BGB-Schuldrecht Besonderer Teil

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Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers

§ 5 Rechte des Käufers

Inhaltsverzeichnis

I. Überblick

II. Nacherfüllung

III. Rücktritt

IV. Minderung

V. Schadensersatz

VI. Aufwendungsersatz

VII. Abweichende Vereinbarungen

VIII. Verjährung

IX. Rückgriffsansprüche des Verkäufers

X. Konkurrenzen

XI. Anhang: Haftungsschema beim Kauf

Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › I. Überblick

I. Überblick

1

Auf keinem anderen Gebiet hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 (SMG) so tiefgreifende Änderungen gebracht wie bei den Käuferrechten im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache. Auch in der Folgezeit sind die einschlägigen Vorschriften wiederholt geändert worden, zuletzt durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts von 2017 (BGBl I S. 969).[1] Seitdem sieht die gesetzliche Regelung der Käuferrechte bei Vorliegen eines Mangels im Kern folgendermaßen aus[2]: Bei Lieferung einer mangelhaften Sache kommt es in erster Linie darauf an, ob es sich um einen behebbaren oder um einen unbehebbaren Mangel handelt, und wann dieser eingetreten ist. Ist der Mangel nicht behebbar, so spricht man auch von qualitativer Unmöglichkeit. In diesem Fall ist vor allem danach zu unterscheiden, wann der unbehebbare Mangel aufgetreten ist: Liegt er von Anfang an vor, so ist grundsätzlich von § 311a auszugehen, wie durch § 437 Nr 3 klargestellt wird, wobei dann weiter zwischen erheblichen und unerheblichen (anfänglichen unbehebbaren) Mängeln unterschieden wird: Die §§ 281 und 284 gelten nur bei erheblichen anfänglichen Mängeln (§ 311a Abs. 2 S. 3 iVm § 281 Abs. 1 S. 3), während bei unerheblichen anfänglichen Mängeln der Käufer auf den kleinen Schadensersatzanspruch des § 280 Abs. 1 beschränkt ist; außerdem dürfte ihm dann ein Minderungsrecht analog § 326 Abs. 1 S. 1 HS 2 und § 441 zuzubilligen sein.

2

Tritt ein unbehebbarer Mangel nachträglich, d. h. in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Gefahrübergang auf – spätere Mängel bleiben grundsätzlich außer Betracht (§ 434 Abs. 1 S. 1), wenn nicht ausnahmsweise eine Haltbarkeitsgarantie vorliegt (§ 443 Abs. 1 idF von 2014) –, so bewendet es bei der Anwendbarkeit der §§ 283 und 326 Abs. 5, sofern der Käufer die Sache wegen ihrer Mängel zurückweist (§§ 266, 320 Abs. 1 und 433 Abs. 2), wozu er jederzeit befugt ist, ohne dadurch in Annahmeverzug zu geraten (§ 294).[3] Folglich kommt es jetzt darauf an, ob der Mangel erheblich ist oder nicht (s. §§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, 326 Abs. 5 und 323 Abs. 5 S. 2; s. o. Rn 1). Bei behebbaren Mängeln hat es bei der Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen sein Bewenden, sofern der Käufer die Sache wegen dieser Mängel zurückweist. Außerdem hat er dann (selbstverständlich) noch den Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2.

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Eine weitreichende Änderung der Rechtslage tritt erst von dem umstrittenen Zeitpunkt ab ein, von dem ab die §§ 437 ff anwendbar sind. Die überwiegende Meinung folgert hier zutreffend aus § 434 Abs. 1 S. 1, dass der maßgebliche Zeitpunkt der des Gefahrübergangs nach den §§ 446 und 447 ist (s. o. § 3 Rn 11 ff).[4] Ab diesem Zeitpunkt richten sich folglich die Käuferrechte bei Mangelhaftigkeit der Sache in erster Linie nach den §§ 437 ff und zusätzlich nur insoweit nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, wie in § 437 Nrn 1 bis 3 darauf Bezug genommen wird. Ganz im Vordergrund des Interesses steht danach der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 437 Nr 1 und 439 idF von 2017; s. dazu u. Rn 5 ff). Bei diesem Nacherfüllungsanspruch handelt es sich um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 S. 2, der freilich nach Gefahrübergang verschiedenen Modifikationen unterliegt, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Verjährung (§ 438; s. u. Rn 44 ff) sowie der Ausschlussgründe (s. §§ 442, 444 sowie 445 und dazu o. § 4 Rn 39 ff).[5]

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Der Käufer kann außerdem, im Regelfall freilich erst nach fruchtlosem Ablauf einer dem Verkäufer vom Käufer für die Nacherfüllung gesetzten Frist, zurücktreten oder mindern (§§ 437 Nr 2, 440, 323, 326 Abs. 5 und 441; s. u. Rn 16, 21 f) sowie – unter zusätzlichen Voraussetzungen – Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen (s. §§ 437 Nr 3, 440, 276, 280, 281, 283, 311a und 284; dazu u. Rn 23 ff, 30). Zwischen den genannten Rechtsbehelfen hat der Käufer, sobald jeweils ihre Voraussetzungen vorliegen, die Wahl. Er ist jedoch an die einmal getroffene Wahl solange nicht gebunden, wie der Verkäufer noch nicht mit der Nacherfüllung begonnen hat (§ 242)[6]. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels gerade bei Gefahrübergang sowie für das Fortbestehen eines Mangels trotz Nachbesserung seitens des Verkäufers trägt grundsätzlich der Käufer[7]; lediglich bei dem Verbrauchsgüterkauf kommt das Gesetz hier durch § 477 dem Käufer durch eine Beweislastumkehr in bestimmten Fällen zu Hilfe (dazu unten § 6 Rn 3).

Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › II. Nacherfüllung

 
II. Nacherfüllung

1. Überblick

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Der primäre Rechtsbehelf des Käufers bei Vorliegen eines Sachmangels ist nach den §§ 437 Nr 1 und 439 der Nacherfüllungsanspruch. Der Käufer kann danach, und zwar nach seiner Wahl (s. § 439 Abs. 1, Rn 4), entweder die Beseitigung des Mangels (sog. Nachbesserung, Rn 10) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen (sog. Ersatz- oder Nachlieferung, Rn 11). Keine Rolle spielt die Erheblichkeit des Mangels; der Nacherfüllungsanspruch greift auch ein, wenn es sich um einen unerheblichen Mangel handelt. Ziel der Nacherfüllung muss es sein, den Käufer im Ergebnis so zu stellen, als ob der Verkäufer von Anfang an mangelfrei erfüllt hätte[8]. Sonderregeln für den Verbrauchsgüterkauf des § 474 (s. u. § 16 Rn 1 ff) finden sich in § 475 Abs. 4 S. 2 und S. 3 sowie in § 475 Abs. 6 (zu § 475 Abs. 4 S. 2 und S. 3 s. u. Rn 12a sowie § 6 Rn 1 ff). Der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung ist ausgeschlossen bei Unmöglichkeit der Erfüllung oder der Nacherfüllung (§ 275 Abs. 1). Der Verkäufer kann die Nacherfüllung ferner unter den Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 und 3 sowie des § 439 Abs. 4 verweigern (u. Rn 13 f).

5a

Die Kosten der Nacherfüllung muss nach § 439 Abs. 2 der Verkäufer tragen; § 439 Abs. 2 stellt eine eigenständige verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage dar.[9] Als Beispiele für derartige vom Verkäufer zu tragende Kosten der Nacherfüllung nennt das Gesetz in § 439 Abs. 2 neben den Wege-, Arbeits- und Materialkosten insbesondere noch die Transportkosten, die etwa anfallen, wenn der Käufer die mangelhafte Sache zwecks Reparatur zum Sitz des Verkäufers bringen muss.[10] Ein weiteres Beispiel sind Untersuchungskosten des Käufers, wenn der Käufer einen Sachverständigen mit der Ermittlung der Ursachen von Mängelerscheinungen bei der Kaufsache beauftragt hatte[11].

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Unberührt bleibt § 320, so dass der Käufer unter Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache und des Verstoßes des Verkäufers gegen § 433 Abs. 1 S. 2 auch die Bezahlung des Kaufpreises verweigern kann (so genannte allgemeine Mängeleinrede). Das gilt auf jeden Fall nach Ausübung des Wahlrechts des Käufers aus § 439 Abs. 1, solange der Verkäufer noch nicht seiner Nacherfüllungspflicht nachgekommen ist; richtiger Meinung nach aber auch schon vorher, da sich aus den §§ 437 ff keine Einschränkung des § 320 ergibt, wobei man bedenken muss, dass die Einrede des nichterfüllten Vertrages bei allen gegenseitigen Verträgen zu den zentralen Rechtsbehelfen jeder Partei gehört[12].

6

Verlangt der Käufer Nachlieferung einer mangelfreien Sache, so ist er Zug um Zug gegen deren Lieferung zur Rückgewähr der bereits empfangenen mangelhaften Sache verpflichtet (§ 439 Abs. 5 iVm §§ 346 bis 348). Aus § 346 Abs. 1 darf jedoch hier – entgegen einer verbreiteten Meinung[13] – nicht der Schluss gezogen werden, dass der Käufer außerdem die aus der zurückzugebenden Sache von ihm bereits gezogenen Nutzungen herauszugeben habe, weil der Käufer von Anfang an Anspruch auf die Nutzung einer mangelfreien Sache hatte, sodass nicht einzusehen ist, warum er auf einmal bei Lieferung einer mangelhaften Sache zum Nutzungsersatz verpflichtet sein sollte[14]. Für den Verbrauchsgüterkauf steht dies mittlerweile aufgrund des § 475 Abs. 2 idF von 2017 fest, der im Jahre 2008 auf Grund der Rechtsprechung des EuGH in das Gesetz eingefügt worden ist[15]. Offen ist jedoch nach wie vor die Rechtslage bei anderen Kaufverträgen, insbesondere also bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen (B2B). Die überwiegende Meinung will hier offenbar (zu Unrecht) an einer Nutzungsersatzpflicht des Käufers gemäß § 439 Abs. 5 iVm § 346 Abs. 1 festhalten[16].

2. Vorrang

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Der Nacherfüllung kommt nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich der Vorrang vor den anderen in § 437 Nrn 2 und 3 genannten Rechtsbehelfen des Käufers (Rücktritt und Minderung sowie Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz) zu, weil der Übergang zu den genannten anderen Rechten des Käufers bei Lieferung einer mangelhaften Sache im Regelfall voraussetzt, dass der Käufer zuvor dem Verkäufer vergeblich eine angemessene Frist für die Nacherfüllung gesetzt hatte (s. § 437 Nrn 2 und 3 in Verb. mit § 281 Abs. 1 S. 1, 284 und 323 Abs. 1), und zwar grundsätzlich erst nach Fälligkeit der Leistung des Verkäufers, nicht schon gleichsam vorbeugend vorher.[17] Durch diesen sog. Vorrang der Nacherfüllung vor den anderen Rechtsbehelfen des Käufers soll dem Verkäufer die Chance einer zweiten Andienung eröffnet werden[18]. Gemeint ist damit die Möglichkeit, durch Nacherfüllung sozusagen „im zweiten Anlauf“ den Vertrag – und damit den daraus resultierenden Gewinn – doch noch zu retten. Die vorrangige Nacherfüllung stellt deshalb auch ein Recht des Verkäufers dar. Daraus folgt insbesondere, dass der Käufer – im Gegensatz zum Mieter und zum Werkbesteller (s. §§ 536a Abs. 2 Nr. 1 und 637) – kein Recht hat, die Mängel selbst zu beseitigen und anschließend Aufwendungsersatz vom Verkäufer zu verlangen[19], entgegen einer verbreiteten Meinung[20] auch nicht analog § 326 Abs. 2 S. 1. Anders verhält es sich nur, wenn der Käufer, und zwar grundsätzlich erst nach fruchtloser Fristsetzung, vom Verkäufer darüber hinaus Schadensersatz verlangen kann (s. §§ 437 Nr 3, 440, 280, 281 und 249).[21]

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Aus dem Gesagten ergibt sich ferner, dass der Käufer, wenn er von dem Verkäufer unter Fristsetzung nach § 439 Nacherfüllung verlangt, zugleich dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der gerügten Mängel zur Verfügung stellen und ihm Gelegenheit zur Untersuchung der Sache und gegebenenfalls zur Nachbesserung geben muss, da der Verkäufer die Möglichkeit zur Überprüfung haben muss, ob die geforderte Nacherfüllung tatsächlich von ihm geschuldet ist, und zwar gerade am Erfüllungsort der Nacherfüllung, widrigenfalls eine etwaige Fristsetzung des Käufers wegen des Verstoßes gegen § 439 unwirksam ist, so dass der Käufer auch nicht nach fruchtlosem Ablauf der von ihm gesetzten Frist zu den anderen Rechtsbehelfen des § 437 übergehen kann.[22] Der Erfüllungs- oder besser: Leistungsort für die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers ist umstritten.[23] Im Betracht kommen der Ort, wo sich die Kaufsache nach dem Vertrag bestimmungsgemäß gerade befindet, der ursprüngliche Erfüllungsort für die Leistungspflicht des Verkäufers sowie eine differenzierende Lösung entsprechend § 269 Abs. 1, so dass in erster Linie auf die Vereinbarungen der Parteien und die Natur des Schuldverhältnisses und hilfsweise auf den Wohnsitz oder den Ort der Niederlassung des Verkäufers abzustellen ist. Trotz der damit verbundenen Rechtsunsicherheit hat der BGH[24] sich für die zuletzt genannte differenzierende Lösung entschieden.[25] Bleibt es infolgedessen bei dem Wohnsitz des Verkäufers als Erfüllungsort, so dass der Käufer die Sache zwecks Untersuchung durch den Verkäufer oder Reparatur gegebenenfalls dorthin transportieren muss, so kann er außerdem vom Verkäufer einen Vorschuss für die Transportkosten verlangen (§ 439 Abs. 2), den er freilich zurückzahlen muss, wenn sich sein Nacherfüllungsverlangen später mangels Vorliegens eines Mangels als unbegründet erweist (§ 812 Abs. 1 S. 1).[26]

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Verlangt der Käufer schuldhaft zu Unrecht Nacherfüllung vom Verkäufer, so soll darin nach Meinung des BGH eine Pflichtverletzung liegen, die den Käufer bereits bei leichter Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2) zum Ersatz der vom Verkäufer infolgedessen grundlos aufgewandten Kosten verpflichtet (§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1)[27]. Dadurch würde indessen das so genannte Diagnoserisiko zu Unrecht und unter Verstoß gegen die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie nahezu vollständig auf den Käufer verschoben, so dass eine Ersatzpflicht des Käufers höchstens bei grober Fahrlässigkeit, richtiger Meinung nach sogar allein bei unredlicher Vorgehensweise des Käufers in Betracht kommt (s. u. § 24 Rn 17).

3. Nachbesserung

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Der Käufer kann zunächst Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels, d. h. durch Reparatur der verkauften mangelhaften Sache verlangen (§ 439 Abs. 1 Fall 1, sogenannte Nachbesserung). Dies bedeutet, dass der Verkäufer die verkaufte Sache auf seine Kosten (§ 439 Abs. 2; s. o. Rn 5) durch vollständige Beseitigung sämtlicher Mängel in einen mangelfreien Zustand versetzen muss, selbst wenn sich der bereits bei Gefahrübergang vorhandene Mangel in der Zwischenzeit verschlimmert hatte, da auch diese Verschlimmerung letztlich von ihm zu vertreten ist (sog Weiterfresserschaden)[28]. Nichts hindert den Käufer freilich auf der anderen Seite, sich mit einer bloßen Ausbesserung der mangelhaften Sache und Minderung wegen des verbleibenden Minderwertes zufrieden zu geben – unter Inkaufnahme der restlichen Mängel.[29] Die Verpflichtung des Verkäufers zum Ersatz sonstiger Schäden des Käufers richtet sich dagegen nach den §§ 437 Nr 3, 280, 281 und 249 (s. u. Rn 23 ff). Die Wahl zwischen mehreren möglichen Verfahren zur Reparatur der Sache steht allein dem Verkäufer zu; der Käufer hat darauf keinen Einfluss.[30] Besonderheiten gelten, wenn der Käufer die reparaturbedürftige Sache bestimmungsgemäß in eine andere Sache, insbesondere in ein Bauwerk eingebaut hatte. Die dann im Falle der nötigen Nachbesserung der Mängel zusätzlich anfallenden Kosten des Aus- und Wiedereinbaus der Sache nach ihrer Reparatur muss nach § 439 Abs. 3 (von 2017) grundsätzlich ebenfalls der Verkäufer tragen (so genannte Einbaufälle, wegen der Einzelheiten s. u. Rn 12 f).

 

4. Nach- oder Ersatzlieferung

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Statt der Nachbesserung (o. Rn 10) kann der Käufer nach § 439 Abs. 1 Fall 2 auch die (erneute) Lieferung einer mangelfreien Sache fordern (sogenannte Nach- oder auch Ersatzlieferung). Der Verkäufer schuldet in diesem Fall eine vollständige Wiederholung der von ihm aufgrund des Kaufvertrags zu erbringenden Leistung.[31] Viel diskutiert ist die Frage, ob eine solche Ersatzlieferung auch beim Stückkauf in Betracht kommt.[32] Bereits die Möglichkeit einer Ersatzlieferung wird hier vielfach mit der Begründung geleugnet, der Vertrag beschränke sich bei einem Stückkauf von vornherein auf die eine (mangelhafte) Sache, sodass für deren Ersatz durch eine andere mangelfreie Sache kein Raum sei[33]. Die überwiegende Meinung billigt dagegen dem Käufer auch beim Stückkauf – unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen – einen Anspruch auf Ersatzlieferung zu[34]. Die Rechtsprechung stellt idR auf den (vermuteten) Willen der Parteien ab, sodass wohl vor allem bei Kaufverträgen des täglichen Lebens über vertretbare Sachen in der Mehrzahl der Fälle eine Ersatzlieferung in Betracht kommen wird, dagegen in aller Regel bei gebrauchten Sachen und vor allem bei Sachindividualitäten nicht[35].

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Zusätzliche Fragen werfen die so genannten Einbaufälle auf, in denen es um das Problem geht, wie zu verfahren ist, wenn der Käufer die mangelhafte Sache entsprechend ihrer Bestimmung in eine andere Sache, vorzugsweise in ein Gebäude eingebaut hat (s. dazu auch schon o. Rn 10). Die Rechtsprechung hatte hier schließlich – nach anfänglichem Zögern – die Verpflichtung des Verkäufers anerkannt, dem Käufer – als Teil der Nacherfüllung – die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Sache und des Wiedereinbaus der neuen mangelfreien Sache zu ersetzen.[36] Im Anschluss daran bestimmt jetzt § 439 Abs. 3 (von 2017), dass der Verkäufer bei Einbau der mangelhaften Sache in eine andere Sache verpflichtet ist, dem Käufer die für den Aus- und Einbau erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen.[37] Voraussetzung ist, dass der Käufer gutgläubig ist, dh den Mangel bei Einbau der Sache nicht kannte (§ 439 Abs. 3 S. 3 iVm § 442) und dass der Einbau der Art und dem Verwendungszweck der Sache entsprach (§ 439 Abs. 3 S. 1 HS 1). Das gilt – entgegen der bisherigen Rechtsprechung[38] – für alle Kaufverträge, also nicht nur für den Verbrauchsgüterkauf und außerdem gleichermaßen für die Fälle der bloßen Nachbesserung (s. o. Rn 10) wie die für die Fälle der Nachlieferung. Naturgemäß kann der Verkäufer durch diese erweiterte Nacherfüllungspflicht gegenüber dem Käufer erheblich belastet werden. Deshalb erleichtert ihm das Gesetz zugleich in den neuen §§ 445a und 445b (von 2017) den Rückgriff (oder Regress) gegen seinen Verkäufer, den so genannten Lieferanten.

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Zusätzliche Rechte hat der Käufer auch hier bei dem Verbrauchsgüterkauf des § 474 (s. § 6 Rn 1 ff), wie sich im Einzelnen aus § 475 Abs. 4 S. 2 und S. 3 sowie aus § 475 Abs. 6 ergibt. Aus § 475 Abs. 4 S. 2 folgt zunächst, dass der Verkäufer oder Unternehmer – wenn sich die Höhe der Kosten als unverhältnismäßig im Sinne des § 439 Abs. 4 erweist (s. dazu sogleich Rn 13 f) – den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag beschränken kann, wobei nach S. 3 der Vorschrift der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung der Mängel bei der stets erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.[39] Entstehen dem Käufer in den Einbaufällen Kosten, die letztlich der Verkäufer zu tragen hat, so kann er dafür außerdem von dem Verkäufer einen Vorschuss verlangen (§ 475 Abs. 6).

5. Ausschlussgründe, § 439

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Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers ist in einer Reihe von Fällen ausgeschlossen, die sich in erster Linie aus § 275 Abs. 1 bis 3 und § 439 Abs. 3 ergeben (vgl außerdem noch § 442 und dazu schon o. § 4 Rn 40 ff). Diese Ausschlussgründe müssen für die beiden Erscheinungsformen der Nacherfüllung (o. Rn 10 f) jeweils gesondert geprüft werden. Ist nur eine Art der Nacherfüllung ausgeschlossen, so bleibt der Anspruch des Käufers auf die andere davon unberührt, solange diese nicht ebenfalls ausgeschlossen ist (§ 439 Abs. 4 S. 3 HS 1). Der Nacherfüllungsanspruch ist ferner ausgeschlossen, wenn der Käufer den Eintritt eines Mangels der Sache in der Zeit zwischen Abschluss des Vertrages und Gefahrübergang zu vertreten hat, z. B. durch ihre schuldhafte Beschädigung anlässlich ihrer Besichtigung bei dem Verkäufer (§ 326 Abs. 2 und 6 Fall 1 analog)[40], sowie wenn der Käufer die Mängel selbst beseitigt, ohne zuvor dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben zu haben (oben Rn 8).

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Die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ist zunächst ausgeschlossen, wenn ihre Erfüllung dem Verkäufer unmöglich ist (§ 275 Abs. 1). Ein Beispiel ist die Lieferung einer gebrauchten Sache, deren Mangel nicht durch eine Reparatur beseitigt werden kann (Paradigma: Unfallwagen) und bei der auch eine Ersatzlieferung ausscheidet.[41]. Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ferner unter den Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 und 3 sowie gemäß § 439 Abs. 4 S. 1 verweigern, insbesondere also, wenn die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, wobei nach § 439 Abs. 4 S. 2 ua der (objektive) Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen sind, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer ausgewichen werden kann. Bei § 439 Abs. 4 handelt es sich um ein Einrederecht des Verkäufers, dessen Ausübung an keine besondere Frist gebunden ist (str), so dass sich der Verkäufer auf § 439 Abs. 4 auch noch im Rechtsstreit berufen kann, wenn der Käufer Klage auf Nacherfüllung erhoben hat.[42]

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Im Einzelnen hat man zwischen der relativen und der absoluten Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung zu unterscheiden. Von relativer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung spricht man, wenn gerade und nur die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung unverhältnismäßige und deshalb für den Verkäufer unzumutbare Kosten verursacht, z. B. die Nachlieferung im Vergleich mit der Nachbesserung als der anderen Form der Nacherfüllung.– Dies hat zur der Folge, dass der Käufer dann auf die andere Form der Nacherfüllung, in dem Beispiel also auf die Nachbesserung beschränkt ist (§ 439 Abs. 4 S. 3 HS 1).[43] Um einen Fall absoluter Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung handelt es sich dagegen, wenn mit beiden Formen der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verbunden wären, so dass dem Käufer dann nur die anderen in § 437 Nrn 2 und 3 genannten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, die von § 439 Abs. 4 unberührt bleiben.[44]

15a

In Literatur und Rechtsprechung finden sich vielfältige Versuche zur Entwicklung von Faustformeln für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten,[45] deren Berechtigung jedoch – mangels eines Anhalts im Gesetz – durchaus zweifelhaft ist[46]. Generell lässt sich wohl nur feststellen, dass bei neuen hochwertigen Sachen mit geringen Mängeln in der Regel lediglich eine Nachbesserung in Betracht kommen dürfte, während umgekehrt bei geringwertigen Massenprodukten eine aufwendige Reparatur regelmäßig gegenüber einer Ersatzlieferung unverhältnismäßig sein wird. Für den Verbrauchsgüterkauf des § 474 gelten wiederum durch die Rechtsprechung[47] erzwungene Sonderregeln, die sich seit 2017 in § 475 Abs. 4 finden. Nach der komplizierten Regelung kann der Verkäufer, wenn die eine Art der Nacherfüllung entfällt, z. B. die Nachlieferung nach § 275 Abs. 1 wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist oder wenn er sie nach § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 oder nach § 439 Abs. 4 S. 1 verweigern kann (s. Rn 14 f), grundsätzlich nicht auch noch die andere Art der Nacherfüllung, in dem Beispiel die Nachbesserung, wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern. Dieser andere Anspruch muss dem Käufer maW bei dem Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich verbleiben. Jedoch behält der Verkäufer in den Fällen des § 439 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 Fall 2, d. h. hinsichtlich der Kosten der Nacherfüllung sowie in den Einbaufällen, das Recht, den Aufwendungsersatz zumindest auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, wobei gemäß S. 3 der Vorschrift insbesondere der Wert der mangelfreien Sache und die Bedeutung der Mängel bei der stets erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Die Gerichte sind bei der Anwendung dieser komplizierten Vorschriften nicht zu beneiden.

Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › III. Rücktritt