tali dignus amico

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Z serii: Classica Monacensia #54
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Hier ist allerdings Folgendes zu betonen: Selbst wenn die Inszenierung der aus dem Abhängigkeitsverhältnis zu Maecenas entstandenen Stadthektik nicht nur bei späteren Autoren (wie in den folgenden Kapiteln darzulegen ist) sowie in der Forschung,24 sondern sogar beim späteren Horaz, etwa in den Episteln, als Teil der Problematik rund um das patronus-cliens-Verhältnis behandelt wird, stellt die clientela keinen direkten Grund für die Verzweiflung des Horaz-Sprechers dar. Denn wie gezeigt wurde, ist dessen Stellung bei Maecenas von einer eher vielschichtigen Natur, die zwischen Amtsfunktionen und tatsächlicher Freundschaft changiert.25

Konkreter wird der Horaz-Sprecher zwar in den Episteln, in denen Maecenas nicht nur als aufrichtiger Freund, sondern vor allem als Gönner auftreten wird. Doch aus der Außenperspektive betrachtet Horaz genauere Aspekte des patronus-cliens-Verhältnisses schon in den Epoden und Oden, und zwar topisch als Ausgangspunkt für Kritik an mangelnder Fairness und am Stadtleben allgemein anhand eines ethischen Diskurses.

Resümee

Da das Verhältnis des Horaz zu Maecenas in der Literatur der Kaiserzeit, die sich mit der patronus-cliens-Beziehung befasst, als Idealfall einer Dichterförderung durch einen patronus verstanden wird, musste die Selbstdarstellung des Horaz vor allem in den Satiren in den Blick genommen werden. Horaz thematisiert dort mehrfach die Vorstellung, die man allgemein von seinem Verhältnis zu Maecenas hat, um sie richtigzustellen. In Satire 1,6 ist die Vorstellung von einem erfolgreichen sozialen Aufstieg das Hauptthema; Horaz beschreibt sein Verhältnis zu Maecenas dezidiert nicht als patronus-cliens-Verhältnis (nirgends wird Horaz als cliens des Maecenas zu typischen Aufgaben wie salutatio oder anteambulatio verpflichtet), obwohl die Initiative zu dieser amicitia vor allem auf Maecenas zurückgeht und der soziale Unterschied zwischen den ungleichen Partnern von Horaz betont wird. Doch gerade damit unterstreicht Horaz den ethischen Wert dieser amicitia, denn die strengen Auswahlkriterien des Maecenas sind ausschließlich moralischer Natur. Der ideale Tagesablauf des glücklichen Horaz enthält keine klientelären Pflichten. Komplementär dazu wird der Charakter dieser Freundschaftsbeziehung noch einmal in der sog. Schwätzersatire 1,9 als Kontrastbild zu den Vorstellungen des quidam bestätigt. In Satire 2,6 gestaltet sich der Tagesablauf des Horaz in Rom mitsamt den Verpflichtungen nicht mehr so ideal wie im ersten Buch; teils ist dieser Eindruck dem Stadt-Land-Kontrast geschuldet, doch auch die Bekanntschaft mit Maecenas macht Horaz prominent und anfällig für Anliegen von Bittstellern.

b) Horaz als externer Beobachter: Epode 2 und Ode 2,18
i) Klienteläre Pflichten als Kontrast zur Landruhe: epod. 2

Horazepod. 2Die zweite Horaz-Epode zählt zu den bekanntesten Gedichten des Horaz-Corpus. Sie zeigt ein scheinbares Lob1 auf das Landleben, doch in den letzten Versen erfährt der Leser, dass hier nicht das Horaz-Ich spricht, sondern Alfius, ein gewinngieriger faenerator,2 der keinesfalls ernsthaft daran denken könnte, auf dem Land ein bescheidenes Leben zu führen.3 In der Forschung wurden einige Aspekte der Epode kontrovers diskutiert, da Horaz die Interpretation und das Ziel sowie letztendlich die Rolle des Sprechers (und des Lesers) nicht ganz deutlich steuert.4

Bereits Kießling und Heinze bemerkten, dass schon die Wahl des Jambus sowie „die gewollte Einsichtigkeit des Gemäldes“, welches der Sprecher seinem Leser bietet, diesen auf eine Inkongruenz zwischen dem vorgeblichen Lob und den überraschenden Schlussversen aufmerksam machen würden.5 Watson 2003 sieht weitere Hinweise darauf, dass der Leser auf das überraschende Ende („a specialized form of undercutting of bathos“, 86) vorbereitet wird, darin, dass stilistische Elemente so plakativ und topisch eingesetzt werden, dass sie an rhetorische Übungen erinnern, und dass sogar das so idyllische Bild vom Landleben durch die Unruhen im Zuge der von Oktavian in den 30er und 40er Jahren unternommenen Landenteignungen auf das zeitgenössische Publikum nicht mehr überzeugend wirken konnte.6

Trotzdem besteht der Witz dieser Epode m.E. immerhin darin, dass der Leser (zumindest in einer ersten Lektüre) davon ausgeht, dass der Dichter Horaz spricht und seine etwa in Satire 2,6 beschriebene Auffassung von der idealen Lebensweise auf dem Land wiedergibt, denn zunächst irritiert kein Hinweis auf ironische Distanz die Idylle und Luxuskritik.7 Schon Oksala 1979 machte auf „Zwiespalt und Selbstironie von Seiten des Dichters“ und vor allem auf das Verhältnis zu der Darstellung in sat. 2,6,60‑67 aufmerksam: „Horaz hätte doch selbst viele Gedanken des Alfius unterschrieben.“8 Der Schock also, dass ein faenerator spricht, lässt den Erstleser so aufschrecken, dass die Idylle ihre Glaubwürdigkeit und Attraktivität verliert9 – eine zweite Lektüre macht die Übertreibungen des heuchlerischen Alfius (und den ironischen Ton des Autors) in der Beschreibung auffälliger.

Die klientelären Aktivitäten spielen schon in den ersten Versen eine bedeutende Rolle. Denn sie werden als anstrengender Teil des Stadtlebens empfunden und mit der dort herrschenden Hektik kontrastiert (epod. 2,1‑8):Horazepod. 2,1-8


Beatus ille qui procul negotiis,
ut prisca gens mortalium,
paterna rura bubus exercet suis
solutus omni faenore
neque excitatur classico miles truci 5
neque horret iratum mare
forumque vitat et superba civium
potentiorum limina.

Was eine vita beata ausmacht, ist nach der Darstellung des Sprechers ein Leben ohne negotia (1). Das Soldatenleben, geschäftsbedingte Seefahrten (5‑6) und schließlich die Stadthektik, die in der Betätigung als Anwalt auf dem Forum und eben als Klient bei der salutatio zu spüren ist (7‑8), widersprechen der vita beata. Evident ist, dass dabei sowohl negotium (1) als auch faenus (4) Schlüsselwörter sind – denn während sie in einer ersten Lektüre neutral auf Unannehmlichkeiten hindeuten, veranschaulichen sie in einer zweiten ironisch Alfius’ gewinngierige Natur als faenerator.10 Das Landleben wird dagegen als Inbegriff der natürlichen, ‚menschlicheren‘ Lebensweise präsentiert (ut prisca gens mortalium, 2), in der Familienbesitz (paterna rura, 3) in Ruhe und Sicherheit bebaut werden könne11 (3f.). Topisch sind die Gegenüberstellungen von Landleben und Militär bzw. Seefahrt schon in der griechischen Literatur,12 doch sie spielen auch in der römischen Dichtung eine zentrale Rolle, wie schon am Menaechmus-Monolog sichtbar wird.

Der Sprecher der zweiten Epode drückt sich nicht sehr viel anders als der Horaz-Sprecher aus, wenn er über seine eigene Situation in Sat. 2,6 spricht; doch ist die Aktivität auf dem Forum bei ihm in der Epode noch deutlicher an die clientela-Thematik gebunden: Die salutatio, die mit der Umschreibung superba civium | potentiorum limina (7f.)13 die unangenehme Distanz zwischen Patron und Klient ausdrückt, wird als Höhepunkt der unangenehmen Verpflichtungen des Stadtlebens genannt. Gerade in dieser Formulierung wird die Nähe zu Vergils Lob des Landlebens in den Georgica (georg. 2, 457‑474; 532‑535) nachweisbar14 (georg. 2,457‑474):Vergilgeorg. 2,457 474


O fortunatos nimium, sua si bona norint,
agricolas! quibus ipsa procul discordibus armis
fundit humo facilem victum iustissima tellus. 460
si non ingentem foribus domus alta superbis
mane salutantum totis vomit aedibus undam,
nec varios inhiant pulchra testudine postis
inlusasque auro vestis Ephyreiaque aera,
alba neque Assyrio fucatur lana veneno, 465
nec casia liquidi corrumpitur usus olivi;
at secura quies et nescia fallere vita,
dives opum variarum, at latis otia fundis,
speluncae vivique lacus, at frigida tempe
mugitusque boum mollesque sub arbore somni 470
non absunt; illic saltus ac lustra ferarum
et patiens operum exiguoque adsueta iuventus,
sacra deum sanctique patres; extrema per illos
Iustitia excedens terris vestigia fecit.

Im letzten Teil des zweiten Georgica-Buches preist Vergil die Landwirtschaft als Aktivität, „weil sie die Menschen in den Tugenden übt, nicht zu betrügerischen Geschäften verleitet und zugleich auch die körperliche Tüchtigkeit in Übung hält“, wie Erren 2003, 510 bemerkt. Dies wird dort mit dem Kontrast von Luxus-Elementen zum entfremdend wirkenden Stadtleben verbildlicht. Die iustissima tellus15 bietet den glücklichen Bauern ein Leben in Sicherheit und Ruhe. Dies wird anhand von Beispielen gezeigt, die die anstrengenden Elemente des Stadtlebens kennzeichnen: Weder die salutatio (461f.) noch der übertriebene Luxus in den Häusern, in der Kleidung und an Parfüm (463‑7) betreffen die bescheidene Existenz der Landleute.16 Daher ist eine solche vita der einzige Weg zur (beinahe philosophischen) secura quies (467). Idyllisch werden die Elemente dieses Lebens bildhaft in den Versen 468‑71 vorgeführt. Während es in der Epode aber um die Seelenruhe durch Bescheidenheit und um das Glück der selbsterworbenen Mahlzeiten geht, das alle Delikatessen überflüssig macht, betont Vergil wesentlich stärker die moralischen Aspekte der gepriesenen Lebensweise (nescia fallere vita, georg. 2,467), indem er mit Justitia, die zuletzt das Landleben verlassen hat, an die moralische Depravation der Menschengenerationen des Goldenen Zeitalters erinnert.17

 

Für Oksala (1979, 106) verspottet Horaz in Epode 2, indem er Alfius als Sprecher auftreten lässt, „die romantische Auffassung vom Landleben – ein Thema, das damals bei den Stadtbewohnern als Mode beliebt war – und benutzt dazu die Ideenwelt der Georgica, die er schon privat kannte“, als wolle er ‚prophezeien‘, „wie der Stadtbewohner – der künftige Leser der Georgica – dieses tiefe Naturepos missbrauchen wird, dessen Echtheit an sich er keineswegs in Frage stellte.“ Dies erklärt die von Kießling-Heinze beobachtete Inkongruenz zwischen dem übertriebenen Ton, in dem Ironie steckt, und der zur horazischen Anschauung eigentlich gut passenden Beschreibung des Landlebens, was in den letzten Epodenversen den Überraschungseffekt bewirke (so auch Watson 2003, 84f.).18

Vergil präsentiert ein mit mehr Pathos erfülltes Bild, in dem die Klienten als anonyme Masse (ingens unda) nicht selbst gehen, sondern aus dem Palast des Patrons ausgespien werden. Die Außenperspektive des Beobachters ist dabei zwar voreingenommen, zugleich ist daraus aber auch zu schließen, dass der einzelne cliens von seinem patronus nicht mehr als Individuum wahrgenommen wird. Dagegen ist bei Horaz die Umschreibung der salutatio zwar augenscheinlich ähnlich (die superba limina entsprechen den fores superbae bei Vergil), doch der Bürger, aus dessen Perspektive gesprochen wird, bestimmt selbst und vermeidet diese Situation (vitat, 7). Der Sprecher inszeniert sich als jemanden, der die Last der Pflichten kennt. Das Horaz-Ich in sat. 2,6 hätte sich wohl diesbezüglich in ähnlichem Ton geäußert19 (auf jedem Fall wird er es in carm. 2,18 machen, wie gleich gezeigt wird20). Der Erstleser der Epode ist sich dessen bewusst, doch am Ende löst sich die Ernsthaftigkeit der Kritik in Luft auf – oder sie wird auf eine komische Weise relativiert.21

In beiden Fällen aber, denkt der Leser nun an einen Horaz- oder an einen Alfius-Sprecher, wirkt die Lage der Klienten gleich beklagenswert. Der moralisierende Ton der Georgica ist in der Epode nicht vorhanden, doch in carm. 2,18 wird der (diesmal tatsächliche) Horaz-Sprecher auf einen moralphilosophischen Diskurs zurückgreifen, der die schwierige Lage der gewöhnlichen Klienten mit der Lage der zum Übermut neigenden Patrone kontrastiert. Dies erinnert an den „natürlichen Gegensatz“, den der Leser in Epode 2 zwischen dem „gewöhnlichen Bauer“ und dem „Latifundienbesitzer“ – so Oksala (1979, 108) als Entsprechung zum patronus-cliens-Verhältnis für Klienten und Patron – vorfindet.

ii) condicio humana im dives-pauper-Kontrast: carm. 2,18

Horazcarm. 2,18Die Ode 2,18, mit der sich Horaz an ein Enkomion des Bakchylides anlehnte,1 beginnt mit einer Selbstinszenierung des horazischen Ichs, das sich voll Dankbarkeit für Maecenas äußert. Ab der Mitte der Ode wird das kontrastive Bild eines habgierigen und geizigen Reichen ausgeführt, der seinen armen Klienten um dessen Existenz bringt, was in einer archaisch wirkenden Szene gezeigt wird. Der Sprecher appelliert schließlich an den geizigen Reichen mit der mahnenden Erinnerung an die condicio humana. Von Bedeutung für die vorliegende Arbeit ist die Unterteilung des Gedichts in drei Abschnitte, da die patronus-cliens-Problematik dabei von großer Bedeutung ist: a) Einerseits wird die Erwähnung von clientes als Prestige-Symbol einflussreicher Familien betont, um sie später mit der persönlichen Beziehung zu Maecenas als potens amicus aus der Ich-Perspektive zu kontrastieren (1‑14). b) Andererseits spielt eine allgemeine Warnung an reiche patroni vor Anmaßung gegenüber bedürftigen clientes eine zentrale Rolle; damit wird eine Parallele zwischen der clientela und dem dives-pauper-Diskurs geschaffen (14‑28). c) Daran schließt Horaz den Appell an den überheblichen Reichen über den ethischen Diskurs an, in dem die jeweiligen Figuren des pauper und des dives (parallel zu den Figuren des cliens und des patronus) im Mittelpunkt stehen (29‑40).2

Wenig überzeugend ist die Deutung bei Nisbet und Hubbard, denen zufolge die kritische Tendenz der Ode auf Maecenas ziele (N./H. 1978, 287ff., insb. 289f.), weil die im ersten Teil der Ode erwähnten Luxus-Motive auf Maecenas’ Wohlstand anspielten und die villa maritima des Maecenas an die Villa in Baiae erinnere, die Horaz im zweiten Teil der Ode dem habgierigen Reichen als Zeichen seiner hemmungslosen Bausucht zuschreibt. Schließlich stelle die Unterwelt-Thematik eine evidente Anspielung an „Maecenas’s own morbid obsessions“ dar.

Da Maecenas aber in der vorausgehenden Ode von Horaz als pars animae meae (carm. 2,17,5) und in der abschließenden Ode 2,20,7 als dilecte Maecenas angesprochen wird, wirkt eine solche Kritik im Kontext des Odenbuchs eher deplatziert – dass zwischen dem hochadligen Maecenas (edite regibus, carm. 1,1,1), und einem Attali ignotus heres (carm. 2,18,5f.) eine gedankliche Assoziation hergestellt werden soll, ist kaum überzeugend. In Ode 2,18 hat das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas eher eine positive Exempel-Funktion, und Maecenas wird dabei nicht direkt angesprochen.3

Wie eine erste Lektüre des Textes erweist, handelt es sich dabei um ein Gedicht „im Stil der philosophischen Predigt“ (K./H. 1, 234) bzw. um eine „Predigt gegen Verschwendungssucht und Habgier“ (Holzberg 2009, 146). Thematisch knüpft die Ode in der Gesamtkomposition des Buches vor allem an carm. 2,17 und 2,20 sowie an 3,1 an.

(Topische) Luxus-Elemente und (1-8) und die Selbstinszenierung des Dichters (9-14).

Horazcarm. 2,18,1-14In den Anfangsversen der Ode kontrastiert sich der Horaz-Sprecher als pauper mit der Figur des dives und stellt seine eigenen Kriterien entgegen (carm. 2,18,1‑14):


Non ebur neque aureum
mea renidet in domo lacunar,
non trabes Hymettiae
premunt columnas ultima recisas
Africa neque Attali 5
ignotus heres regiam occupavi
nec Laconicas mihi
trahunt honestae purpuras clientae.
at fides et ingeni
benigna vena est pauperemque dives 10
me petit: nihil supra
deos lacesso, nec potentem amicum
largiora flagito,
satis beatus unicis Sabinis.

Der Sprecher gibt sich bescheiden mit seinem „einzigen Landgut“ zufrieden und betont seine innere Aufrichtigkeit als Basis des Verhältnisses zum potens amicus. Zentral ist also der Gedanke, dass ein patronus nicht wegen seines Reichtums gewählt wird. Dies dient als Erklärung für die Behauptung in Vers 10: Paradoxerweise werde der Sprecher als pauper vom dives besucht (eine Verkehrung eines traditionell klientelären Abhängigkeitsverhältnisses), und zwar auf Grund seiner bescheidenen Aufrichtigkeit (9‑11).4 Dabei inszeniert sich der Sprecher offen als der Dichter Horaz und dankt seinem potens amicus Maecenas dafür, für ihn materiell gesorgt zu haben.

Die topischen Elementen für Luxus-Beschreibungen dienen dabei als Kontrast zur bescheidenen Dichterstimme. Einerseits greift der dives-pauper-Diskurs damit das Bakchylides-Modell wieder auf, indem er das letzte dort im Luxus-Trikolon vorkommende Element einführt (die πορφύρεοι τάπητες5) und danach mit at einen Gegensatz schafft, um die persönliche Ebene zu betonen (dies spiegelt sich im Bakchylideischen ἀλλά wider: at fides et ingeni | benigna vena est – ἀλλὰ θυμὸς εὐμενής).6 Andererseits weicht Horazens Darstellung vom griechischen Modell ab, indem sie sich mit einem römischen Charakter präsentiert – nicht zuletzt durch ein Element der clientela. Denn nach den prunkvollen Bauelementen werden als letztes Luxus-Symbol honestae clientae eingeführt, die für den Patron einen kostbaren Purpurmantel7 herstellen (7‑8): brave Hausfrauen also, die weben und die folglich an das Penelope-Bild erinnern.

 

Zum ersten Mal seit Plautus und Afranius kommt das Wort clienta literarisch vor. Die weibliche Form des cliens wird dort im Sinne von famula bzw. serva libertina gebraucht, wie aus den jeweiligen Passagen hervorgeht.8 Pseudo-Acron erklärt das Wort zwar ähnlich als familiares oder vicinae, doch hält der Kommentator sie gleichzeitig für die uxores clientium, welche der Ehefrau des Patrons beim Weben helfen. So deutet auch Porphyrio die Horaz-Stelle.9 Das Bild ist in der vorliegenden Passage allgemein gehalten, denn beide Assoziationen passen gut (sowohl die famulae weben für ihren Herrn als auch die Ehefrauen der Klienten für die Ehefrau des Patrons). Im Auftrag des Patrons (bzw. seiner Ehefrau, folgt man Ps.-Acrons und Porphyrios ἐξηγήσεις zur Passage) stellen also die clientae die wertvollen Textilien für diesen her. Dies deutet auf den hohen Stand des Patrons hin, der über verschiedene Elemente des materiellen Luxus verfügt, wie eben auch über ehrenvolle Klienten. Der Horaz-Sprecher kontrastiert sich damit und beteuert, solcherlei nicht zu besitzen, sondern nur den inneren Wert der Aufrichtigkeit aufzuweisen.

Mit dem Gegenbild, das der Horaz-Sprecher ab Vers 9 von sich gibt, knüpft er an das Motiv der Zufriedenheit in Satire 2,6 an.10 Die aus der so angestrebten vita rustica resultierende beatitudo wird allerdings nun als vollkommen inszeniert (satis beatus unicis Sabinis, 14): Es handle sich also nunmehr um ein Verhältnis, in dem divitiae keine Rolle (mehr) spielen. Denn indem Maecenas mit potens amicus genannt wird, legt der Sprecher einerseits offen, dass amicitia eine fundamentale Rolle spielt, andererseits dass er doch davon materiell profitiert hat. Dabei argumentiert er aus der Sicht des dives (nicht aus seiner persönlichen Sicht), denn er gibt sich mit dem einen Landgut zufrieden, das ihm sein amicus zugeteilt hat.11

Doch Maecenas wird hier nicht wie der dives der ersten Verse bewertet: Ihm wurde ja schon die Fähigkeit ethischer Bewertung bescheinigt (turpi secernere honestum, Hor. sat. 1,6,36) – folglich erkennt er die Aufrichtigkeit des Horaz. Dass der Sprecher ihn damit als Einzelfall betrachtet, wird durch die nächsten Verse betont, in denen ein dives avarus Ziel der Kritik wird. Dabei spielt die clientela-Thematik zum zweiten Mal eine wichtige Rolle.Horazsat. 1,6,36

Warnung vor Anmaßung gegenüber bedürftigen clientes (15‑28).

Horazcarm. 2,18,15-28Der zweite Teil der Ode konzentriert sich auf die Thematik der Vergeblichkeit menschlichen Ehrgeizes. Einem unbestimmten tu (17) – offenbar der Typus des reichen, überheblichen Patrons (nicht aber Maecenas)12 – wird vorgeworfen, er kümmere sich nur um den äußeren Wohlstand, während er sich seiner Sterblichkeit nicht bewusst sei (sepulcri inmemor, 19). Der Wohlstand schlägt sich topisch in Baumotiven wie marmor, domus, Baiae, die Vergänglichkeitsthematik in Motiven des Todes wie funus, sepulcrum, urgere nieder und wird damit zu einem deutlichen Signal für den ethischen Diskurs. Kritik an luxuria und avaritia, wie der Ich-Sprecher letztlich topisch exemplifiziert, stellt den geizigen Reichen also an den Pranger. Wegen seiner Grenzen- bzw. Hemmungslosigkeit versucht er nicht nur, die Natur zu bezwingen, sondern gefährdet sogar die Existenz anderer (carm. 2,18,15‑28):


truditur dies die 15
novaeque pergunt interire lunae:
tu secanda marmora
locas sub ipsum funus et sepulcri
inmemor struis domos
marisque Bais obstrepentis urges 20
submovere litora,
parum locuples continente ripa.
quid quod usque proximos
revellis agri terminos et ultra
limites clientium 25
salis avarus? pellitur paternos
in sinu ferens deos
et uxor et vir sordidosque natos.

Der Reiche wolle seine Villa am Strand noch auf das Meer ausdehnen, sonst halte er sich nicht für reich genug; dafür okkupiert er nicht nur die Strände, sondern beraubt auch seine Nachbarn ihres Landguts. Letzteres stellt eine Angelegenheit dar, die im römischen Recht streng verurteilt wurde. Die Grenzverschiebung des Grundstücks des Nachbarn (proximos | revellis agri terminos) sowie des Klienten (limites clientium | salis) wurde im archaischen Rom sogar als schweres sakrales Delikt empfunden.13 Wie noch gezeigt wird, knüpft dieses Motiv an archaisierende Elemente an, die den traditionellen ‚römischen‘ Charakter der Komposition betonen. Denn die sog. exaratio termini, also die Grenzverschiebung, ist ein Verstoß gegen eines der heiligsten Elemente der römischen Weltanschauung. Der Kult des Gottes Terminus wurde mythologisch auf König Numa zurückgeführt14 (wie auch der Fides-Kult). Ein Verstoß gegen die zwischen Anrainern vereinbarten Flurgrenzen stellte einen klaren Fall der ἀδικία dar (Plut. Num. 16,2) und führte ursprünglich sogar zur sog. Sazertät.15 Somit ist die Parallele zum Verstoß gegen die fides beim patronus-cliens-Verhältnis in dieser Ode offensichtlich:16 Beging ein Patron fraus gegenüber seinem Klienten (missachtete er also die fides), wurde er zum homo sacer erklärt (so die schon oben behandelte Lex XII Tab.: patronus si clienti fraudem fecerit, sacer esto)Lex XII tab.8,21 – genau wie derjenige, der die Grenzen des Nachbarn (oder noch schlimmer: der clientes)17 nicht beachtet.18 Eine solche Verletzung verschärft sich allerdings im patronus-cliens-Verhältnis, weil die Fürsorgepflicht verletzt wird. Dies lässt sich auch im folgenden Beispiel bemerken.

Nicht umsonst zitiert Servius in seinem Kommentar zu Aen. 6,609 genau diese Horaz-Stelle, um das nur durch ihn überlieferte Zwölftafelgesetz über das patronus-cliens-Verhältnis zu veranschaulichen: In der Katabasis der Aeneis (6,236‑899) beschreibt die Sibylle Aeneas den Tartarus (547‑636). Dort werden nicht nur aus Mythen bekannte Frevler schwer bestraft (an die die Sibylle in einer praeteritio erinnert: 601), sondern generell alle Frevler, deren Vergehen exemplarisch genannt werden.19 Dabei verleihen die patroni,20 die ihre clientes misshandeln bzw. betrügen ([quibus est] fraus innexa clienti, 609), zusammen mit denjenigen, die die eigene Familie (Geschwister und Eltern) misshandelten (was dem Zwölftafelgesetz nach ebenso zur ‚Sazertät‘ führte21), der Passage einen deutlich römischen Charakter. Schließlich präsentiert die Sibylle zahlreiche avari und sonstige Verbrecher (meistens Verräter).22 Sie betont dabei die Bedeutung der avari, die eine erheblich größere Gruppe darstellen.23 Der Horaz-Sprecher in carm. 2,18 scheint daran anzuknüpfen, indem er gerade an den avari und im Zusammenhang mit der clientela ein Beispiel des frevelhaften Übermuts zeigt. In beiden Fällen ist zwar eine allgemeinere Kritik an menschlichem Verhalten das Ziel der Aussage, doch indem die moralischen Vergehen im Rahmen des patronus-cliens-Verhältnisses inszeniert werden, sind sie für ein römisches Publikum tief in der eigenen Tradition verankert und erhalten auch eine archaisierende Patina – bei Horaz wird die kritisierte avaritia, die andere schädigt, als besonders schwerwiegendes Vergehen empfunden, weil sie sich gegen die traditionelle römische Institution der clientela richtet.