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Kunst und Künstler Almanach 1909

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HANS VON MARÉES
Briefe

 
I diavoli tengano sempre una buonissima memoria
specialmento quando s'incontrano con angeli:
anche che siamo angeli di giorno a giorno.
 
I
Neapel, 18. Juli 1873.

… – Sie müssten eigentlich wissen, dass ich Versprechen selten halte, mich aber hie und da bemühe, mehr zu leisten, als ich verspreche. Bei einer gewissen Fähigkeit, mich in die Lage Anderer hineinzudenken, ist es ein Zug meines guten Herzens, dass ich Ihnen bisher nicht wissentlich Langweile bereitet habe. Doch kein Mensch entgeht seinem Schicksale und selbst Sie nicht. So hören Sie denn! Die erste Bedingung, um in einer Kunst etwas Gutes zu leisten, ist der Takt. Hier stehe ich nun schon da wie Faust. Denn um zu erklären und deutlich zu machen, was ich damit meine, müsste ich schriftlich viele, viele Seiten ausfüllen, wobei dann allerdings sich auch herausstellen würde, dass eben dieser Takt die erste und auch die letzte Bedingung zu allem künstlerischen Treiben in sich schliesst. Ist man sich nahe, so bieten sich tausend Gelegenheiten dar, die Einem den Ausdruck der eigenen Gesinnung und Meinung erleichtern; und auch wenn man lange zusammengelebt, kann Einer dem Andern mit wenig Worten viel sagen, doch so auf Distanze zu wirken, befällt mich doch bei meiner mangelhaften Ausdrucksweise eine gewisse Furcht, missverstanden zu werden. Und zumal bei einer Kunst, die Dinge sagen soll, für die keine Worte gemacht sind. Bei der grössten Achtung für Ihre Auffassungskraft. Indessen erscheint es mir ganz richtig, dass Sie jetzt ein Stilleben malen. Ich mache Sie piccola pittrice (verzeihen Sie diese Interjection) darauf aufmerksam, dass Sie dabei niemals einen Gegenstand für sich betrachten, sondern stets beobachten, wie sich derselbe zu seiner Umgebung verhält, sei es nun in seiner Begrenzung, d. h. Form, oder auch in der Farbe. Wenn Sie sich das zur Gewohnheit machen, so werden Sie bald dahinter kommen, dass man rund malen kann ohne zu modellieren. Unser Auge nimmt zunächst in der Natur nur verschieden begrenzte und gefärbte Flecken wahr und nur unsere Erfahrung und unser Wissen lassen uns auch die ganzen Gegenstände erkennen. Schon die blosse naive Nachahmung dieser Flecken bringt stets eine gewisse Täuschung hervor. Davon würde ich an Ihrer Stelle ausgehen, weil Sie auf diese Weise zuerst dazu kommen, die Mittel, mit denen man nachahmt, zu beherrschen. Ganz falsch ist es, sich die Manier, die Handgriffe eines Andern anzugewöhnen, weil man sich damit einen Block zwischen die Augen und die Natur, der besten Meisterin setzt. Es versteht sich ganz von selbst, dass auf diese Weise kein erschöpfendes Bild gemalt wird, doch wollen wir heute bei diesem Punkte stehen bleiben, weil sich dann nach und nach aus diesem rohen Block etwas Feines herausmeisseln lässt. Es kommt auch darauf an, ob Sie an das, was ich sage, glauben können: das ist eine conditio sine qua non. Also denn nach dem italienischen Sprichwort chi va piano arriva sano, wer langsam geht, erreicht sein Ziel gesund. Wenn Sie sich auch mit Blumen befassen möchten, so würden Sie um so mehr himmlische Kränze durchs irdische Leben flechten und weben. Doch ich bin des trocknen Tones nun endlich satt, möcht einmal wieder den Teufel spielen. Nein, haben Sie keine Angst, die Hitze, wenn auch Teufelselement, macht mich dazu unfähig. Ich fühle mich ganz Maresele. Freuen Sie sich, dass Sie Gebirgsluft atmen können. – Um der Hitze einer Nacht zu entgehen, kam ich neulich auf den Einfall, um Mitternacht auf einem kleinen Kahne nach Sorrent zu fahren, doch da machte ich die Erfahrung, dass zur Nacht es zur See noch heisser ist als auf dem Lande. Aber es war doch eine der reizendsten Nächte, die ich erlebt habe. Die See spiegelglatt, der hellste Vollmond, dazu noch später Frau Venus, die strahlend die rauchige Werkstätte ihres Herrn Gemahls verliess und sich im Meere spiegelte. Nur hie und da strich geisterhaft ein Fischerkahn bei uns vorüber; bis sich endlich ein frischer Wind erhob, der das Meer gleich schwarz erscheinen liess, auf dem wir dann mit aufgezogenen Segeln uns schnell unserem Ziele näherten und mit der aufgehenden Sonne erreichten. Sorrent mit seinen Gärten ist schon ein kleines Paradies, wenn ich Zeit hätte, führe ich jede Woche hin. Es sind keine Sirenen dort, aber ein Gasthof nennt sich zu den Sirenen und solche könnten wohl da einmal ihr Quartier aufschlagen. – …

Der Schluss, der leider ein wenig verfrühte Ihres Briefes hat mich bewogen, Sie in den Teufelsorden aufzunehmen, und zwar verdienen Sie einen verteufelt hohen Rang in demselben. Also carina diavoletta oder diavoletta carina, als solche werden Sie zur Zeit der festlichen Aufnahme Ihr Diplom empfangen. – …

(Unterschrift) Der arme, jetzt ein wenig gebratene Teufel, Maresele genannt.

II
Neapel, den 9. Sept. 1873.

Gestern Abend wurde ich durch ein verteufeltes Kunstwerk überrascht. Es ist schwer zu sagen, ob die glückliche Wahl des Gegenstandes oder die Conzeption und Verarbeitung mehr zu loben ist. Nun, in meine Hände gelangt, wird es demselben an einem würdigen Platze nicht fehlen. Hoffentlich und anscheinend hat meine schöne Fleckentheorie Wurzel gefasst.

Indess soll ich wohl die gestellte Frage unverzüglich beantworten? Fast möchte ich mich weigern und darin Ihrem teuren Beispiele folgen. Ist das recht, so gut gemeinte Fragen, wie die meinen, unbeantwortet zu lassen?

Doch ich will Ihren allerhöchsten Unwillen nicht erregen, und meinem Naturell folgend, ganz zahm und artig folgen.

Erstens also habe ich vor 3 Wochen eine Fortsetzung zu meinem ersten höchst erbaulichen Kunstschreiben verfertigt, aber allerdings dieselbe, zunächst aus Zerstreutheit, statt abzusenden, in der Tasche mit herumgetragen, ein Los, das meinen Schriften häufig genug zufällt. Zweitens folgt hier eine Beschreibung meines täglichen Lebens. Wie die meisten Menschenkinder stehe ich morgens auf. Ohne weiteren Verzug, als den Genuss von etwas gefrorener Limonade, gehe ich an die Arbeit. Zuerst also den Arbeitern ihre Tagesarbeit bestimmen, das heisst, die Grösse des Stückes Mauer angeben, das ich bemalen will. Dann wird einige Stunden nach dem Modell in Oel gemalt und zwar in der grössten Eile; dann ist der Grund präpariert, und da muss nun oft kolossal viel an einem Tage zusammengearbeitet werden, bei welcher Gelegenheit nicht nur Kopf und Hand, sondern auch der ganze Körper in Anspruch genommen wird, da man oft recht verzweifelte Stellungen einnehmen muss. Bei einer solchen Geistesgegenwart verlangenden Arbeit vergisst man zwar selbst die erdrückendste Hitze, aber ist der Abend herangenaht, so ist man auch zu allem unfähig. Dann lass ich mich höchstens von einer Leib und Seele erschütternden Carosetta zum kleinen Hafen hinfahren und mir von der See den Rest geben. Die Seeluft setzt Einen dann wenigstens in Stand, sein Souper mit einigem Behagen zu halten; schlechtgespielte Strauss'sche Walzer, korallenfeilbietende Hausierer, scheussliche Moden noch übertreibende Neapolitanerinnen treiben einen dem Lager zu, wo Freund Morpheus von summenden, stechenden Janzaren nur zu bald vertrieben wird. So geht es seit sechs Wochen Tag für Tag. Ist es da ein Wunder, wenn zuletzt statt eines Menschen oder auch Teufels nur ein dünner Sommerfaden übrig bleibt, mit dem wenig abzuspinnen ist?.. —

III
Neapel, 19. Sept. 1873.

… – Wenn ich sicher wäre, dass die Wesen ohne Schnurrbart so verschwiegen wären, wie die mit, so würde ich Ihnen jetzt sehr – sehr viel zu sagen haben. Doch wollen wir jetzt einmal zuerst mit Ihnen beginnen, in Parenthese, an meine barsche Manier müssen Sie sich nun schon gewöhnen. Wenn Sie zufrieden mit sich wären, so wäre auch alle Hoffnung verloren, denn das müssen Sie wissen, dass der Künstlerstand der wahre Stand der Unzufriedenheit mit sich ist. Je weiter man gelangt, desto grössere Ansprüche stellt man an sich: das alte Sprichwort: lang ist die Kunst, kurz ist das Leben, bewährt sich nur zu sehr als zutreffend. Uebrigens bin ich auch nicht direkt der Ansicht, dass der Schnurrbart das allein seligmachende Mittel zum Leisten ist; jedoch sind den Frauen grössere Hemmnisse in den Weg gelegt. Vor allen Dingen hinderlich ist es ihnen, dass sie vorzugsweise und in erster Linie Damen sein wollen, mit anderen Worten die Männer mehr vom Leisten abhalten, anstatt sie darin, wie ihre Geschlechtsgenossinnen, die Musen, anzueifern und zu bestärken. Wer etwas leisten will, darf den Teufel darnach fragen, was man sagt, sondern muss unverrückt sein Ziel vor Augen haben; und das soll nicht ganz leicht sein. Man muss sich mehr für eine Sache als für die Leute interessieren. Vor allem aber muss man lernen, das Gute vom Mittelmässigen zu unterscheiden; das ist der einzige Weg zum Heil. Glauben Sie nicht, dass ich Sie einschüchtern will, sondern ich gebe Ihnen nur zu überlegen, was doch erwähnenswert ist. Bei allen Leistungen von dauerhaftem Werte spielt der Charakter eine grössere Rolle als man glaubt. Das grösste Hindernis bleibt stets die gute Gesellschaft; um comme il faut zu sein, bedarf es nicht mehr Verstandes, als der eines Nussknackers, während die verlangten, erbärmlichen Rücksichten den Gescheiten seiner besten Zeit und besten Gedanken berauben. Ein Mann kann sich über dergleichen Dinge mit Leichtigkeit hinwegsetzen; aber einer jungen Dame dürfte das schon eine schwierige Aufgabe sein, wenn auch nicht unmöglich. So, für heute erlassen Sie mir die Fortsetzung meiner Predigt; Sie müssen wissen, dass ich heute schon eine lebensgrosse Giovinetta in einen Orangenhain gesetzt habe, am liebsten wäre es mir gewesen, ich hätte Ihr liebes Konterfei statt dieses machen können. Aber Ihre Photographie ist zu sehr verschieden vom Original. – … – Doch muss ich Sie zunächst noch um sechs Wochen Urlaub bitten, damit ich als ein Mann erscheinen kann, der in Wahrheit etwas geleistet hat. So lange brauche ich, um mein ganzes Werk, das Jahre in Anspruch zu nehmen schien, zu vollenden. Einen solchen Einfluss hat die italienische Luft auf mich ausgeübt.

 

Diese neue Erfahrung lässt mich allerdings mit Grauen an den Norden und speziell an Dresden, die Capitale der Mittelmässigen, denken. Ich habe grosse Pläne, sobald sie sich realisieren oder die Möglichkeit dazu sich herausstellt, so werde ich dieselben Ihnen mitteilen… – Es wird dunkel und ich schliesse. Duncque carissima carina non dimenticate me poveretto, perchè sarebbe poco bene a me di cantare come la mia bella vicina: Ti voglio ben assai e tu non pensa me – …

IV
Florenz, 3. Dezember 1873.

… – Die Wahrheit zu gestehen, befand ich mich die ganze Zeit in einem sehr anormalen und jedenfalls für das Briefschreiben höchst ungeeignetem Zustande, der erklärt und entschuldigt wird durch die für mich allerdings grossen Anstrengungen. Zu Beginn voriger Woche bin ich mit meinen Arbeiten in Neapel zu Ende gekommen und gleich darauf über Rom hierher gereist. Es war meine Absicht, nach Deutschland zu reisen, die habe ich aber, da ich in der That zu sehr der Erholung bedarf, vorläufig aufgegeben. Dafür habe ich aber hier ein Lokal in einem reizend gelegenen Kloster gemietet und wenn wir es bei der Ortsbehörde durchsetzen können, werden wir nach und nach Herren des ganzen Gebäudes werden. Was ich mir nach dieser Seite gewünscht, scheint nun in Erfüllung zu gehen – …

… – Soeben habe ich Frau Koppel aufgesucht und habe da zu meiner Ueberraschung gehört, dass la bella in diesen Tagen hierher kommt. Da wird denn wohl die Zeit nicht fern sein, wo auch die carina hier erscheinen wird und ebenso la graziosa, um dann den Sirenengesang in choro anzustimmen. Dann würden Sie im Frühjahr nach der Heimat Ihrer Kolleginnen wandern und sich bei der Gelegenheit überzeugen können, welche Schandthaten ein von den Sirenen Bethörter verrichtet hat. Diesen Brief, es ist der fünfte, schicke ich jetzt definitiv ab – …

V
Neapel, 1. Juli 1874.

… – Ein trauriger Anlass rief mich zu Beginn des Frühjahres nach Deutschland und nachdem ich dort meinem von mir hochverehrten Vater die letzte Ehre erwiesen hatte, strebte ich sobald wie möglich die Stätte trauriger Erinnerungen zu verlassen und kehrte so über Paris nach Florenz zurück. Dort hatte indessen Hildebrand den Kauf eines Klosters abgeschlossen, wo nun jetzt auch für mich eine bleibende Stätte bereitet wird. Wenn Sie nach Florenz kommen und den berühmten Aussichtspunkt Bello-Sguardo besuchen wollen, so können Sie nicht vermeiden, bei der Statue des S. Francesco vorbeizukommen. Das Bildwerk ist schlecht, doch, wenn auch mit bedauerndem Gesichtsausdrucke, zeigt seine erhobene Hand dahin, wo der stets fidele Giovanni Cerbero weilt. Unmittelbar hinter ihm – dem Heiligen – öffnet sich gross und weit die Pforte des Verderbens. Doch fürchten Sie nichts und treten Sie unbekümmert hinein, das höllische Ungeheuer wird Sie sofort als Herrin begrüssen. Oben aus den ehemaligen Zellen geniesst man die herrlichste Aussicht auf die friedlichen Stätten, denen unsere Kultur soviel zu verdanken hat. – Da es jetzt gar zu heiss in Florenz ist und bei uns gebaut wird, so lebe ich für die zwei Monate Juli und August hier in Neapel, wo ich mich mit der Beobachtung der Menschheit in ihrem wahren Naturzustande beschäftige – …

[Als Adresse angegeben: H. v. M. jetzt Napoli Stazione zoologica oder Firenze 19 San Francesco di Paola fuori porta Romana.]

VI

[Unterzeichnet: Spiriti capuzineschi di S. Francesco di Paola].

VII
Florenz, S. Francesco di Paola, 29. I. 1875.

Hoffentlich wird sich Eure Engelschaft von dem Entsetzen über meine Heiligkeit wieder einigermassen erholt haben. Was ist zu thun, heutzutage muss man sich eben gewöhnen, für etwas gehalten zu werden, was man nicht ist. So kann ich Ihnen im Vertrauen sagen, dass ich allerdings weder in heiligen, noch in profanen Sachen ein grosser Meister bin, was ja auch schliesslich gar nicht nötig ist. Es ist genug, wenn man es dahin bringt, das Unglück, in unserem reizenden Jahrhundert geboren zu sein, mit Geduld zu ertragen. Die Herren Damen können lachen, sie haben weniger Grund, unzufrieden zu sein, wenigstens brauchen sie es nicht zu merken. Und nun soll ich Ihnen wohl sagen, wo das Unglück steckt: das werde ich aber fein bleiben lassen. Im Gegenteil, wenn Sie nicht in der Stadt der Phäaken lebten, würde ich ein wenig Ihren Neid zu erregen suchen, durch Erzählungen von Sonnenschein, blühenden Rosenbüschen und dem friedlichen Klosterleben. Es könnte das vielleicht auch einen Engel reizen, wenn nicht Wolken von Anbetern noch reizender wären. Doch, wenn das paradiesische Dasein darin besteht, dass ein Tag wie der andere vorübergeht (denn so ist es ja doch), so scheint mir hier das wahre Engelsklima zu sein. Nur bringt das Land wenig dergleichen hervor, nichts natürlicher daher, wenn man wünscht, dass sie von anderwärts daher geflogen kommen. Sie sehen, Einsamkeit und Klosterleben bringen einen in etwas heiligen Geruch, mit Engeln dagegen würde man selig sein. Doch im Ernst, der selige Marées möchte ich vor der Hand noch nicht genannt werden. In der Kunst bin ich indessen ziemlich dahin gelangt und wenn mein Herr Genius sich nicht bald mit neuem Vorrate im Lande der Seligen versieht, so mag er sich vom Teufel holen lassen. Was treiben Sie denn eigentlich? Von der Hauptsache, das heisst von sich, lassen Sie ja Ihren caro maestro gar nichts hören. Ich muss mich ja schämen, jedesmal so viel von meiner Wenigkeit zu plaudern, und fürchten, für einen selbstsüchtigen Narren gehalten zu werden. Immerhin glaube ich kein Narciss zu sein – …

VIII
Roma Via Sistina 107. 25. Mai 1877 (?).

… – Wie werden Sie aufatmen, nun vor schwerfälligen Römern sicher zu sein, die andern Menschen nur das Dasein verleiden und vor lauter Eitelkeit nicht einmal Hinz noch Kunzen aufkommen lassen möchten. – … – Nachdem wir, Adonis und ich Sie verlassen hatten, befanden wir uns glücklich in einem Bummelzuge, der erst 9 Uhr abends in Florenz ankam. Dies setzte uns jedoch in die Lage, der heiligen Cäcilia in Bologna unsere Bewunderung und Verehrung darbringen zu können. Zwei Tage blieb ich noch in Florenz, wo auch Ihre Angelegenheiten erledigt wurden, und bin heute wieder in meine mehr traurige als trauliche Einsamkeit eingekehrt. Sie sehen in diesen schlechten Zeilen meine erste Beschäftigung. – …

IX

… – Denn nichts ist trauriger in der Welt als Missverstehen und man soll vom Apfel nicht verlangen, dass er auch eine Rose sei. – …

X
1877.

… – So entsteht eine sehr schöne Sammlung, in der die launige, schlechtlaunige, gutlaunige, strenggelaunte, ernstgelaunte Selbstschilderung eines so interessanten Individuums als das meinige, enthalten ist. Daneben Sprüche der Weisheit, tiefsinnige Bemerkungen über Kunst und goldene Lebensregeln. Es ist blos schade, dass das alles doch am Ende ein Raub der Flammen sein wird – …

… – Ich bin überzeugt, dass mein Streben nach Klarheit und Wahrheit in Kunst und Leben des Lohnes nicht entbehren wird. – Ich gedachte nach Deutschland zu gehen, doch nach reiflicher Ueberlegung habe ich das aufgegeben, ich darf mich nicht zu sehr zerstreuen und werde Ischia als Badeort und Villegiatur benutzen, und vielleicht finde ich an jener homerischen Küste auch eine Bucht, an der ich die künftige Villa erbauen kann. Das Geplätscher der Meereswogen ist unbedingt notwendig zu einem erspriesslichen Landaufenthalt. – …

XI
(wahrsch. Rom, Ende Mai 1877.)

Vielleicht weiss die unvergessliche, vergesslichste Pallas trotz ihrer Göttlichkeit nicht, dass dieser Monat der Monat der „Allegria“ ist. Hier in Rom, auf seinem Siegeszug von Indien aus, gelangte endlich Gott Bacchus auch hierher; auf dem Janiculus pflanzte er seinen Thyrsusstab in den Boden und sagte: Auch ich will von hier aus die Welt beherrschen! Und in der That, wenn ein Kult in der ewigen Stadt unvergänglich und unerschüttert bleibt, ist es der seine. Namentlich ist es in diesem Monate, dass er seine Macht zeigt, dann müssen sich alle anderen Gottheiten, selbst Venus und Amor, ihm beugen. Gross und klein, Mann und Weib huldigen ihm in dieser Zeit und zwar in bacchantischem Jubel. Darf nun wohl der Priester der Pallas, der hohen, über gewöhnliche Weiberschwächen erhabenen Pallas, der schon oft zürnenden Pallas, sich in diesen wilden Strudel der Begeisterung fortreissen lassen? Er vor allen Dingen sollte den Ruhm und die Ehre seiner Gottheit aufrecht halten. Doch wie kann er das, wenn sie selbst in undurchdringlichen Nebel tiefen Schweigens gehüllt sich seinem Aug' und Ohr verbirgt? Verlassen ohne Trost, ohne Stärkung, was soll er thun? Dort steht der Knabe, der lächelnde, mit gefüllter Schale, komm, winkt er und trinkt den Trank freudiger Begeisterung, süssen Vergessens. Komm, was dein Herz auch beunruhigt, hier bei mir findest du Trost, Ruhe und Freude. Komm, deinen Gliedern gebe ich Kraft und Rüstigkeit, deine Phantasie erfülle ich mit den lieblichsten Bildern, und sagst du Schmeichler, ich verlange von dir nichts als Nehmen, kein Gelübde, keinen Schwur, keine Treue, nimm du nur und ich will nur geben. So spricht er, der Jubel seiner Scharen, die fliegenden Haare, die leuchtenden Augen, die schwellenden Lippen, Gesang und Tambourinen – das alles betäubt mich, ich kann nicht länger widerstehen, ich schwanke – nein, ich schwanke nicht, denn ich weiss, der Pallasdienst gewährt höhere, bewusstere Freuden. – …

XII
Rom, 2. Juni 1877.

… – Von meinem versteinerten Dasein wird sich wenigstens das Haupt in nächster Woche in einen vergipsten Zustand verwandeln und die Metamorphose einer zweiten Versteinerung wird im nächsten Winter vor sich gehen. Sollte dieses Gipsscheusal in Wien willkommen sein, so würde sich dasselbe gehörig eingetrocknet dorthin bewegen. Di Lei umilissimo servitore e sciavo.

H. v. M.
XIII
jedenfalls Juni 1877.

… – denn klar und ehrlich sein, ist sich selbst offen zeigen. Der ganze Vorgang meines Lebens ist eigentlich dies Bestreben gewesen und ich weiss auch, dass dadurch sowohl ich als andere mehr gewonnen wie verloren haben. Durch nichts wird die gegenseitige Teilnahme mehr gesteigert. – …

… – Sie werden nicht böse sein, wenn ich ein Beispiel anführe: Après nous le déluge, d. h. ich will mitnehmen was ich kann, mag auch die Welt darüber zu Grunde gehen. Könnte man sich, wenn solch ein Grundsatz wirklich ins Gemüt gedrungen wäre, noch Liebe zu einer Person oder Sache vorstellen? Beides, Glück und Genuss, werden dann unmöglich sein und auch die Wirkung auf die Umgebung ist vernichtend. Besser, richtiger, glaube ich, wäre es zu sagen, handle, lebe deiner Ueberzeugung treu, sollte auch deine Person darüber zu Grunde gehen. So und nicht anders sind alle Menschenwerke entstanden, die das Leben, die Welt auch nach dem Hingange ihrer Schöpfer schliesslich zusammenhalten… —

– … – Rom ist auch der Ort, wo ich mich selber doch am meisten fühle, denn hier ist mein Wesen erst zu sich selbst gekommen und lernen kann hier jeder; denn auch die Sitten, richtig gesehen, können nur günstigen Einfluss haben, namentlich die der Frauen. Ich freilich habe einige, nicht ganz mit meinen übrigen harmonierende italienische Eigenschaften angenommen, die man mir wohl wieder abgewöhnen kann. – …

… – Hoffentlich wird der Abguss wohlerhalten ankommen, es dauert immer etwas lange. Vom Verfertiger desselben erhalte ich soeben aus Deutschland die Anzeige seiner Verlobung und demnächstigen Heirat.

XIV
Juni 1877.

… – Das Schicksal hat mir doch die grosse Gunst erwiesen, dass ich auf weitere und nicht gemeine Ziele lossteuern durfte. Im Grossen und Ganzen habe ich die Zeit nicht unbenützt vorüberziehen lassen; ich habe manches erworben, was vielleicht nicht zu verachten ist. Ich habe nicht planlos gelebt, und die Zeit nähert sich, in der sich das zeigen wird. Von Natur nicht ohne Mut, beseelt von Glauben und bewährt mit festen selbsterrungenen Ueberzeugungen hat mich der Blick in die Zukunft nie zittern gemacht. – Von Haus aus hielt ich es unter der Würde meines Berufes, der ein edler ist, denselben zum eigentlichen Erwerb zu missbrauchen, obgleich es mir oft, wenn ich wollte, nicht so schwer wurde – …

 

… – Und so hätte ich vor der Hand weiter nichts zu sagen, als dass die Büste heute abgegangen ist, mögen die starren, harten Züge derselben, weil sie die Hülle eines weichen, treuen und zarten Gemütes sind, nicht unwillkommen sein. Der Pallas die gebührende Verehrung und Kniebeugung von ihrem getreuen Ritter Hans.

XV
Ischia, Marina della Mandra, wahrscheinlich 1878.

… – Wer nach irgendetwas in der Welt strebt, kann von Kleinlichkeiten nur momentan befangen sein und wird sie auch bei niemand anderem voraussetzen. So wie man in der Kunst sich bemühen soll, die vorzüglichen Seiten der Kunstwerke zu erkennen, anstatt der mangelhaften, so soll man es im Leben auch machen, im anderen Falle würde letzteres sehr freudlos sein. Darum muss ich immer wiederholen, dass ich selbst auf einen vollen Lebensgenuss stets erpicht bin und mich darum wohl befähigt fühle, auch anderen darin etwas beizustehen und da muss es Einen natürlich betrüben, wenn man sieht, wie die Meisten dem momentanen Amüsement dauerndes Vergnügen, Wohlbehagen und Glück ohne weiteres zum Opfer bringen. Um von allgemeinen Betrachtungen auf mich selbst zurückzukommen, so kann ich sagen, dass ich mich hier durchaus heimatlich fühle. Und wie könnte es anders sein. Lachend Himmel und Meer, lachende Landschaft und fröhliche Menschen, da müsste man allerdings versteinert sein, wenn man nicht auch eine etwas heiterere Physiognomie wie gewöhnlich annähme. Ich führe hier allerdings ein reines Schlaraffenleben. Baden, segeln, reiten, auch auf den Bergen herumklettern und sich dann gelegentlich erfrischen und stärken, ist jetzt meine ganze Thätigkeit, und nebenbei fehlt es nicht an der vortrefflichsten Unterhaltung, da ein Freund von mir hier lebt, den man schon zu den ungewöhnlich intelligenten Menschen rechnen darf. Soviel steht fest, dass, wenn man sich von der Arbeit erholen und zu neuerer frischerer Thätigkeit vorbereiten will, es kein anderes Land giebt, dass das so möglich machte als die glücklichen Küsten dieses Meeres. Hier von meinem Fenster aus sehe ich die Stelle, wo die Elite der Römer sich ihre Landsitze baute, und dass es heute nicht mehr so ist, beweist nur, wie wenig man jetzt zu leben versteht. In diesem verdienstlosen Hinschlendern habe ich doch ein kleines Verdienst, dass ich nämlich den Lockungen von Sirenenkünsten und Najaden standhaft widerstehe. Doch was schreibe ich das, da ich doch weiss, dass dasselbe, weil es nicht berührt, auch nicht anerkannt wird. Im übrigen hoffe ich, dass Pallas sich wohl befinde und überhaupt (als solche nämlich) existiert. Dass die Ueberzeugung hiervon mein Wohlbefinden unendlich heben würde, versteht sich von selbst und ich verbleibe bis dahin ein knurrendes Meerscheusal.

Neapel, den 26. Mai 1873.

Verehrteste gnädige Frau! Aus den blauen Wogen, auf denen ich mich jetzt täglich schaukeln kann, steigen immer lebhafter die Erinnerungen an die verlebten schönen Tage in Wien empor. Damit mir dieselben nicht auch zu gleicher Zeit Gewissensbisse erzeugen sollen, so erlaube ich mir, Ihnen noch einmal meinen lebhaftesten, herzlichsten Dank auszusprechen für alle Liebenswürdigkeiten, die dem Eindringling von Ihnen und den bösen Sirenen zuteil geworden sind. Anders kann ich leider die letzteren nicht nennen, denn während Odysseus nur die Knochen der Verlockten am Strande erblickte, so sind diese wertlosen Gegenstände das Einzige, was ich so halbwegs gerettet habe. Als das Palladium für das übrige ist der Hut in Wien geblieben, der wohl noch so schwarz wie früher sein wird.

Uebrigens ist es besagten Knochen in der Gesellschaft eines liebenswürdigen gescheiten Freundes bisher nach Umständen gut ergangen. Der Himmel verhüllte während der ganzen Reise gnädig das Antlitz der Sonne. Vergeblich suchte ich in Venedig Ihren Herrn Sohn zu entdecken, in Florenz verlebte ich mit alten und neuen Freunden zwei angenehme Tage, in Rom nur einige Stunden als Herr von Münchhausen und bin seit drei Tagen hier mit den Vorbereitungen zu einer vita pittoresca beschäftigt. Meine demnächstige Werkstätte wird fast vom Meer bespült, wodurch die Einwirkungen der nun hereinbrechenden Sommerhitze bedeutend abgeschwächt werden.

Verzeihen Sie meine gnädige Frau, dass ich soviel von mir geschrieben habe, es ist nur aus dem Beweggrunde geschehen, so doch einmal etwas von Ihnen vernehmen zu können.

Ich hoffe, dass Frau H. nun gänzlich hergestellt sein wird und dass sich Ihre ganze Familie eines wünschenswerten Wohlbehagens erfreut. Ihrem Herrn Gemahl bitte ich mitzuteilen, dass ich mich bereits umgesehen habe, doch bei dem einzigen vorgefundenen wegen ganz übertriebener Forderungen von den Unterhandlungen abstand. Da ich einmal im Bitten bin, so bitte ich Sie auch noch Ihr jüngstes Fräulein Tochter auf ein künstlerisch-pädagogisches Sendschreiben vorzubereiten von einem al fresco-pittore, der sich zum Schluss dem geneigten Andenken von Ihnen und Ihrer ganzen Familie empfiehlt und in dankbarster Ergebenheit nennt

Hans von Marées, Napoli Hôtel grande Bretagne.
Neapel, den 5. Juli 1873.

Verehrteste gnädige Frau, Ihr liebenswürdiger Brief hat mir die unbeschreiblichste Freude bereitet. Wie herzlich ich den Anlass der Verzögerung einer solchen Freude bedauere, brauche ich gewiss nicht zu versichern. Hoffentlich wird sich nun Ihre Frau Tochter nach so langem Leiden einer desto dauernderen Gesundheit erfreuen.

Uebrigens will ich es Ihnen nur gestehen, ich war im Stillen recht trostlos so gar kein Lebenszeichen von Ihnen und den Ihrigen zu haben. Umsomehr fühlte ich mich jetzt entschädigt. Vielleicht hat sich keine Gelegenheit gegeben Ihnen den Hauptzug meines Charakters zu offenbaren, das ist der Egoismus. Und er mag sich denn auch darin zeigen, dass, wo ich einmal Sympathie gefasst habe, ich auch zäher und fester halte als ein Polyp seine Beute. Bisher hat mich darin mein Instinkt noch nie getäuscht und so vertraue ich ihm auch blindlings.

Ob Sie mich übrigens so sehr beneiden würden, wenn Sie den hiesigen Sommer kennten, dürfte bezweifelt werden. Auf die schönen, bedeckten Regentage muss man schon Verzicht leisten. Besser steht es schon mit einigen Menschen und noch besser, das kann ich nicht leugnen, mit der Kunst.

Und ich kann ja gewiss sein, Sie werden keinen Gebrauch davon machen, so will ich Ihnen anvertrauen, dass ich anfange zu merken, dass die Mutter Natur es recht gut mit mir gemeint hat, und tritt kein feindlicher Dämon mir in den Weg, so werde ich bald meiner Person und noch mehr meiner Kunst Ehre machen.

Ich bin nun fest überzeugt, dass ich den Lohn um den ich Jahre lang durch angestrengtes Studium und heimliche Selbstverleugnung gerungen habe, erhalten werde. Er besteht darin, dass ich das Beste – Feinste was ich empfinde, ausdrücken kann und vielleicht für Viele verständlich.

Ich arbeite mit Hildebrand zusammen, wir sind uns gegenseitig nur Ergänzungen, eigentlich nur eine Person: das kommt daher weil wir uns beide ganz einer Sache gewidmet haben.

Mit meinen hiesigen Vorwürfen ist es mir eigen gegangen. Zuerst wollte ich nur einige Figuren malen und durch H. (Hildebrand) einige Stuck- und Bildhauerarbeiten anbringen lassen. Nach und nach hat sich das alles ganz verändert: ich habe nun beschlossen einen Saal von oben bis unten auszumalen und auch alle Vorarbeiten dazu vollendet. Wir brauchen nur noch das Fussgestell auszuführen. Das wird allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen, denn die Bilder, die alle im Zusammenhange stehen, bedecken grosse Wandflächen: die Länge einer der auszufüllenden Wände beträgt fast 40 Fuss. Werden wir bis zum Oktober nicht fertig, so müssen wir auch noch den nächsten Sommer hierher kommen. Und werden wir auch in der Ausführung vom Gelingen begünstigt, so hilft dann nichts mehr, Sie müssen mit Ihrer ganzen Familie hierher pilgern und sich überzeugen, was Ihr neuer Freund in dieser alten Welt macht. Sie müssen dann aber eben so mild mich beurteilen, wie ich selber es thue. Und nun, gnädige Frau, messen Sie mir den versprochenen Lohn nicht zu karg zu, sondern bedenken Sie vielmehr, dass die Teilnahme und Sympathie schöner, kluger, edler und liebenswürdiger Frauen, für Jeden der etwas schönes leisten möchte, der wirksamste Sporn ist. Ich bitte Sie, das auch Ihren Töchtern ans Herz zu legen. Ich kann ja nicht als fremder Herr betrachtet werden, sondern nur als etwas Allgemeines, das nur dadurch, dass es ausserhalb der Convention steht, existiert.