tali dignus amico

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Z serii: Classica Monacensia #54
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Natürlich ist Menaechmus kein Moralprediger,24 sondern entlarvt seine hedonistische Denkweise, die ihn wohl nicht zur moralischen Läuterung führen wird: Denn diese scheinbare Gesellschaftskritik stellt sich letztlich als eine Klage über seine unangenehme Situation und Zeitverschwendung heraus, die ihn vom prandium mit der meretrix Erotium abgehalten hat. Aber die Klage macht das System für den Leser durchsichtig.

Menaechmus tritt als ein typisch römischer patronus auf, der sich in seiner Tätigkeit als Patron und als Hausherr nie als moralisch einwandfrei erweist, der aber verzeihliche und typische Fehler hat, die er sogar selbst erkennt und die ihn dem Zuschauer sympathisch erscheinen lassen. Der Klient wird dabei deutlich als typische römische Figur durch den Prozess auf dem Forum charakterisiert.

Ganz anders verhält sich es beim Schmarotzer Peniculus, der durch topische Gefräßigkeit und Schmeichelei als Musterparasit der griechischen Komödie charakterisiert wird. Dies kann man schon in der ersten Peniculus-Szene beobachtenPlautusMen. 139–149 (135–181, insb. 139–149), die im Dialog das parasitäre Verhältnis zwischen ihm und Menaechmus gut verdeutlicht, als der Herr ausdrücklich verlangt, dass der Schmarotzer sich als Schmeichler betätigen soll, und genau vorgibt, was er hören möchte, um ihn dann deswegen zum prandium einzuladen.

b) Der parasitus in den Menaechmi

Peniculus wird nicht nur von anderen Figuren des Stücks wörtlich als Parasit bezeichnet (etwa in Vers 222f.), sondern er stellt sich auch selbst namentlich in dieser Rolle dar (etwa in 470; 505). Dabei führt er selbst schon am Anfang seiner Rhesis seinen Spitznamen „Peniculus“ etymologisch auf das Abwischen der Essensreste vom Tisch zurück (77–78).1 Auch zu seinem Beruf als „Parasit“ steht er, denn er erklärt, warum er auf seiner Stellung apud mensam (‚parasitär‘ also) beharrt und was ihn an Menaechmus bindet: die Großzügigkeit des Gönners, was Essen betrifft (Men. 87–103):PlautusMen. 87–103


quem tu asservare recte ne aufugiat voles
esca atque potione vinciri decet.
apud mensam plenam homini rostrum deliges;
dum tu illi quod edit et quod potet praebeas, 90
suo arbitratu, ad fatim, cottidie,
numquam edepol fugiet, tam etsi capital fecerit,
facile adservabis, dum eo vinclo vincies.
ita istaec nimis lenta vincla sunt escaria:
quam magis extendas tanto adstringunt artius. 95
nam ego ad Menaechmum hunc eo, quo iam diu
sum iudicatus; ultro eo ut me vinciat.
nam illic homo homines non alit, verum educat,
recreatque: nullus melius medicinam facit.
ita est adulescens ipsus; escae maxumae 100
Cerialis cenas dat, ita mensas exstruit,
tantas struices concinnat patinarias:
standum est in lecto si quid de summo petas.

Durch vincla escaria sieht er sich von seinem Herrn quasi fest- bzw. in Gefangenschaft genommen (adservare, vinciri).2 Als Gegenleistung bietet er Schmeichelei und Dienste, die in der Mithilfe für die Komödienintrige notwendig werden: So braucht Menaechmus schon in der ersten Szene diese Hilfe. Denn er hat seiner Ehefrau, mit der er gestritten hat, ein teures Kleid gestohlen, um sich damit bei seiner Geliebten einzuschmeicheln, von der er zum Trost gut empfangen werden will – offensichtlich eine für eine Verwechslungskomödie typische Handlung.

Der Parasit beobachtet mit Schrecken, dass Menaechmus im Streit schimpfend das Haus verlassen hat (110–134), denn das bedeutet für ihn, dass kein prandium im Haus stattfinden wird. Erst als Menaechmus ankündigt, bei seiner Geliebten Erotium ein anderes prandium abhalten zu wollen, wird Peniculus dienstfertig (141ff.). Vorher aber verweigert der Parasit das Verhalten, das er üblicherweise zeigt; und wir sehen, was Menaechmus von ihm besonders dann erwartet, wenn er diese Dienste explizit einfordern muss (Men. 139–154):PlautusMen. 139–154


MEN. non potuisti magis per tempus mi advenire quam advenis.
PEN. ita ego soleo: Commoditatis omnis articulos scio. 140
MEN. vin tu facinus luculentum inspicere? PEN. quis id coxit coquos?
iam sciam, si quid titubatum est, ubi reliquias videro.
MEN. dic mi, enumquam tu vidisti tabulam pictam in pariete,
ubi aquila Catamitum raperet aut ubi Venus Adoneum?
PEN. saepe. sed quid istae picturae ad me attinent? MEN. age me aspice 145
ecquid assimulo similiter? PEN. quis istest ornatus tuos?
MEN. dic hominem lepidissimum esse me. PEN. ubi essuri sumus?
MEN. dic modo hoc quod ego te iubeo. PEN. dico: homo lepidissime.
MEN. ecquid audes de tuo istuc addere? PEN. atque hilarissime.
MEN. perge ‹perge›. PEN. non pergo hercle, nisi scio qua gratia. 150
litigium tibi est cum uxore, eo mi ábs te caveo cautius.
MEN. clam uxorem est ubi pulchre habeamus, [atque] hunc comburamus diem.
PEN. age sane igitur, quando aequom oras, quam mox incendo rogum?
dies quidem iam ad umbilicum est dimidiatus mortuos.

Menaechmus ist höchst zufrieden, als er Peniculus sieht, denn er scheint ihm der perfekte Helfer zu sein (139). Peniculus deutet das auch entsprechend als seine professionelle Leistung (140), so dass Menaechmus ihm die Aufgabe ankündigt: eine glänzende Tat (facinus luculentum, 141) – damit meint er die List, mit der er seine Frau bestraft; Peniculus missversteht aber alles, weil er nur ans Essen denkt (daher seine Frage nach dem Koch in Vers 141). Daraufhin stellt Menaechmus sein Liebesabenteuer pathetisch wie ein Gemälde dar, das Jupiters Adler beim Raub des Ganymed oder Venus beim Anblick des schlafenden Adonis zeigt – Peniculus müsste jetzt als professioneller Schmeichler lobend darauf eingehen, doch er reagiert nur gelangweilt und demonstrativ begriffsstutzig (145). Menaechmus muss daher ausdrücklich die „normale“ Dienstleistung vom Parasiten verlangen, nämlich: ein schmeichlerisches Lob seines Aussehens. Er legt ihm sogar das erwartete Lob vorformuliert in den Mund (147). Peniculus erinnert aber an Menaechmus’ Verpflegungspflicht mit der Frage ubi essuri sumus? (147), bis er endlich dem Drängen nachgibt und seinem Herrn also schmeichelt, wie der es erwartet. Somit sind die charakteristischen Eigenschaften des Parasiten plakativ zur Schau gestellt: Gefräßigkeit und Schmeichelei. Der Gastgeber erwartet diese Eigenschaften als Dienstleistungen vom Schmeichler auch, indem er sie explizit einfordert. Umgekehrt darf der Parasit auf der Einhaltung der Leistung durch den Gastgeber bestehen.

Doch zu dem angekündigten prandium kommt der Schmarotzer in dieser Zwillings- und Verwechslungskomödie nicht, denn der eben in der Stadt eingetroffene Zwillingsbruder Menaechmus II aus Syrakus wird unversehens von Erotium zu dem üppigen Mahl eingeladen (und zwar ohne den Parasiten), das sein Zwillingsbruder Menaechmus I aus Epidamnus angeordnet und finanziert hatte.

 

Das passiert nur, weil Menaechmus I auf dem Forum vor allem den oben erwähnten cliens quidam verteidigen musste. Der leer ausgegangene Schmarotzer versteht die Welt nicht mehr und will sich folglich an Menaechmus rächen (520f.). Denn der hat offensichtlich sein Versprechen und seine Leistung (das prandium) nicht eingehalten – also muss auch der Parasit seine Leistung (Treue, Hilfe beim Hintergehen der Ehefrau) nicht mehr einhalten.3 Somit hat er Menaechmus’ Ehefrau über die Affäre ihres Mannes informiert und beide wollen nun Menaechmus abpassen (570).4 Der kommt eben vom Forum und schimpft in dem oben gezeigten Selbstgespräch über seine Erfahrung mit dem cliens quidam.

Wie man sieht, ist es kaum gerechtfertigt, diesen cliens quidam mit dem Komödientypus des Parasiten gleichzusetzen, und den Parasiten umgekehrt mit einem Klienten. Für Gratwick gilt der cliens quidam als „a shadowy second Peniculus“5. Damon sieht „a connection of some sort between Peniculus and cliens quidam“,6 denn beide Figuren seien abhängig vom wohlhabenden Menaechmus. Dadurch sei die Nebeneinanderstellung beider Figuren „a useful indication of the variety of experience possible in relationships that would fit the definition of patronage.“7 Dass aber bei Plautus ausdrücklich zwischen parasiti und clientes unterschieden wird, sollte m.E. beachtet werden. Eine Gemeinsamkeit zwischen Parasit und cliens ist zwar vorhanden, wie auch Ganter 2015 betont: Das Verhältnis zu Menaechmus bestehe in einem Güteraustausch (Essen gegen Schmeichelei bzw. ‚Dienste‘ beim Parasiten, gerichtliche Unterstützung im Austausch mit ökonomischer Unterstützung beim Klienten).8 Doch die Differenz scheint mir im Text demonstrativ hervorgehoben: Mit der für die griechische Komödie typischen Figur des Parasiten, der von seinem Herrn hauptsächlich Essen bekommt (d.h. das prandium), hat hier der eigentlich römische cliens quidam, der eher rechtliche Hilfe benötigt, wenig gemeinsam. Im Unterschied zu Schmarotzer/Schmeichler und Gastgeber/Herr ist das Verhältnis zwischen cliens und patronus in der plautinischen Darstellung eine Geschäftsbeziehung, die ausdrücklich auf der ökonomischen Potenz des cliens und der gesellschaftlichen Autorität des patronus, die er vor Gericht für den Klienten einsetzt, beruht.

Zwar hat Damon Recht, wenn sie bezüglich schmarotzerischer Figuren in der römischen Literatur Folgendes bemerkt:

The plight of the parasite reflects a system in which the initiative for the relationship comes more from below than from above. Such a situation promotes parasitical behaviour: obsequiousness to the point of servility, toleration of insult and injury, and so on.9

Doch diese Bemerkung lässt sich meiner Ansicht nach mit Plautus’ Darstellung des cliens quidam in den Menaechmi kaum verbinden.10 Zwar kommt bei Juvenal das Wort parasitus in Szenen, in denen aber auch Essen eine wichtige Rolle spielt, in Verbindung zu den schmarotzerhaften clientes oft vor als wären diese eine grobe Karikatur des Komödientypus.11 Solche Figuren werden auch (wenn auch nicht namentlich) bei Martial eine bedeutende Rolle spielen,12 da Parasiten in der satirischen Dichtung der Kaiserzeit eine Denkfigur darstellen können, die dazu eingesetzt wird, die Störung des idealen Gleichgewichts in der römischen Institution der clientela zu signalisieren. Doch ein solches Element ist m.E. noch nicht bei Plautus (und vor allem nicht in den Menaechmi) festzustellen, wo auf der einen Seite der griechische Typus des parasitus erst in die römische Literaturwelt eingepasst wird und auf der anderen Seite die römischen Alltagselemente zum ersten Mal literarisch zum Ausdruck gebracht werden.13

Für die Komödie ist die genretypische Figur des parasitus strukturell wichtig: Die Intrigenhandlung und die Verwechslungskomödie wird durch sein Eingreifen vorangetrieben.14 Zur Charakterisierung der Person des Menaechmus wird der Parasit eingesetzt, weil er ein enger Vertrauter ist und Menaechmus ihm gegenüber alles, was er denkt und plant, offen und ohne Zurückhaltung ausspricht. Und dies hat mit dem Typus des cliens quidam kaum etwas zu tun, der eher dazu da ist, Alltagselemente der römischen Gesellschaft in die Adaption der griechischen Komödie einzubringen, um Nähe zum römischen Publikum herzustellen und den Humoreffekt zu steigern.15

Resümee und Ausblick

Offensichtlich wird also bei Plautus die patronus-cliens-Problematik zum ersten Mal literarisch für uns greifbar und zwar über das Motiv der rechtlichen Pflichten, welche der Patron gegenüber seinen Klienten zu erfüllen hatte sowie v.a. über die (unangenehmen) Folgen solcher Verpflichtungen. Wie es von der Gattung Komödie zu erwarten ist, handelt es sich um eine amüsante Darbietung des Diskurses, was sowohl sprachlich als auch inhaltlich deutlich wird: Menaechmus fühlt sich falsch behandelt, ist aber jeweils selbst schuld an seiner Situation, da er als patronus selbst zugibt, aus Gier viele clientes haben zu wollen. Im Mittelpunkt der humorvollen Darlegung steht also neben der Figur des malus cliens auch diejenige des gierigen Patrons. Dies hat mit der Figur des Parasiten Peniculus nichts zu tun, wo genretypische Merkmale zur Schau gestellt werden: Schmeichelei und Gefräßigkeit, und seine Rolle als Vertrauensfigur des Menaechmus, die für den Plot der Komödie notwendig ist.

Sowohl zwischen Parasiten und Herren als auch zwischen Klienten und Patronen besteht zweifelsohne ein Abhängigkeitsverhältnis. Dass bei einer negativen Darstellung beider Verhältnisse folglich Unterwürfigkeit, Demütigung und Schmeichelei miteinbezogen werden, wie Damon und Ganter richtig bemerken, ist zwar klar. Trotzdem sind die Verhältnisse unterschiedlich. Denn zwar dient der Typus des Parasiten in der Literatur offenbar als Karikatur menschlichen Verhaltens; die Verbindung zu seinem Hauptmerkmal ist aber immer präsent: die Gier auf Essen. Diese besteht zu einem gewissen Grade auch in der römischen Satire, wo die Parallelisierung zwischen clientes und parasiti gelegentlich dem Leser nahegelegt wird. Man denke dabei an den mane cliens et iam certus conviva in Horaz epist. 1,7,75, an den Vergleich mit dem schmeichelnden scurra in epist. 1,18, oder schließlich an Trebius’ Demütigungen bei Virros cena in Juvenals 5. Satire. Dass in der (ja viel früheren) römischen Komödie allerdings eine explizite Differenzierung vorgenommen wird, ist m.E. zu betonen.Horazepist. 1,7,75Horazepist. 1,18Juvenal5

3) Horaz: Selbstinszenierung und allgemeine Warnung. Entwicklung der Perspektive

Nach der plautinischen Darstellung der Problematik zwischen patroni und clientes in den Menaechmi findet der Leser in der römischen Dichtung so deutlich erst wieder bei Horaz eine zwar auf Humor zielende, doch aussagestarke Inszenierung solcher Spannungen vor.

Die Thematik des patronus-cliens-Verhältnisses wird von Horaz ausdrücklich dargestellt, allerdings geschieht dies auf eine derart vielschichtige und individuell gestaltete Weise, dass der Leser mit Vorsicht vorgehen muss: Einerseits spricht der Dichter als der Dichter selbst über sein Verhältnis zu Maecenas als Gönner und Freund, was in manchen Aspekten Parallelen zum Verhältnis zwischen Patronen und (Dichter-)Klienten1 aufweist. Andererseits aber äußert er sich gleichzeitig als externer Beobachter allgemein über das patronus-cliens-Verhältnis. Dabei scheint er anhand von Ironie und eines ethischen Diskurses an die sozialen Hierarchien und menschlichen Werte zu appellieren. Denn in beiden Fällen werden positive und negative Aspekte betont. Zwar sei dieses Verhältnis gewinnbringend, falls es v.a. von der klientelären Seite sinnvoll genutzt werde, doch könne es auch die innere Freiheit einschränken. Gleichzeitig werde das Problem durch die condicio humana relativiert, denn der Tod stelle die endgültige Nivellierung alles Menschlichen dar. Dies ist v.a. an die patronale Seite gerichtet, die öfter dazu neigt, dem Klienten aus Geiz Unrecht zu tun. Dabei stehen topische Kontrastierungen von Landruhe und Stadthektik, Bescheidenheit und Luxus sowie von Freiheit bedeutender Freundschaft und zeitraubenden, doch unausweichlichen Pflichten im Mittelpunkt des Diskurses.

Bei Horaz lassen sich drei unterschiedliche Darstellungen des patronus-cliens-Diskurses beobachten: i) Einerseits inszeniert das satirische Ich die eigene Beziehung zu Maecenas aus einer persönlichen Perspektive (v.a. Satiren 1,5; 6; 9 sowie 2,6). Doch darin ist die Grenze zwischen Freundschaft und Klientel sowie zwischen Klientel und amtlichen Pflichten keinesfalls klar, so dass der Horaz-Sprecher dies explizit als problematisch thematisiert:

1) Zwar inszeniert sich Horaz in den Satiren als treuester amicus des Maecenas. Gleichzeitig gibt er aber an, ihm sei bewusst, dass er vom volgus als dessen bloßer Klient (vgl. convictor, sat. 1,6,47) betrachtet werde. Dabei betont er allerdings die auf inneren Werten und ehrlichen Affekten basierende amicitia zwischen ihm, seinen Kollegen (wie Vergil) und seinem Gönner Maecenas. 2) Dies wird mit dem unehrlichen und übertrieben zielstrebigen Charakter anderer Figuren kontrastiert, die gerne so ein Verhältnis eingehen würden, die moralische Disposition dafür aber nicht besitzen, wie der sog. Schwätzer in sat. 1,9. 3) Dennoch betont das satirische Ich auch die problematischen Aspekte des Verhältnisses, vor allem in Bezug auf die officia, die es bei Maecenas zu erledigen hat (selbst wenn sie nicht unbedingt mit denjenigen eines Klienten gleichzusetzen sind) und die ihm zeitraubend und anstrengend werden. Dies wird aus einer Lektüre von sat. 2,6 ersichtlich, wo die aliena negotia centum, die Horaz bei Maecenas bedrücken, beschrieben werden. Das wird dem Leser durch ein Fabelbeispiel über die Landruhe, nach der Horaz sich sehnt, vor Augen geführt.

ii) Andererseits ist ein direkterer Bezug auf das Klientelwesen im Allgemeinen in Epode 2 und Ode 2,18 vorzufinden. Dabei spricht das Ich allerdings aus einer Außenperspektive. 1) Im ersten Fall geht es um die Thematisierung der klientelären Verpflichtungen (insbes. der salutatio, d.h. des morgendlichen Aufsuchens patronaler Häuser) als Inbegriff der Stadthektik. Dies wird jedoch nur scheinbar vom dortigen Sprecher, Alfius, kritisiert, der, wie man weiß, selbst ein faenerator ist und sich keinesfalls ernsthaft aufs Land zurückziehen möchte. 2) Im zweiten Fall stößt der Leser dagegen einerseits auf die Selbstinszenierung des Horaz-Ichs als pauper, aber von Maecenas’ Großzügigkeit profitierenden amicus; andererseits findet sich eine ernstgemeinte allgemeine Warnung an die (geizigen) Patrone vor Übermut gegenüber den Klienten.2 Anhand eines ethischen Diskurses rückt das lyrische Ich damit topisch die condicio humana in den Mittelpunkt.

iii) Damit sind es vor allem die Episteln, die einen konkreteren und reicheren Überblick über die horazische Darstellung der Spannung im patronus-cliens-Verhältnis bieten. Horaz spricht etwa in 1) epist. 1,7 von der Schwierigkeit, Förderung und Geschenke zu erhalten und dennoch die eigene Freiheit zu wahren. Dabei dienen Exkurse wie Erzählungen und Anekdoten als Strategien der literarischen Darstellung, um die Komplexität und Unlösbarkeit einer solchen Problematik zu illustrieren. Scheinbar positiver drückt sich der Horaz-Sprecher in 2) epist. 1,17 und 3) 1,18 über die Vorteile eines sinnvoll genutzten patronus-cliens-Verhältnisses aus, indem er sich als erfahrener, Ruhe genießender cliens inszeniert, der nun in der Lage ist, didaktische Warnungen praktischer und ethischer Natur für die Beziehung zu den mächtigen Gönnern zu geben (in epist. 1,18,86 spricht er offen von der cultura potentis amici als einer schwierigen und gefährlichen Kunst). Horaz äußert sich hier offen über das hierarchische Abhängigkeitsverhältnis, das einen (v.a. Dichter-)Klienten an einen Gönner bindet, als wäre dieser ein Lehrer. Dieses Verhältnis basiert zwar auf Profitdenken, doch gleichzeitig (und vor allem) auf amicitia. Aus dieser Spannung ergibt sich die Schwierigkeit, dass nur ein geschickter (Dichter-)Klient von einer solchen Beziehung profitieren könne – ohne dabei wie ein plumper Parasit zu wirken (Kontrast amicus – scurra). Horaz hebt nicht nur die Vorteile des patronus-cliens-Verhältnisses hervor, sondern betont auch die Schwierigkeiten, sich richtig zu verhalten, und deckt die Schattenseiten auf, nicht zuletzt durch Exkurse und Humorsignale.

 

Für die patronus-cliens-Thematik in der Literatur nimmt Horaz eine ebenso wichtige wie problematische Rolle ein. Denn einerseits ist sein genaueres Verhältnis zu Maecenas komplex und gleichzeitig schwer zu rekonstruieren und entspricht nicht immer einer eigentlichen clientela. Andererseits wurden aber seine Inszenierungen und v.a. sein Verhältnis zum Gönner zur topischen Darstellung des Idealverhältnisses zwischen patronus und cliens in der späteren Literatur überhaupt: Sie wirkten bei den Darstellungen späterer Autoren, etwa Martial und Juvenal, weiter, die zwar die patronus-cliens-Problematik aus einer deutlich verschiedenen Position betrachten, doch horazische Aspekte rezipieren und neugestalten.

Die Darstellungen des Horaz nehmen eine multiperspektivische Ausleuchtung des Phänomens vor und geben durch Perspektivenwechsel Entscheidungshilfen für verschiedene Leser. Punktuelle Pflichten eines Klienten werden bei Horaz ansatzweise thematisiert, etwa die salutatio oder die cena-Einladungen, an sich spielen sie aber noch eine Nebenrolle. Das patronus-cliens-Verhältnis als Phänomen entwickelt sich dennoch zu einem topischen gesellschaftskritischen Element des satirischen Schreibens in der römischen Kaiserzeit und das Verhältnis zwischen Horaz und Maecenas avanciert zum Paradebeispiel für das unerreichbare Ideal.