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Kunst und Künstler Almanach 1909

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KARL SCHUCH
VON
KARL HAGEMEISTER

Dass die deutsche Kunstwissenschaft in den letzten Jahren auf den Namen Schuch immer mehr hingewiesen wurde, ist nur dadurch zu erklären, dass Schuch eine Persönlichkeit ist, die klar und deutlich aus einem bedeutenden Lebenswerk spricht und so stark ist, dass ihre dauernde Stellung in der deutschen Kunst nicht mehr bestritten werden kann.

Schuchs ganzes Wesen war deutsch; dass er in Wien geboren wurde, ist zufällig. Sein Vater, ein Pfälzer, war nach Wien eingewandert, wo ihm im Jahre 1846 sein Sohn Karl geboren wurde. Ich weiss, dass er Karl hiess und nicht Charles; wir nannten ihn immer so. Der Umstand, dass er eine Französin zur Erzieherin hatte und dass seine spätere Frau, eine Französin, ihn wahrscheinlich auch Charles nannte, ist nicht imstande seinen Namen zu ändern. Ich muss ihn unbedingt für Deutschland reklamieren und habe nur ein bitteres Lächeln, wenn ich jetzt hören muss, dass Oesterreicher sagen: Unser Schuch. Und ebenso darüber, dass der österreichische Staat nicht ein Bild von ihm erworben hat.

In kleinem Kreis war Schuchs Kunst längst geschätzt. Da er aber den schweren Kampf Leibls und Trübners um Anerkennung sah und nicht gezwungen war des Erwerbs wegen auszustellen, blieb er so lange unbekannt. Durch einen Hinweis Trübners kam dann die Ausstellung bei Schulte zu Stande, die mit einem Mal die Sachlage änderte. Die Kennerschaft von Tschudis, und Schuchs Zugehörigkeit zum Kreise Leibs, die durch die Jahrhundertausstellung deutlich wurde, brachten dem toten Künstler allgemeine Anerkennung, als deren logische Folge die Ankäufe für die Nationalgalerie, für Düsseldorf, Hamburg und viele andere Galerien zu betrachten sind.

Zufällig besuchte ich die Ausstellung bei Schulte und alte köstliche Erinnerungen wurden in mir wach, als ich die herrlichen Bilder sah, von denen so viele neben mir, Staffelei an Staffelei, entstanden waren. Ich fühlte den Drang für mich festzustellen, wie Schuch zu Leibl und Trübner steht. In der Nationalgalerie konnte ich den Gedanken dann nicht unterdrücken: ein Ebenbürtiger und von unvergänglichem Wert. Trotz Sperl, Hirth und Anderer aus dem Leibl-Kreis.

Was Schuch als Künstler und Mensch war, will ich versuchen aus der Erinnerung und auf Grund einer umfangreichen Korrespondenz festzustellen, wenn ich auch weiss, dass von der Frische, die ein zeitiges Zusammensein erzeugt, viel verloren geht.

Im Sommer 1873 lernten wir uns am Hintersee kennen und schlossen eine Freundschaft, die die schönste Erinnerung meines Lebens bildet. Schuch war aus München von Leibl und Trübner gekommen, um seinen Weg zu suchen. Sein erster Lehrer war Halauska, Gebirgsmaler in Wien, gewesen. Unter ihm malte er schon in letzter Zeit eigenartig gesehene Studien, wahr, breit und durchdrungen von einem starken Naturgefühl.

Ein Bild, das ich noch heut in der Erinnerung habe, Erlen, die über einen Bach mit rotbraunem Gestein hängen, war mir voller Beweis für ein angeborenes Talent.

„Das Rezept Halauskas“, sagte er mir, „mag für sein Gefühl ausreichend sein, für mich war es aber nicht genügend. Ich ging darum nach München und schloss mich Leibl und Trübner an, als den echtesten Wahrheitssuchern, die Deutschland damals hatte.“

Der Verkehr mit Leibl und Trübner liess ihn erkennen, dass der engste Anschluss an die Natur die Grundlage sein musste, um Eigenart zu entwickeln und dass nur Holbein als direktes Vorbild für ihn in Betracht kommen konnte. „Der Ernst und die Ehrlichkeit, jene tiefe leidenschaftliche Wahrheitsliebe Holbeins“, waren ihm und auch Leibl und Trübner Vorbild. Was diese Künstler dem Vorbild hinzufügten, war die Tonschönheit im Sinne einer gesetzmässigen Entwicklung von Luft und Licht über der konkreten Form. Dieses Ziel suchte jeder von ihnen zu erreichen und geschah das mit einer bewundernswerten Scharfsinnigkeit und Gewissenhaftigkeit, die Alle in ihren besten Arbeiten gemein haben. Was sie unterscheidet, ist im Grunde nur das impulsive Gefühl, womit sie ihre Naturbeobachtungen auf die Leinwand übertragen. Wenn das bei dem Einen mehr verstandesmässig geschieht, beim Andern mehr gefühlsmässig, so ergeben sich daraus die Unterschiede für ihre Wertschätzung. Ich halte es für belanglos, den Einen aus dem Andern zu erklären und kann nicht zugeben, dass Einer vom Andern etwas direkt genommen hat; denn solche starke Naturen sind weder Nachahmer noch geistige Diebe, nur ihr intensives Streben lässt sie zu verwandten Resultaten kommen.

In letzter Instanz ist für mich massgebend: was für ein Mensch steht hinter dem Werk, und wie stark ist seine Ausdrucksfähigkeit.

Mir liegt nichts ferner als die Reihenfolge der Künstler aus dem Leibl-Kreis nach ihrer künstlerischen Bedeutung festzustellen.

Gefestigt in seinen Kunstanschauungen und klar in seinen Zielen malte Schuch am Hintersee nicht Bergriesen, Gletscher oder den See, sondern intime Dinge, alte Ahornbäume, Weiden, kleine Bäche usw. und jedesmal suchte er dabei eine malerische Aufgabe zu lösen. Was alle Arbeiten gemeinsam haben, ist die Tonschönheit, die immer prima erreicht worden ist. Sie war ihm die wichtigste Erscheinungsform. Was er darunter verstand, geht aus einem Brief hervor, in dem er sagt:

„Meine früheren Stilleben sind mir alle zu aufdringlich an Realität, es fehlt Distanz, Luft, die Dämmerung des Raumes, meine Sachen sind alle bis an stärkste Lokalfarbe getrieben, woraus sich ein Widerspruch ergiebt, denn die Lokalfarbe ist so genommen, als hätte man das Objekt unter der Nase und durch Zeichnung und Perspektive als stünd's doch in der Entfernung. Der Ton deutet letzteres auch an, aber die Lokalfarbe widerspricht und ist zu hart, zu laut. Was ist denn der Ton als die Modifikation, die die Lokalfarbe erleidet durch die zweifache Bedingung des Lichts und der Entfernung? und doch Ton mit ganzer Kraft? ein ganzer Unsinn, selbst im Atelier – denn diese Bedingungen sind immer da. Absolutes Licht und absolutes Dunkel ist der äusserste Ton, und beides vernichtet die Lokalfarbe und die Plastik. Daraus geht als logischer Schluss hervor: dass wer in voller Kraft und Plausibilität malen will, notwendig den Ton ausschliesst und umgekehrt; wer Ton malen will, notwendig die Plastik und Lokalfarbe unterordnen muss. Ich denke, das ist klar; sollte aber meine Logik und Empfindung falsch sein, so will ich doch lieber mit Leibl, Trübner und den Alten irren als mit der neupreussischen Kunst und mit Gussow. Wollen die Leute bloss den plausiblen Schein der Natur malen, so sehe ich den Zweck ihres Malens nicht ein – ich begreife nicht, warum ich mir dann lieber nicht die Natur selbst ansehe – darin lässt sich ja diese doch nicht erreichen und wenn, so wäre gar kein Unterschied mehr zwischen Bild und Vorbild, zwischen Kunst und Natur und mir bliebe weiter nichts zu bewundern übrig als die Fertigkeit des Nachbildners; und das sollte Kunst sein und der Maler ein Künstler? Nein, hier handelt es sich um etwas Anderes: um das Begreifen der Natur und das Wiedergeben ihrer geistigen Wahrheiten, um das „Warum“ der Erscheinung, das Hervorheben ihrer Gesetzlichkeit, und so sind Trübner, Leibl, Daubigny usw. Künstler, wenn sie die Eigenschaften des Lichts und des Tons studieren, und ein Gussow trotz aller Fertigkeit und Geschicklichkeit ein Affe der Natur. Für diese Art, das Hervorheben, Hervorsuchen der Gesetzlichkeit in den Erscheinungen, wird man aber keine Maschine erfinden, das wird immer der Geist besorgen müssen und zwar der künstlerische Geist. Einerlei Licht und Luft ist der Ton, aber nicht einerlei Farbe wie bei Vollon, diesem geschickten Lügner in Asphalt, und die Bedeutung des Tons ist die, dass er den Dingen das Materielle nimmt und nur die ätherische Essenz der Erscheinung festhält.“

Dieser Brief giebt am klarsten seine gesamte Kunstanschauung wieder.

Vom Hintersee gingen wir über Wien und Dresden nach Brüssel, um den Holländern näher zu sein. Nach Neujahr kam auch Trübner. Erst ging Schuch mit mir nach Holland, um Galerien zu sehen und gleich dann nochmals mit Trübner, so begeisterten ihn die Holländer. Wenn ihn ein Bild interessierte, belagerte er es förmlich und wie ernst er sich vertiefte, mag daraus erhellen, dass er immer und immer wieder drängte, die Natur zu sehen, die dargestellt war, um so den Zusammenhang zwischen Natur und Kunst zu finden. Die grossen Meister Rembrandt, Hals usw. begeisterten ihn; doch ein Bild ging ihm über alles: die kleine Architektur von van der Meer in der Galerie Six. „Trotz Leibl, trotz der grössten Modernen, trotz der grössten Formate und Farbenwirkungen und Geschicklichkeiten – eine solche Arbeit hat doch Keiner gemalt, d. h. so tief hat Keiner mehr die Natur angesehen“, sagte er zu mir.

Nach den tiefen Eindrücken Hollands wurde fleissig studiert und als Hauptleistung ist der Christus von Trübner daraus hervorgegangen.

Im Jahre 1875 war Schuch in Olevano, um Architekturen zu malen, jene schmutzigen, grauen Strassen in unbeschreiblicher Tonschönheit.

1876 waren wir in Venedig zusammen. Schuch mietete ein Haus am Canal grande, wo ich ganz oben ein Atelier einrichtete, mit einer Treppe nach der Plattform des Daches, von wo wir oft des Abends die versinkende Pracht Venedigs bewunderten. Schuchs Aufenthalt in Venedig hatte den Zweck, ausserhalb jeder Konvention selbst auszureifen und vom Stilleben zur Architektur und von dieser zur Landschaft zu kommen. Hier in tiefer Einsamkeit mit mir als Mitstrebenden bildete er sich weiter und es entstanden die grossen wunderbaren Stilleben: das „Küchenstilleben“, das „Stilleben mit der Figur seines Dieners aus Cadore“ und das „Studierzimmer“. Die Einsiedelei in Venedig war etwas Wunderbares an Arbeit, wenn ich die Gondelfahrten, die Ausflüge nach Chioggia, ins Gebirge usw. mit hinzurechne; denn immer war es Forschung, die zu allem trieb. Von ihm mit Mitteln ausgestattet, schleppte ich alles Malenswerte herbei, sogar einen lebenden Uhu aus den Cadorischen Alpen.

 

Die Art und Weise wie Schuch arbeitete, war ungeheuer interessant. Er hat, so lange ich mit ihm malte, niemals gezeichnet, weil er nur malerisch empfand und eine Zeichnung ihm nicht ausdrucksvoll genug war. Wenn er ein Stilleben gestellt hatte, betrachtete er es lange und hielt eine förmliche Konsultation ab, um das Bild geistig fertig zu bekommen und die Mittel festzustellen, womit die Absicht am besten zu erreichen war. Die Palette mit den wenigsten Farben war ihm die liebste. Fand er nach einer prima Malerei, dass ein Stück nicht recht gelungen war, so wurde es mit Ossa sepia wieder ausgeschliffen und neu gemalt. So sind oft Dinge, namentlich in den grossen Stilleben, zweimal gemalt. Es sind auch oft gute Sachen abgeschliffen und einmal standen sogar 38 abgeschliffene Leinwände da, um Neues aufzunehmen. Matheo, der Diener, schliff manchmal wie ein Besessener.

Er liess ein gestelltes Stilleben stehen und malte es oft mit einer anderen Farbenzusammenstellung, wenn er glaubte es treffender und vollkommner auszudrücken. Ueber alle Erfahrungen, Beobachtungen, Paletten usw. führte er Buch. Jede Farbe prüfte er auf ihre Ausdrucksfähigkeit für Schatten, für Licht usw. Worauf Schuch gar keinen Wert legte, das war sein empfindungsvoller Vortrag, der seinem die Dinge förmlich befühlenden Blick entsprach. Und so sehr er Meister der Technik war, so hasste er die Geschicklichkeit, die nichts ausdrückt. Jeder Strich hatte bei ihm etwas zu sagen und wenn er früher einer Fleckentheorie huldigte, als er noch in München war, so kam er nach und nach davon ab. Er hatte erkannt, dass er, wenn er alle Töne ehrlich abschrieb, doch nur eine Seite der Erscheinung gab, selbst wenn alles im Ton war. Er wollte kein Mosaik der Erscheinung geben, sondern auch in seiner Darstellung den Gehalt der Dinge ahnen lassen. Er wusste, dass er über diese Stufe hinweg musste und wurde nun breiter und freier in seinen Stilleben, namentlich in seinen Riesenstilleben von Venedig. Die Empfindungsweise seiner frühen Arbeiten war gleichmässig und nicht durch sein Temperament variiert, wie es später geschah, wo die Skala immer grösser wurde. Am feinsten sind für mich seine Skizzen, worin die ganze Feinfühligkeit mit dem Temperament gepaart zum Ausdruck gekommen ist.

Als Beispiele seiner ersten Art führe ich an: „Krebsstilleben“; als seiner zweiten Art entsprechend: „Die Wildente“, und von Skizzen das Atelier in Venedig.

Wenn Schuch in Venedig immer das Ziel hatte, vom Stilleben zur Landschaft über die Architektur zu gelangen, so giebt es doch nur eine Architektur von ihm: Abazzia St. Gregorio. Dagegen viele Blumenstücke, die denselben instruktiven Zweck hatten.

Die alten Italiener übten den Einfluss, dass Schuch aus seiner früheren Schwärze herauskam; nur Tizian mit seinem warmen Licht bewog ihn mehrmals Stillleben des Spätnachmittags in seinem Atelier zu malen. Dieses hatte ich mit Holztäfelung versehen, die ein brütendes Licht erzeugte, wenn die Sonne schien.

Eine Sendung meiner Federzeichnungen aus Ferch bewog Schuch dann hierher zu kommen und nur zu landschaftern. Drei Sommer malten wir zusammen und Ferch war nur die Fortsetzung der wunderbaren Einsiedelei von Venedig. Als er klar über das Stilleben war, suchte er auch für die Landschaft die reinste Vorstellung. Er fasste die Natur als etwas Lebendiges auf, worin Licht und Luft das eigentliche Leben erzeugen; er wollte aus der Natur nichts machen, sie nicht aufbauschen, sondern durch feinste Beobachtung ihr eigenstes Leben geben und die Natur von Ferch, die Wiesen mit kleinen Wässern, die graziösen Birken waren immer wieder Gegenstand seines intimsten Studiums.

Im Winter 1883-84 waren wir in Paris. Ein Ereignis für ihn war die Ausstellung Manet und selbstredend war der Impressionismus Gegenstand seines tiefsten Nachdenkens. Er erkannte die impressionistische Darstellungsart nur als Ausdruck, Sprache, die nicht für jeden passt und darum für viele gefährlich werden muss. Er bewunderte das Licht, das Leben in den Arbeiten; am meisten aber eigentlich Monet, den er als Genie betrachtete, weil er den Darstellungskreis bereichert hat, indem er das bewegte Licht ausdrückte. Dass Monet alle möglichen Dinge malte, dass er alle Stimmungen zum Ausdruck brachte, interessierte ihn nicht sehr, sondern nur, dass er durch feinste Beobachtung der Valeurs ein bewegtes Licht schuf und dass alle Gegenständlichkeit doch nur die Folie war, auf der der Kampf zwischen Luft und Licht ausgekämpft wurde. Diese That Monets war ihm das Wertvolle am ganzen Impressionismus und die grösste Errungenschaft der modernen Malerei.

Die Auswüchse des Impressionismus (die oft den Eindruck gestopfter bunter Wolle machten), verlachte er als geistloses Gestupfe, ebenso hatte er für jede Schmierskizze, die Impressionismus sein sollte, ein bitteres Lachen.

Die ungeheure Energie aber, womit Alle das Prinzip erfassten, bewunderte er und sie war für ihn ein Sporn, seine Art weiter zu entwickeln. Während einer Debatte, die es schon des Morgens beim Kaffee gab, sagte er mir:

„Ich möchte am liebsten gar nichts, weder Impressionismus noch Leibl, weder Daubigny noch Millet – ich möchte treu und ehrlich sein können und nicht ein Verhältnis zur Natur wie Troyon oder X und Y, sondern wie ich selbst.“

Er meinte hiernach auf das Klarste, dass in letzter Instanz ein Werk nur Wert hat durch die Persönlichkeit, die dahinter steht, nicht durch die Ausdrucksform, Sprache, in der es vorgetragen. Dass er sich treu blieb, sieht man an seinen grossen Waldbildern vom Doubs, wohin er in den achtziger Jahren oft ging. Das Licht zittert in den Bildern, aber der Helle ging er doch eher aus dem Wege, als dass er sie suchte. Es zittert durch die mannigfaltigen Valeurs. Nur ein Deutscher konnte Waldbilder schaffen von solcher Intimität und Wucht, diese Waldbilder vom Doubs geben mir Recht, wenn ich behaupte, dass Schuch sein Ziel vom Stilleben zur Architektur und Landschaft zu kommen erreichte. Statt aber, dass eins dieser grossen Waldbilder mit dem grossen Küchenstilleben, das Schuch für sein Hauptwerk hält, eine deutsche Galerie schmückt und sein Bild vervollständigt, sind sie in Wien begraben.

Dass Schuch auch Köpfe, von denen mein Porträt Leiblsche Qualitäten hat, und auch Akte malte, darf ich nicht unerwähnt lassen. Leider werden nur meine Sachen übriggeblieben sein.

Schuch als Menschen zu schildern, würde auch sehr interessant sein, doch muss ich mich kurz fassen. Wenn bei einer künstlerischen Persönlichkeit der Künstler nur der Extrakt von seinem Menschen ist, so ist der Rückschluss bei Schuch nicht trügerisch. Nur ein tief- und feinfühlender Mensch konnte diese Kunst schaffen, und wenn für den Liebhaber der Sinn, Bilder zu sammeln, der ist, dass er hinter seinen Kunstwerken ihre Erzeuger von der Wand deutlich reden hört, so muss ich sagen, dass mir mein Porträt von ihm ein kostbarer Besitz ist, der mir sein Andenken als Freund und Lehrer immer gegenwärtig und lebendig erhält.

Bei allseitiger Bildung, bei lebhaftem Temperament, bei grosser Opferfreudigkeit und Aufrichtigkeit, war es eine Freude, mit ihm zu leben und zu streben. Seine Treue war gross; und für mich war es die schönste Zeit, meine eigentliche Lehrzeit, als ich mit ihm zusammenstrebte und lebte.

Wenn ich neuerdings lese, in welcher Weise Trübner über seinen verstorbenen Freund spricht, so befremdet mich das sehr. Ich weiss, dass Schuch mit Trübner intim befreundet war, dass Schuch mit ihm Freundschaft schloss, um gemeinsam zu streben und dass Schuch der Letzte sein würde, einen Einfluss Trübners zu bestreiten. Wieviel Einer dem Andern gab, ist schwer festzustellen und auch vollkommen gleichgültig, da es in letzter Instanz für die Bedeutung Schuchs doch nur darauf ankommt, was er ohne Einfluss geschaffen hat. Ich glaube aber, dass bei der starken Intelligenz Schuchs, die aus seinem Lebenswerk sowie aus seiner Korrespondenz spricht, auf der ich fusse, von einer Abrichtung keine Rede sein kann. Wenn Trübner diese Briefe, in denen Schuch über ihn spricht, lesen würde, so könnte er keinen Augenblick im Zweifel sein, wie ihn Schuch als Freund verehrte, wie er sein Talent anerkannte und stets für ihn eingetreten ist. Sicher hätte Trübner nicht in solcher Weise über seinen toten Freund sprechen können. Wenn Talent gestaltendes Gefühl ist, so hatte Schuch sehr viel und sein Lebenswerk wird für Einsichtige bekunden, inwieweit er von Trübner beeinflusst war und was er unbeeinflusst schuf. Dies Lebenswerk (die grossen genannten Bilder an der Spitze), wird deutlicher für ihn reden als ich es jemals vermöchte.

EDOUARD MANET
VON
EMILE ZOLA

Edouard Manet ist mittelgross, eher klein als gross. Sein Haar und Bart sind blass kastanienbraun, die Augen, dicht bei einander und tief, haben jugendliches Leben und Feuer. Der Mund ist charakteristisch dünn, beweglich, etwas spöttisch in den Mundwinkeln. Das ganze Gesicht von einer feinen, intelligenten Unregelmäßigkeit zeigt Biegsamkeit, Kühnheit, Verachtung des Banalen und der Dummheit. Wenn wir vom Gesicht zum Wesen kommen, so finden wir in Manet einen Menschen von einer ausgesuchten Liebenswürdigkeit, sehr höflich, von vornehmen Allüren und sympathischem Eindruck.

Der Künstler hat mir eingestanden, dass er leidenschaftlich gern in die Gesellschaft geht und eine geheime Wollust bei der parfümierten und leuchtenden Zartheit der Soiréen empfindet. In die Gesellschaft treibt ihn ohne Zweifel seine Liebe für breite und lebhafte Farbströme, aber es ist in seinem Inneren auch ein angeborenes Bedürfnis nach Vornehmheit und Eleganz, und dieses mache ich mich anheischig, ebenfalls in seinen Werken zu finden.

So ist also sein Leben. Er arbeitet hartnäckig und die Zahl seiner Bilder ist schon beträchtlich. Er malt, ohne entmutigt zu werden, ohne müde zu werden, und schreitet geradeaus, seiner Natur gehorsam. Nach der Arbeit geniesst er die ruhigen Freuden des modernen Bürgers, geht in Gesellschaften und führt das Leben eines Jeden, nur mit dem Unterschiede, dass er vielleicht noch friedlicher und noch besser erzogen ist, als die Andern.

Was mich in Manets Bildern zuerst frappiert, ist eine sehr zarte Richtigkeit in den Beziehungen der Töne unter einander. Früchte sind auf eine Tafel gesetzt und heben sich von einem grauen Hintergrunde ab. Es giebt unter den Früchten, je nachdem sie mehr oder minder nahe sind, Farbenwerte, die eine ganze Tonleiter bilden. Wenn ihr von einer Note ausgeht, die heller als die wirkliche Note ist, müsst ihr einer Leiter folgen, die immer heller bleibt. Und umgekehrt muss es sein, wenn ihr von einer dunkleren Note ausgeht. Das ist, was man, glaube ich, das Gesetz der Valeurs nennt. Ich kenne in der modernen Schule niemanden ausser Corot, Courbet und Edouard Manet, die ständig diesem Gesetze gefolgt sind, wenn sie Figuren malen. Die Werke gewinnen dabei eine seltsame Reinlichkeit, eine grosse Wahrheit und einen grossen Reiz.

Edouard Manet geht gewöhnlich von einer Note aus, die heller als die in der Wirklichkeit existierende Note ist. Seine Malereien sind blond und leuchtend, von einer soliden Bleichheit. Das Licht fällt weiss und breit auf die Gegenstände und beleuchtet sie auf ein sanfte Art. Es giebt da nicht den geringsten erzwungenen Effekt. Die Personen und die Landschaften baden sich in einer heiteren Klarheit, welche das Bild völlig erfüllt.

Was mich danach frappiert, ist die notwendige Folge der genauen Beobachtung des Gesetzes von den Werten. Der Künstler lässt sich irgend einem Gegenstand gegenüber durch seine Augen leiten, die diesen Gegenstand in breiten Tinten bemerken, welche gegenseitig Einfluss auf einander nehmen. Ein Kopf gegen eine Mauer ist nur noch ein mehr oder minder weisser Fleck auf einem mehr oder minder grauen Hintergrund; und das Kleid, an das Gesicht herangesetzt, zum Beispiel ein mehr oder minder blauer Fleck neben dem mehr oder minder weissen Flecke. Daher eine grosse Einfachheit, fast gar keine Details, eine Gesamtheit von richtigen und zarten Flecken, die in einigen Schritten Entfernung dem Bilde ein ergreifendes Relief geben. Ich lege auf diesen Charakter der Werke von Edouard Manet Nachdruck, denn er herrscht in ihnen und macht sie zu dem, was sie sind. Die ganze Persönlichkeit des Künstlers besteht aus der Art, in der sein Auge gebildet ist: er sieht blond und in Massen.

Was mich in dritter Linie frappiert, ist eine etwas trockene, jedoch reizvolle Grazie. Man verstehe mich richtig: ich spreche nicht von der rosa und weissen Grazie, die die Porzellanköpfe der Puppen haben, sondern von einer durchdringenden und wahrhaft menschlichen Grazie. Edouard Manet ist ein Weltmann und in seinen Bildern sind gewisse auserlesene Linien, gewisse schlanke hübsche Haltungen, die von seiner Liebe für die Eleganzen des Salons zeugen. Das ist das Element des Unbewussten, die Natur des Malers.

 

Nach der Zergliederung die Zusammenfassung. Nehmen wir gleichviel welches der Bilder Manets und suchen nichts anderes, als was es enthält: beleuchtete Gegenstände, wirkliche Geschöpfe. Der Gesamtanblick ist, wie ich es gesagt habe, leuchtend blond. In dem ausgebreiteten Licht sind die Gesichter in breiten Fleischflächen behandelt, die Lippen werden einfache Striche, alles vereinfacht sich und hebt sich vom Hintergrunde in machtvollen Massen ab. Die Richtigkeit der Töne stellt die Pläne fest, erfüllt das Bild mit Luft, giebt jedem Gegenstande Kraft. Man hat, um sich über Manet lustig zu machen, behauptet, dass seine Bilder an die Bilderbögen von Epinal erinnern; sehr viel Wahrheit liegt in diesem Spott, der ein Lob ist. Dort auf den Bilderbögen und hier auf den Bildern sind die Verfahren die gleichen, die Tinten sind schichtweise angewendet, mit dem einzigen Unterschiede, dass die Arbeiter der Bilderbögenfabrik die Töne rein brauchen, ohne sich um die Werte zu kümmern, Edouard Manet die Töne jedoch vervielfacht und sie in die richtigen Beziehungen bringt. Es würde eher am Platze sein, Manets vereinfachte Malerei mit den japanischen Farbenholzschnitten zu vergleichen, die ihnen durch ihre seltsame Eleganz wie durch ihre prachtvolle Fleckenverteilung ähnlich sind.

Der erste Eindruck, den ein Bild von Edouard Manet hervorbringt, ist ein wenig hart. Man ist nicht daran gewöhnt, so einfache noch auch so aufrichtige Uebersetzungen der Wirklichkeit zu sehen. Dann giebt es, wie ich gesagt habe, einige elegante Schroffheiten, die überraschend wirken. Das Auge bemerkt zuerst nur breit geschichtete Tinten. Bald zeichnen die Objekte sich und stellen sich an ihre Plätze. Am Ende einiger Augenblicke erscheint das Ganze, kraftvoll, und man empfindet einen wirklichen Reiz, indem man diese helle und gewichtige Malerei betrachtet, die die Natur mit einer sanften Brutalität, wenn ich mich so ausdrücken darf, wiedergiebt. Wenn man sich dem Bilde nähert, sieht man, dass die Behandlung mehr delikat als schroff ist. Der Künstler benutzt nur den Pinsel (nicht den Spachtel) und bedient sich seiner sehr vorsichtig. Er giebt keine Farbenanhäufungen, sondern eine einfache Schicht. Dieser Wagehals, über den man sich lustig macht, hat eine Technik, die sehr vorsichtig ist, und wenn seine Werke einen besonderen Anblick gewähren, so verdanken sie das nur der persönlichen Art, in der Manet die Objekte sieht und übersetzt.

Wenn man mich prüfte, wenn man an mich die Frage stellte, welche neue Sprache Edouard Manet spräche, so würde ich hinsichtlich des Ganzen antworten: er spricht eine Sprache, die aus Einfachheit und Richtigkeit gemacht ist. Die Note, die er bringt, ist das Blond, das das Bild mit Licht erfüllt. Die Uebersetzung, welche er uns giebt, ist eine richtige und vereinfachte Uebersetzung, die in Ensembles vorgeht und nur die Massen angiebt.

Nicht oft genug kann ich wiederholen, dass wir tausend Dinge vergessen müssen, um dieses Talent zu verstehen und zu geniessen. Es handelt sich hier nicht mehr um eine Untersuchung der absoluten Schönheit; der Künstler malt weder die Geschichte noch die Seele; was man Komposition nennt, existiert für ihn nicht, und die Aufgabe, die er sich stellt, ist nicht, diesen Gedanken darzustellen oder jenen historischen Vorgang. Darum muss man ihn auch nicht vom Standpunkt des Moralisten oder des Literators beurteilen, sondern als Maler. Er behandelt die Figurenbilder, wie es in den Kunstschulen erlaubt ist, die Stilleben zu behandeln; er stellt, will ich damit sagen, die Figuren ein bißchen dem Zufall nach vor sich hin, und hat nur danach Verlangen, sie auf die Leinwand zu bringen, wie er sie sieht, mit den lebhaften Gegensätzen, welche sie bilden, indem sich eine von ihnen von der anderen absetzt. Fordert von Manet nichts anderes als eine Uebersetzung von wörtlicher Richtigkeit. Er kann nicht singen und philosophieren; er kann malen. Er hat die Gabe, und das da ist sein Eigentum, sein Temperament, in ihrer Feinheit die hauptsächlichen Töne zu ergreifen und solcherweise in grossen Plänen die Dinge und die Wesen zu modellieren.

Man hat Manet vorgeworfen, dass er die spanischen Meister nachahme. Ich gebe zu, dass einige Aehnlichkeit zwischen seinen ersten Arbeiten und den Arbeiten dieser Meister ist. Man ist immer jemandes Sohn. Aber von seinem „Mittagessen im Grase“ an scheint mir Manet klar die Persönlichkeit zu zeigen, die ich kurz zu erklären und auszulegen gesucht habe. Die Wahrheit ist vielleicht, dass das Publikum, indem es sah, dass er Scenen und Kostüme aus Spanien malte, auch annahm, dass Manet seine Modelle von jenseits der Pyrenäen nähme. Von da bis zur Anklage des Plagiats ist es nicht weit gewesen. Daher ist es gut, bekannt zu geben, dass Edouard Manet die „espada“ und den „majo“ gemalt hat, weil er in seinem Atelier spanische Kostüme hatte und sie schön in der Farbe fand. Er bereiste Spanien erst im Jahre 1865, und seine Bilder tragen einen zu persönlichen Accent, als dass man in Manet nur einen Bastard von Velasquez und Goya erblicken könnte.

Das erste, was ich empfand, als ich ins Atelier von Edouard Manet trat, war ein Gefühl von Einheit und von Kraft. Es ist Herbheit und Sanftheit beim ersten Blick, den man auf die Wände wirft. Ehe die Augen sich auf einer bestimmten Leinwand festsetzen, irren sie von ungefähr von unten nach oben, von rechts nach links, und diese hellen Farben, die eleganten, sich mischenden Formen haben eine Harmonie, einen Freimut von äusserster Einfachheit und Energie.

Dann habe ich langsam die Werke hintereinander zergliedert. Hier gebe ich in einigen Zeilen mein Gefühl über jedes von ihnen, mit etwas Nachdruck bei den umfangreicheren.

Das älteste Bild ist der „Absynthtrinker“; ein abgezehrter, abgestumpfter Mann, in eine Ecke seines Mantels gehüllt und in sich versunken. Der Maler suchte sich noch; es ist beinahe eine melodramatische Absicht in diesem Gegenstand; und dann finde ich hier nicht das einfache und genaue, mächtige und grosse Temperament, das der Künstler später hat.

Danach kommen der „spanische Sänger“ und das „Kind mit dem Degen“. Das sind die Pflastersteine – jene ersten Werke, deren man sich bedient, um mit ihnen die letzten Werke des Künstlers zu erschlagen. Der „spanische Sänger“, ein Spanier, der auf einer Bank von grünem Holz sitzt und singend Guitarre spielt, hat auf der Ausstellung eine „mention honorable“ bekommen. Das „Kind mit dem Degen“ ist ein kleiner Knabe, stehend, mit naiver Miene, und uns anstaunend. Er hält mit beiden Händen einen grossen Degen mit Wehrgehänge. Diese beiden Malereien sind fest und solide, übrigens sehr fein, und sie verwunden in gar nichts den schwachen Blick der Menge. Man behauptet, dass Edouard Manet einige Verwandtschaft mit den spanischen Meistern hat und er hat es nie so sehr bekundet wie in dem „Kinde mit dem Degen“. Der Kopf des Knaben ist ein Wunder von Modellierung und besänftigter Kraft. Hätte der Künstler immer derartige Köpfe zu malen unternommen, so würde er vom Publikum gehätschelt, mit Lob und Geld überschüttet worden sein. Freilich wäre er ein Reflex geblieben, und nie würden wir die schöne Einfachheit kennen gelernt haben, die sein ganzes Talent bildet. Für mich, ich gestehe es, ist das Sympathische in seinen Werken anderswo als in diesen Stücken; ich ziehe die freimütigen Schärfen, die richtigen und mächtigen Flecke der „Olympia“ den gesuchten und engen Feinheiten des „Kindes mit dem Degen“ vor.