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Impressum neobooks

Paul Wilson

Bad Boys of Vancouver 3

Vivian Valentine

Impressum

1. Auflage 2021

© Vivian Valentine – alle Rechte vorbehalten.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Sämtliche Personen sind frei erfunden. Mögliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig. Orte und Markennamen werden hier in einem fiktiven Zusammenhang verwendet und sind Eigentum der jeweiligen Inhaber.

Vivian Valentine

c/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

Vivian.valentine@web.de

Buchcovergestaltung: NessunoMass

https://www.instagram.com/nessunomass/

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Lektorat / Korrektorat: Summer Alesilia, Grace C. Node, Marina Ocean

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Ich widme dieses Buch drei ganz besonderen Frauen!

Summer, Marina und Grace!

Danke, dass ihr das alles möglich gemacht habt.

Wir haben immer gesagt, wir rocken das!

Und das haben wir!


»Verflucht, Carly!«, blaffe ich meine Cousine an und zerre sie in eine Nebenstraße von Granview-Woodland in Vancouver.

Die weißen Atemwölkchen vor meinem Gesicht sind seit einigen Blocks mein stummer Begleiter ebenso wie das Rasen meines Herzens. Der Alkohol in meinem Blut vernebelt mir schon ein wenig die Sinne und schwächt mich, aber zum Glück bin ich immer noch so klar, dass ich es geschafft habe, unsere Ärsche aus dem Clubhaus des Vancouver Venom MCs zu schaffen, ehe meine Kumpels sie oder mich aufgemischt hätten.

Obwohl wir eine Familie sind und die Biker einiges einstecken können, verstehe ich ihre Wut auf uns – bei dem Aufstand, den die Kleine dort angezettelt hat. Sich mit Reed O‘Neill, dem Sergeant at Arms des Clubs, anzulegen war einfach nur gequirlte Scheiße.

Meine verdammte Lunge brennt.

Ich scanne kurz die Umgebung und beschließe dann, dass wir weit genug vom Clubhaus, welches direkt bei den Docks in Downtown Eastside liegt, entfernt sind. Definitiv weit genug. Verdammt. Keuchend bleibe ich stehen. Den Umstand, dass ich eigentlich ins Bett gehöre, weil ich eine fiese Erkältung ausbrüte, ignoriere ich seit Tagen. Obwohl es mich anwidert, versuche ich mich mit Whisky zu desinfizieren und mache damit alles nur noch schlimmer.

»Was?«, keift Carly zurück. »Der Pisser hat es nicht besser verdient! Einfach vor meinen Augen mit einer anderen rumzumachen!« Wütend funkelt sie mich aus ihren haselnussbraunen Augen an. Der Stolz in ihnen, dass sie einem der ranghöchsten Mitglieder des berüchtigten Vancouver Venom MC fast die Nase gebrochen hat, ist überdeutlich erkennbar.

Ich zerre grob an ihrem Arm und schleife sie in eine windgeschützte Ecke der Gasse. Mein Puls beruhigt sich etwas, doch zeitgleich setzen die Kopfschmerzen ein. »Wie oft denn noch?« Meine Geduld ist am Ende und es geht mir immer beschissener. »Du bist nicht seine Old-Lady! Er kann ficken, wen immer er will, und das warst offenbar nicht mehr du!«

»Paul – du bist so ein Arschloch!« Ehe ich's mich versehe, reißt sie sich von mir los und stöckelt davon – geradewegs auf eine der vielen Metalltüren in dieser Hinterhofgasse zu.

»Verflucht!«, brülle ich, als es ihr gelingt, eine davon zu öffnen und darin zu verschwinden. O Mann, als hätte sie heute nicht schon genug angerichtet.

Ich setze mich schleunigst in Bewegung, meinen schwächelnden Körper ignorierend, folge ihr und reiße die Tür ebenfalls auf. Eine Duftwelle von Parfüm, Rauch und Alkohol schlägt mir entgegen und bewirkt, dass ich mich fast übergeben muss. Schnell folge ich Carly und stelle fest, dass wir in einem Club gelandet sind. Einem ziemlich großen und teuren Club, möchte ich behaupten, je tiefer wir in das Gebäude vordringen.

Zum Glück erwische ich Carly gerade noch, bevor sie in der Menge verschwindet. »Stopp!«, blaffe ich sauer. »Keinen Schritt weiter!«

Erschrocken bleibt sie tatsächlich vor mir stehen und nickt schließlich versöhnlich. »Wo sind wir hier?«

Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung, sieht aus wie ein Bonzen-Club. Was hältst du davon, wenn wir diesen Laden ein wenig aufmischen?«

Suchend sehe ich mich um. Für Carly ist das hier ein guter Ort für diese Nacht, entscheide ich spontan. Vielleicht findet sie hier sogar einen reichen Kerl, der sie zu einer anständigen Frau macht. So heiß wie meine Cousine in ihrem engen, silbernen Kleid und ihren goldblonden Haaren aussieht, sollte sich in diesem Schuppen wohl einer finden lassen. Zum Glück war gerade Zahltag im MC und ich habe etliche Dollars in der Tasche. Die Kohle ist einer der Gründe, warum ich unbedingt ein festes Mitglied im MC werden will, aber nicht der einzige. Doch um den Prospect-, also Anwärterstatus, loszuwerden, muss ich mich noch ein wenig mehr beweisen.

Es war alles etwas chaotisch in den letzten Jahren, seit unser alter President Teddy umgebracht wurde, aber ich habe Geduld. Und ohnehin keine Perspektive.

Fragend hebe ich eine Augenbraue und hoffe, dass Carly hierbleiben will. Außerdem brauche ich dringend einen weiteren Whisky, die Kopf- und Halsschmerzen werden immer schlimmer. Natürlich lasse ich mir nichts anmerken. Keiner soll denken, dass ich schwach bin.

Carly verzieht nachdenklich ihren Mund und schenkt mir schließlich ein Lächeln. »Ja. Ich glaube, das ist eine gute Idee! Wer braucht schon den dreckigen Reed und die blöde Bikerbande?« Ihr Spruch entlockt mir ein leises Lachen. Ich brauche die blöde Bikerbande definitiv, aber Carly? Bestimmt nicht! Sie hat etwas Besseres verdient, als das Leben, welches wir kennen. Auch dass sie als Escortlady bei dieser beschissenen Highlights-Agentur arbeitet, passt mir nicht. Doch leider sind wir nicht mit dem goldenen Löffel im Arsch geboren, wie all die reichen Wichser hier. Überall nur versnobte Yuppiärsche.

Red Continental, heißt der Schuppen offenbar, wie ich der vielfachen Leuchtreklame entnehme.

Ich schnaube. Es passt mir gar nicht, dass ich Silvester nicht mit meinen Kumpels feiern kann, aber das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Wenn ich mich heute Nacht noch mal dort blicken lasse, machen die mich fertig und binden mich an den Zaun des Grundstücks. Als Prospect hat man eben nichts zu lachen, wenn man Scheiße baut. Und ich für meinen Teil ziehe Ärger eben magisch an. Doch Carly ist eben die Familie, an die ich durch mein Blut gebunden bin, daher blieb mir nichts anderes übrig, als sie dort wegzuschaffen. Reed wird sich schon wieder beruhigen und morgen, wenn ich Glück habe, vergessen haben, was heute passiert ist.

Sanft dirigiere ich meine Cousine in Richtung einer der Bars, auch um zu verhindern, dass noch jemand dahinterkommt, dass wir keinen Eintritt bezahlt haben, weil wir uns auffällig am Hintereingang herumdrücken. Auf weiteren Stress kann ich heute Nacht echt verzichten. Daher ziehe ich vorsichtshalber meine Lederjacke mit dem MC-Symbol aus. In dem Aufzug hätte mich der Türsteher wohl kaum hereingelassen. Ice, unser President, würde mir den Arsch aufreißen, wenn er erfahren würde, dass ich die Kutte abgelegt habe – zurecht. Aber manchmal heiligt der Zweck die Mittel und vermutlich ist niemand hier, der es ihm erzählen wird. Ich verdränge jeden weiteren Gedanken über die Folgen dieser Nacht für mich. Den Konsequenzen stelle ich mich morgen. Neues Jahr, neues Glück, oder wie war das?

Unruhig sehe ich mich um.

Seit ich siebzehn bin und im MC rumhänge, habe ich keine andere Bar mehr als die unseres Clubhauses betreten und keine anderen Frauen als die Mädels, die sich uns im MC zur Verfügung stellen, gevögelt. Das hier könnte auf jeden Fall mal eine nette Abwechslung sein. Die Musik ist zwar komplett zum Kotzen, aber man kann eben nicht alles haben.

Carly und ich streifen durch den riesigen Partytempel und suchen uns eine der Bars aus, die nicht ganz so voll ist. Mir fallen sofort einige Singlefrauen auf und meine Laune steigt. Die erneute Schnapsinfusion lässt mich mein Unwohlsein vergessen und der Alkohol tut sein Übriges. Immerhin ist heute Silvester und ich habe vor, es jetzt doch noch richtig krachen zu lassen. Carly offenbar auch, sie hält mit jedem Drink, den ich in mich hineinschütte, mit. Eigentlich sollte ich sie dringend davon abhalten, denn dass sie sich in ihrem emotionalen Zustand so dermaßen besäuft, bedeutet nur Ärger. Noch mehr Ärger. Und davon haben wir beide eigentlich genug. Aber ich habe überhaupt keinen Bock, den Moralapostel zu spielen.

Eine Weile beobachte ich die feiernden und aufgetakelten Menschen. Mit meinen zerschlissenen Jeans, den unzähligen, sichtbaren Tattoos und den kurzgeschorenen schwarzen Haaren passe ich keinen Meter hier rein. Und genau das scheint einigen der anwesenden Frauen sehr gut zu gefallen. Ich flirte, aber so richtig festlegen kann ich mich nicht, denn die Auswahl ist groß.

Eine Stunde später fällt mir endlich eine Frau auf, die mir wirklich gefällt. Eine absolute Schönheit. Wenn ich sie vergleichen müsste, dann würde ich es wohl mit Schneewittchen tun. Ohne mich um den gesellschaftlichen Unterschied zu scheren, spreche ich sie an. Die anderen Frauen hätten mich liebend gern in ihr Bett geschleift, um sich mal von einem Bad Boy richtig hart ficken zu lassen. Warum sollte diese hier das anders sehen?

»Hey Süße, bist du allein hier?«, beginne ich das Gespräch ziemlich eloquent. Nicht. Verdammt, ich bin mittlerweile zu besoffen, aber jetzt einen Rückzieher zu machen, kommt nicht infrage. »Du siehst echt gut aus.« O verdammt Paul, halt einfach deine Fresse.

»Du bist betrunken, verzieh dich«, höre ich die heiße Schwarzhaarige sagen. Komisch, diese Worte höre ich an diesem Abend zum ersten Mal.

»Baby, du stehst doch auf die bösen Jungs!«, labere ich grinsend und leider ziemlich dämlich weiter. Eines steht fest, sie hat Klasse, auch wenn ihre Brüste fast aus dem Kleid fallen.

»Sag mal, hast du es immer noch nicht kapiert? Ich habe keinen Bock auf dich!«

Schade aber auch, bedauere ich mich innerlich.

»Als würdest du es mit diesem Kleid nicht darauf anlegen flachgelegt zu werden.« Fuck. Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt?! Meinem besoffenen Ego gefällt es offenbar nicht, jetzt auf einmal abgelehnt zu werden, wo ich mir bisher doch hätte, einfach eine aussuchen können.

Neben mir ertönt auf einmal ein raues Lachen. Irgendso ein fremder Kerl starrt mich missmutig an. Scheint so, als wäre er ebenfalls scharf auf die Braut. Dass er mir bekannt vorkommt, bilde ich mir wahrscheinlich nur ein.

»Hey Mann, du solltest dich bei ihr entschuldigen und dich dann schnell vom Acker machen. Kapiert?!«

Was für ein Lappen!

»Und warum sollte ich das tun? Was glaubst du, wer du bist, einfach mein Gespräch mit der Lady zu unterbrechen?« Genervt fixiere ich ihn. Wieder so ein Vollidiot, der mich wegen meines Äußeren verurteilt und glaubt, etwas Besseres zu sein.

»Es ist nicht wichtig, wer ich bin, es ist nur entscheidend, was ich mit dir mache, wenn du es nicht tust, Freundchen.«

Freundchen. Das hat der Penner nicht wirklich gesagt? Belustigt baue ich mich vor ihm auf. Der kriegt jetzt auf die Fresse, mit seinem dummen Gelaber.

Shit. In dem Moment, in dem ich mich von dem Barhocker erhebe, merke ich, wie mir schwindelig wird. Vermutlich habe ich mittlerweile hohes Fieber und der verdammte Alkohol macht es nicht besser.

Angewidert von mir selbst, zögere ich eine Sekunde. Dieser Kerl nutzt den Augenblick meiner Schwäche aus und bekommt mein Handgelenk zu fassen. Er schafft es, mich zur Seite zu drehen und mir in die Armbeuge zu schlagen. Ich versuche, ihn mit der anderen Hand zu erwischen, aber er drückt meinen Ellenbogen gegen seine Brust und verdreht mir mein verdammtes Gelenk. Fuck! Fluchend lasse ich die freie Hand sinken.

»Hol aus und ich breche dir das Gelenk«, knurrt er warnend.

Gott, ich möchte gerade nichts lieber, als diesem Pisser die Zähne rauszuschlagen. Doch leider darf ich hier nicht auffallen. Sollte Ice, mein Pres, mich jetzt hier aus der Scheiße holen müssen – und das auch noch ohne die Kutte am Leib! – würde ich wohl bis zum Ende meines Lebens der dämliche Prospect bleiben. Oder viel schlimmer noch: Ich würde vielleicht endgültig rausfliegen. Dann ... Fuck!

Angepisst nicke ich, als auf einmal ein weiterer Typ auftaucht. Mist. Scott Tyrell. Auch das noch. Seinem Aufzug nach, arbeitet er jetzt wohl in diesem Club als Türsteher. Ich kenne ihn von früher aus dem Boxclub, den ich schon lange nicht mehr besucht habe, seit ich mir meine dämliche Hand verstaucht habe, um genau zu sein. Doch ich mag den griesgrämigen Typ, der ein paar Jahre älter ist als ich.

»Paul, sag mal, was ist hier los? Und wie zum Teufel kommst du überhaupt hier rein?«, fragt er ruhig. Offenbar versucht er, die Situation sachlich einzuschätzen. Scott verengt die Augen und die Tatsache, dass er den anderen Typ offenbar auch kennt, rettet mir wohl gerade den Arsch. Finster sieht er den Kerl an. »Cole!«, knurrt er.

»Scott«, ätzt dieser, ohne mich loszulassen.

»Lass mich los«, blaffe ich und versuche mich aus dem Klammergriff zu befreien. Ich muss unbedingt hier weg! Leider muss ich zugeben, dass dieser Cole verdammt kräftig ist. Doch zum Glück stößt er mich dann endlich von sich.

»Verzieh dich und lass dich bloß nicht mehr in ihrer Nähe sehen«, schnauzt er mich an.

Ich würde ihm gern noch sagen, dass er seine Fresse halten soll, aber auf Tyrell habe ich noch weniger Bock. Ich schnappe mir meine Kutte, die über dem Barhocker hängt, auf dem ich gesessen habe, und laufe los.

»Hey!«, ruft Scott und folgt mir. Doch ich verschwinde in der Menge, ohne dass er mich erwischt.

Keine Ahnung, wo Carly ist, aber ich muss hier weg, bevor ich eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch bekomme. Nachdem ich Scott in der Menschenmenge abgehängt habe, sehe ich mich kurz suchend um. Keine Spur von Carly. Verdammt. Gerade als ich weiterlaufen will, pralle ich mit einer Blondine zusammen.

»Immer langsam, Großer!«

Um ein Haar hätte ich mit meiner Unachtsamkeit dafür gesorgt, dass sie ihr Getränk über sich schüttet. Ihre perfekt gezupfte helle Augenbraue hebt sich mit einem Hauch von Arroganz und ihr Blick fährt an meinem Körper auf und ab. Noch immer trage ich nur ein schlichtes schwarzes Shirt, welches sich eng um meinen Körper spannt, und halte meine Jacke in der Hand. Keine Ahnung, was in ihr vorgeht, doch statt des überheblichen Blickes tritt auf einmal ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ihr dunkelblondes Haar drapiert sich perfekt frisiert um ihre nackte Schulter. Sie trägt ein enges weißes Kleid und ihre zierlichen, manikürten Füße stecken in mörderisch hohen High Heels. Sie sieht unfassbar reich aus. Alles an ihr wirkt sehr teuer. Und sie strahlt noch etwas aus, was ich nicht sofort einordnen kann. Vor zwei Stunden hätte ich mein Glück bei ihr versucht und ihr den Fick ihres Lebens auf der Damentoilette verschafft, aber jetzt muss ich schleunigst verschwinden.

»Sorry!«, sage ich und hebe abwehrend eine Hand.

Sie nippt an dem Champagnerglas, welches sie noch immer elegant in der Hand hält und mustert mich nachdenklich. Fast hätte ich bei unserem Zusammenstoß das Glas getroffen. Aber ihre Reflexe sind offenbar besser als meine. Ich schenke ihr ebenfalls ein Lächeln und versuche, mich an ihr vorbeizuschieben. Ihre Hand berührt jedoch meinen Oberarm, um mich aufzuhalten. Stirnrunzelnd betrachte ich ihre zierlichen Finger, die auf meiner bunten Haut irgendwie fehl am Platz aussehen.

»Warte! Oder bist du auf der Flucht?« Ihr Blick sucht kurz die Umgebung ab und verharrt dann für eine Sekunde auf der Empore, unter der wir uns befinden. Eine Clique von reichen Muttersöhnchen, ungefähr in unserem Alter, feiert dort grölend ins neue Jahr. So ist das also, erörtere ich innerlich, als einer der Yuppies finster auf uns herab starrt.

»Ja, bin ich.«

Ohne sie weiter zu beachten, setze ich mich in Bewegung. Wieder umklammert sie mich. Ihr Griff ist erstaunlich fest für so eine zierliche Frau. Vermutlich macht sie viel Sport, so wie sie aussieht.

»Ich kann dir helfen!«, ruft sie und schaut ein letztes Mal nach oben, ehe sie ihre komplette Aufmerksamkeit auf mich richtet. »Ich wollte eh gerade gehen. Mein Auto steht vor der Tür.«

Vielsagend wandert mein Blick zu dem Glas Champagner in ihrer Hand, welches sie sogleich wegstellt. Aber verdammt, ich bin kein Bulle. Falls wir mit denen Ärger wegen Alkohol am Steuer bekommen, werde ich behaupten, dass ich gefahren bin. Dafür haben wir ja Xavier McLane, den alten Rechtsverdreher. Der gewiefte Mistkerl hat es bisher noch jedes Mal geschafft, mich oder die anderen Biker aus der Scheiße rauszuboxen.

Ich nicke. »In Ordnung. Lass uns verschwinden.«


Kaum dass wir den Club verlassen haben, fährt tatsächlich ein Porsche Cayenne vor. Meine blonde Retterin übernimmt den Schlüssel von dem Angestellten und läuft um das Auto herum, um einzusteigen. Ich hatte mich nicht geirrt, das hier ist ein Bonzen-Club, wenn es sogar einen Parkservice gibt.

Frierend steige ich in den Wagen. »Warum hast du keinen Fahrer?«, frage ich mit kratziger Stimme, während ich mich umständlich in meine Jacke quäle. Mir ist kalt. Zu allem Überfluss fängt es schon wieder an zu schneien. Bevor sie antworten kann, muss ich kräftig niesen. Mein Schädel dröhnt und ich fühle mich endgültig wie ausgekotzt. Stöhnend lehne ich meinen Kopf gegen die Beifahrerlehne und schließe für einen Moment die Augen.

»Weil ich durchaus in der Lage bin, selbst ein Auto zu fahren.« Sie klingt verärgert.

Interessiert öffne ich meine Lider wieder und sehe zu ihr. »Trinken und fahren ist allerdings nicht besonders cool«, reize ich sie weiter.

Ihre Reaktion ist genau wie erwartet. »Du siehst nicht aus wie ein Kerl, der sich besonders für Gesetze interessiert.« Wieder ruckt eine ihrer perfekten Augenbrauen in die Höhe.

»Keine Ahnung, wie du darauf kommst«, necke ich sie und richte mich unter Anstrengung auf.

»Haha«, erwidert sie ironisch. Konzentriert lenkt sie den Wagen durch die letzte Nacht dieses Jahres. Die Uhr im Armaturenbrett zeigt kurz nach 23:00 Uhr an. Dass es noch so verdammt früh ist, war mir gar nicht bewusst. Ich räuspere mich. »Wo fahren wir eigentlich hin?«

»Zu mir. Du siehst aus, als könntest du ein Bett vertragen.« Das fiese Grinsen in ihrem Gesicht gefällt mir nicht.

»Ach was. Ich komme schon zurecht«, sage ich, begleitet von einer Hustenattacke.

»Aha«, antwortet sie einsilbig. Dann schaut sie zu mir rüber. »Willst du nicht mit mir kommen?«

Misstrauisch starre ich zurück. »Ich denke, das wäre keine gute Idee.« Reiche Mädchen zu ficken bedeutet immer nur Ärger. Die meisten finden es so geil, sich von einem Bad Guy ficken zu lassen, dass sie einen erpressen, es noch mal zu tun und einem für eine Weile das Leben zur Hölle machen, wenn man es nicht will. Und ja – ich spreche aus Erfahrung. Tätowierte Biker scheinen heiß begehrt zu sein, gerade in der High Society. Und das weiß ich deshalb, weil sich des Öfteren welche in unser Clubhaus verirren, welches ja nicht geheim ist.

»Wo soll ich dich absetzen?« Dieses Mal klingt sie schnippisch, wenn auch ein bisschen unsicher. Genau das, was ich nicht brauchen kann.

»Ich muss nach Downtown Eastside.« Mein Ton lässt keinen Widerspruch zu, als ich ihr den Weg erkläre.

Ihr Blick huscht über den, mit dem Clubsymbol des Vancouver Venom MCs versehenen, Ärmel meiner Jacke. »Du gehörst also wirklich zu den Bikern?«

»Jep.« Wieder muss ich niesen. Als ob ihr das nicht aufgefallen wäre!

»Und warum warst du dann ausgerechnet in dieser Nacht in m... äh, in dem Club statt bei deinen Kameraden?«

»Ich hatte mächtig Ärger«, bleibe ich vage und wische meine Nase an meinem Ärmel ab.

»Ah.«

Eine Weile fahren wir schweigend durch die Nacht. Der beschissene Schnee peitscht unerbittlich gegen die Frontscheibe, sodass die Scheibenwischer alle Hände voll zu tun haben. »Du siehst scheiße aus. Ich kann dir wirklich helfen«, versichert sie ein weiteres Mal. Scheinbar hat sie ein Helfersyndrom, sonst würde sie mir wohl kaum ihre Hilfe anbieten. Vielleicht bin ich ja auch ihr soziales Projekt für diesen Abend. Reiche stehen doch auf diesen Charity-Scheiß.

»Bullshit. Lass mich einfach an den Docks raus, ich bin nicht länger dein Problem.« Mir wird dieses Gespräch und überhaupt alles zu viel, die Müdigkeit übermannt mich. Natürlich ist mir klar, dass ich mich heute nicht mehr im Clubhaus blicken lassen kann, aber dort liegt mein Schlüssel. Aber meine Mutter wohnt auch in der Nähe und ich werde die Nacht einfach bei ihr verbringen. Seufzend richte ich mich erneut auf. Oder ich schlafe in der nächsten Bushaltestelle, was wahrscheinlich die bessere Option als meine Mom wäre. Ich bin einfach verdammt müde ...

»Hey du!« Irgendwas rüttelt an mir und ich schrecke hoch. Die Beifahrertür steht offen und vor mir steht die Blonde aus dem Club.

»Was?« Verdutzt sehe ich sie an. Scheiße, ich muss eingeschlafen sein. Verfluchter Alkohol!

»Du bist offenbar total im Eimer, daher sind wir doch zu mir gefahren. Los!«, drängt sie und versucht erfolglos, mich aus dem Auto zu zerren.

»Ich komm ja«, krächze ich widerwillig und klopfe schnell meine Jackentaschen ab. Mein Handy ist da, das ist das Wichtigste. Alles andere habe ich ohnehin im Clubhaus vergessen, weil Carly und ich schnell einen Abflug gemacht haben.

Ich steige aus dem Auto und sehe mich um. Wir befinden uns vor einem schicken Appartementblock, in einem Viertel, wo ich noch nie zuvor gewesen bin. Obwohl mein Kopf noch immer schmerzt, hat mir der kurze Powernap gutgetan. Mein Kopf funktioniert wieder – und er sagt mir deutlich, dass ich hier nichts verloren habe. Dennoch folge ich ihr und gebe meinen Widerstand auf. Wir scheinen am anderen Ende der Stadt zu sein, ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten und habe ohnehin keinen Schlafplatz in dieser Nacht.

»Wie heißt du eigentlich?«, frage ich neugierig.

»Jasmine«, sagt sie mit stolzer Stimme und hält eine dieser modernen Schlüsselkarten vor einen Summer, als wir das Haus erreichen. Dasselbe tut sie noch mal direkt am Aufzug. Dieses Haus glänzt und wirkt komplett steril. Kein Vergleich zu der winzigen Wohnung, in der ich lebe, seit ich von meiner Mutter weg bin.

Der Aufzug kommt und wir steigen beide ein. Unschlüssig vergrabe ich die Hände in den Hosentaschen. Ich wüsste gern, warum die reiche kleine Lady unbedingt darauf besteht, mich mit zu sich nach Hause zu nehmen und ob ich richtig liege, dass es mit Schmierlappen von der Empore des Clubs zu tun hat.

»Warum hast du keine Angst vor mir?«, frage ich unvermittelt.

Ihre lindgrünen Iriden mustern mich nachdenklich. »Das wüsste ich auch gern.«

Ich lache leise und schüttle ungläubig den Kopf. Verrückte Nacht. »Ich bin übrigens Paul.« Vermutlich ist es angebracht, dass ich mich ebenso vorstelle, auch wenn sie nicht nach meinem Namen gefragt hat. Mehr als ein stummes Nicken erhalte ich nicht und ehe peinliches Schweigen entsteht, stoppt der Aufzug in der ersten Etage. Wir sind da. Erneut stöckelt sie voraus und ich folge ihr schweigend. Viele Türen gibt es nicht auf dem Flur und sie öffnet die, welche am Ende des Ganges liegt. Alles hier ist so verflucht klinisch rein, wie ich es noch nie in meinem Leben gesehen habe. Während ich mich noch frage, ob ich die Schuhe ausziehen sollte, bittet sie mich herein.

»Na komm. Dahinten ist das Gästezimmer samt Bad. Dort kannst du duschen und schlafen. Ich mache dir noch alles fertig und stelle dir Wasser und ein paar Schmerzmittel hin.« Herausfordernd sieht sie mich an und kommt dann ein Stück auf mich zu. Ich wage es nicht, mich zu bewegen, als sie dicht an mich herantritt und sich an mir festhält. »Und Paul?«

»Ja?«, raune ich.

»Behalt deine Pfoten bei dir und bleib in deinem Bett!« Sie schenkt mir ein schnippisches Lächeln, stellt sich auf die Zehenspitzen und ... küsst mich!

Verfluchte Scheiße. Der Kuss schmeckt süß und verwirrt mich ehrlich gesagt komplett. »Happy New Year, Paul«, flüsterte sie plötzlich an meine Lippen und lässt mich verdutzt zurück.

Ja. Happy fucking New Year.

Draußen knallt und dröhnt es plötzlich und erinnert mich daran, dass ja Silvester ist. Raketen steigen in die Luft und der Himmel färbt sich bunt. Doch ich hatte noch nie etwas dafür übrig, daher zieht es mich weder ans Fenster noch raus. Unschlüssig streiche ich mir über mein raspelkurzes schwarzes Haar und sehe mich neugierig um.

Die Wohnung ist ebenso weiß und clean, wie dieses ganze verdammte Haus. Aber nun, da ich schon mal hier bin, begebe ich mich zu der Tür, auf die Jasmine eben gezeigt hat. Eine heiße Dusche, ein weiches Bett und ein paar Aspirin werden mich schon wiederherstellen. Das wäre gut, denn morgen erwartet mich eine harte Abreibung im Club, weil ich einfach abgehauen bin. Außerdem habe ich keinen Schimmer, wo Carly ist. Große Sorgen mache ich mir allerdings nicht, denn wenn eine klarkommt, dann sie.

Das Gästezimmer wirkt wie ein Hotelroom. Es riecht frisch und zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben werde ich in einem Boxspringbett schlafen.

Die ganze Situation ist schon fucking gruselig. Aber was nützt es jetzt?

Als das heiße Wasser wohlig meinen Rücken herunterläuft, frage ich mich, ob diese Jasmine vielleicht eine Serienkillerin ist. Warum sonst sollte sie mich mit in ihre Wohnung nehmen, obwohl sie keinen Sex will?

Ich seife mich mit dem gut riechenden Duschgel ein, welches offenbar für Gäste bereitgestellt wurde. Die heiße Dusche entspannt mich und das Nachdenken fällt mir leichter. Der Typ auf der Empore im Club, muss ihr Freund sein. Und mein Zweck ist vermutlich schlicht und einfach, ihn wütend zu machen. Wer weiß, was er Jasmine angetan hat, aber sie wirkt wie eine Frau auf mich, die weiß, was sie will – und was nicht. Morgen werden dem Yuppie wahrscheinlich ein paar Leute berichten, dass der große böse Biker mit Jasmine in deren Wohnung verschwunden ist. Da sie kein Interesse an Sex mit mir hat, habe ich durch meine Anwesenheit wohl meinen Zweck erfüllt. Falls meine Theorie stimmt, scheint sie immerhin treu zu sein. Ein Miststück – aber ein loyales.

Ich stelle die Dusche ab und hülle mich in eins der Handtücher. Sogar Zahnbürsten gibt es hier und ich bin froh, endlich den widerwärtigen Geschmack in meinem Mund loszuwerden. Eigentlich verabscheue ich Alkohol, aber leider fällt mir momentan keine andere Lösung ein, als diesen zu trinken, um mit meinen Problemen fertig zu werden.

Nachdem ich mich endlich frisch und sauber fühle, trete ich aus dem Bad in das angrenzende Schlafzimmer. Weiß. Alles hier ist einfach nur weiß. Wie versprochen stehen jedoch zwei Wasserflaschen und zwei orangefarbene Dosen mit Tabletten für mich bereit. Ist sie doch eine Serienkillerin?

Fuck. Mein Schädel hämmert wieder zu sehr, um mir weiter darüber Gedanken zu machen. Entweder bringen mich diese Pillen um oder Ice übernimmt morgen diesen Job. Mir egal. Ich werfe mich aufs Bett, schlucke von jeder Pillensorte eine und will jetzt nur noch schlafen.

Am nächsten Morgen erwache ich und fühle mich noch immer wie von einem Truck überfahren. Die Tabletten haben zwar geholfen, dass ich ein paar Stunden durchgeschlafen habe, aber mein höllischer Kater gepaart mit der Erkältung machen den Tag heute sicherlich zur Todesqual. Als Erstes checke ich mein Handy. Carly hat mir geschrieben, dass es ihr gutgeht und dass sie einen Schlafplatz für die Nacht gefunden hatte. Ich soll mir keine Sorgen machen. Von Ice habe ich ebenfalls eine Sprachnachricht, die charmanter nicht sein könnte.

»Prospect! Wo steckst du kleiner Wichser? Schwing deinen Arsch gefälligst zum Clubhaus und bring Kaffee mit! Wir haben noch ein Hühnchen zu rupfen. Also: SOFORT!« Er brüllt mehr, als dass er spricht, daher steige ich hastig aus dem Bett und schlüpfe in meine Klamotten. Innerlich fuckt es mich total ab, immer den Affen machen zu müssen, und ich hätte nicht übel Lust, Ice mal eine zu verpassen, die sich gewaschen hat. Doch bedauerlicherweise habe ich nichts anderes als den Club. Keinen Job, keine richtige Familie und nicht mal einen verdammten Schulabschluss. Alles, was ich habe, ist mein altes Bike und die Aussicht, bald ein festes Member des Vancouver Venom MC zu sein. Immerhin verdient sich die Miete nicht von allein. Und da ich leider einen beschissenen Start ins Leben hatte, bleibt mir nur ein schlecht bezahlter Hiwi-Job an den Docks oder aber das schnelle Geld und reichlich Ansehen im MC. Daher gibt es nur den einen Weg für mich.

Da ich keine Ahnung habe, wo ich bin, ziehe ich mich zügig zu Ende an und sehe mich ein letztes Mal um. Die Tabletten, die mich immerhin nicht umgebracht haben, nehme ich mit, ebenso wie eine der Wasserflaschen. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es gerade mal sieben Uhr morgens ist. Dass Ice schon wach ist, kann nur bedeuten, dass er noch gar nicht geschlafen hat. Fuck, das bedeutet nichts Gutes.

Ohne mich von Jasmine zu verabschieden, schleiche ich leise aus der Wohnung. Unten vor dem Haus angekommen, blicke ich ein letztes Mal wehmütig nach oben. So etwas Nettes, egal mit welchem Hintergedanken, hat noch nie jemand für mich getan. Doch ich schüttle den Gedanken schnell ab.

12,83 zł