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Kunst und Künstler Almanach 1909

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Wenden wir uns nun zu der rechten Seite, um den schwitzenden Trommler zu betrachten. Sein scheinbar pockennarbiges Gesicht unter dem Schatten seines verschlissenen Huts ist eine echte Falstafffigur, die dicke Trunkenboldnase, sein fettiger Mund, alles, was an ihm ist, sind von einer malerischen Bravour, die den Wagemut des Meisters so besonders charakterisieren; man sehe nur, wie er darauf lostrommelt, als ob er jedermann sagen wollte, dass er eine der prächtigsten Figuren des berühmten Meisters sei, den man Rembrandt nennt. Ich begreife sehr gut, dass beim Anblick dieses Mannes, wie er vor uns webt und lebt, der beschränkte, quasi gelehrte und dummgewissenhafte Gérard de Lairesse in seinem grossen Buch über die Malkunst (in welchem Rembrandt der grösste Farbenklekser genannt wird) ausrief: „Bei Rembrandt läuft die Farbe wie Dreck aufs Paneel!“ Genialität und philisterhaftes Knotentum sind und bleiben geschworene Feinde.

Wenden wir uns jetzt nach der linken Seite des Gemäldes. Hier steht der durchgeistigte Landsknecht, ganz in Rot gekleidet. Ein Maler mit dem Hell- und Brauntalent brauchte nicht bange zu sein, jemand von Kopf zu Fuss rot zu malen, er wusste, dass das Spiel von hell und dunkel ihm helfen würde. So liegt denn auch hier das Rot teilweise im Schatten einer herrlichen Nuance und vereinigt sich trefflich mit den gräulich grauen Tönen der übrigen Figuren. Auch dieser rote Mann ist in der eben beschriebenen Weise mit dem Pinsel behandelt worden; betrachtet man ihn gut, dann scheint es, als ob Rembrandt diesen malerischen hervortretenden Mann mit einem vollen Pinselstrich von oben bis zu den Füssen hingeworfen hat. Wie fest ist die Behandlung der Hand, welche das Gewehr ladet, wie forsch die Striche auf seinem roten Hut, auf dem roten Wams, wie kräftig, lebhaft, beweglich und reich steht er da!

In diesem wunderbaren Gemälde stossen wir jeden Augenblick auf etwas Interessantes. Sprechend ist der Hellebardier, der vom Rande links rückwärts blickt, dann der Mann, der hinter dem weissen Mann sein Gewehr untersucht, und wie herrlich wirkt der lachende, von dunklem Hintergrunde sich abhebende Junge mit seinem grauen Hut! Der Kopf des Mannes, der mit seinem Arm auf etwas zeigt, ist auch wieder von besonderer Farbe und Malweise; selbst der graue Pfeiler, gegen den sich der Kopf mit dem Helm abhebt, wirkt trefflich zum Gesamteindruck mit. Aber hier ist noch etwas Wunderbares, und zwar das fremdartige Mädchen, das sich zwischen allen diesen männlichen Figuren bewegt. Viele Kritiker und Kunsthistoriker haben sich den Kopf darüber zerbrochen, was dies eigentlich zu bedeuten habe und gefragt, ob diese Figur überhaupt hierher gehöre. Hätte Rembrandt sie gehört, denn würde er lächelnd geantwortet haben: Seht ihr denn nicht, dass ich dieses liebumflossene Kind hier nötig hatte, um gegen alle diese nach unten laufenden Linien und diese dunklen Farben einen Kontrast zu schaffen? Der Mann mit der Fahne im Hintergrund, der weglaufende Hund – alles unterstützt und hilft einander in Farben, Linien und Effekt. Da ist auf diesem Gemälde auch keine winzige Stelle, die nicht ein seltsames Malertalent verrät. Hier gilt die Behauptung: Schneide nur ein kleines Stück aus einem Gemälde heraus, und ich will dir sagen, ob der Maler ein Künstler ist.

Und nun noch die „Staalmeesters“.

Hier schallt uns eine ganz andere Musik entgegen, als aus den Tönen der „Nachtwache“. Still und vornehm ist hier alles, hier herrscht allein die hohe Auffassung des menschlichen Antlitzes. Sie sitzen hier, diese alt-holländischen Männer und beratschlagen, ihre Geschäftsbücher vor sich auf dem Tisch. Rembrandt hat uns ihre Köpfe mit so viel Leben verdeutlicht, dass sie im Laufe der Zeiten alte Bekannte geworden sind. Ja, alte Bekannte, die schon einige hundert Jahre gelebt haben, ehe wir da waren. Wie lange schon kenne ich diesen Mann an der linken Seite mit seiner Hand auf dem Lehnstuhl, mit den grauen, feinen Haaren, die unter seinem hohen spitzigen Hut von seiner breiten gerunzelten Stirn hervorquellen. Hier giebt die Farbe, sowohl im Licht, wie im Schatten, ein Durcheinander von Fleischtönen, Zwischentönen von Grün und Rot, Grau und Gelb, sie ist so aneinander gereiht, dass hier etwas erreicht ist, wobei der Verstand förmlich stille steht. Das Relief, das Hervorspringen aus dem Hintergrund ergreift uns wunderbar, aber auch welches Modell, wie sieht uns der Mann mit dem einfachen Blick aus den tiefen Augenhöhlen an – es ist ein Unikum, wie es Rembrandt selbst niemals übertroffen hat. Auch alle anderen Köpfe, besonders der Mann, der sich nach vorn beugt, dieser wunderbar natürliche Zunftmeister, der vor dem Buch Platz genommen hat und sein neben ihm sitzender Nachbar bis zum fünften Kaufmann an der rechten Seite mit dem Diener hinter sich – alles ist Männlichkeit, Reichtum und Leben. Der Hintergrund ist wieder eine Schöpfung, wie sie nur Rembrandts feines Gefühl für Linien hervorzubringen wusste. Die Wand und das Getäfel umgeben diese Komposition, als ob sich dies von selbst verstände, und als ob es auch thatsächlich so gewesen wäre. Und doch wird dieser geniale Kunstgriff noch durch die Herrlichkeit des Kolorits des roten warmen Tischtuchs übertroffen, welches dem ganzen Gemälde einen tieferen dunkleren Ton verleiht. Ob über dieses Gemälde nach seiner Vollendung von den Zeitgenossen viel gesprochen und geschrieben worden ist, weiss ich nicht, aber für uns stellen diese Männerköpfe das Höchste dar, was die Malkunst erreichen kann. In Madrid, wo mich die Gemälde von Velasquez bezauberten, machte ich mit Bekannten einen Spaziergang durch die Strassen und über die Plätze der Stadt, an einem Gebäude sahen wir einen grossen, vielfarbigen Anschlagezettel, auf dem vermerkt war, dass hier eine Ausstellung moderner spanischer Künstler zu sehen war. Neugierig traten wir ein, wir sahen viel Schönes und Gutes, aber plötzlich standen wir, wie aus Spanien weggeblasen, vor drei Köpfen aus den Staalmeesters, die ein spanischer Maler in Amsterdam kopiert hatte. War es Chauvinismus, war es Ueberzeugung? Diese Kopien redeten zu uns einen Geist grösserer Einfachheit, grossartigerer Auffassung der Natur und der Menschenwürde als alles, was wir im Prado bewundert hatten. Ja, dieses Gemälde ist selbst ein Totschläger für die alt-holländischen Kunstbrüder: Der tüchtige van der Helst wird neben ihm oberflächlich, der prächtige Frans Hals skizzenhaft und durchsichtig, denn so viel Genialität, so viel Relief bei solcher Natürlichkeit der Haltung und Gebärden wird nicht mehr gefunden. Und der Mann, der dieses Wunderwerk geschaffen, war damals ein armer Bürger, der in einem dunklen Winkel der Stadt wohnte, in der jetzt zu seinen Ehren ein Fest gefeiert wird.

Rembrandt steht in unseren Tagen im Zenit seines Ruhms; Gold hat neben seinen Meisterstücken keinen Wert mehr; um das Unbedeutendste davon zu besitzen, opfert man Hände voll Gold, man durchreist nach ihm die Welt, und die Kritik, die sich lange Jahre hat hören lassen, ist jetzt verstummt. Merkwürdig ist es, dass keine der allgemein anerkannten Grössen der Malkunst im Laufe der Zeiten der Gegenstand so vieler Kritik gewesen ist wie das Werk Rembrandts. Und dennoch, was man auch über die Unwahrscheinlichkeit der Vorstellung und die Uebertriebenheit des dunklen Hintergrunds gesagt, bleibt die „Nachtwache“ noch stets, wie die Engländer sie nennen, das Wunder der Welt. Schon während seines Lebens gab es Leute genug, die es ihm übel nahmen, dass er nicht bei der Antike und bei den Italienern in die Schule gegangen war, und dass er die Natur so malte, wie er sie wirklich zu sehen glaubte. Uns dünkt dies befremdend, aber es ist doch wahr, denn schon während der letzten Jahre von Rembrandts Leben war man mit den alten holländischen Begriffen in Kunst und Literatur nicht mehr zufrieden, und jetzt noch lese ich mit Widerwillen, wie man die Namen latinisierte und in holländischen poetischen Werken über griechische Götter und mythologische Figuren sprach, die zu unserem holländischen Himmel so schlecht passen. Aber zum Glück hat sich Rembrandt stark genug gefühlt, um unbeirrt seinen eigenen Weg zu gehen, und die Zeit liegt hinter uns, in der man von den kunstgefährlichen Theorien sprach, die seinen Gemälden anhaften sollten, man hielt sich an die Behandlung der Technik, aber zu der tiefen, ihr zu Grunde liegenden Idee wusste man nicht durchzudringen. Aber die liberalen Ansichten der modernen Welt sind auch auf dem Gebiete der Kunst siegreich gewesen, heute fühlen und wissen wir, dass die vermeintlichen Schwächen und Uebertreibungen nur die Eigenart eines ausserordentlichen Menschen bilden, und wir entbehren sie nicht gerne, weil wir dann befürchten müssen, ein unvollständiges Bild der Persönlichkeit vor uns zu haben, von der jede Lebensäusserung unser Interesse rege macht.

Ich schliesse … aber, wie so manches Mädchen an ihren Liebhaber schreibt: ich höre mit der Feder auf, aber nicht mit dem Herzen … ich denke an das Porträt von „Jan Six“, dieses seltene Juwel, ich denke an das Louvre, an Kassel, an Braunschweig und an was nicht alles – aber genug. Ich wollte in diesen Zeilen dem Leser nur sagen, wie ich mir Rembrandt stets vorgestellt habe, als das Ideal des Künstlers, frei und ungebunden in seinem Werk, genial in allem, was er tat, eine Figur, in der sich die Grösse unserer alten Republik abspiegelt.

ÜBER BÜHNENAUSSTATTUNG
VON
EDWARD GORDON CRAIG

EEs giebt drei Arten von Bühnendekoration, die phantastische, die realistische und die schlechte. Schlecht ist die Ausstattung, die weder ganz und gar realistisch noch ganz und gar phantastisch ist. Diese Dekoration findet der Londoner Theaterbesucher allabendlich.

Diese Dekoration ist schlecht, weil sie zugleich echt und schön sein soll und weder das eine noch das andere ist. Es giebt zwei Gründe dafür, dass es damit so steht: erstens weil dem Bühnenmaler, auch wenn er grosses technisches Talent hat, nicht bis zu dem Moment, in dem der Vorhang aufgeht, freies Spiel gelassen wird, oder aber weil man ihm gestattet, der eigenen Idee zu folgen und dadurch die schönere Vorstellung des Dichters zu verdrängen.

 

Ich habe verschiedentlich gesehen, wie Dekorationen, nachdem sie ins Theater gebracht worden waren, durch die Unfähigkeit des Schauspielers, der Direktor ist, vollkommen verdorben wurden. Der Schauspielerdirektor, der von der Kunst und Technik der Bühnendekoration keinen Begriff hatte, war der Ansicht gewesen, entweder dass er es besser gemacht haben würde, oder dass er in dieser Dekoration nicht spielen könne, – und vor allen Dingen hatte er gewähnt, er müsse ein Wort mitzureden haben. Mit diesem Worte streicht er ein paar Stunden hintereinander freundlichst Fehler heraus, und die Scene wird dann dem Publikum vorgeführt, nachdem allmählich Vernunft und Sachlichkeit aus ihr entfernt worden. Die Form wird verändert, Monde werden hinzugefügt, Farben gewechselt, Schatten dort unterdrückt, wo der Maler sie mit bewusster Absicht hingesetzt hatte, und alles das geschieht, damit sich der Schauspielerdirektor zu Hause fühle. Nach meiner Ansicht kostet diese Verwüstung viel Geld.

Für den Theatermaler muss, obwohl sich solche Sorte von Betrieb für ihn bezahlt macht, darin etwas ausserordentlich Verletzendes liegen; ja, diese Art kann ihn aus dem Theater und einem Institut in die Arme treiben, das des Theatermalers Paradies ist: es ist eine von dem berühmten Theatermaler de Loutherbourg gemachte Erfindung. De Loutherbourg, der im 18. Jahrhundert lebte, hatte anfangs für David Garrick, später für sich selbst gearbeitet. Bei diesem seinem eigenen Unternehmen hatte er von den Schauspielern Abstand genommen. Weshalb sollten die Schauspieler die Aussicht verderben, indem sie zwischen der Bühne und den Zuschauern standen? Weshalb sollte man ihnen gestatten, über Herrn N.'s Rasenplätze oder Herrn so und so's Waldungen zu schreiten? Mochten diese Herren lieber ein Schild aufstellen mit der Bemerkung, dass das Betreten verboten sei, oder auf dem die Worte standen: Achtung, hier ist die Bühne.

Anstatt mit Worten unterhielt de Loutherbourg das Ohr seines Publikums mit Geräuschen. Die Aufführung bestand entweder aus der naturalistischen Darstellung eines Schiffsbruchs oder aus der eines brennenden Hauses oder aus irgend einem sonstigen realistischen Vorgang. Wirkliche Wellen schienen gegen das Schiff zu schlagen, und der Regen strömte unaufhörlich hernieder, der Wind heulte und zerwirbelte die Raketen, die in der dunklen Nacht aufschossen, er verteilte feurige Garben rings um das Boot, dazu hörte man die Stimmen der Mannschaft, die mit den Elementen kämpfte, und jedes Detail war bis zur Vollendung ausgearbeitet. Wahrscheinlich war dies die grösste Annäherung an die Wirklichkeit, die je auf der Bühne versucht worden ist.

Es ist evident: so faszinierend diese Art bei der Darstellung von Feuerwerk ist, so lächerlich und unreal ist sie in einem Shakespeareschen Stück.

Vor kurzer Zeit suchte ein bekannter Londoner Schauspieler, der sein eigener Direktor ist, zu beweisen, dass „vollkommene Illusion“ durch grösste Genauigkeit der Details erreicht werden könnte. Er wähnte, dass, wenn im Laufe des Dramas eine Scene „vor einem Schlosse“ spiele und im Dialog dieses Schloss erwähnt würde, man dies Schloss mit grösster Genauigkeit vor dem Zuschauer aufbauen müsste. Nehmen wir einmal eine Aufführung von Macbeth. Ich stelle mir vor, wie der Schauspielerdirektor zum Theatermaler sagt: Machen Sie mir diese Ausstattung möglichst prächtig, benutzen Sie alle Ihnen zu Gebote stehenden Mittel, um sie möglichst brillant zu machen. – Er sagt nicht nur dies, sondern geht noch einen Schritt weiter, z. B. sagt er: Wir brauchen eine Scene „vor einem Schloss“: ich finde es nötig, dass Sie diese Bücher von unschätzbarer Wissenschaftlichkeit ansehen. Gehen Sie mit Herrn so und so nach dem South Kensington Museum, suchen Sie dort soviel Bilder als möglich vom Schloss Glamis, machen Sie Skizzen, wenn es Ihnen erlaubt wird und reisen Sie mit ihnen im nächsten Zug nach Schottland. Messen Sie das Schloss aus, nehmen Sie den Grundriss und nehmen Sie Ansichten von den verschiedenen Punkten auf. Die Zeichnungen machen Sie mit recht viel Gefühl und mit Lokalkolorit. Dann legen Sie mir die Zeichnungen vor, und ich werde Ihnen sagen, welche ich für am meisten geeignet für unsere Zwecke halte.

Diese kleine Reise wird ziemlich viel Geld kosten. Modelle werden gemacht werden und werden mehr Geld kosten, und das Ergebnis von all diesen Mühen und diesen Geldausgaben wird eine genaue Wiedergabe des kolossalen Schlosses Glamis sein, auf die „Forderungen der modernen Bühne reduziert“, 25 Fuss im Quadrat… Durch diese Genauigkeit der Details hofft der Direktor „vollkommene Illusion“ zu erreichen.

Aber diese beiden Dinge sind wie zwei Pole einander entgegengesetzt. Die vollkommene Illusion wird durch die sogenannte Akkuratesse viel eher verhindert. Der Schauspielerdirektor ruft dem Geist zu: „Steh, Phantom“, und versucht ihn mit einer Hellebarde aufzuhalten.

So wird ein Schloss mit imitierten Steinen, mit scheinbar wirklichem Epheu an den Mauern und manchen anderen trefflichen Einzelheiten vorgeführt, und danach hängen sie vier oder fünf Streifen blauen Tuchs hin, jeden in einer verschiedenen Nuance, und von uns wird erwartet, wir sollten ernst bleiben, weil ein Schauspieler, der auf den hölzernen Boden stampft, um zu beweisen, dass hier nicht solide Erde ist, mit einer abstrakten Miene deklamiert:

 
„This castle hath a pleasant seat; the air
 
 
Nimbly and sweetly recommends itself
 
 
Unto our gentle senses.“
 

und ein anderer Schauspieler, ohne im mindesten auf die Stelle einen Blick zu werfen, fortfährt:

 
„This guest of summer,
 
 
The temple-haunting martlet does approve,
 
 
By his loved mansionry, that, the heaven's breath
 
 
Smells wooingly here: no jut, frieze,
 
 
Buttress, nor coign of vantagety, but this bird
 
 
Hath made his pendent bad and procreant cradle
 
 
Where they most breed and haunt, I have observed,
 
 
The air is delicate.“
 

Die Worte, wie sie auch gesprochen werden mögen, rufen das Bild einer wundervollen Scene herauf, etwas, was ganz verschieden ist von der Pappdeckelgeschichte, die uns vorgeführt wird. Doch ich kann mir durchaus denken, dass der Schauspielerdirektor sich vorstellt, er lasse die Scenerie sich den Worten anpassen. Er sieht durchaus nicht, wie das alles lächerlich ist. Und liesse ich einen Augenblick gelten, dass Genauigkeit im Detail vollkommene Illusion hervorbrächte, so halte ich doch fest, dass niemals, seit das Theater besteht, irgend eine Scene vorgeführt werden konnte, in der alle Details genau waren. Denn es ist unmöglich, die Bewegung der Zweige und Blätter accurat wiederzugeben, unmöglich, eine genaue Wiedergabe eines Kornfeldes zu zeigen; und so weiter auf allen Gebieten der Natur. Die meisten dieser Dinge können suggeriert werden – doch kann man sie nicht in einem Netz auffangen, so dass sie körperlich auf der Bühne eines Theaters wieder erscheinen.

Wer auch immer versuchen mag, eine genaue Darstellung zu geben, ohne dass er zuvor ein genaues Tageslicht geschaffen hat, müsste nach meiner Meinung von dem ganzen Ding bleiben. Ich zweifle, auch wenn er alle Zeit zur Verfügung hätte, ob er es möglich machen kann, all die tausend kleinen Geräusche wiederzugeben, die ich in einem gewissen Moment um mich höre, die Stimme des Wachsens im Walde, das Geräusch der kleinen Zweige, den Wirrwarr und das Singen der Hunderte von Vögeln; unzählige Schatten liegen über dem Boden und haften an den Wolken, an diesen unnachahmlichen Wolken, die sich unaufhörlich bewegen und ihre Form verändern und wieder verändern, und die Erde sendet ihre tausend verschiedenen Gerüche aus und füllt mit ihnen die Luft, in fortwährendem Wechsel. Die Wiedergabe von all diesen Dingen ist etwas, was über die Arbeit einer Million von herkulischen Regisseuren und Technikern ginge.

Realistische Scenerie ist an ihrem Platze nur, wenn sie die Fassung realistischer Dramen ist. Man sieht sie jetzt selten, und nur im Auslande.

Ich will mich nun mit der Scenerie beschäftigen, wie sie aus der Einbildungskraft gewonnen werden kann. Einige Aufführungsleiter zeigen uns drei Vorhänge und einen Teppich, und nennen das eine Scenerie, die von der Einbildungskraft geschaffen worden. Doch das ist nur eine Scheinscenerie; es ist ein geschmackvoller Weg, der aus einer Schwierigkeit herausführen soll, eine Idee, die von einem Naturell ausgeht, das des malerischen Sinnes entbehrt. Eine Scenerie, die aus der Einbildungskraft geschaffen wird, ist für Shakespearesche Dramen, für Phantasiestücke und Opern geeignet. Ein künstlerischer Regisseur müsste die Fähigkeit haben, durch Suggestion für uns das ganz Innerste der Natur wiederzugeben. Suggestion, nicht Realismus durchflutet alle Shakespeareschen Dramen.

Des Regisseurs Aufgabe wird leichter, wenn, wie dies bei Shakespeare der Fall ist, der Dichter bereit ist, ihm Hilfe zu leisten. Unter diesem Beistand verstehe ich nicht die Bühnenanweisung, denn Shakespeare hat das Besondere, keine Bühnenvorschriften zu geben, und nur sehr wenige Andeutungen sind es, die er für den Schauspieler hinterlassen hat. Nehmen wir z. B. Akt 1, Scene 1 aus Hamlet. Nicht Shakespeare, sondern erst seine Herausgeber Malone, Theobald, Capell, Pope und andere, die befürchteten, dass Shakespeare sich nicht klar genug ausgedrückt hätte, fügten solchen Unsinn wie: „ein offener Platz vor dem Palaste“ oder „eine Terrasse vor dem Palaste“ hinzu. Bevor diese Leute das Gemälde nach ihrer eigenen Auffassungskraft erniedrigten, war die Scene so weit wie die Einbildungskraft Shakespeares. Seine einzige Notiz zu Anfang ist: „Actus Primus, Scaena Prima“. Kein Wort auch nur über Dänemark, oder über Helsingör, ebensowenig wird über eine Terrasse gesagt. An Stelle von all dem hilft Shakespeare uns auf einem andern Wege. Er führt uns ein Gemälde aus der Einbildungskraft vor. Ein Streifen schwarzen Himmels wird angedeutet durch einen einzelnen Stern. Es ist eine kalte Nacht. Nichts rührt sich. Plötzlich schlägt eine Uhr die Stunde an. Ein Mann, der bis jetzt im Schatten verborgen gewesen, steht langsam auf und bleibt horchend stehen. Dann geht er ruhelos hin und her. Der Platz erfüllt ihn mit einer gewissen Furcht. Er fährt fort zu gehen, er geht uns gegenüber vorbei. Nun ist er in einen ungeheuren, unergründbaren Schatten versunken, aus welchem er jetzt wieder in das graue Licht auftaucht. Er erscheint wie irgend ein Gespenst; das, was er zu treffen fürchtet, ist das, womit er am meisten Aehnlichkeit hat.

So weit führt Shakespeare uns, dann überlässt er dem Regisseur die Ausführung mit der auf jeder Seite seines Dramas niedergeschriebenen Bemerkung, dass die Scenerie und die Scheingegenstände beredtsam sein sollen und Sohnesliebe, Mord und Melancholie, Gewalt und Uebergewalt ausatmen müsse.

Genauigkeit ist einen Pfifferling wert! Shakespeares Meinung vom Werte der Genauigkeit bei einer solchen Gelegenheit ist im Hamlet bezeugt. Douce erwähnt einige Anachronismen. Er führt aus, dass die dänische Geschichte Hamlet in märchenhafte Zeiten versetzt hat, lange bevor das Christentum nach Nordeuropa gebracht wurde, und dass mithin die häufigen Anspielungen auf Gewohnheiten der Christen unsachgemäss sind. Hamlet schwört beim heiligen Patrick und spricht von den Chorknaben der Pauls-Kirche. Wir sehen Kanonen, ein Königssiegel, bevor eines gebraucht wurde, eine Universität in Wittenberg, Schweizer Garden, Glocken, Dukaten, moderne Herolde, Rappiere, und wir hören von Ausdrücken der modernen Fechtkunst.

Wenn aber Shakespeare akkurater gewesen wäre, könnte man glauben, dass wir dann ein besseres Drama hätten, eines, das treuer gegen die Natur ist? Genauigkeit ist da von keiner Bedeutung. Was wichtig ist, ist allein, dass der, der die Stücke aufführt, jede Scene und jeden Teil einer Scene wägt, wie ein Redner jede Silbe seiner Rede wägt. Nichts muss dem Zufall überlassen bleiben. Die Form der Scene ist so wichtig wie ihre Farbe. Schlösser mögen architektonisch korrekt sein oder nicht, aber vor allem müssen sie sich prächtig im Luftraum erheben. Gärten müssen voll von unbekannten Bäumen und Pflanzen sein. Die Form der Zimmer und Möbel darf niemals zuvor gesehen worden sein ausser in der Phantasie. Die Kostüme müssen so sein wie sie niemals getragen worden sind ausser in den Bildern, die die Vision der Poeten bevölkern. Diese Dinge müssen geschaffen werden, sie müssen voll Bedeutung sein, oder sie sind nutzlos.

Ich habe Regisseure allem seine Bedeutung rauben sehen, indem sie gleichgültig gegenüber dem Wert von Linien und Farben waren.