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Kunst und Künstler Almanach 1909

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VIII. Ein klassischer Primitiver

Wie die Primitiven hat er die Achtung vor seinem Handwerk. Er macht sich gar nichts aus den Klassifikationen der Theoretiker, und er glaubt nicht, dass die Inspiration allein genügt ohne die Fügsamkeit der Hände. Er lässt sich nicht durch leere Worte düpieren, er weiss, dass die Kunst kein Priesteramt ist, dazu bestimmt, um die Gesetze der „essentielle humanité“ zu entwirren und zu verkünden. Die Dilettanten unserer Zeit, die abergläubisch die geringfügigsten Skizzen irgend eines geschickten Talentes verehren, werden in Maillol keinen Mitschuldigen für ihren Fanatismus finden. So durchdrungen er von seinem Werte ist, so will er weder sich noch uns durch eine Skizze zufriedenstellen. Er hat den Ehrgeiz und die Anständigkeit, zu vollenden, zu glätten, mit einem Wort, ein vollkommenes Kunstwerk zu schaffen. Er nimmt sich dazu die notwendige Zeit, er hat die Redlichkeit des Kunsthandwerkers aus früheren Tagen: er hat Geduld. Solch ein Praktiker ist eine Seltenheit in unserer Epoche des Impressionismus und der Improvisation, er verschmäht, mit den Abdrücken seiner Finger im Thon zu modellieren, und ist nicht zufrieden, bis sein Holz hübsch sauber, sein Thon geglättet ist und bis die Bronze unter der Feile die Fülle der Oberflächen und die Eleganz der Rundungen angenommen hat. Wenn er die Geduld der Primitiven hat, so treibt er auch wie sie sein Handwerk einfach, indem jede Handhabung aus der Erfahrung seiner Hände resultiert. Die moderne Industrie mit ihren flinken Hülfsmitteln schädigt nicht seine eifrigen Versuche, ja, ich wage zu sagen, er verachtet sie; ebenso hat er kein grosses Zutrauen zu den Neuerungen auf wissenschaftlichem Gebiete: er verlangt von der Natur direkt alle Hülfsmittel, die sie ihm bieten kann, und für das übrige nimmt er zu den Traditionen des Handwerks Zuflucht.

Auf seinen zufälligen Spaziergängen in Banguls entdeckte er die seltensten und dauerhaftesten Tinkturen, ein alter Apotheker leitete seine botanischen Sammlungen und um seine Färbmittel herzustellen, bediente er sich der Rezepte von Empirikern. Und so gelang es ihm, Wolle von absolut echten Farben herzustellen, die, wie Herr Meier-Graefe versichert, denen aus der Manufaktur der Gobelins vorzuziehen sind. Ich muss noch hinzufügen, dass er dieselbe Methode in der Zusammensetzung der Thonerde und der Emaille anwendet, ebenso in der Wahl und der Verfertigung seines Handwerkszeugs.

Voller Verehrung für die Vergangenheit, gehorsam den Lehren der Museen, ahmt er keine Epoche sklavisch nach und liebt sie alle. Daher archaisiert er auch nie mit Absicht, er erschafft jede seiner Formeln neu. Wenn er manchmal den Griechen aus der Zeit des Phidias sich nähert – und das springt bei einer lebensgrossen Figur, an der er jetzt arbeitet, in die Augen, kommt das nicht etwa durch eine mühsame gnostische Nutzanwendung, durch die Vermittlung einer kühlen Ueberlegung, oder durch Nachahmung – nein, er fühlt eben einfach ganz wie sie, und ihre Vollendung ist die seine, die ganz mit seinem Instinkt übereinstimmt. Er ist ein primitiver Klassiker.

IX. Inwiefern ist er Meister seines Geschicks?

Ich habe gezeigt, welchen selbst erwählten Platz Aristide Maillol unter den Neueren in der Kunst unserer Epoche einnimmt. Keine Versuchung, kein Einfluss (wenn es nicht etwa der Rausch des Erfolges wäre) könnte ihn von einem so scharf gezeichneten Wege ableiten, auf dem er schon Werke von einer seltenen Vollendung geschaffen hat. Und doch entwickelt er sich noch. Es sei erlaubt, dem nachzudenken, nach welchen Zielen seine letzten Arbeiten streben. Seine ersten Terrakotta-Plaketten, in denen er bei seinem Auftreten so geglückte Silhouetten prägte, seine Bronze-Figurinen, hauptsächlich seine letzten Statuetten, waren schon trotz ihrer kleinen Proportionen monumentale Werke. Es wäre von nun an richtig, dass die Architekten ihn teilnehmen liessen an der Ausschmückung künftiger Paläste. Niemand verstünde besser als er, seinen Statuen die gebührende Rolle zu geben, die der Skulptur in der Oekonomie eines Gebäudes zukommt. Sie würden den strengen Linien der Steine ein heiteres Leben einhauchen, ohne die Grösse der Gesamtheit zu zerstören, ohne die Uebertreibung einer Bewegung oder die Aufdringlichkeit eines Ausdrucks. Wie selten sind aber moderne Architekten, die soviel Stil und soviel Mässigung verdienen! Ich denke mir ihn lieber, wie er die Alleen eines Parks verschönt und wie er unter dem dichten Grün eines neuen Versailles, in der klassischen Umgebung eines französischen Parks, edle und verführerische Bildwerke errichtet, eine Freude für die Augen und ein Ausruhen für den Geist.

AUBREY BEARDSLEY
Über
TURNER

Sobald ausserordentliche Künstler über Künstler sprechen, ist es bemerkenswert; sie übertreffen die „richtigen“ Meinungen, ebenso wie ausserordentliche Gemälde in den Geist der Kunst selbst dann einführen, wenn sie Fehler haben. Die Fehler gehen aus dem Begnadetsein des Künstlers hervor; wer den Künstler liebt, wird ihn auch in seinen Uebertreibungen lieben und lernt durch ihn unsagbare Dinge. In glänzender Weise hat Ruskin, der, obzwar Schriftsteller von Profession, doch gleichfalls ein Künstler war, der sich in Uebertreibungen erging, gesagt: Michelangelo und Turner waren Gegenpole und die beiden grössten Künstler jeder in seiner Art, der eine der grösste Monumentalkünstler, der andere der grösste Landschaftsmaler. Er hat sich geirrt. Derartiges Generalisieren führt notwendig einen Mangel an Feinheit des Urteils herbei. Er hat jedoch in grossen Strichen gezeichnet und sein Urteil wirkt anschaulich. Aber wunderbar hat andererseits der geniale Zeichner Aubrey Beardsley den englischen Landschaftsmaler charakterisiert – ebenfalls mit paradoxen Mitteln. In einer Novelle hat Aubrey Beardsley dies Kunsturteil über Turner niedergelegt. Zauberhaft geschrieben ist sie. Beardsley zeigt den Helden seiner Novelle in einer Morgenstunde, den sonderbar gemusterten Betthimmel anblickend und seinen Ideen nachhängend. Nachdem er erzählt hat, an was alles sein bizarrer Held in diesem Augenblick denkt, an lauter schöne, anmutige und interessante Dinge, fährt Aubrey Beardsley, der sich mithin nicht allein zum Novellisten sondern auch zum Kritiker geeignet zeigte, in seiner Erzählung fort:

„Er dachte auch an den Claude Lorrain in Lady Delaware's Sammlung, das Hauptwerk eines anbetungswürdigen und unfehlbaren Meisters, der mehr als irgend ein anderer Landschaftsmaler uns von der Atmosphäre unserer Städte frei und uns vergessen macht, dass das Land zuweilen schon steif, langweilig und ermüdend sein kann. Es scheint fast unglaublich, dass man Claude jemals in ungünstigem Sinne mit Turner, dem Wiertz der Landschaftsmalerei, verglichen habe. Corot ist sein einziger ebenbürtiger Rival, doch verdunkelt oder ersetzt er Claude Lorrain nicht. Ein Corot'sches Gemälde ist wie ein zartes lyrisches Gedicht voll Liebe und persönlicher Aussprache; während eine Landschaft von Claude an eine vornehme, gedankenschwere Ekloge erinnert.“

Eine feinere Bemerkung als der Vergleich von Turner mit Wiertz, dem belgischen Gernegross, ist selten gemacht worden. In der Verurteilung Wiertz' ist sich alle Welt einig, in der Geringschätzung Turner's ist man sich so wenig einig, dass Aubrey Beardsley gewiss der Letzte gewesen sein würde, der den Vergleich mit Wiertz ernstlich aufrecht gehalten hätte. Dennoch fühlt man, wie etwas Treffendes in dem Worte liegt.

DREI BRIEFE
VON
ANSELM FEUERBACH

Liebe Mutter!

Du wirst mit Einpacken für Emilie2 beschäftigt sein und ich freue mich darüber, dass wenigstens Eines Deiner Kinder entschlossen ist, während auf mir noch immer der Dämon der Unentschlossenheit ruht.

Ich habe wahrhafte Sehnsucht an die Arbeit zu kommen. Vorgestern Abend wurde mir allerseits zugesetzt, den Winter hier zu bleiben.

Professor Schwind, mit dem ich von früherher ganz auseinander war, wurde ich vorgestellt und er hat sich den ganzen Abend mit mir auf das herzlichste unterhalten. Gestern war ich bei ihm und ich muss ihm, trotzdem er nicht malen kann, den Preis geben vor allen Andern. Er ist wirklich der Genialste, der mir noch vorgekommen.

Spät in der Nacht, nach dem Abendessen, liess er die Musiker, welche bei Tafel gespielt hatten, noch ein Quartett von Haydn machen.

Er findet es schlimm, dass ich bloss vom Verkaufe meiner Sachen leben muss, und meint, es hätte einen bessern Klang, wenn ein Bild aus München, als aus Karlsruhe komme.

An Böcklin schreibe ich heute. Piloty war von exquisiter Freundlichkeit. Der Grossherzog von Weimar hielte viel auf mich; er selbst gehe auf Besuch hin und nach Berlin und schlug mir vor, mitzugehen, aber nicht vor Anfang November, da der Herzog auf der Jagd wäre und er es mir sehr übel nähme, wenn ich zu einer Zeit hinkäme, wo er abwesend…

Wenn ich (hier) die Behaglichkeit der Leute sehe, den Reichthum ihrer Ateliers, der Hilfsmittel, die ihnen dadurch zu Gebote stehen, so möchte ich mich sofort ersäufen…

Mit Modellen sieht es hier schlecht aus, in Weimar auch…

Was habe ich von Karlsruhe, wo man mir nicht einmal einen Auftrag gegeben? Böcklin hatte nach langem Kampfe sein Bild3 endlich für sechshundert Gulden in die Galerie hier gebracht!

 

Ich besuche alle Ateliers, manche mehrmals, weil ich durchaus wissen will, woran ich bin. Es hat mich Manches so frappiert, erfreut, abgestossen und die Behaglichkeit der Hülfsmittel verblüfft, dass ich, nach meinem unkünstlerischen heidelberger Aufenthalt, mir manchmal vorkam, wie der Bauer, der zum Erstenmal in die Residenz kommt. Auf jeden Fall ist der Aufenthalt ein sehr lehrreicher.

In ruhigen Augenblicken will mich's bedünken, als ob mein Farbensinn feiner sei und mein Streben, mein Weg, immer der gleiche bleiben müsste, um ein grosser Künstler zu werden, oder zu sein. Allein diese Perioden der Unentschlossenheit, die ich nur meiner Erfolglosigkeit zu verdanken habe, ruinieren mir gar zu viel. Alles arbeitet darauf los, und nur ich bin auf dem Punkte, nicht zu wissen, wohin ich meinen Stab lenken soll. – Die Unthätigkeit ist mir wahrhaft verhasst.

Was das Alterthümeln meiner Bilder anbelangt, so sind das Kleinigkeiten, die die Leute abstossen, und ist dies leicht zu vermeiden.

An Böcklin habe ich das Beispiel, wie weit man kommt; seine Sachen stehen gegen die römischen zurück. Wie sollte es auch anders sein, da ihm die Anschauung fehlt und immerwährende Nahrungssorgen seine reizbare Natur aufreiben.

Piloty hat sich gut geäussert über ihn und mir gesagt, wie sehr er an mir hänge.

Fries… ist der Einzige, der mir nach Rom räth, da alles Glaubenssache sei. Doch ist Unentschlossenheit begreiflich bei diesen Zeiten, mit tausend Franken in der Tasche, die noch dazu gepumpt sind.

Morgen sehe ich mich nach Atelier um, obgleich bei kalten leeren Wänden sich der Genius nicht gleich einstellen dürfte, nur um Alles zu versuchen. Briefe Riedels und Böcklins erwarte ich noch hier.

Dass in München doch eine Künstlerluft ist, thut wohl gegen Frankfurt und Karlsruhe.

Nach Berlin schicke ich nie mehr was, es kommt gar nichts dabei heraus.

Mein einziger Trost ist meine rasche Art zu produzieren, was mich diesen ewigen Zeitverlust verschmerzen lässt. Eines ist sicher, dass man herumreisen muss, anschauen etc. heut zu Tage, sonst bleibt man zurück.

Ich habe nun immer mehr die Ueberzeugung, dass mein Weg ein feiner und bedeutender ist, dass ich wohl so fortfahren muss; doch ist mit der Energie nicht Alles gethan und dass ich dabei immer arm bleiben werde scheint ausser allem Zweifel.

Hier sind die gegensätzlichsten Richtungen; in meiner liegt eigentlich Alles versöhnt…

Dass ich Rom wiederbetreten werde, steht fest in meiner Seele; möchte ich doch bald dieser zweifelnden Ungewissheit enthoben sein.

Es ist zum Verzweifeln, Alles will mich haben und Niemand bietet Etwas. – Nachher will ich zu Kaulbach, der gewiss ein ganz heruntergekommener Mann ist.

Man ist sehr artig gegen mich und habe ich dies Wenige nicht blos meiner Arbeit und Rom zu verdanken. Es kann sich kein Mensch mehr Vorwürfe über diese Unschlüssigkeit machen, als ich selbst; ich verfluche sie und werde deshalb doch nicht klüger…

Wie freue ich mich, dass Emilie ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt; es kann und soll ihr leichter fallen, als mir, der ich ganz Künstler bin und den man nicht so verpflanzen kann nach Belieben…

Eines habe ich gesehen, dass meine Kunst ein delikates Pflänzchen ist und ich kann noch übertölpelt werden, auch wenn ich unverdrossen weiter mache.

Wenn ich hier geblieben wäre, so hätten meine Bilder hierher gemusst, denn es wäre doch möglich, dass mir eine Bestellung vom König geworden wäre; so sind sie in Berlin, was mich am meisten ärgert, gehen dann nach Hannover, wo ich wenig Hoffnung habe zum Verkaufe…

Der Gedanke an ein grosses Werk in Rom steht unverrückt fest in meiner Seele und die Zeit, wann, kommt nicht einmal so sehr in Betracht, nur dürfte es nicht zu lange anstehen.

Eine blosse Reise nach Weimar kostet mir zu viel. —

Schwind ist der einzige, echte Künstler; bei den Andern sind es frappante, photographische Studien, wobei das Detail immer besser ist, als die Gestaltung.

Mein Studium des Menschen ist eine heut zu Tage brodlose Kunst.

Schwind nahm mich gleich unter den Arm und schimpfte furchtbar über meinen Hafis.4

Liebe Mutter!

Ich habe gestern einen sehr schönen Tag verlebt, Vormittags in der Galerie, Nachmittag und Abend mit Schwinds Familie. Er hatte die Güte, mir die sieben Raben zu zeigen, Eigenthum des Grossherzogs von Weimar, ein Werk so köstlicher Genialität und so ergreifender Lieblichkeit, dass ich ganz selbst verzaubert bin. Ich glaube, dass sich Niemand der Thränen erwehren kann, wie am Schlusse die langersehnten Kinder, als Jünglinge, jauchzend herangesprengt kommen und den Scheiterhaufen, auf welchem die Schwester steht, umringen. Es hat mich lange nichts so ergriffen.

Abends gingen wir noch in die Redaktion der Neuesten Nachrichten und da habe ich ein Atelier ausschreiben lassen, vielleicht hilft es. Sie wollen mich wenigstens bis Donnerstag halten, wo Händels Esther gegeben wird. Aber ich thue es nicht, sondern gehe, so schwer mir der Abschied wird, nächste Woche nach Rom.

Was werden mir die Karlsruher denn schreiben, die Philister?

Schwinds haben mir sogar ihre Villa angeboten am Starnbergersee, für den Winter, wo auch Du hinziehen sollst. Doch das sind Träume. Du siehst daraus, wie herzlich man hier gegen mich ist.

Ich habe hier viel gelernt und bereue keine Stunde, die ich hier verlebte. Ich habe jetzt noch einige Tage zum Zuwarten, dann gehe ich – mein Koffer steht noch in Friedrichshafen – aber für nicht länger, als anderthalb bis zwei Jahre; dann will ich an ein fröhliches, deutsches Schaffen gehen, weil ich fürchte, in Rom Hypochonder zu werden.

Dass mir Schwind die Bilder zeigte, darf ich hoch genug anschlagen, da sie beim Photographieren sind und Tausende sie zu sehen verlangten. Seine Frau, die mich noch vom Maskenfeste5 her kennt, meint, ich sei jünger geworden seit damals.

In Schwinds Sachen weht ewige Jugend und ein Duft, dass ich mich wirklich, mit all meinem Talente, tief unter ihm fühle.

Ich werde hier kein Atelier finden und dann heisst es nächste Woche fort. Wäre ich geblieben, so hätten alle meine Bilder hergemusst. Mit Karlsruhe will mir's nicht in den Kopf, ich würde dann doch gleich im Frühling hierherkommen.

Es gehen mir nach und nach die Augen auf; ich habe viel gelernt und bin ein feiner Künstler – aber ob ich je so sprudeln lassen kann, wie Schwind, daran zweifle ich.

Was ist es ein eigenes Ding um das innere Gefühl! Warum bin ich von Friedrichshafen nach München? – Ich glaube, dass sich in meinem Innern Etwas umgestaltet und ich werde auch in Rom andere Sachen machen.

Schwind sagte mir, er habe nach langen Kämpfen endlich so viel, dass seine Familie nach seinem Tode leben könne.

Man sagt hier, dass die Polizei in Karlsruhe die Künstler scharf bewache, wegen der Modelle!!!

Gönne mir noch die paar Tage ruhigen Betrachtens, der Abschied kommt früh genug. Ich will dann doppelt und dreifach fleissig sein. Später komme ich dann nach München, wo ich mich an Schwind anschliessen will. Ich kann lernen von ihm, wie man heiter bleibt und gesund. Meine Farbe bleibt mir immer. Ich halte ihn für den Ersten, und blos, weil er das Herz bewegt mit seinen Sachen.

Briefe von Dir treffen mich noch hier…

Ich komme mir manchmal wie ein rechtes Rindvieh vor, Gottlob sind das nur vorübergehende Stimmungen…

Schreibe mir noch einmal hierher, wie ich Dich bereits im vorigen Briefe gebeten.

Jenes feuchte, kleine Atelier nehme ich nicht, man kann sich dort den Tod holen6. Jetzt warte ich noch bis Anfang nächster Woche, dann muss ich weg.

Heute gehe ich zu den Antiken.

Dein Anselm.

Liebe Mutter!

Als kurze Antwort auf deinen wohlgemeinten Brief kann ich nur sagen, dass mir München das Liebste wäre, doch wird es am Ateliermangel scheitern, so wie es Knaus ging. Ich bin deshalb immer auf den Beinen und habe auch Auftrag gegeben. Ich kann nicht mehr thun. Hier stünden mir alle Hilfsmittel zu Gebote und wenn ich Etwas auftreibe, so wäre ich gleich bei der Hand.

Genelli hat geschrieben und ich habe Gelegenheit gehabt über Weimar so viel zu hören, dass mir die Lust ein für allemal vergangen ist…

Was Rom betrifft, so ist Ende November noch nichts verloren, und schreibt Riedel günstig, so wäre kein Hindernis.

Wenn Du anfragen willst in Karlsruhe, so thue es, nur weiss ich keine Ateliers dort, ausser die der Kunstschule und da gehe ich wirklich nicht gern hinein und auf andere Geschichten lassen sie sich nicht ein.

Ich benütze die nächsten Tage zur Atelierjagd; an Umgang würde es nicht fehlen, auch habe ich noch für acht Tage genug zu sehen und zu studieren…

Finde ich hier kein Atelier, und ist die Antwort der Karlsruher nicht so, wie wir es wünschen, und (lautet) Riedels Brief nur halbwegs acceptabel, dann breche ich zum zweiten Mal Alles ab und gehe nach Rom und wenn es Ende November wäre.

Die Motive die mich nach München trieben sind klar; es entsprang aus dem innersten Bedürfniss, mitlebende Künstler sehen und schätzen zu lernen und meine Sache in Rapport damit zu bringen, weil ich Isolierung als Mensch und Künstler in Rom befürchtete. Dem Uebelstand wäre jetzt schon abgeholfen, da ich Eindrücke genug habe, um sie für ein Jahr in der Stille zu verarbeiten. Hier wäre ich gut am Platz, weil meine Richtung mittendurch geht. Ich kann nichts weiter sagen, als dass ich in München bleibe, wenn ich Etwas finde… Scheitert es, dann bin ich reduziert auf Rom oder Karlsruhe. Du wirst bald an der Antwort merken, ob sie flau oder ermuthigend ist, und dann breche ich die Zelte ab und laufe dem Teufel in den Rachen, wenn es sein muss. Ich weiss nichts Besseres. Weimar und Frankfurt sind mir ganz Null geworden.

Hier ist neutraler Boden, billiges Leben und ernsthaftes Streben – aber auf der Strasse kann ich nicht arbeiten…

Ich beschliesse diesen Brief, weil ich wieder herumlaufen will… Hätte ich ein Atelier gefunden, dann sässe ich heute schon drinnen… Hier wird doch was geleistet, man giebt und empfängt Anregung und ich habe nur einen Wunsch, dass es mir gelingen möge ein Atelier zu finden…

Dass mir Rom immer das Edelste bleiben wird, versteht sich von selbst, denn dort allein habe ich nie geschwankt!

Dein Anselm.

MAC NEILL WHISTLER
Der rote Lappen

Warum sollte ich meine Werke nicht Symphonien, Arrangements, Harmonien und Nocturnos nennen? Ich weiss recht wohl, dass manche braven Leute meine Bildertitel komisch und mich selbst exzentrisch finden. Ja, exzentrisch ist das Wort, das sie für mich aufgebracht haben. Die grosse Mehrheit des englischen Publikums kann und wird nie ein Bild einfach als Bild ansehen, losgelöst von allen literarischen oder historischen Momenten. Mein Bild – eine Harmonie in Grau und Gold – eine Schneestimmung mit einer einzelnen schwarzen Gestalt und einer erleuchteten Schankwirtschaft, ist hierfür ein Beispiel. Mir ist die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der schwarzen Figur vollkommen gleichgültig und ich habe sie dorthin gemalt, einfach weil an diesem Punkte eine schwarze Note hingehörte. Das einzige, was mich dabei interessiert, ist, dass die Kombination von Grau und Gold der Grundton des Bildes ist. Und das ist gerade, was meine Freunde nicht begreifen können. Sie sagen: „Warum soll man es nicht ‚Trotty Veck‘ nennen und diese Harmonie von Grau und Gold dadurch in einen hübschen Haufen Gold und Silber verwandeln? Und geben damit ganz naiv zu, dass, ohne einen netten Taufnamen, kein Geschäft zu machen ist. Aber selbst vom kaufmännischen Standpunkt aus wäre dies Anfüllen seines Ladens mit den Waren eines Anderen unanständig, wenn es nicht durch den Brauch geheiligt wäre. Selbst die Beliebtheit eines Dickens dürfte nicht heraufbeschworen werden, um einer ganz anders gearteten Kunst zum Erfolge zu verhelfen. Ich würde es als einen gemeinen und niederträchtigen Trick ansehen, das Publikum durch den Namen Trotty Veck anzulocken. Denn wenn es überhaupt Sinn für die Malerei hätte, so müsste es wissen, dass ein Bild sein eigenes Verdienst hat und nicht auf dramatisches, anekdotisches oder lokales Interesse angewiesen ist. Wie die Musik die Poesie des Schalles, so ist die Malerei die Poesie der Farbe und die Anekdotenmalerei hat nichts mit der Harmonie des Schalls oder der Farbe zu thun. Die grossen Musiker wussten dies. Beethoven und die anderen Grossen komponierten Musik, einfach Musik, eine Symphonie in dieser Tonart, ein Konzert oder eine Sonate in einer anderen. Auf F oder G bauten sie himmlische Harmonien auf – Tonverbindungen, die sie aus F oder G und deren verwandten Moll-Tonarten entwickelten. Dies ist reine Musik und ebenso verschieden von den beliebten Liedchen, die an und für sich trivial sind, aber durch die Gedankenverbindungen interessieren, wie z. B. der Jankee Doodle oder Partant pour la Syrie. Die Kunst sollte auf all solche Köder verzichten, sollte ganz allein stehen, und zu dem künstlerischen Sinn des Auges oder Ohres sprechen, ohne damit Erregungen zu vermischen, die ganz fremd dazu stehen, wie Frömmigkeit, Mitleid, Liebe, Patriotismus und dergleichen. All diese Empfindungen haben keinerlei Beziehung zum Kunstwerk und darum lege ich so grosses Gewicht darauf, meine Werke Arrangements oder Harmonien zu nennen. Man nehme das Bild meiner Mutter, das ich in der Königl. Akademie als ein „Arrangement in Grau und Schwarz“ ausgestellt habe. Dieser Titel sagt, was es ist. Für mich hat es Interesse als das Bild meiner Mutter. Was kann oder darf aber das Publikum die Identität des Porträts interessieren?

 

Der blosse Nachahmer ist ein armseliges Geschöpf. Wenn der Mann schon ein Künstler wäre, der einen Baum, eine Blume, oder irgend einen Gegenstand einfach abmalt, so müsste der Photograph der König der Künstler sein. Der Künstler muss mehr als dies thun: bei einem Porträt muss er mehr auf die Leinwand bringen als das Gesicht, das das Modell gerade an diesem einen Tage zur Schau trägt, er muss, kurz gesagt, den ganzen Menschen malen, nicht nur den momentanen Ausdruck. Beim Farbenarrangement muss er die Blume als die Tonart betrachten, in der er komponiert, nicht als das trockene Modell. Dies wird jetzt leidlich gut verstanden, wenigstens von den Schneidern. In jedem Kleid ist man jetzt auf eine gewisse Tonart in bezug auf die Farbe bedacht, die in der Komposition immer wiederkehrt, wie der Gesang der Wiedertäufer im „Propheten“ oder das Hugenotten-Lied in der Oper gleichen Namens.

Wann ein Kunstwerk vollendet ist

Ein Gemälde ist vollendet, sobald jede Spur der Mittel, die zur Erreichung des beabsichtigten Resultates angewandt wurden, verschwunden ist.

Von einem Gemälde sagen, – wie das so oft zu seinem Lob geschieht, – dass es eine grosse und ernste Arbeit erkennen lasse, das heisst sagen, dass es unvollendet ist, und unwert, gesehen zu werden.

Der Fleiss in der Kunst ist eine Notwendigkeit – nicht etwa eine Tugend – und jedes Zeichen, das man von ihm in einer Schöpfung wahrnimmt, ist ein Fehler, nicht ein Vorzug, ein Beweis, nicht der Vollendung, sondern von unbedingt ungenügender Arbeit; – denn die Arbeit allein nur kann die Spur der Arbeit auswischen.

Am Werke des Meisters darf man nicht nur nicht den Schweiss seiner Stirne riechen, sondern auch nicht die leiseste Anstrengung seiner Arbeit fühlen; es ist beendet, sobald es begonnen worden.

Eine Aufgabe, die durch Fleiss und Beharrlichkeit allein zu Ende geführt worden ist, ist niemals begonnen worden und wird ewig unvollendet bleiben: – sie ist ein Monument des guten Willens, – des guten Willens und der Dummheit.

Je mehr sich einer abringen, je mehr er sich Mühe geben und beeilen mag, umsomehr wird er zurückbleiben.

Das Meisterwerk muss uns erscheinen wie die Blume dem Maler erscheint, in ihrer Knospe vollendet wie in ihrer Entfaltung, ohne ihre Gegenwart zu begründen, ohne eine Mission, die sie zu erfüllen hätte – einfach eine Freude für den Künstler, eine Illusion für den Menschenfreund, ein Rätsel für den Botaniker – ein Erwecker des Gefühls und seiner Allitterationen für den Dichter.

2Die Schwester des Malers.
3Den Pan im Schilf in der neuen Pinakothek.
4Schwind hasste den französischen Kolorismus und also auch Feuerbachs in Paris entstandenen „Hafis vor der Schenke“.
5Feuerbach war 1848 und 1849 studienhalber in München gewesen. Schwinds waren seit 1847 in München.
6In Karlsruhe.