.

183

Abbildung 19:

Normenkategorien und -hierarchie


[Bild vergrößern]

184

Aus dieser Ebenenhierarchie folgt eine Normenhierarchie mit Geltungsvorrang jeder Ebene vor den untergeordneten Ebenen. Verstößt also beispielsweise eine Norm des Tertiärrechts gegen das Sekundär- oder gar das Primärrecht, ist sie unionsrechtswidrig. Ebenso muss sich jede Norm des Sekundärrechts am Primärrecht messen lassen. Auf nationaler Ebene ist dies genauso: Eine Rechtsverordnung, die gegen ein Gesetz oder gar die Verfassung verstößt, ist rechts- bzw. verfassungswidrig. In allen Fällen führt ein Verstoß gegen höherrangiges Recht zur Unwirksamkeit der betreffenden Norm. Etwas anderes gilt für das Verhältnis zwischen Unions- und nationalem Recht, doch dazu später (s.u. Rn. 224 ff.).