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Kunst und Künstler Almanach 1909

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FRANCISCO DE GOYA
Drei Briefe

Lieber Martin, ich habe sehr bedauert, dass Dir die Festlegung des Kapitals auf Leibrente schlecht erschienen, aber glaube mir, wenn es noch Zeit wäre, würde ich Dir danken und Deinem Rat folgen, aber da ist nichts mehr zu ändern, man muss sich damit abfinden. Es entschuldigt mich gewiss, dass ich mir von einem Beichtvater raten liess (freilich habe ich ihn selbst um Rat gefragt); kurz das ist vorbei. Ich habe etwas mehr als die 1000 Doblonen daran gewandt. Meiner Frau habe ich so täglich 6 Realen ausgesetzt. Doch verlassen wir diesen Gegenstand, um ihn zu vergessen. Bei dem Hause sehe ich, dass Du uns soviel Gefälligkeiten wie nur möglich erweisest, auch meine Frau ist Dir dafür unendlich dankbar und beauftragt mich, dir zu sagen, dass, da das Haus das Grab der Frauen ist, so erscheint ihr die Lage traurig; aber ich wiederhole, dass Du, wenn Du weisst, dass es geeignet ist, es machen mögest.

Ich für mein Teil sage Dir, dass alles, was Du thust, immer meinen Beifall finden wird, mag es sich um Monate oder um Jahre handeln, einerlei, wie es Dir am besten erscheint. Betreffs der Wohnung genügt sie mir reichlich für meine Frau, eine Magd und einen Diener und höchstens noch Jemand, denn ich hatte vergessen Dir zu sagen, dass meine Eltern lieber die Zurückgezogenheit wünschen und mit meiner Schwester fortziehen wollen.

Ich habe den ersten Entwurf einer Kuppel beendet, aber ich werde wahrscheinlich noch 2 Monate hier sein, denn bevor alles hergerichtet sein wird, werden damit allein mindestens 40 Tage vergehen; noch sind keine Anzeichen vorhanden, es scheint, dass es um so mehr sich hinzieht, als ich es dringend wünsche.

Möglicherweise bekomme ich hier ein Pferd; teile mir deine Ansicht mit und wenn es sich macht und Dir gut scheint, ob ich es von hier mitbringen soll. Leb wohl! und Vorsicht mit den langfingrigen H… – weibern, die beissen. Ich weiss nicht, ob ich Dir auf alles antworte, nur weiss ich soviel, dass das, was Du thust, wohlgethan sein wird.

Dein Fran de Goya

Madrid 9 de Agoto de 80.

Lieber Martin, wie ich in meinen früheren Briefen sagte, will ich sehen, ob sie mir meinen Wunsch erfüllen lassen, Dir ausführlich zu schreiben, obgleich ich hinke von einem Sturze, den wir mit einem Wagen hatten, der schon halb ausgehandelt war zu 90 Doblonen. Er ist wirklich ein Prachtstück (es giebt in Madrid nur 3 solche Wagen), er ist englischer Bauart und daher so leicht, dass man keinen zweiten finden würde, von ausgezeichneter Eisenarbeit, vergoldet und lackiert, fein! auch bleiben die Leute hier stehen, um ihn anzugaffen! Wir fuhren aus um ihn zu probieren mit einem Pferde, das ich auch kaufte, sehr gut, schon 10 Jahre alt, aber mit allen guten Eigenschaften für meinen Zweck. Wir fuhren, sein Besitzer und ich, so flott in feinem Trab und es konnte garnicht besser gehn. Schon ausserhalb von Madrid fingen wir an scharf zu fahren, ich führte die Zügel, da sagte er zu mir: soll ich ihn einmal umdrehen lassen à la Napolitana. (Das Pferd stoppte daher), ich gab ihm die Zügel, da ich wünschte, etwas Neues zu sehen und kennen zu lernen und im Galopp, wie er in der Mitte des Weges ging, – obwohl dieser breit war, war er es doch nicht genug, um sich das, was er ausführte, vorstellen zu können – kamen wir beim Umbiegen zum Stillstand, Wagen, Pferd und wir überschlugen uns und Gott sei Dank, war der, welcher am schlechtesten davonkam, nur ich, es hatte nichts weiter zu bedeuten, als dass ich seit dem Santjago-Tage, als dieses passierte, bis heute meinen Hofarzt erwarte, um zu wissen, ob er mir erlaubt, etwas zu gehen. Es ist nämlich am Knöchel das rechte Bein verletzt, aber nichts gebrochen noch ausgerenkt. Ich hatte mir ein beneidenswertes Dasein geschaffen, schon hatte ich nicht mehr zu antichambriren. Wer etwas von mir wollte, kam zu mir, ich machte mich immer rarer, und wenn es nicht eine sehr hohe Persönlichkeit war oder mit Empfehlung eines Freundes kam, führte ich für Niemanden eine Arbeit aus, und je unentbehrlicher ich mich machte, desto weniger verliessen sie mich (noch verlassen sie mich), so dass ich nicht weiss, wie fertig werden. Indem ich auf diese Weise so ahnungslos war wie du es nur im entferntesten sein kannst, erfuhr ich, dass es Anwärter für die Teppichfabrik gab, und es interessierte mich nicht weiter, als dass ich mich freute, dass einige der verdientesten Professoren ihr Auskommen finden würden. Eines Tages liess mich Bayeu rufen – wir standen uns nicht besonders (?), was mir grosse Verwunderung verursachte und begann mir zu sagen, dass der Dienst des Königs immer begehrenswert wäre und dass er mit 12000 Realen angefangen hätte und dass er diese aus der Hand Mengs erhalten und zwar nur als Gehilfe, dass ich jetzt aber eine bessere Gelegenheit hätte, in den Dienst des Königs zu treten zugleich mit Ramon, und dass wir schon in Betracht gezogen wären, denn ihm und Maella wäre ein Befehl des Königs zugegangen, die besten Maler in Spanien auszusuchen, und dass ein Jeder einen vorschlagen solle, und dass er seinen Bruder vorgeschlagen und es derart arrangiert hätte, dass Maella mich vorschlüge, um die Vorlagen für die Teppichfabrik zu malen und für jede andere Art von Arbeit für den königlichen Dienst mit jährlich 15000 Realen. Ich dankte ihm und wusste nicht, was mir geschah; nach 2 Tagen hatten wir schon die Mitteilung, dass der König es zu denselben Bedingungen, wie angegeben, dekretiert habe, derart, dass, als ich es erfuhr, es schon dekretiert und dem Schatzamt angewiesen war. Wir gingen dem Könige, Kronprinzen und Infanten uns vorzustellen, und da bin ich ohne zu wissen, wie das Abscheuern geschah.

Mit dem, was ich hatte, bringe ich es auf beinah 28000 Realen und nicht will ich mehr Gnade bei Gott, was ich Dir aufrichtig zur Verfügung stelle, Du musst nicht sagen, dass ich nicht ein Schwätzer bin. Bitte grüsse D. Juan Martin und sorge, dass diese Beilage meine Schwester empfange.

Dein Fran de Goya

Madrid, den 1. August 1786.

Ich habe Pallas noch nicht gesehen, um ihm den Brief zu geben.

Lieber Martin, ich schreibe Dir nicht französisch, bis ich es besser zu sprechen verstehe, weil es mir noch viel Arbeit kostet. Durch Yoldi erfuhr ich, dass du Drosseln fängst und dich so gut wie möglich zerstreust, wir sind einige Mal auf Lerchen gegangen und schossen so schön vorbei, wie Du, aber wir brachten den Tag vergnügt und im Freien zu. Alles erscheint einem Zerstreuung, nur das Beschmutzen der Flinten ist unangenehmer als es erscheint. Ich möchte wissen, ob Du schmuck, vornehm oder ruppig bist, ob Du Dir einen Bart zugelegt hast, ob Du alle Zähne hast, ob dir deine Nase gewachsen ist, ob du Brillen trägst, ob du stramm schiffst, ob du irgendwo weiss geworden bist und ob für dich die Zeit wie für mich verstrichen ist. Mich hat sie alt gemacht mit vielen Runzeln, so dass Du mich nicht erkennen würdest, ausser an der Stumpfnase und an dem feuchten… Sicher beginne ich schon recht die 41 Jahre zu fühlen. Du aber hast dich vielleicht so conserviert, wie in der Schule des Pater Joaquin.

An den Mönch in Valencia habe ich wegen der Farben geschrieben. An meine Schwester schreibe ich heute Abend, dass sie zu Dir gehen soll und Du wirst ihr die 15 Duros geben, die ich hier an Piran und an Joldi zahlen werde, denen ich, bevor ich die Summe wusste, die sie Dir schuldete, 200 Realen gab, aber auf dein Conto rechne ihm nur die 9 Thaler an, denn er sagte mir schon, dass er mir den Rest gutschreiben würde, aber ich brach in Lachen aus, indem ich ihm für die Rechtschaffenheit dankte.

Gute Nacht, Friede auf Erden und Wohlgefallen in Ewigkeit, Amen.

Dein Fran de Goya
28. November 87.
Entschuldige die Mühe

H. C. ANDERSENS SILHOUETTEN
Des Märchendichters Scheere.
VON
CHRISTIAN MORGENSTERN

Klipp, klapp, sagte die Scheere, dieweil sie nun wieder einen Gang in dem weissen Papier vollendet hatte, klipp klapp, klipp klapp, so wie jemand, der befriedigt mit den Lippen schmatzt, nachdem er ein grosses Stück Kuchen abgebissen und verschluckt hat. Und dann ging es von neuem an die Arbeit. Sie war eine kluge Scheere und wusste gar viele lustige Sächelchen auszuschneiden: als da kleine Damen, die tanzten, Liebesgötter, Schwäne, Palmen, Männer mit Schirmen, Engel mit langen feierlichen Flügeln. Und wie sie gab es viele Scheeren im Land, und alle konnten mit mehr oder weniger Glück dieselben Bilder ausschneiden wie sie. Nur eines konnten sie nicht, und das war gerade die Hauptsache. Unsere Scheere nämlich hatte zu ihrer grossen Geschicklichkeit, die sie mit mancher ihrer Schwestern teilte, auch noch eine Art Seele, die sie zu einem ganz neuen und ausserordentlichen Wesen machte, sobald es ihr einfiel, in sie zu fahren. Sie fuhr aber immer zugleich mit den Fingern ihres Herrn in sie, so dass es aussehen konnte, als wären diese selbst ihre Seele. Da würde man sich aber sehr getäuscht haben. Denn unsere Scheere ward von diesem Augenblick an ein ganz eigenwilliges Persönchen, das bald so, bald so dachte und that, recht wie eine kleine Prinzessin, die sich nichts zu versagen braucht, wonach ihr das Herz steht. Und die guten dicken Finger mussten immer mit, immer mit und konnten froh sein, wenn sie nicht ganz rot geschunden wurden. Ja, das war eine wunderliche Scheere. Während die anderen immer ganz genau wussten, was sie wollten, und nie mehr wollten als sie konnten, erlebte man von ihr die unerwartetsten Dinge, sei es, dass sie sich einfach in ihren Stoff hineinstürzte und dann dem Zufall überliess, sei es, dass sie sich von vornherein sagte: Jetzt soll es einmal etwas ganz Absonderliches werden, etwas über die Maassen Spassiges, oder Verwirrendes, oder Geheimnisvolles. So fing sie eines Tages an, einen Baum auszuschneiden. Als sie an den zweiten Ast von unten kam, fuhr es ihr durch den Kopf, ihn in einen Cupido auslaufen zu lassen; und da sie den kleinen Gott schon auszuschneiden geübt war, verwandelte sie das Ende des Zweigs stracks in ein Büblein mit Flügeln. Und weil der Baum nun schon ein Märchenbaum geworden war, konnte es gewiss nichts schaden, wenn man ihn oben mit einer Balleteuse krönte, die sich in einem Storchennest auf der Fussspitze wippte, im Begriff, in kühnem Bogen empor und herab zu schweben. Zur Ergänzung sodann – denn was sollte wohl solch ein Baum (und nun gar einer mit einem Amor und einem Frauenzimmer) allein auf der Welt – erfand sie einen komisch bestürzten Mann hinzu, wie einen, der vor diesem sonderbaren Baum halb überrascht, halb auch schon „im Bilde“ sich fühlend, so zu reden begonnen haben möchte: „Es ist mir ungemein schmeichelhaft, sehr verehrter Herr Baum – oder soll ich sagen: sehr verehrte Madame Baum und Mutter zweier so liebreizender Sprösslinge – hier auf freiem Felde Ihre Bekanntschaft zu machen; wiewohl ich stets überzeugt war, dass Euer Hochwohlgeboren durchaus nicht nur so ein Baum wären, wie meine lieben Kopenhagener dort hinten anzunehmen nur allzu geneigt sein dürften… Also, wie wäre es etwa, wenn Ihro Gnaden, die leicht beschwingte Tänzerin da droben, mir auf die Schulter zu springen geruhten, während der kleine Herr vor mir sein Füsschen vielleicht auf meine Nase setzen will, damit ich ihn mit einem kurzen Ruck seinem Fräulein Schwester auf die linke Hüfte werfen kann. Es wäre mir ein Vergnügen, den Kinderchen dann ein wenig mein liebes Kopenhagen dort hinten zu zeigen und ganz besonders mein wunderschönes Schloss mit seinen feenhaften Gärten, Grotten und Wasserkünsten, das mir der König und die Königin geschenkt haben, und wo sie gewiss die beste Gesellschaft finden würden.“

 

Ein ander Mal ging unsere Scheere bewusster vor. Sie hatte zudem kein einfaches, sondern ein wie ein Briefbogen zusammengelegtes Stück Papier zu verarbeiten, und da musste man schon etwas nachdenklicher zu Werke gehen. Denn was nun heraus kam, wurde zugleich eine Art Ornament, indem, wenn man das Papier auseinanderfaltete, dasselbe von zwei Seiten sich entgegenkam und ein von der Spitze eines Schwanenfittigs vorwärts stürmender Mann zum Exempel auf diese Weise zu einer Doppelgänger-Szene ward, in welcher zwei auf Schwänen balancierende Turnkünstler sich mit ihren Nasen und linken Beinen im Gleichgewicht hielten, während hinter sich jeder seine Fächerpalme und seinen Schutzengel hatte, der nur darauf wartete, bei einem etwaigen Unglücksfall helfend einzugreifen. Aber wie wir sehen, warten sie heut noch darauf, und das kommt wahrscheinlich daher, dass der von den Männern und der von den Schwänen eingeschlossene Raum ein so zierliches Ornamentenpaar darstellt, dass man garnicht lange hinzugucken braucht, um zu meinen, er sei eigentlich die Hauptsache und das andere nur ein Drumherum. Und das empfand die Scheere auch selbst und liebte deshalb diese Doppelbilder mit ihrem doppelten Reiz und Sinn ganz besonders.

„Ich möchte manches von diesen Sachen sticken“ – sagte eines Tages eine Dame, die bei dem Dichter zu Besuch war. „Es würde ausserordentlich wohlthuend sein, diese durch Symmetrie gebändigten, ja fast beruhigten Bizarrerien vor seinem Nähtisch liegen zu haben.“

„Und seinen niedlichen Schuh darauf zu stellen!“ fügte der Dichter hinzu, indem er mit einer galanten Handbewegung sich leicht verbeugte.

Die Scheere aber, die das gehört hatte, ersann am selben Abend noch einen schneeweissen Hain auf güldenem Grund, darinnen zwei junge Mädchen tanzten. Dabei kam dem Dichter eine ganz merkwürdige Empfindung. Als er nämlich den schneeweissen Hain so ansah, schien er ihm nicht nur ein in Erfindung und Anordnung gut geglücktes Bildchen, sondern auch noch etwas anderes, etwas fast wie ein richtiges kleines Gemälde, so recht keck und unbekümmert um alle anatomischen Einzelheiten, nur als Lichteindruck, zusammenfassender Farbenfleck, ornamentale Abbreviatur lebendiger Wirklichkeit hingeworfen. Aber das flog nur so wie der Schatten eines Vogels durch sein Hirn. Denn im allgemeinen sah er doch nur hübsche Spielereien in diesen Sachen und litt wohl kaum an Weltschmerz darüber, dass sie nicht mehr waren.

Was im übrigen unsern Dichter als Maler gelockt hätte, würde man vielleicht am besten aus einem Ofenschirm, dessen vier Flügel er in seinem letzten Lebensjahr mit aus aller Welt zusammengesammelten Bildern beklebte, ersehen haben. Nach Ländern – Dänemark, Schweden und Norwegen, Deutschland, Frankreich, England – geordnet, gaben die ein ebenso geschickt komponiertes wie traumhaft romantisches Durcheinander von Porträtbildnissen, Gruppen, Aufzügen, Sälen, Kirchen, Palästen, Wäldern, Gebirgen und was weiss ich noch allem, und mochten aus der ganzen Ferne ihres Schwindschen Barock an Fresken alter Italiener wie den trionfo della morte des Campo Santo in Pisa oder die festlichen, kindlich redseligen Wandmalereien des Benozzo Gozzoli in der Hauskapelle der Medicäer erinnern. —

Klipp klapp machte die Scheere, – aber nicht die, von welcher wir hier geredet haben, sondern die der alten weisen Parze; und was sie zerschnitt, war nicht einfältiges Papier, sondern der Lebensfaden des grossen Märchendichters Hans Christian Andersen selbst.

Unsere irdische Scheere aber, nachdem sie ihren Besitzer verloren hatte, wurde wieder eine gewöhnliche Scheere wie alle andern. Sie schnitt auch ferner Putten und Palmen aus, aber es war kein rechter Sinn mehr dabei, denn sie hatte mit ihrem Meister zugleich ihre besondere, übermütige Seele eingebüsst. Eines Tages aber ging sie hinaus in den Garten ihres ehemaligen Herrn und suchte sich ein Plätzchen, wo die Levkojen am dichtesten standen. Und schnitt mit sich selber einen Stengel nach dem andern ab, bis dass sie ganz von Blumen wie von einem kleinen goldenen Grabhügel bedeckt war. Und so blieb sie liegen. Und wenn sie der Rost nicht gefressen hat, so liegt sie dort heute noch.

FRANZ KRÜGER
Briefe an Karl Steffeck

Mein lieber Herr Steffeck!

Sie haben mich durch Ihren eben so lieben als interessanten Brief recht sehr erfreut; er hat mich einestheils über Ihr Wohlergehen beruhigt, anderntheils von dem Zustande der dortigen Kunst in Kenntniss gesetzt. Ich danke Ihnen recht herzlich dafür und sollten Sie einmal wieder die Idee bekommen, mir schreiben zu wollen, so genieren Sie sich keineswegs wegen der Länge des Briefes und lassen Sie dabei das Sprichwort gelten: je länger je lieber! Ohne nun auf die einzelnen Punkte in Ihrem Briefe zurückzukommen, so hat mich besonders die Schilderung über die Art des Grau-Malens der dortigen jungen Künstler um so mehr in Verwunderung gesetzt, als uns Deutschen ja die Farbe in den französischen Bildern vorzugsweise zusagt. Sollte dies Verfahren nicht dazu dienen, die Leutchen im Zeichnen und Modelliren erst recht fest zu machen? Dieser einzig guten Grundlage folgt alsdann, vorausgesetzt, dass einer Farbensinn hat, die Farbe von selbst. – Wie beneide ich Sie so viel Schönes sehen, die Ateliers der berühmtesten dortigen Künstler besuchen zu können! etc. Wills Gott, im nächsten Frühjahr; dann hoffe ich, Sie auch noch dort zu treffen und nehme im Voraus Ihren Schutz und Beistand in Anspruch. Sehr freue ich mich, Arbeiten von Ihnen zu sehen, bitte Sie aber, doch die Pferde nicht ganz zu vernachlässigen. Sollte auch die franz. Cavalerie deren nicht die schönsten haben, wie ich schon vielfach gehört habe. – An Le Poitteoin 1000 Grüsse sowie an meine Landsleute, die sich meiner erinnern – Hier ist alles beym alten. Perdisch geniert mich sehr durch seine feurige Lebhaftigkeit und Raabe durch sein burschikosen, lüderlichen Lebenswandel!! Themann will ein religiöses historisches Werk auf die Reformation bezüglich herausgeben und hat Herrn Perdisch dafür angepumpt, jedoch vergebens. Wollen Sie ihm nicht 4-500 Thaler dazu vorschiessen oder schei… Meine Wenigkeit ist jetzt mit den Hannoverschen Bildern beschäftigt und ich werde nun bald diesen liebenswürdigen Monarchen zu Pferde mit Umgebung in der Art wie den Kaiser von R. eben so gross beginnen. – Nun leben Sie recht wohl, mein lieber Herr Steffeck. Gott erhalte Sie gesund, heiter, lasse Sie recht ernst und fleissig wie Sie es immer waren und gebe ihnen die gute Idee ein, mir recht bald wieder zu schreiben. Meine Frau grüsst Sie herzlich und vereinigt ihre Wünsche für Ihr Wohl mit den Meinigen. Behalten Sie lieb

Ihren
aufrichtigen Freund F. Krüger

Berlin d. 6. April 40.

Mein verehrter lieber Herr Steffeck!

Ihre freundliche Zuschrift aus Rom hat mir eine recht herzliche Freude verursacht, nicht allein seines interessanten Inhaltes wegen, sondern hauptsächlich deshalb, weil ich daraus erkenne, dass Sie meiner noch freundlich gedenken. Ich danke Ihnen für diese Teilnahme und wünsche Ihnen aufrichtig alles Wohlergehen in Ihrer künstlerischen Laufbahn. Ein Bild, was Ihr Herr Vater die Güte hatte, mir zu zeigen, das erste, glaub' ich, was Sie in Rom vollendet, hat mir in Farbe, Composition und theilsweiser Technik recht wohl gefallen, nur (nehmen Sie, ich bitte, den freundlichen Rath Ihres Freundes wohlgefällig auf) in der Zeichnung, besonders der Hände etc. dürften Sie etwas gewissenhafter sein, da Zeichnung, wie ich mir einbilde, die Grundlage alles Malens ist. Die Studien die Sie in Paris gefertigt und die mir von Ihren verehrten Eltern auch gezeigt wurden, haben mir in jeder Einsicht, besonders aber in der Farbe ausserordentlich gefallen und mit aufrichtiger Freude habe ich darin die grossen Fortschritte bemerkt, die Sie in der Kunst gemacht. Gebe der Himmel Ihnen frohen Sinn, Ausdauer in der begonnenen Laufbahn, Gesundheit und es wird Ihnen nicht fehlen. —

Was mich anbelangt, so habe ich, Gott sei Dank, immer vollauf zu thuen.

Ausser den König und Hannover in Lebensgrösse zu Pferde, von dem Kronprinzen, von einigen Generalen umgeben, (ein Bild, was mich interessierte) habe ich kürzlich unseren König zu Pferde, halbe Lebensgrösse, mit zahlreichem Gefolge eine Parade seines Regimentes abnehmend, vollendet und die Composition, die Russischen Garden auf einem Bilde darstellend, von welchen Sie die Skizzen bei mir noch gesehen haben, ist in 8-14 Tagen auch fertig. Es ist ein reiches aber sehr buntes Bild, was sehr mühsam auszuführen war. Nächst diesen Arbeiten habe ich noch zwei grosse Bilder begonnen, wovon das eine mich lebhaft beschäftigt, das andere mich dagegen eben so sehr langweilt. Das Erste ist der russische Fürst Wittgenstein neben seinem Pferde stehend, mit Umgebung in Lebensgrösse, das Zweite die Huldigungsszene, die in der Natur über alle Beschreibung grossartig war, in der Ausführung zu einem Gemälde indessen höchst monoton und langweilig ist. Indessen ich habe den Auftrag einmal angenommen und lasse durch Schwarz auch schon tapfer die Architectur (von der Schlossapotheke nach den Linden zu) aufzeichnen.

Sonst wüsste ich Ihnen nichts weiter von meiner Wenigkeit zu melden, als dass ich mich mit meiner Frau wohl und munter befinde, was wir Ihnen von Herzen auch wünschen. – Rabe ist wie Sie wissen werden, in Paris und hat auf 2 Jahre vom König 1000 Thaler bekommen; eine Vergünstigung, die natürlich viele Neider fand bey ihn, der vermögende Eltern hat. Perdisch ist stets noch mein treuer Gefärte im Atelier, sonst hätte aber auch, ausser Schwarz, der wie ich eben schon bemerkt, am Huldigungsbilde zeichnet, Niemand weiter Platz, da es für den Augenblick recht sehr mit Arbeiten angefüllt ist. – Mein Pferd, ein sehr kräftiger Yvenacker dunkelbrauner Wallach, sowie meine Hunde, deren ich 6 Stück sehr schöner habe, die aber für den Augenblick durch einen unglücklichen Zufall sich fasst alle lahm gelaufen haben, lassen sich Ihnen schönstens empfehlen. – Nun mein lieber Herr Steffeck, muss ich schliessen, da es mir an Raum gebricht und ich Sie mit meinem Gewäsch auch nicht länger langweilen möchte. – Meine Frau und ich grüssen Sie von ganzem Herzen und wünschen Ihnen alles Wohl im fernen Süden. Der Himmel erhalte Sie gesund und ..... tugendhaft und lassen Sie Ihre Freunde in der Heimat nicht ganz vergessen, besonders aber nicht

Ihren treu ergebensten Freund
F. Krüger

Berlin, den 18. Sept. 41.