tali dignus amico

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Z serii: Classica Monacensia #54
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c) Beobachtungen zum Sprachgebrauch
i) amicitia und clientela

Vor Schwierigkeiten steht man, wenn man in der Literatur den patronus-cliens-Diskurs lexikalisch eindeutig identifizieren möchte, da sich v.a. in den literarischen Quellen1 der frühen Kaiserzeit eine Umschreibung mit Begriffen aus dem Wortfeld der amicitia entwickelte. Wie v.a. Saller (1982 und 1989) und White (1978; 1993; 1995 und 2007) bemerken, bezeichnen in der Kaiserzeit Substantive wie amicus, sodalis oder conviva öfter den cliens oder den patronus, da offenbar die anderen Termini (d.h. patronus und cliens) die soziale Ungleichheit stark betonen.2 Ein solcher Ersatz der Begriffe im patronus-cliens-Diskurs durch das amicitia-Vokabular deutet auf komplexe Spannungen sozialer und affektiver Natur in den (Abhängigkeits-)Verhältnissen hin.3 Dabei stellt die jeweilige Bewertung, ob das Begriffsfeld der amicitia zum Ausdruck von Höflichkeit, von Ironie oder von im engeren bzw. weiteren Sinne zu verstehender Freundschaft eingesetzt ist, die Herausforderung an den Interpreten der Texte dar.

In der Bewertung, ob es zwischen der amicitia im moralphilosophischen Diskurs und der amicitia im Rahmen des patronus-cliens-Diskurses Überschneidungen und semantische Beziehungen gibt oder ob sie strikt als zwei Bereiche zu trennen sind, gibt es bereits unterschiedliche Forschungsrichtungen.4 Fest steht, dass im literarischen Diskurs öfter amicitia-Begrifflichkeiten vorzufinden sind, die auf ein ambivalentes Verhältnis hindeuten, etwa wenn Horaz seine Freude darüber ausdrückt, in amicorum numero des Maecenas aufgenommen worden zu sein (sat. 1,6,62), oder wenn er von Maecenas als einem potens amicus spricht (carm. 2,18,12),5 aber auch wenn er als Dichter(-Klient) aus der externen Perspektive von einem dives amicus spricht (vom Gönner also, der einen fördert: epist. 1,18,24), sowie von dem professus amicum (also vom geförderten Klienten, der sich auch als ‚wahrer‘ Freund seinem Gönner gegenüber inszeniert: epist. 1,18,2):Horazsat. 1,6,62Horazcarm. 2,18,12Horazepist. 1,18,2Horazepist. 1,18,24 Wie man sieht, hat sich der amicitia-Wortschatz z.B. bei Horaz zwar als Standardform für die Beschreibung der Beziehung zwischen Autor und hochgestelltem Förderer durchgesetzt6; dass hier eine Spannung zwischen einer amicitia im moralphilosophischen Sinne (als einem auf virtus beruhenden, nur inter bonos möglichen Verhältnis7 bzw. im Sinne von einer τῶν ἀγαθῶν φιλία καὶ κατ’ ἀρετὴν ὁμοίων8) und einer ausschließlich auf sozialen bzw. politischen Pflichten sowie Nutzbarkeitserwägungen basierenden Beziehung nahegelegt wird, ist dennoch evident.9

Bei späteren Autoren, etwa Martial und Juvenal, wird diese Spannung offen thematisiert – und die daraus entstandene Widersprüchlichkeit sogar betont und kritisiert.10 Dies zeigt, dass nicht nur die auf Affekt und virtus basierende amicitia darunter zu verstehen ist, sondern dass dabei auch das patronus-cliens-Verhältnis mit einer gewissen Selbstverständlichkeit gemeint ist, wie es White 199311 und auch Williams 201212 bemerken – selbst wenn eine solche Überlappung ebenso als Strategie für satirische Kritik im Diskurs eingesetzt wird, wie Konstan 1995 hervorhebt.13

Wie White 1978 zeigen konnte, deuten zwar nicht nur ausdrückliche Verweise in der amicitia-Nomenklatur (auch außerhalb der Dichtung) auf bewusste, wenn auch implizite Sozialunterschiede zwischen den Mitgliedern des Verhältnisses, sondern auch phraseologische amicitia-Junkturen, wie die zitierten Verwendungen von dives oder potens amicus.14 Doch man muss m.E. der Warnung von Nauta 2002 davor zustimmen, dass amicus in den literarischen Quellen der römischen Kaiserzeit (und vor allen in der Dichtung) sowie amicitia ein breites Spektrum an Verhältnissen andeuten, und zwar unabhängig von sozialem Status, persönlichen Affekten oder urbaner Höflichkeit.15 Es liegt daher der Arbeit das Verständnis zugrunde, dass einzelne Texte und Autoren diesen Zusammenhang zwischen amicus, patronus und cliens jeweils anders verhandeln und dem Leser signalisieren können. Auf verschiedene Weise wird sich bei den oben genannten Autoren zeigen, dass sie mehr oder weniger das amicitia-Konzept im Rahmen des patronus-cliens-Diskurses um- oder ausdeuten. Es gibt daher m.E. keine feste semantische Struktur der Terminologie, sondern jeder Kontext und Text legt eine (neue) Semantik innerhalb des Diskurses fest. Es muss also jeweils gefragt werden, ob es sich um eine affirmative, subversiv-kritische oder ironische Perspektive der (amicus)-patronus-cliens-Darstellung handelt. Dies zu bestimmen und jeweils auch zu eruieren, wird eine Aufgabe dieser Studie sein.

Gefragt wird also nicht nach einem übergreifenden allgemeinen Prinzip; vielmehr liegt der Arbeit das Verständnis zugrunde, dass einzelne Texte und Autoren das Thema jeweils neu verhandeln. Jeder der im Laufe dieser Arbeit vorgestellten Texte offenbart eine bestimmte Perspektive auf den patronus-cliens-Diskurs. Im Folgenden muss die literarische Inszenierung des patronus-cliens-Diskurses bei den einzelnen Autoren jeweils neu untersucht werden. Andererseits muss aber betont werden, dass dies nicht mit dem Ziel geschieht, eine historische Rekonstruktion der Verhältnisse zwischen patroni und clientes zu leisten, sondern um solche literarischen Sichtweisen herausarbeiten zu können.

ii) Parasiten und Klienten

Eine weitere Schwierigkeit bei der Analyse des patronus-cliens-Verhältnisses liegt in der möglichen Überschneidung der Begriffe parasitus und cliens. Aus dem Bereich der griechischen Komödie stammt der Begriff parasitus bzw. παράσιτος („Tischgenosse“): Er bezeichnet vor allem ab der Mittleren und Neuen Komödie die feste Figur des gefräßigen, komisch-sympathischen Schmarotzers, der sich durch kleine Dienste für seinen Herrn wie z.B. Schmeichelei (κολακεία/adulatio) das Essen (σῖτος) sichert.1

Da das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Klienten und Patronen nicht selten in der römischen Literatur mit demjenigen zwischen Parasiten und Herrn parallelisiert wird, tendiert man in der Forschung oft dazu, die Figur des ‚Parasiten‘ mit derjenigen des Klienten im Allgemeinen zu identifizieren, vor allem deswegen, weil sie bei späteren Autoren, etwa Horaz, Martial oder Juvenal, zum Teil dazu eingesetzt wird, die unangenehmen Folgen des patronus-cliens-Systems literarisch kritisch zu beleuchten, und zwar indem Charakteristika wie z.B. Unterwürfigkeit, Demütigung und Neigung zur Schmeichelei, um sich ein Einkommen zu sichern, betont werden.2 Doch unterschiedslos den Komödientypus des Parasiten in der ganzen römischen Literatur einem cliens gleichzustellen, wie es in der Forschung seit Damon (1995 und v.a. 1997) z.T. geschieht, ist m.E. wenig überzeugend.

Damon geht von der Voraussetzung aus, die literarische Figur des Parasiten stehe in der römischen Literatur im Allgemeinen für die negative Darstellung des cliens:

I argue that the stock character of the parasite that the Romans knew from Greek plays became in Latin authors a symbol for unhealthy aspects of patronage relationships in their own real world.3

Für sie stellt die Figur des Parasiten ein Zeichen der „pathology of Roman patronage“ dar und vor allem eine „negative reflection of the cliens“ über die ganze römische Literatur hinweg.4

Zwar weisen die Klienten in einem erweiterten Sinn als „Schutzbedürftige verschiedener Art, (…) die aus unterschiedlichen Gründen auf einen patronus oder eine patrona angewiesen sind“ (so Ganter 2015, 92), etliche Gemeinsamkeiten mit Komödienparasiten auf (so auch Ganter 2015b), doch eine unterschiedslose Gleichsetzung von clientes und parasiti scheint mir nicht adäquat. Dies lässt sich vor allem am Beispiel der plautinischen Menaechmi zeigen, wo gerade vom Autor der Unterschied zwischen den beiden Figuren, dem namentlich genannten parasitus Peniculus und dem auf dem Forum auftretenden cliens quidam, stark betont wird, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird. Daher ist vor allem Plautus für die vorliegende Untersuchung als Ausgangspunkt wichtig, nicht nur weil bei ihm die Figur des parasitus traditionell wichtig ist,5 sondern auch weil bei ihm die clientes zum ersten Mal in der Literatur eine Rolle spielen:6 In seinen Menaechmi findet der Leser nämlich die erste Thematisierung der Problematik zwischen patroni und clientes in der römischen Literatur vor. Durch eine Analyse der betroffenen Passage kann der Unterschied zwischen Parasiten und Klienten sowie die (doch erst wesentlich später zu Tage tretende) Parallelisierung in der satirischen Dichtung der Kaiserzeit am besten exemplifiziert werden.

d) Theoretische Anmerkungen
i) Das Begriffsfeld ‚Humor‘

Plautus, Horaz, Martial und Juvenal haben gemeinsam, dass sie Texte verfassen, die etwas einkalkulieren, was der heutige Leser generell als „Humor“ identifizieren würde,1 d.h. sie zielen durch verschiedene rhetorische Mittel wie etwa durch Parodie oder ironische Brechung auf einen gewissen Lacheffekt. Gleichzeitig aber richten sie sich – wie zu zeigen ist – in höherem oder geringerem Maße durch sozialkritische Elemente auf eine moralische Reflexion beim Leser bzw. dem Publikum. Dies kann man unter den Begriff des ‚Satirischen‘ fassen, ohne damit bereits in die Diskussion einzugreifen, wie (römische) Satire als Gattung (neu) zu definieren und zu begrenzen sei.2

 

In jedem Fall lassen sich die hier präsentierten Textpassagen durch Aspekte des ‚Komischen‘ charakterisieren. Bei der vorliegenden Untersuchung stehen Texte im Mittelpunkt, in denen der Leser eine belustigende – ja humorvolle – Ebene leicht erkennt (etwa Komödie-Szenen bei Plautus; Passagen der Satiren und Episteln des Horaz, Epigramme Martials und die Satiren Juvenals). Dazu setzen sie verschiedene Mittel ein, etwa Ironie, Sarkasmus, Parodie oder Witz. Als ‚humorvoll‘ bezeichne ich im Folgenden Passagen oder Ausdrücke, die beim Leser so wirken, dass er das Nicht-Ernste, Lachen erregende der Formulierung erkennt;3 als ‚witzig‘ Texte oder Ausdrücke, die in ihrer Kürze und ihrem „scherzhafte[n] Doppelsinn“ den Leser zum Lachen bringen;4 als ‚sarkastisch‘ dagegen konkretere Ausdrücke, an denen man „den bitteren Spott aus Verzweiflung“5 gut versteht. Darüber hinaus kennzeichnen natürlich auch gattungsspezifische Begriffen wie ‚satirisch‘ und ‚ironisch‘ genau das, was sie kennzeichnen sollten, und als solche werden sie auch besprochen.6

Eine anspruchsvolle Aufgabe ist es, die Tendenz auszudeuten, die der Autor verfolgt, bzw. die Wirkung, die beim Leser erreicht wird, wenn eine literarische Darstellung ernste Probleme auf dieser humorvollen Ebene abhandelt. Horaz selbst hat das Problem zu einem Hauptthema in den gattungstheoretischen und selbstreflexiven Passagen seiner Satiren gemacht: Er betont die psychologische Wirkung und didaktische Intention seiner Haltung des ridentem dicere verum (sat. 1,1,24)Horazsat. 1,1,24 und verzichtet dezidiert auf Skoptik, die sich nicht auf moralisches Fehlverhalten richtet, sondern etwa auf physische Defekte. Martials und Juvenals Kritik an Sozial- und Standesverhalten arbeitet dagegen stärker mit Hyperbolik, Sarkasmus und Ironie. Hier muss austariert werden, bis zu welchem Grad die ironische Distanzierung geht, die der Autor damit markiert, und wie weit er diese dem Leser auch als Haltung empfiehlt.

ii) Aspekte von Intertextualität

Ein damit verbundenes Element bildet die (intertextuelle) Anspielung auf andere Texte, oft als Parodie.1 Diese geht, wenn man Broich und Pfister folgt,2 von einer Gattungskompetenz beim Leser aus, und geschieht bei den untersuchten Autoren auf mindestens zwei Ebenen: Einerseits als Einzeltextreferenz (wenn z.B. bestimmte Formulierungen, Personen oder Namen Erwartungen an Prätexte, etwa die Aeneis, evozieren), andererseits als System- bzw. Gattungsreferenz (wenn etwa Stilsignale oder Personenkonstellationen ein Epos, eine Elegie oder eine Tragödie erwarten lassen), die sich manchmal überschneiden. Broich und Pfister sprechen von „Intertextualitätssignalen“ (Broich/Pfister 1986, 31), die dem Leser die entsprechenden Schlussfolgerungen ermöglichen. Solche Signale können aber auch fehlen, wenn der Text „auf Texte verweist, die einem breiteren Leserpublikum bekannt sind“ (32), was für das hier untersuchte Korpus etwa für Prätexte von Vergil oder Ovid gilt.3

Intertextuelle Referenzen tragen zu dem genannten Humoreffekt bei,4 der für die Darstellung der patronus-cliens-Problematik von wesentlicher Bedeutung ist – schon bei Horaz, vor allem aber bei Martial und Juvenal. Um einen weiten Rahmen möglicher Referenzen einbeziehen zu können, beziehe ich mich meistens auf ‚literarische Anspielungen‘, die beim Leser verschiedene Auswirkungen haben können.

Die Unterscheidung von System- und Einzeltextreferenz hilft, bei der Interpretation von intertextuellen Referenzen zu kurz greifende Schlussfolgerungen zu vermeiden. Nicht immer bedeuten Ähnlichkeiten zweier Autoren, dass der spätere Autor einen direkten Bezug (mit affirmativer oder oppositioneller Intention) zu dem vorausgehenden Werk und Autor herstellen wollte. Vielmehr muss man in Betracht ziehen, dass sich der nachfolgende Autor damit (auch) in eine Gattungstradition einreihen wollte. Daher gilt es, die Beziehung zwischen Martial und Juvenal auf jeweils beiden Ebenen zu berücksichtigen. So sind etwa motivische Fortführungen, die für die römische Satire seit Horaz auch die Gattungstradition der Komödie und bei Juvenal auch die Skoptik von Martials Epigrammatik integrieren, i.d.R. eher als Systemreferenzen zu anzusehen.

2) Plautus’ Menaechmus-Monolog: Differenzierung zwischen clientes und parasiti

Schon in der römischen Komödie ist eine Problematisierung des Verhältnisses zwischen Patronen und Klienten zu finden, allerdings ist dabei zwischen der für die Nέα Kωμῳδία typischen Figur des Parasiten und der des cliens zu unterscheiden. Beide Figuren werden allerdings öfter in der Forschung als Einheit unterschiedslos betrachtet.1 Zwar knüpft das Thema der patronus-cliens-Beziehung oft an die Schmarotzer-Problematik an, da sowohl griechische Parasiten als auch römische Klienten sich Merkmale teilen; dies geschieht aber erst bei späteren Autoren, insbesondere der satirischen Dichtung der Kaiserzeit. Bei einer genaueren Betrachtung ist es daher evident, dass vor allem in der Komödie solche Figuren zwei getrennte Typen darstellen. Sie dürfen also nur mit der gebotenen Vorsicht gleichgesetzt werden.

Parasiten sind eine typische Figur der griechischen Komödie.2 Gattungsspezifisch ist die Figur in der römischen Komödie bei Plautus am häufigsten eingesetzt.3 Plautus scheint dabei das griechische Modell auszuarbeiten; dabei integriert er zwar römische Elemente;4 eine solche Integration ist aber doch komplexer als eine vereinfachte Gleichsetzung der Figur mit dem römischen cliens. Im vorliegenden Kapitel steht eine Passage der Plautus-Komödie Menaechmi im Mittelpunkt, in der die ausdrücklich erwähnten römischen clientes sehr gut von den Charakteristika der ebenso vorkommenden Figur des griechischen Parasiten zu unterscheiden ist.

Doch dabei lassen sich auch Elemente erkennen, die bei späteren Autoren, insbesondere in Texten der satirischen Dichtung der Kaiserzeit, zu einer gewollten Gleichsetzung bzw. Parallelisierung der beiden Figuren führen werden: Eigenschaften der (Komödien-)Parasiten werden etwa bei Martial oder bei Juvenal nicht selten dazu eingesetzt, die Störung des idealen Gleichgewichts in der römischen Institution der clientela zu signalisieren. Dies ist allerdings bei Plautus noch nicht festzustellen.

a) Der cliens quidam im Menaechmus-Monolog

PlautusMen. 571–600Außer zwei kurzen Erwähnungen der clientes im Sinne von eigentlichen Klienten in der Asinaria (871) und in den Captivi (335)PlautusAsin. 871PlautusCapt. 335 wird vor allem im plautinischen Werk Menaechmi die patronus-cliens-Problematik ausdrücklich behandelt – und zwar gerade nicht in unmittelbarer Verbindung mit der dort vorkommenden Parasiten-Figur, Peniculus: Am Anfang der 4. Szene im 2. Akt beklagt sich Menaechmus, der sich offensichtlich selbst in der Lage eines patronus befindet, über die Hemmungslosigkeit mancher clientes, die ihm lästige und peinliche Aufgaben bei der Verteidigung vor Gericht auferlegen. Die polymetrische Monodie des Menaechmus, der sog. Menaechmus-Monolog (Plaut. Men. 571–600), ist für die plautinische Forschung von großer Bedeutung. Denn es handelt sich dabei auch um einen für das Verständnis der Entstehung des plautinischen Theaters aussagekräftiges Abschnitt.1 Hier aber soll uns der Monolog als erste literarische Inszenierung der patronus-cliens-Problematik in der römischen Literatur interessieren.2

Selbst wenn die Überlieferungssituation leider einen Text mit etlichen Schwierigkeiten bietet,3 ist er inhaltlich klar verständlich: Menaechmus beschwert sich über die Zeitverschwendung, die ihm aufgrund eines cliens quidam, den er vor Gericht verteidigen musste, entstanden ist. Dabei wird der durchaus fragwürdige Charakter des cliens von Menaechmus ausdrücklich betont und kritisiert. Dass Menaechmus offensichtlich von seiner Kritik selbst betroffen ist und aus seinem eigenen Schaden diese allgemeine Erkenntnis gewonnen hat, wird deutlich, wenn man die Schlussfolgerung in einer Gliederung des Gedankengangs nachvollzieht:4

A (571–7): Klage über den „dummen“ und „sehr lästigen“ Brauch (mos) der Römer5, viele clientes haben zu wollen und dabei nicht auf ihre Werte (fides)6 zu achten, sondern nur auf ihr Vermögen (res).

B Gründe der Klage:

1) (578–81): Klienten ohne Vermögen, aber moralisch gute Menschen (si est pauper atque hau’ malus) gelten für die Patrone allgemein als wertlos (nequam). Moralisch tadelnswerte, aber reiche Klienten (si dives malust) sind dagegen erwünscht (frugi).

2) (582–7): Schlechte Klienten (litium pleni, rapaces viri, fraudulenti) nutzen ihre Patrone aus, da diese die Pflicht haben, den Klienten unter allen Umständen zu helfen (pro illis loquimur quae male fecerunt).7 Die Patrone verlieren also nur ihre Zeit mit ihnen.

C (588–95): Der konkrete Fall von Menaechmus an diesem Tag: Ein cliens quidam brachte ihn in rechtliche Schwierigkeiten, da er ihn vor Gericht aussichtslos verteidigen musste (apud aediles pro eius factis … dixi causam) und dabei seine Zeit vergeudete (neque quod volui agere aut quicum licitumst).

D (596–600): Fazit: Menaechmus hat zu viel Zeit verschwendet (hunc hodie corrupit diem) und eilt daher schnell zu Erotium (properavi abire de foro).


A ut hoc utimur maxume more moro
molesto atque multum! atque uti quique sunt op-
tumi maxume morem habent hunc: clientes
sibi omnes volunt esse multos: bonine an
mali sint, id haud quaeritant; res magis quae- 575
ritur quam clientum fides quoius modi clue-
at.
B1 si est pauper atque hau’ malus nequam habetur, 577–8
sin dives malust, is cliens frugi habetur. 579
qui neque leges neque aequom bonum usquam colunt, 580
sollicitos patronos habent.
B2 datum denegant quod datum est, litium
pleni, rapaces viri, fraudulenti,
qui aut faenore aut periuriis 584
habent rem paratam, mens est in quo *** 584a
eis viris ubi dicitur dies, 585
simul patronis dicitur. 585a
quipp’ qui pro illis loquimur quae male fecerunt 586
[aut ad populum aut in iure aut apud aedilem res est.]
C sicut me hodie nimis sollicitum cliens quidam habuit, neque quod volui
agere aut quicum licitumst, ita med attinuit, ita detinuit.
apud aediles pro eius factis plurumisque pessumisque 590
dixi causam, condiciones tetuli tortas, confragosas:
haud plus, haud minus quam opus fuerat dicto dixeram controrsim
ut sponsio fieret. quid ille †qui praedem dedit?
nec magis manufestum ego hominem umquam ullum teneri vidi:
omnibus male factis testes tres aderant acerrumi. 595
D di illum omnes perdant, ita mihi 596
hunc hodie corrupit diem, 596a
meque adeo, qui hodie forum 597
umquam oculis inspexi meis. 597a
diem corrupi optumum: 598
iussi adparari prandium 598a
amica exspectat me, scio. 599
ubi primum est licitum, ilico 599a
properavi abire de foro. 600

Menaechmus I aus Epidamnus hatte sich zuvor zusammen mit seinem ausdrücklich genannten Parasiten Peniculus zum Forum begeben (212: nos prodimus ad forum). Nun eilt er, da sich sein Parasit in der Verwirrung auf dem Forum verirrt hat, 446–462,PlautusMen. 446–462 allein zu seiner Geliebten, der meretrix Erotium, zurück, wo auf ihn eine Mahlzeit hätte warten sollen. Er beschwert sich über das Durcheinander auf dem Forum, denn dadurch kommt er recht spät zu seinem Termin. Dabei lauschen seine Ehefrau und Peniculus, die im Verborgenen bleiben,8 denn inzwischen sind Verwechslungsepisoden durch die Ankunft von Menaechmus II aus Syrakus verursacht worden, die die Ehefrau und den Parasiten irregeführt haben – bis jetzt handelt es sich offensichtlich um eine auf ein griechisches Komödienmuster zurückgehende Handlung.9 Menaechmus I äußert nun eine Zeitklage über den Sittenverfall, was für das Genre typisch ist,10 hier jedoch stark ‚romanisiert‘ wird.11 Dies macht nicht nur solche plautinischen Monologe zu einem besonderen Fall der frühen römischen Literatur, wie Fraenkel betont, sondern weist auch die Richtigkeit der Behauptung nach, dass es sich beim Menaechmus-Monolog um eine wesentlich plautinische Überarbeitung einer griechischen Originalhandlung handelt.12

 

Menaechmus verfällt nun in eine Invektive gegen einen bestimmten Missstand in den Verhältnissen der angeseheneren römischen Gesellschaft, nämlich, um Fraenkel13 zu paraphrasieren, die skrupellose Klientenjagd, die moralisch verwerflich sei und dem Patron außerdem beständig Scherereien einbringe und ihn in Prozesse verwickele. Ganter spricht hier von einer Anprangerung der Habsucht, Sitten- und Gesetzlosigkeit der Patrone.14 Dass dabei eine ernstzunehmende Sozialkritik sicherlich nicht intendiert ist, ist evident. Denn dabei spricht Menaechmus als der Patron selbst die Kritik aus, die dann nur scheinbar gegen die Klienten gerichtet ist. Diese Kritik wird aber durch die ironische Selbstentlarvung wirksam, wie im Folgenden zu zeigen ist.

Zwar hätte das römische Publikum wohl Plautus’ Katalog über die verschiedenen Aufgaben ante aediles in den Nuancen besser verstanden als wir, da von den genauen Pflichten und Aktivitäten dieser Periode im cliens-patronus-Verhältnis nur wenig bekannt ist. Zudem sind einige korrupte Stellen im Text nur schwer zu lösen, wie De Melo zu Recht bemerkt,15 allerdings stimmt die Beschreibung der Pflichten eines patronus gegenüber seinen clientes mit jener, die im vorherigen Kapitel bei Dionysios von Halikarnass zu lesen war, überein: Es war mos (bei Dionysios ἔθος) eines Patrons, den Klienten rechtlichen Beistand gewissenhaft zu leisten (dort gilt daher der patronus als ‚Vorsteher‘: προστάτης), falls sie juristische Schwierigkeiten hätten.16 Genau eine solche Pflicht brachte Menaechmus nun dazu, sich bei diesem cliens quidam länger aufzuhalten.17

Dass allerdings dieser cliens die Verpflichtung des Patrons missbraucht und als Schuldiger gar nicht erfolgreich von seinem nimis sollicitus (588) Patron, wie Menaechmus sich selbst sarkastisch bezeichnet, verteidigt werden kann, ist ein humoristischer Effekt, den Plautus hier einsetzt – im Kontrast zum Idealzustand, wie ihn etwa Dionysius voraussetzt.18 Der cliens ist sich seines fragwürdigen Benehmens bewusst, wie es sich am Ende herausstellt (nec magis manufestum ego hominem umquam ullum teneri vidi, 594), so dass Menaechmus selbst in Schwierigkeiten zu geraten scheint.19 Dabei entlarvt sich der Sprecher selbst als nicht ganz einwandfreier Patron und trägt damit zur komischen Wirkung der Passage bei.

Das Motiv, viele Klienten haben zu wollen, steht offenbar im Mittelpunkt des Diskurses: clientes sibi omnes volunt esse multos (574).20 Offensichtlich hat Plautus vor, sein Publikum kabarettistisch zu unterhalten – dazu trägt auch die stark alliterierende und musikalische Sprache im ganzen Monolog bei.21 Inhaltlich ist das Thema klar: eine ironisch gebrochene Inszenierung der römischen Problematik zwischen Patronen und Klienten. Denn beide Figuren tragen nach Menaechmus Ansicht die Schuld an dem Problem: Einerseits seien die gierigen Patrone nur auf finanzielle Gewinne (res, 575) aus und achteten nicht auf die moralischen Werte der Klienten (clientium fides, 576), daher missachteten sie arme Klienten, selbst wenn diese von Natur aus ehrlich seien (si est pauper atque hau’ malus nequam habetur, 577–8).22 Dagegen stünden reiche Klienten in hohem Ansehen, selbst wenn sie unaufrichtige Menschen seien (sin dives malust, is cliens frugi habetur, 579) und dadurch dem Patron nur Unannehmlichkeiten bereiteten – ein bemerkenswertes Oxymoron.23

Der Monolog ist etwas überraschend, da der Leser bzw. Zuschauer vorher gar nicht weiß, welche Tätigkeit Menaechmus ausübt, so dass dieser dadurch zusätzlich charakterisiert wird – und zwar als römischer Herr. Doch die Bewertung der Situation erfahren wir als Zuschauer nur aus dessen Perspektive, nicht aus derjenigen des Klienten. Die Zuschauer werden daher zunächst einmal mit Menaechmus sympathisieren, aber gleichzeitig schnell merken, dass auch seine Sichtweise nicht ganz tadellos ist. Denn richtig festgestellt wurde schon, was die „wir“-Form bedeutet: Nämlich, dass er sich selbst zu der Gruppe der optumi, d.h. hier der moralisch schlechten patroni rechnet, die er scheinbar kritisiert, da sie sich ihre clientes nach moralisch falschen (aber ökonomisch richtigen) Kriterien auswählen. Er erkennt im Monolog, dass das falsch ist, aber nicht aus moralischen Bedenken, sondern nur, weil er sich über die Zeitverschwendung vor Gericht ärgert. Damit enttarnt er seine Denkweise, die eher hedonistisch, aber moralisch nicht wirklich lauter ist. Das heißt: Dadurch, dass sein Monolog wie eine populärphilosophische Diatribe beginnt, macht er das Publikum auf die moralische Bewertung des cliens-patronus-Verhältnisses aufmerksam, die er jedoch am Ende nicht beibehält. Aus dieser Spannung und der Selbstentlarvung auch dadurch, dass er die Peinlichkeit, einen überführten Betrüger zu verteidigen, gar nicht schlimm, sondern nur als Zeitverschwendung empfindet, ergibt sich die ironische Aufladung der Szene und Klage: Er selbst hätte es in der Hand, seine Lage anders zu gestalten – aus finanziellem Interesse tut es aber nicht.