HAUSHÄLTERIN ANAL

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HAUSHÄLTERIN ANAL

Erziehungsspiele auf dem zweiten Bildungsweg

Tobias hatte es geschafft. Er hatte mit Helene eine schöne Frau, drei gesunde Kinder, ein eigenes Haus und eine Firma. Nun, genau genommen gehörte ihm die Firma nicht: Eigentümer war eine Erbengemeinschaft und er war als Geschäftsführer eingesetzt. Vom Bilanzbuchhalter über den Finanzchef zum eigentlichen Leiter des Unternehmens hatte er sich hochgedient, wobei es sicherlich hilfreich war, dass sein Großonkel die Firma einst gegründet hatte. Aber sein Job war sicher, und sein Gehalt lies keine Wünsche offen. Und so würde es bleiben, solange es der Firma gut ging. Dafür hielt man sich fest an die Vorgaben des Großonkels, dessen Motto immer war: Qualität ist Trumpf! Damit hatte man sich über die Region hinaus einen Namen gemacht und war beständig expandiert und zwar immer nur mit Eigenmitteln, man hat sich nie von Banken abhängig gemacht.

Dabei war es nicht so, dass Tobias sich nicht auch für Neuerungen interessierte, aber man blieb immer bodenständig und vertraute im Zweifel auf den eigenen Menschenverstand. Tobias war auch klug genug, seiner alten Sekretärin, die er vom Vorgänger übernommen hatte, und die das Geschäft wie keine andere kannte, zu vertrauen. Sie hat ihm manche Fehlentscheidung erspart. Beide waren inzwischen ein eingespieltes Team. Sie brauchten einander in der Firma und sie vertrauten einander. Aber dennoch blieben sie immer förmlich distanziert und Siezten sich auch noch nach fünf Jahren Zusammenarbeit. Aber solange der Erfolg ihnen recht gab, störte es Tobias auch nicht, dass man hinter seinem Rücken manchmal tuschelte, sie – also die Sekretärin – leite in Wahrheit die Firma. Sie war älter und ja, sie war wohl auch klüger. Auch Tobias war klug. So hatte er sie in ihrer Position belassen und sich keine neue, junger Sekretärin gesucht, wie manch anderer es wohl getan hätte.

Und Abwechslung, oder wie man das nennen mag, brauchte Tobias nicht. Denn seine Frau Helene war ihm eine gute Ehefrau. Für Helene war ebenfalls alles bestens. Sie war Mutter dreier wohlgeratener Kinder, eine gute Hausfrau und stets darauf bedacht, ihren Mann zufrieden zu stellen. Sie war schon zu Schulzeiten in ihn verliebt gewesen. Wie es oft so ist, war es eher so, dass sie sich ihn ausgesucht hatte, als er sich sie. Sie hatte ihn aber stets im Glauben gelassen, es sei andersherum gewesen. Es passte einfach zu gut, denn sie mochte ihn wirklich und obendrein kam er aus wohlhabenderen Kreisen als ihre eigene Familie. So lebten sie glücklich und zufrieden und es fehlte an nichts.

So gut könnte es weitergehen, dachten sowohl Helene als auch Tobias. Nur ein kleiner Dissens bestand und gab regelmäßig Anlass für kleinere Streitigkeiten innerhalb der Familie: Beide Eltern hatten sehr unterschiedliche Auffassungen von der richtigen Erziehung der Kinder. Helene war sehr streng und forderte Disziplin von ihren Kindern. Musikunterricht, Reiten, Fremdsprachen – das alles ermöglichte sie ihren Kindern, verlangte aber immer Höchstleistungen. Und wenn die mal ausblieb, setzte es auch gern mal Schläge. Tobias ging manches Mal dazwischen, wenn er das mitbekam, aber er war ja meistens in der Firma. Helene hielt Tobias für zu weich und nachgiebig, so wie er sie für viel zu streng hielt. Er meinte hingegen, die Kinder brauchen Freiheit; und dazu gehöre auch die Freiheit, Fehler zu machen.

Von dieser nicht ganz unwesentlichen Meinungsverschiedenheit abgesehen, verstanden sie sich prächtig und hatten sich ihr Leben bestens eingerichtet. Auch ihr Liebesleben funktionierte auch nach 17 Jahren Ehe bestens. Helene wünschte sich zwar manchmal etwas mehr Aufmerksamkeit und auch häufigeren Sex, hatte aber Verständnis, wenn ihr Mann nach einem 10-Stunden-Tag nicht immer wollte (und sie hatte für sich ein kleines Arrangement gefunden), während er sich manchmal wünschte, seine Frau wäre experimentierfreudiger. Beide waren dennoch ein eingespieltes Team und hatten ihre Rituale, die zwar etwas langweilig erscheinen mögen, aber letztlich beiden das Gefühl gaben, ein ausgefülltes Geschlechtsleben zu haben.

Ja, so schön könnte es weitergehen, dachten beide über ihr Leben im Wohlstand. Aber Veränderungen kommen doch immer wieder vor, manchmal in Form von Schicksalsschlägen, ja, und manchmal wird alles sogar noch besser. Oder, wie man so sagt: der Teufel scheißt gern auf den größten Haufen. Und genau so erging es auch Ihnen eines Tages.

Die Erbschaft

Der älteste Bruder von Tobias’ Vater, Onkel Adalbert (eigentlich Adolf – er hat sich aber aus Gründen umbenannt, auf die ich hier wohl nicht näher einzugehen brauche), der in jungen Jahren nach Amerika ausgewandert war, ist „überraschend und unerwartet“ – wie es im Kondolenzschreiben tatsächlich hieß – im Alter von 82 Jahren verstorben. Nun war der Brief des Nachlassverwalters bei den Schroffensteins eingetroffen, die von dem Ableben ihres Verwandten noch keinerlei Nachricht hatten. Helene war aus allen Wolken gefallen und dachte erst an einen bösen Scherz, rief aber dann ihren Mann an, der eine Stunde später in der Doppelhaushälfte der Familie eintraf. Helene hatte den Brief bereits geöffnet und gelesen, obwohl deutlich „persönlich, vertraulich“ (private and confidential) auf dem Brief vermerkt war.

Adalbert, den Tobias nach seiner Kindheit überhaupt nur noch vier oder fünf Mal getroffen hatte, hatte ausgerechnet ihn zum alleinigen Erben eingesetzt. Adalbert, ein komischer Kauz und Sonderling der Familie, der nie geheiratet hatte oder sonst in einer Beziehung lebte (soweit man wußte), war Zeit seines Lebens Junggeselle geblieben und kinderlos. Aber warum er keinen der zahlreichen anderen Cousins oder Cousinen der Familie bedacht hatte, blieb etwas rätselhaft. Im Testament, das als Kopie dem Brief beilag, stand als Begründung nur ganz lapidar: „Tobias war der netteste meiner Neffen. Er war der einzige Junge, der mir aufmerksam zuhörte, wenn ich Käptn Blaubärs Geschichten erzählte, und er war der einzige, der mir weder an meinem Bart gezupft hat, noch jemals danach gefragt hat, warum ich einen Bart trage.“

„Ist das wahr? Hast Du nie danach gefragt?“ fragte Helene, und Tobias antwortete: „Ich weiß es nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch sehr gut, wie mit seiner Pfeife im Mund und mit seiner Mütze auf dem Kopf uns Kindern vorgelesen hatte. Er war für mich Käptn Blaubär.“

Nun, Käptn Blaubär hatte im Weiteren verfügt, dass sein Immobilienbesitz veräußert, Hausrat, Aktien und jeglicher Besitz zu Geld gemacht werden sollte, um dann als einzelne Geldüberweisung an seinen Erben zu gehen. Er selbst hatte schon erfolgreich in diese Richtung gearbeitet, denn sein Barvermögen, verteilt auf drei Konten belief sich bereits auf über 14 Millionen Kanadischer Dollar. Der Nachlassverwalter gab an, dass grob geschätzt 27,5 Mio. CAD an Vermögen zusammen kommen dürften, das wären über 20 Millionen Euro.

Er hatte einen längeren Brief dazu geschrieben, worin er anregte, nicht schlagartig den ganzen Besitz zu veräußern, wozu er sich ohnehin außer Stande sah, sondern – besonders für den Immobilienverkauf – wenigstens ein halbes, besser ein Jahr einzuplanen. Vorausgesetzt natürlich, Tobias Schroffenstein würde das Erbe annehmen. Daran aber konnte kein Zweifel bestehen. Wenn sich das Glück einem schon so aufdrängt…

Tobias und Helene beschlossen, niemanden von dem neuen Vermögen zu erzählen. Das würde nur böses Blut unter den Verwandten geben und Neider auf den Plan rufen. Auch gegenüber den Kindern, die im schwierigen Alter von 12 bis 17 waren, sollte die Geschichte zunächst geheim gehalten werden. Der Tod des Onkels wurde bekannt gegeben, auch das man überraschend „etwas“ geerbt habe, das schon, aber nicht, wie viel es wirklich war. Das gelang auch ganz gut, denn offenbar wußte niemand in der Familie, wie viel Geld der alte Onkel tatsächlich besessen hatte.

Der letzte der Familie, der ihn besucht hatte, war ein Cousin von Tobias Vater, also ein Großcousin. Der hatte erstaunt berichtet, einen wohlhabenden Mann getroffen zu haben. Statt in einem kleinem Blockhaus zu wohnen, wie Adalbert ihm geschrieben hatte, wohnte er in einem sehr komfortablen Holzhaus – und das war nur sein Ferienhaus. Aber dieser Besuch lag schon 12 Jahre zurück.

Als der Brief des Nachlassverwalters Tobias erreichte, war die Beerdigung bereits erfolgt. Es bestand damit kein besonderer Anlass, nach Kanada zu reisen, Telefonate und E-Mails reichten, zumal der Nachlassverwalter sehr zuvorkommend war. Er hatte geschrieben, dass er bereits von Adalbert dazu berufen worden war, da er auch früher schon geschäftliche Angelegenheiten für den Onkel erledigt hatte.

Es verging also tatsächlich ein dreiviertel Jahr, bevor der Nachlassverwalter das letzte Waldgrundstück samt Ferienhaus aus dem Besitz von Adalbert für einen guten Preis verkauft hatte und, nach Abzug seines nicht unbescheidenen Honorars, die gesamte Summe von umgerechnet 21,3 Millionen Euro überweisen wollte. Die ganze Zeit über hatten Helene und Tobias darüber gesprochen, was sie am besten mit dem Geld machen sollten. Tobias hatte immer abgewiegelt, so als glaube er noch nicht daran, plötzlich von einem Gutverdiener zum Multimillionär geworden zu sein. „Ich glaub das erst, wenn die Kohle auf meinem Konto ist,“ sagte er dann zu seiner Frau. Manchmal hielt er sogar einen besonders raffinierten Betrug im Stile der Nigeria-Connection für möglich, aber er wurde nie zu irgendeiner Überweisung aufgefordert.

Da sich der Transfer solange hinzog, waren viele Pläne gemacht und wieder verworfen worden. Nur auf eines verständigte sich das Ehepaar: Sie brauchten ein Konto im Ausland, nicht nur aus steuerlichen Gründen (so gesetzestreu beide auch waren, aber sie wollten die Erbschaftssteuer dann doch irgendwie vermeiden; zumal die Erbschaft auch im Ausland angefallen war, hielten sie das für legitim). Aber eingerichtet hatten sie noch kein Auslandskonto, und als die freudige Nachricht des Nachlassverwalters kam, war es noch immer nicht eingerichtet. Da der Kalender von Tobias voll war mit Geschäftsterminen – so musste er unbedingt zur Messe „Ambiente“ nach Frankfurt reisen, um eine Neuheit aus seiner Firma zu präsentieren (und: Reichtum hin oder her, hier ging es um Ehre) – kamen beide nach kurzer Beratung überein, dass Helene allein nach Liechtenstein fahren würde, um dort für beide ein Konto einzurichten.

 

Nun, das war von Tobias ein großer Vertrauensbeweis seiner Frau gegenüber, aber ich will hier auch nicht verschweigen, dass dieser Verabredung ein heftiger Ehekrach voranging. Getreu seinem Motto, der Klügere gibt nach, willigte Tobias ein, seine Frau – mit allen erdenklichen Vollmachten ausgestattet –, allein auf die Reise nach Vaduz zu schicken.

Da auch Liechtensteiner Banken inzwischen bequemes Online-Banking ermöglichen, konnten beide bereits eine Woche später am heimischen PC vereint bewundern, wie der Betrag ihrem neuen Konto gutgeschrieben wurde. Natürlich wurde mit Champagner angestoßen und Tobias meinte feierlich zu seiner Gattin: „Jetzt gilt’s. Nun müssen wir klug mit dem Geld umgehen. Auf jeden Fall werde ich weiter in der Firma arbeiten, aber jetzt kann ich das alles viel gelassener angehen. Wenn die Erbengemeinschaft mich abberuft – obwohl ich dazu kein Anzeichen sehe – dann kann ich mir auch selbst eine Firma kaufen oder aufbauen. Aber untätig Zuhause sitzen werde ich nicht.“

Helene hatte schon deutlich konkretere Pläne: „Ich finde, wir sollten uns ein größeres Haus gönnen. So ein freistehendes. Mich stört es schon, wenn die Nachbarn uns auf der Terrasse beobachten. Dann könnte ich mich auch mal oben ohne sonnen.“ Das Argument überraschte Tobias, der seine Frau als eher etwas gehemmt kannte. Als er vor Jahren einmal vorgeschlagen hatte, einen FKK-Strand zu besuchen – weit weg in Frankreich, wo sie niemand kannte – hatte sie empört abgelehnt.

Schnell fanden sich weitere Gründe für ein größeres Haus: Hier war kein Platz für eine Garage, so mussten beide Autos auf der Straße parken. Ihr Garten war zwar größer, als bei den meisten Häusern in der unmittelbaren Nachbarschaft, aber trotzdem nicht sehr groß. Außerdem fehlte ein Gästezimmer. Das war zum dritten Kinderzimmer gemacht worden.

Die neue Villa

Schnell konkretisierten sich die Pläne. Und bald hatte Helene drei Orte weiter einen Makler aufgetan, der ihnen ein entsprechendes Objekt suchen sollte. Sie hatte bewusst keinen ortsansässigen gewählt. Trotz aller Diskretion würde sonst bald der halbe Ort darüber tratschen.

Was auch immer Tobias sich vorgestellt hatte, einige Tage später rief seine Frau ganz aufgeregt an und meinte, sie hätte das richtige Haus gefunden. Er sollte sofort zu dieser Adresse kommen, die sie nannte, dort würde sie mit der Maklerin auf ihn warten. Tobias sagte kurzerhand ein Meeting in der Firma ab – die Firma war ja jetzt nicht mehr ganz so wichtig für ihn – und eilte zu dem Haus. Als er es zum ersten Mal sah, sagte er zu sich selbst: es ist größer als ich dachte, älter als ich dachte und hässlicher als ich dachte. Aber Helene war begeistert. Und von manchen Vorzügen konnte sie ihn auch überzeugen.

Das Haus verfügte über fünf Schlafzimmer, drei Bäder, Salon, Esszimmer, Arbeitszimmer, Kaminzimmer, eine große Küche, sowie zahlreiche Nebenräume. Darüber hinaus gab es eine kleine Einlieger-Wohnung, mit Miniküche, Bad und einem Wohn-und Schlafraum. Es gab eine große Dreifachgarage, in deren Dachgeschoß als Clou eine weitere kleine Wohnung eingerichtet war, die auf einer Seite über einen kleinen Gang, wie eine umschlossene Brücke, zum 1. Stock der Villa verbunden und auf der anderen Seite durch eine steile Wendeltreppe vom Garten aus erreichbar war. Diese Wohnung wurde als Gästeapartment bezeichnet.

Dieses alte Gesamtensemble, das durch zahlreiche Umbaumaßnahmen keinen einheitlichen Stil besaß, war jedoch, so versicherte die Maklerin wiederholt, von den Vorbesitzern auf dem neuesten Stand der Technik gehalten worden. Alles funktionierte tadellos: die elektrischen Rollläden, Gegensprechanlage mit Überwachungskameras und Monitor, sowohl vorne am Tor, als auch an der Haupteingangstür. Die Tore ließen sich elektrisch öffnen. Die Heizung war erst vor drei Jahren komplett erneuert worden, dazu hatte die Maklerin extra die entsprechende Rechnungskopie an ihr Exposee geheftet.

Trotzdem erschien Tobias die Villa etwas zu düster und altbacken. Helene hingegen pries alle Vorzüge, die sie grade erst von der Maklerin gehört hatte. Tobias meinte vorsichtig, ob es für ihre Zwecke nicht etwas zu groß sei. Drei Garagenplätze seinen nicht nötig und es würden auch zwei Zimmer weniger reichen. Für seine Frage an die Maklerin, was denn an Unterhaltskosten so zusammen komme, hatte seine Frau nur ein müdes Lächeln übrig: „Das ist doch völlig egal,“ meinte sie glatt. – Und hatte irgendwie recht damit.

Während Helene sich innerlich schon einrichtet, dachte Tobias daran, vielleicht die Kinder dazu gewinnen zu können, dieses Haus nicht überstürzt zu kaufen. Gegenüber den Kindern hatten sie zwar davon gesprochen, ein neues Haus zu suchen, aber das es gleich drei Nummern größer würde… Tobias meinte daher, man sollte die Kinder mitentscheiden lassen. Helene nahm das begeistert auf. „Ja, vielleicht verständigen sie die Kinder selbst, wer welches Zimmer nimmt. Dann müssen wir uns um diese Frage nicht mehr kümmern.“ Die Maklerin meinte, sie stünde jederzeit für einen weiteren Termin zur Verfügung. Sie betonte zwar, man sollte nicht zu lange warten mit einer solchen Entscheidung, sonst wäre die Enttäuschung groß, wenn ein anderer Interessent einem das Objekt wegschnappt, in Wahrheit wußte sie aber, wie wenig Interessenten es in dieser Preisklasse grade für dieses Haus gab. Sie wußte auch, Frau Schroffenstein war schon innerlich entschieden. Nun galt es mit Geschick ihren Mann zu überzeugen. Und dazu war weibliche Intuition nötig.

„Sehen Sie,“ hob sie an, „die Villa wirkt ein wenig grau und dunkel, weil sie länger leer gestanden hat. Die Besitzer wollten sie ja zunächst nicht verkaufen. Aber wenn sie mit ihren fröhlichen Kindern erst einmal hier eingezogen sind, dann ändert sich das ganz schnell. Die Bewohner sind ja die Seele eines jeden Hauses.“

Beim Rundgang durch die einzelnen Zimmer fiel vor allem auf, dass manche Zimmer komplett leer waren, teilweise schienen sie hell und frisch gestrichen, in anderen standen vereinzelte Möbel herum und das Kaminzimmer war sogar noch komplett möbliert. Das lag wohl auch an den Einbauschränken, die in zwei der Wände integriert waren, eine davon mit TapetenTür zu einer kleinen Bibliothek. Die schweren Eichensessel und der Eichentisch waren passenden dazu angefertigt. Das war sehr rustikal. „Besonders gemütlich sehen die Sessel aber nicht aus.“ bemerkte Tobias, „eher etwas museal.“ Auch Helene guckte nun etwas skeptisch und nahm Probesitz.

Die Maklerin lies sich von solchen kleinlichen Einwänden nicht irritieren: „Ja, das erlebe ich immer wieder: Männern mangelt es da manchmal an Fantasie. Wenn das Haus Ihnen gehört, können sie das alles rausschmeißen, inklusive Kamin. Heute sind Kachelöfen wieder modern. Ich könnte mir an der Stelle auch gut so einen modernen Kachelofen vorstellen, die gibt es auch mit Glasscheiben, so dass man auf den Blick auf das Feuer nicht verzichten muss. Und statt in Eiche könnte alles in Weiß sein, oder noch besser: in Beige, hochglanzlackiert, modern. - Nur so als Idee.“

Die Küche war groß und ziemlich perfekt eingerichtet. Nur eine Sitzecke fehlte, dann wäre sie auch als Wohnküche nutzbar. Helene war begeistert und auch Tobias konnte hier nichts dran aussetzen. Er verwies auf die fortgeschrittene Uhrzeit und so beendeten sie den Rundgang mit einem kurzen Blick in den eingewachsenen Garten und einer neuen Verabredung, an der die Kinder teilnehmen sollten.

Indes: der Schuss ging für Tobias nach hinten los. Als wenige Tage später die beiden Eheleute, die drei Kinder und die Maklerin den Rundgang erneuerten, wuchs die Begeisterung der Kinder scheinbar mit jedem Zimmer, in das sie gingen. Besonders der 14jährige Tobias Junior fand grade die verschiedenen Winkel spannend, er stellte ständig Vergleiche zu Harry Potter her und meinte, das wäre ein richtiges Haus eines Zauberers – der er selbst am liebsten sein würde.

Auch die Mädchen waren angetan. Die jüngste entschied sich spontan für das kleinste Zimmer, das aber einen eigenen Balkon zum Garten nach Süden hatte. Die älteste entschied sich für das größte Zimmer, das zwar durch Dachschrägen eingeschränkt war, aber trotzdem war in ihrer Vorstellung der edle Parkettboden bereits eine Tanzfläche für wilde Partys mit ihren Freundinnen. Oder sie würde in der Gästewohnung Party machen – und die Jungs könnten über die Wendeltreppe abhauen, wenn die Eltern zur Kontrolle kommen sollten. Ihr Zimmer würde am nah zum Garagenanbau liegen, bzw. dem Übergang zur Gästewohnung.

Bei der ersten Besichtigung hatte man den Keller ganz vergessen, oder es hatte die Zeit nicht mehr gereicht; wie auch immer. Der hatte jedenfalls auch noch Überraschungen parat. Die erste war, dass im Weinkeller – ein richtiges altes Gewölbe – noch reichlich Wein lagerte. Vielleicht ein Drittel der Weinregale war noch gefüllt. Dann gab es noch einen Waschraum inklusive einfacher Dusche, ohne Duschkabine, einfach an der Fliesenwand mit Abfluss im Boden. Dann eine Art Lagerraum, wo wieder einige alte Möbel und Truhen standen. Daran schloss sich ein Partykeller an, ein Raum der weitgehend leer war, bis auf die Bar in der rechten Ecke, die mit Kühlschrank, Spüle und allem eingerichtet war. Nur die Barhocker fehlten. Links neben der Bar gab es eine schwere Holztür, hinter der sich ein Fensterloser Raum befand, der etwas feucht-muffelig roch. Das Licht war sehr funzelig, so dauerte es eine Weile bis die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Auch hier stand eine Truhe. Und es waren merkwürdige Eisenringe an den Wänden verankert.

An einem dieser Ringe war eine Kette befestigt, an deren anderen Ende ein seltsam anmutendes Stück Holz hing. Erst bei genauerem Hinsehen erkannten die drei Erwachsenen und der Harry Potter-Fan, dass es sich hierbei um einen Pranger handelte, mit einer größeren Öffnung für den Hals in der Mitte und zwei kleineren für die Unterarme links und rechts. Tobias Junior meinte begeistert: „Cool! Ein echter Folterkeller!“ Die beiden Mädchen hielten sich bei der Hand und die älteste Schwester fragte: „Echt jetzt?“ Tobias Junior stellte fest: „Klar das ist ein richtiger Pranger. – Nur frage ich mich, warum sind die Öffnungen eigentlich gepolstert? Das macht doch gar keinen Sinn bei einem Folterinstrument.“

„Wer weiß, wofür das einmal gut war,“ meinte die Maklerin. „Da haben die Vorbesitzer wohl seltsame Spiele veranstaltet.“ Ausgerechnet Helene lachte wegen dieser Bemerkung laut auf und rief amüsiert aus: „Also so was!“

Hinterher, als sie die Kellerräume wieder verließen, entschuldigte sich die Maklerin noch dafür, das sie dieses Detail übersehen hatte, sonst hätte sie die Kinder dort nicht hineingelassen. „Aber das kann man ja ausbauen lassen,“ meinte sie.

Ob vergessen oder nicht – die Maklerin verschwieg jedenfalls, dass die Villa zuletzt von einem exklusiven Swinger-Club angemietet worden war, bis dieser vor drei Jahren Konkurs anmelden musste. Seit dem stand das Haus leer. Alle Versuche, das Objekt zu einem annehmbaren Preis zu vermieten, waren gescheitert. Daher entschlossen sich die Besitzer, es nun zu verkaufen.

Ja, einige Umbaumaßnahmen würde er vornehmen lassen, sollten sie sich zum Kauf entschließen, überlegte Tobias laut. Seine Frau, die Kinder und nicht zuletzt die Maklerin sahen darin bereits eine Vorentscheidung im ihrem Sinne.

Auch der anschließende Besuch von drei weiteren Anwesen in den nächsten Tagen änderte letztlich nichts, an der Tatsache: Diese Gemäuer würde bald zum Familiensitz der Schroffensteins werden. Denn die anderen Objekte waren entweder zu weit entfernt, zu klein oder noch nicht sofort verfügbar. Helene aber war entschlossen in ein großes Haus umzuziehen. Die neue Villa lag zwar in einem Nachbarort, aber die Schulen der Kinder und die Arbeit von Tobias waren dennoch von hier aus gut zu erreichen. Der Reiterhof, wo Helene und die älteste Tochter Mareike zwei bis dreimal die Woche reiten gingen, lag sogar noch etwas näher, als von ihrem alten Haus.

Es war ausgemachte Sache, dass nach dem Umzug das alte Haus, auf dem noch eine kleine Hypothek lastete, nicht verkauft werden sollte, sondern vermietet. Helene hatte vorgeschlagen, noch zwei oder drei Wohnungen zu kaufen, oder ein kleineres Mehrfamilienhaus, was man ebenfalls vermieten könnte. Auf den Einwand von Tobias, damit würde man sich nur zusätzliche Arbeit einhandeln, erklärte Helene, sie würde das allein übernehmen. Schließlich würden die Kinder größer und bald bräuchten sie nicht mehr bemuttert werden, dann hätte sie auch eine Aufgabe. Außerdem hatte sie ebenfalls eine kaufmännische Ausbildung und in die Thematik mit den Nebenkosten und Mietrecht würde sie sich einarbeiten.

 

Gleich nach ihrem Vorschlag, stimmte Tobias zu. Das gab es selten, meistens war er der große Bedenkenträger. Aber irgendwie wollten die 20 Millionen Euro auch angelegt sein. Eine so große Summe einfach auf der Bank zu lassen, wo die Zinsen immer niedriger wurden, schien keine sichere Alternative. Nach und nach setzten sie diese Pläne um und investierten den Großteil ihres neuen Vermögens in Immobilien. Sie sie kauften auch verschiedene Wertpapiere und VW-Aktien und ließen einen kleineren Teil als Barvermögen auf dem Liechtensteiner Konto Später wurde auch noch etwas Gold im Schließfach deponiert. Die neue Villa und Residenz der Familie schlug inklusive Umbaumaßnahmen und neuer Möblierung mit fast 4 Millionen Euro zu buche. Ein guterhaltenes und gut vermietetes Sechsparteienhaus mit etwa der gleichen Summe.

Ein halbes Jahr später fand endlich der Umzug statt. Der Möbelwagen war zwar halbleer geblieben, denn von ihren alten Möbeln nahmen sie nur wenige Stücke mit, aber in den folgenden Tagen kamen häufiger Lieferwagen praktisch aller umliegenden Möbelhäuser, denn das neue Haus wurde mehr oder weniger komplett mit neuen Möbeln ausgestattet.

Die vorangegangenen Umbaumaßnahmen waren umfangreicher und langwieriger, als die Familie es sich ausgemalt hatte. Man war aber auch übereingekommen, den Umbau komplett abzuschließen, bevor der Umzug erfolgen sollte, und das Ergebnis stellte alle zufrieden. Im Keller wurde die Bar herausgeschmissen und stattdessen ein Fitness-Keller eingerichtet. Im dunkleren Nebenraum wurde auf Wunsch der Kinder noch ein Billard und Kicker-Tisch aufgestellt, und eine Minitheke mit Kühlschrank eingerichtet. Der Pranger, der sich dort noch befunden hatte, wurde ausgebaut. Als der Handwerker hörte, dass der entsorgt werden sollte, bot er freundlicherweise an, ihn im Internet zu versteigern. „Das Ding ist bestimmt viel wert. Da kriegen Sie noch etwas für,“ hatte er gemeint. So wurde das gute Stück fotografiert – das hat der Mann gleich erledigt, und dann erst einmal in dem Geräteschuppen hinter der Garage eingelagert.

Der Erzähler muss die Leser an dieser Stelle etwas enttäuschen, jedenfalls diejenigen, die jetzt sofort auf geile Spielchen mit dem Teil hoffen. Das Ding wurde tatsächlich eingelagert und zunächst vergessen, denn der freundliche Handwerker meldete sich nicht wieder. Vielleicht hatte er sich in Wahrheit nur einen Spaß gemacht, vielleicht aber meldete sich auch niemand auf die Anzeige, selbst ich als Erzähler kann da nichts Näheres zu sagen. Die Schroffensteins jedenfalls haben sich dann auch keine weiteren Gedanken dazu gemacht. Ich, als allwissender Erzähler, könnte den Grund natürlich wissen, aber vergessen wir das jetzt auch einfach einmal. Das Teil spielt später noch einmal eine entscheidende Rolle, warten wir das einfach ab…