Die zwölf Jünger Jesu

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Zu 3: Ein unbestimmter μαθητής

. Die folgenden drei Vorkommen von „Jünger“ beziehen sich nicht direkt auf konkrete Personen (vgl. zum Folgenden II,1.2).

Erstens Mt 10,24f:

 Die ersten beiden Vorkommen „(ein) Jünger“ (10,24: μαθητής) und „dem Jünger“ (10,25: τῷ μαθητῇ) sind Teil der Aussendungsrede Jesu 10,5-42. Jesus adressiert darin die zwölf Jünger (10,1; 11,1), die er im unmittelbaren Kontext von 10,24f direkt anredet (man beachte ὑμᾶς in V.23 und Μὴ οὖν φοβηθῆτε in V.26). Die Propositionen Οὐκ ἔστιν μαθητὴς ὑπὲρ τὸν διδάσκαλον und ἀρκετὸν τῷ μαθητῇ ἵνα γένηται ὡς ὁ διδάσκαλος αὐτοῦ klingen wie allseits bekannte Regeln über ein normales bzw. ideales Lehrer – Schüler-Verhältnis. Diese Regel dürfte im Zusammenhang von 10,16-39 die semantisch-kommunikative Funktion einer Erklärung für die Verfolgungssituation der Schüler bzw. Jünger Jesu einnehmen.

Zweitens Mt 10,42

: im Ausdruck „im Namen eines Jüngers“ (εἰς ὄνομα μαθητοῦ) ist „Jünger“ ebenfalls allgemein formuliert, wobei es aber keine allseits bekannte Norm widergibt wie die beiden ersten Vorkommen. Zwar werden zunächst in V.40a die zwölf Jünger adressiert (man beachte ὑμᾶς), aber die Verse 41 und 42 sind grundsätzlich formuliert, nach dem Prinzip einer Verheißung „wer das tut, dem geschieht das“.



Schließlich ist zu fragen, auf wen das Verb μαθητεύω bezogen ist? Beim

ersten

 Mal ist μαθητεύω auf einen „Schriftgelehrten“ bezogen (Mt 13,52): διὰ τοῦτο πᾶς γραμματεὺς μαθητευθεὶς τῇ βασιλείᾳ τῶν οὐρανῶν . Die einzige Bedingung bzw. Qualifizierung ist, dass er ein „Jünger des Himmelreichs geworden ist“. Interessanterweise ist der Schriftgelehrte kein Jünger Jesu geworden, sondern ein Jünger des Himmelreichs. Dennoch kommuniziert diese Formulierung, dass der Schriftgelehrte dadurch (indirekt) ein Jünger Jesu wird. Diese einzigartige Kombinationsart erklärt sich nämlich dadurch, dass es ein Bestandteil der Gleichnisrede ist, bestehend aus diversen Gleichnissen zum „Himmelreich“. Und laut 13,10-17 ist es ausschließlich Jesu Jüngern gegeben, die Himmelreich-Gleichnisse zu wissen und zu verstehen. Folglich gehört auch der Schriftgelehrte aus 13,52 zu diesen Jüngern.30 Das Adjektiv πᾶς macht zwar deutlich, dass keine

bestimmte

 Person mit „Schriftgelehrter“ gemeint ist, auch kein „Schriftgelehrter“ aus dem Zwölferkreis, aber es verbindet dennoch beide Konzepte „Schriftgelehrter“ und „Jünger“ miteinander (s.o. zu 8,19.21). Denn dadurch, dass Jesus seinen Jüngern die Geheimnisse des Himmelreichs durch seine Erläuterungen aufdeckt (13,10-17.18-23.36-43), gleichen indirekt auch sie einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Altes und Neues hervorholt. In diesem Lehrkontext könnte es legitim sein, statt „Jünger“ den spezielleren Begriff „Schüler“ zu wählen. Das

zweite

 Verb ist auf Joseph von Arimathäa bezogen (27,57): ὃς καὶ αὐτὸς ἐμαθητεύθη τῷ Ἰησοῦ. Dieser Mann, der „ein Jünger Jesu geworden war“, war mit Sicherheit kein Mitglied des Zwölferkreises, sondern – gemäß dem, was man allein aus dem MtEv schließen kann – ein ansonsten Unbekannter, der reich war und möglicherweise gute politische Kontakte hatte, da er sich Zutritt zu Pilatus verschaffen konnte. Das

dritte

 Verb ist dagegen wieder auf eine allgemeine und unspezifische Menschenmenge bezogen (28,19): πορευθέντες οὖν μαθητεύσατε πάντα τὰ ἔθνη . Die elf Jünger sollen andere Menschen „zu Jüngern machen“. Auffallend ist, dass die Herkunft der zukünftigen Jünger international ist: sie stammen potentiell aus allen Völkern.






2.3 Ergebnis und Schlussfolgerungen



Erstens

. Mit μαθητής werden nicht nur konkrete Anhänger (oder „Schüler“) Jesu bezeichnet, sondern auch die Anhänger des Johannes, die Anhänger der Pharisäer und allgemeine, „ideale“ Anhänger (oder „Schüler“) Jesu. Welche dieser Jüngergruppen Mt mit μαθητής meint, lässt sich jeweils am unmittelbaren Kontext feststellen.

Zweitens

. Klar ist, dass alle Glieder des Zwölferkreises „Jünger“ sind: Mt bezeichnet sowohl eine Teilmenge der Gruppe als auch die Gesamtgruppe so. Damit scheiden die Modelle 5, 4 und 1 aus (s.o. I,2.1).

Drittens

. Wesentlich schwieriger zu bestimmen ist, ob Mt mit dem Substantiv μαθητής auch weitere (historische) Personen außerhalb des Zwölferkreises bezeichnet: stimmt also Modell 2 (Jünger = 12) oder Modell 3 (Jünger = 12 + x)? Selbst wenn neben dem „anderen der Jünger“ (Mt 8,21) auch der Schriftgelehrte (8,19) ein Jünger war, besteht die Möglichkeit, dass beide Personen Teil des Zwölferkreises waren. Doch weil der „andere der Jünger“ bereits in 8,21 zu den Jüngern gezählt wird, also am Anfang des Gesprächs mit Jesus über eine Jesusnachfolge, die die Vernachlässigung familiärer Pflichten zur Folge haben kann, ist es durchaus wahrscheinlich, dass es zwei verschiedene Arten der Jesusjüngerschaft gab, und das schon relativ früh in Jesu Wirken, wie es Mt darstellt (vgl. 8,21 mit 4,18-22). Desweiteren spricht mehr dafür, dass Jesus in 10,1 den (evtl. bereits bestehenden) Zwölferkreis aus einer größeren Jüngergruppe herausrief (wenngleich nicht unbedingt „berief“ im Sinne einer Konstituierung), als dass Jesus bereits in 9,37f ausschließlich den Zwölferkreis adressierte. Doch am deutlichsten ist das Verb μαθητεύω: weil es zu demselben semantischen Feld zählt wie das Substantiv, gibt es einen eindeutigen Beleg für die Existenz einer historischen Person, die ein Jesusjünger war, aber nicht dem Zwölferkreis entstammte, nämlich Joseph von Arimathäa (27,57). Diese drei Sprachverwendungen, von μαθητής in 8,21 und 9,37 und von μαθητεύω in 27,57 sollten auf der Sprachsystemebene berücksichtigt werden. Deswegen spricht der Gesamttext eher für Modell 3.








Viertens

. Dieses Hyperonym – Hyponym-Modell erklärt auch Einzelpassagen, in denen Mt offensichtlich μαθητής als absolutes Synonym für die Zwölf verstanden haben will. Diese kontextbedingten Synonyme sind aber kein Beleg für die Synonymität beider Größen auf der Sprachsystemebene. Mit anderen Worten: Man darf kontextbedingte Synonyme nicht dahingehend pauschalisieren, dass in allen anderen Kontexten ebenfalls Synonymität vorliegt! Konkret bedeutet das: Man sollte mit einem größeren Jüngerkreis (inklusive der Zwölf!) rechnen, außer Mt deutet es im Kontext an, dass nur die Zwölf oder Einzelne der Zwölf mit „Jünger“ gemeint sind.1

Fünftens

. Wenn man nun grundsätzlich mit der Möglichkeit rechnet, dass Mt mit „Jünger“ verschiedene Jesusjünger meint, dann ist es nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, dass der Leser beim Auftreten von μαθητής zunächst an die ihm bekannten Personen denkt: ab Mt 4,18-22 an die beiden Brüderpaare, ab 9,9-13 zusätzlich an den Zöllner Matthäus und ab 10,1-4 an die Zwölf, usw. Dennoch müssen nicht immer alle als „Jünger“ bekannten Personen vollzählig anwesend zugegen sein, wenn von οἱ μαθηταί die Rede ist. Mit anderen Worten: Mit οἱ μαθηταί können mehr oder weniger als die zwölf Jünger gemeint sein (die in Modell 3 verschieden groß gezeichneten Kreise sollten nicht als Widerspiegelung des realen Größenverhältnisses verstanden werden). Demnach sollte der Leser die genaue Größe der Gruppe der Jünger und ihre genaue personelle Zusammensetzung offenlassen, wenn Mt im Kontext keine klaren Angaben zur Personenidentität macht.





2.4 Das Vorkommen der zwölf Jünger im MtEv und eine erste Stellenauswahl



Eine Studie zum Thema „Die zwölf Jünger im MtEv“ behandelt im Idealfall alle Textpassagen des MtEv, die Verweise auf ebendiesen Zwölferkreis enthalten. Besonders gewichtig für die Identifizierung der Figurengruppe Zwölferkreis ist ihre explizite Benennung. Denn der Gruppenname enthält häufig bereits eine erste Definition, d.h. er zeigt welche Merkmale die Einzelfiguren zu einer Figurengruppe vereint.1 Der Begriff μαθητής ist ein solches

nomen appellativum

. Die bezeichneten Personen sind Jünger

von

 jemandem, der sie in bestimmten Lebensbereichen anleitet. Bei der Benennung δώδεκα μαθηταί wird das „Jünger“-Konzept um eine weitere numerische Information ergänzt und die Gruppe auf zwölf bestimmte Einzelpersonen beschränkt. Dieser Ausdruck „zwölf (Jünger)“ ist stabil und kann nicht in Spannung geraten mit im Text beschriebenen Charaktermerkmalen.2



Die Kardinalzahl δώδεκα kommt im MtEv 13 Mal vor. Nicht (direkt) relevant sind folgende vier Vorkommen:3 In Mt 9,20 (δώδεκα ἔτη) gibt die Zahl „Zwölf“ die Krankheitsdauer von zwölf Jahren an. In 14,20 (δώδεκα κοφίνους) wird die Menge von zwölf mit Brot gefüllten Körben nicht (im übertragenen und außerdem vielleicht ironischen Sinne) auf die Anzahl der an der Speisung beteiligten Jünger bezogen.4 In 26,53 (δώδεκα λεγιῶνας ἀγγέλων) hat die Anzahl von zwölf Engel-Legionen höchstens einen indirekten Bezug zu den zwölf Jüngern. In 19,28 (τὰς δώδεκα φυλὰς τοῦ Ἰσραήλ) gibt es zwar einen Zusammenhang zwischen den zwölf Stämmen Israels und dem Zwölferkreis (vgl. das nächste Vorkommen), aber die Zahl „Zwölf“ beschreibt hier die Vollzahl der zwölf Stämme Israels. Dagegen zählt ein fünftes Vorkommen, nämlich δώδεκα θρόνους in demselben Vers 19,28, zu den relevanten Stellen zum Thema „Zwölferkreis“, weil es die Thronplätze sind, auf denen die zwölf Jünger sitzen werden. Es sind folglich neun relevante Stellen, die direkt auf den Zwölferkreis referieren: 10,1.2.5a (10,1: τοὺς δώδεκα μαθητὰς αὐτοῦ; 10,2: Τῶν δὲ δώδεκα ἀποστόλων; 10,5: Τούτους τοὺς δώδεκα); 11,1 (τοῖς δώδεκα μαθηταῖς αὐτοῦ); 19,28 (δώδεκα θρόνους); 20,17 (τοὺς δώδεκα ); 26,14.20.47 (26,14: εἷς τῶν δώδεκα; 26,20: μετὰ τῶν δώδεκα; 26,47: εἷς τῶν δώδεκα). Fokussiert man sich aber auf diejenigen Stellen, die wesentliche Aussagen über den Zwölferkreis treffen, dann lassen sich 26,14 und 26,47 vernachlässigen, weil hier der Zwölferkreis zwar genannt wird, aber nur in dem Zusammenhang, dass Judas zu ebendiesem gehörte (zur Relevanz von Einzelfiguren des Zwölferkreises gleich mehr).5 Ergänzend zur Zahl „Zwölf“ kommen die Zahlen „Elf“ und „Zehn“ hinzu, natürlich nur unter der Vorausssetzung, dass sie das Phänomen „Zwölferkreis“ beschreiben: Die Kardinalzahl ἕνδεκα kommt im MtEv ein einziges Mal vor, nämlich in 28,16 (Οἱ ἕνδεκα μαθηταί), mit der sie tatsächlich eine Personenzahl der Jüngergruppe bezeichnet: gemeint sind die aus 10,2-4 bekannten elf Jünger (Zwölf minus Judas).6 Die Kardinalzahl δέκα kommt im MtEv drei Male vor: in 20,24 (οἱ δέκα; auf die zehn Jünger bezogen: Zwölf minus die beiden Zebedaiden); 25,1 (δέκα παρθένοις; zehn Jungfrauen) und 25,28 (τὰ δέκα τάλαντα; zehn Talente). Von diesen Vorkommen ist 20,24 für das Verständnis des Zwölferkreises relevant, weil hier die zehn Jünger auf das Verhalten der anderen beiden Jünger des Zwölferkreises in 20,20-22 reagieren. Nach den Zahlen „Zwölf“, „Elf“ und „Zehn“ ist im MtEv die Summe von vier Jüngern in 4,18-22 die nächstkleinere Zahl von Personen, die zum Zwölferkreis zählen. Allerdings wird in der folgenden Auslegung weder dieser Abschnitt noch irgendein anderer Abschnitt, der von vier, drei oder weniger Jüngern berichtet, berücksichtigt, erstens weil mit abnehmender Zahlengröße die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Gesamtgröße Zwölferkreis gemeint ist, und zweitens weil es methodisch problematisch ist, einzelne Jünger zu „typischen“ Figuren des Zwölferkreises zu erklären (dazu gleich mehr).

 



Weil die zwölf Jünger zu Jesu wichtigsten μαθηταί zählen, sind die Aussagen des MtEv über Jesu „Jünger“ im Allgemeinen auch für die „zwölf Jünger“ relevant. Z.B. legt der Ausdruck οἱ μαθηταί in Mt 13,10 nahe, dass auch die Zwölf zu den „Jüngern“ gehören, denen Jesus die Gleichnisse erklärt (was durch weitere Aussagen des MtEv über das Spezialwissen der zwölf Jünger gestützt wird, z.B. in 10,26f oder 20,17-19). Doch eine Auslegung sämtlicher Passagen des MtEv, in denen der Begriff μαθητής / μαθηταί vorkommt, würde im Ergebnis ein Gesamtbild der

Jünger

 Jesu ergeben, aber kein Gesamtbild speziell der

zwölf Jünger

. Um Letzteres zu erreichen, müsste man eigentlich drei Schritte gehen (die ersten beiden können getauscht werden): Erstens legt man alle Passagen aus, die speziell von den zwölf Jüngern handeln. Zweitens legt man alle Passagen aus, die von den Jüngern im Allgemeinen handeln. Und drittens vergleicht man beide Auslegungen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zueinander. Die vorliegende Arbeit fokussiert sich allerdings auf den erstgenannten Schritt. Darin liegt aus methodischer Perspektive einerseits eine Schwäche dieser Arbeit, andererseits ist diese Schwäche kaum zu vermeiden. Denn an der Beschränkung auf die Passagen des MtEv, die ausdrücklich auf den Zwölferkreis verweisen, zeigt sich ein grundsätzliches methodisches Problem, das bei der Analyse

jeder

 Einzelfigur und Figurengruppe auftaucht: Soeben wurde festgestellt, dass es für ein Gesamtbild der zwölf Jünger notwendig ist, im zweiten Schritt ein Gesamtbild der allgemeinen Jünger zu entwerfen. Allerdings genügt es auch für ein Gesamtbild der allgemeinen Jünger eigentlich nicht, alle Passagen des MtEv mit den Vorkommen des Begriffs μαθητής / μαθηταί auszulegen. Dafür müsste man nämlich weitere Schritte gehen, indem man auch die anderen Figuren des MtEv analysiert, weil sie zumindest auf indirekte Weise Aussagen über die allgemeinen Jünger treffen. So ist aus diversen Jesusworten, ob er sie z.B. an das (eher neutrale) Volk oder z.B. an bzw. gegen die (eher negativen) Schriftgelehrten und Pharisäer richtet, ableitbar, wie er sich einen idealen Jünger vorstellt. Die wechselseitigen Verhältnisse zwischen den Figuren des MtEv machen deutlich, dass erst die Analyse

aller

 Figuren des MtEv, die in einer Figurenkonstellation mündet (vgl. dazu Anhang , Exkurse 2 und 3), das vollständige Bild einer

einzelnen

 Figur bzw. Figurengruppe erkennbar werden lässt. Demnach wäre für ein vollständiges Gesamtbild des Zwölferkreises nicht nur das Gesamtbild der allgemeinen „Jünger“, sondern z.B. auch das des Volkes oder z.B. das der politischen und religiösen Anführer zu berücksichtigen (zumal diese an einigen Stellen des MtEv das negative Gegenüber zu den zwölf Jüngern bilden, vgl. z.B. die Diskussion zu 9,36 unter II,1.2.1.3).7 Allerdings ist dieses „Ideal“ wegen der Komplexität der Figurenkonstellation im MtEv im Rahmen einer solchen Arbeit praktisch nicht umsetzbar. Es ist also aus pragmatischen Gründen notwendig, sich auf diejenigen Passagen zu konzentrieren, die ausdrücklich – und damit am zuverlässigsten – auf eine bestimmte Figur bzw. Figurengruppe verweisen. Die Analyse dieser Passagen ist folglich nicht nur ein wesentlicher, sondern der wesentlichste Beitrag zum Gesamtbild der entsprechenden Figur bzw. Figurengruppe. Nichtsdestoweniger dürfen die Auslegungsergebnisse des zweiten Hauptteils nicht missverstanden werden, erstens als ein

vollständiges

 Gesamtbild der zwölf Jünger Jesu (denn die vielen Aussagen des MtEv über die allgemeinen Jünger Jesu und über die anderen Figuren des MtEv werden in dieser Arbeit nur punktuell, aber nicht vollständig ausgelegt und einbezogen), und zweitens als

spezifische

 Merkmale der zwölf Jünger, im Unterschied zu anderen Jüngern oder zu sonstigen Figuren (denn es fehlt ein Vergleich mit den Aussagen des MtEv über die allgemeinen Jünger Jesu und über sonstige Figuren).



Weil der allgemeine – numerisch unspezifische – Ausdruck μαθητής bzw. μαθηταί auf den Kreis der zwölf Jünger verweisen kann, sollte überprüft werden, an welcher Stelle er das tatsächlich tut.8 Bei dieser Überprüfung sind sprachliche Besonderheiten, wie z.B. das Vorhandensein oder Fehlen eines Artikels, keine geeignete Kriterien (vgl. I,1.2.3.3). Ein geeigneteres Kriterium ist die inhaltliche Parallelität zwischen der einzelnen Stelle, die zur Debatte steht, und einer (oder mehreren) anderen Stellen, die eindeutig vom Zwölferkreis handelt. Allerdings hat auch dieses Kriterium eine deutliche Schwäche, weil man dabei von einer inhaltlichen Gemeinsamkeit fälschlicherweise auf die Gleichheit der Personen schließen könnte. Denn selbst auffallende Kennzeichen der zwölf Jünger, wie z.B. ihre rigorose Aufgabe sozialer Bindungen, könnte auch auf weitere Jesusjünger zutreffen (vgl. z.B. Mt 19,16ff). Oder um das obige Beispiel zu nennen: Aus der Beobachtung in 10,26f und 20,17-19, dass Jesus den zwölf Jüngern Spezialwissen vermittelt, lässt sich eben nicht sicher schlussfolgern, dass er in 13,10ff allein seine zwölf Jünger adressiert. Wie also lässt sich methodisch ausschließen, dass Mt bei der Verwendung des Begriffs μαθητής / μαθηταί nicht auch an weitere Jünger außerhalb des Zwölferkreises denkt? Dafür müssten zwei zuverlässigere Kriterien erfüllt sein: Erstens muss im nächstliegenden Kontext der Zwölferkreis ausdrücklich genannt sein. Zweitens muss μαθητής / μαθηταί tatsächlich auf diese bestimmten Personen bezogen sein, d.h. beide referenzidentisch sein. Ob dieses zweite Kriterium erfüllt ist, entscheidet sich an der Kontinuität zwischen den benachbarten Textstellen. Die Kontinuität bezieht sich insbesondere auf das Thema, die beteiligten Personen sowie die Zeit und den Ort des Geschehens. Sind aber beide Kriterien nicht erfüllt, so lässt der Text eine präzisere Bestimmung, wer genau mit μαθητής / μαθηταί gemeint ist, nicht zu, so dass man als Interpret letztendlich diese (vom Autor evtl. intendierte) „Unschärfe“ bzw. „Referenzschwäche“ akzeptieren und sich folglich – zwecks einer fokussierten Analyse der Bedeutung der Zwölf – auf andere Passagen als sichere Textbasis beschränken sollte (vgl. zur Anwendung dieser Kriterien: die jeweiligen Unterkapitel „Passagenabgrenzung“ und „Personenkonstellation“ im zweiten Hauptteil).



Bei der Suche nach den Zwölf-Jünger – Stellen im MtEv wird man auch auf Einzelfiguren aufmerksam, die mit Eigennamen oder Berufen vorgestellt werden und häufig diesen beiden Größen „Jünger“ oder „Zwölf (Jünger)“ zugeteilt werden können. Besonders häufig genannte Einzelpersonen aus dem Zwölferkreis sind Simon Petrus, die Zebedaidenbrüder Jakobus und Johannes, aber auch Judas. Diese vier Jünger sind im MtEv „qualitativ“ von den anderen Jüngern verschieden: Petrus und die Zebedaiden (eher) in positive