Za darmo

Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

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Ein Abend

 
Auf Sümpfe, die verfault in Haß und Wut,
Tropft hoch vom Himmel der zerfetzten Sterne Blut.
 
 
Der Himmel schwarz und schwarz der Wald,
Verzagte Wolken, naß und kalt,
Die voll Verzweiflung weiter streichen,
Von Nord nach Süd im Flug entweichen.
 
 
Du Land der niedern Hütten, fern am blauen Strand,
Du meiner Augen fromm ersehntes Land,
Wo sie besiegt und ohne Waffen
Jetzt meinen Träumen Obdach schaffen.
 
 
Du Land von Blei, verdammtes Brack,
In Tümpeln ekler Nachgeschmack,
Wo trübe, widerliche Pfützen
Des Denkens Leichen dreist bespritzen.
 
 
Du Land, wo sie Erinnerung mit Kot umhüllen,
Wo sie den Haß in Fässer füllen,
Wo Aussatz das Gesicht enthäutet,
Wo frech der Tod zur Vesper läutet.
 
 
Die heisern Glocken zieht der Tod,
Der dort im Hafen finster droht,
Im Nebel schwingt er seine Hippe
Am Glockenturme, ein Gerippe.
 
 
Du Land, von meinem Blut benetzt,
Mein Herz ist wund, zerfleischt, zerfetzt,
Verfault in Haß, verfault in Wut …
Auch dieser Stern verspritzt sein Blut.
 

Albert Giraud

geb. 1860

Catharina von Medici

 
Bleich, mit gesenktem Haupt, zerbrochen und zerspaltet
Von Siechtum, das des Arztes spottet, matt und schwach,
Saß Karl der Neunte träumend in dem Prunkgemach,
Die welken Hände über einem Buch gefaltet.
 
 
Die Mutter trat herein, die greise Medici,
Mit kaltem Habichtsblick, sie küßt ihn auf die Wangen:
„Wacht auf, mein Sohn, wacht auf, der Mörder ist gefangen,
Gelobt sei Gott, ich habe den Montgomery,
 
 
Der Euren Vater, König Heinrich, hat erschlagen!“
Der müde Valois aber, ohne nur zu fragen,
Bat: „Gönne mir den Schlaf, laß mich, o Mutter, laß!“
 
 
Die Tränen zwang sie stolz, es zuckten nur die Lippen,
Sie wandte schweigend sich zu den erlauchten Sippen,
Sie dachte: „Weh, er stirbt, er kennt nicht mehr den Haß!“
 

An eine vierzigjährige Frau

 
In Deinen großen Augen träumen tief und heiß
Geheime Schmerzen, die das Leben Dir verraten;
Längst schürfte meine Lust mit nimmer sattem Spaten
Nach letzter Wissenschaft, von der sie noch nichts weiß.
 
 
Der reifen Früchte Duft berauscht. Ein Zauberkreis
Umschließt mit hartem Zwang mein Fleisch. Mir sind die Saaten
Nicht ausgereift. Im Staub vergangener Tage waten
Gedanken … und sie sehn ein unberührtes Reis.
 
 
Wie oft schon blickte ich mit neidischem Begehren
Den Schiffen nach, die müd zum Hafen wiederkehren,
Des Abends glitten feierlich sie durch den Schaum.
 
 
Auf ihren Masten schien ein hoher Stolz zu wohnen,
Und ihrem Kiele folgte wie ein schwerer Traum
Der heiße Atem ferner, unbekannter Zonen.
 

Henri de Régnier

geb. 1864

Unsichtbare Gegenwart

 
Schnell flieht die Zeit, unsichtbar schreitet
Sie neben uns im tiefen Sande,
Du hörst, wie sie durch Nesseln gleitet,
Behend, im fliegenden Gewande.
 
 
Wir ahnen sie an jeder Stelle,
Gehorchen ihr, was sie auch heische,
Es zeigt uns ihren Hauch die Welle,
Es mahnt an sie der Wurm im Fleische.
 
 
Ein leises Knistern in den Wänden,
Schon ist der harte Stein zersprungen,
Ein leichter Druck von frechen Händen,
Schon ist die Fäulnis eingedrungen.
 
 
Wir brauchen nicht bei Wind und Wetter
In alle Tiefen erst zu reisen,
Wir brauchen keine Zifferblätter,
Darum die schnellen Zeiger kreisen.
 
 
Und keine Glocke braucht zu schlagen,
Die unerbittlich uns verkündet
An hellen und an dunkeln Tagen,
Daß ewig sie enteilt und schwindet.
 
 
Sie wandelt stumm auf Deinem Pfade,
Doch nie wird sie Dein Blick erreichen,
Wenn neben Dir sie am Gestade
Den Mondschein pflückt aus stillen Teichen.
 

Vor der Prägung

 
Wo sich die Wege kreuzen im Walde, bei der Nacht,
Im Sturm mit meinem Schatten, bei der Nacht,
Der Asche meiner Jahre müd und meiner Herde
Hab dessen was das Schicksal bringen werde
Ich nachgedacht.
 
 
Das sind die Wege, die mir offen stehn
Zum Tage. Wenn ich will, kann ich noch immer jetzt
Weiter gehn
Zum Land, zum fernen Meer, nach meinem Traume spähn
Und Sonnen sehn,
Bis dann des Todes weiche, geduldige Hand zuletzt
Mein Auge schließt und still darauf seines Friedens Siegel setzt.
 
 
Du Weg der Einsamkeit in hohen Eichenhainen,
Den Müden peinigst Du mit spitzen Steinen,
Wo er auch schreitet, wo er ruht,
Benetzt versunkene Zeit den Pfad mit ihrem Blut.
Der Schritt wird schwer,
Im Sturme höre ich die stolzen Wipfel weinen
Und kann nicht mehr.
 
 
Du Weg der Birken, wo die trocknen Blätter wehen,
Durch Bäume führst Du, bleich wie deiner Pilger Schande,
Die keuchend durch den zähen Schlamm, durch Pfützen
Zusammen gehen
Und schmerzgebeugt sich vor den Blicken des Gefährten schützen.
Du Weg, der durch den Kot sich windet,
Durch Laub, darin der Wind flüsternd verschwindet;
Im grauen Dämmerlicht staut sich an deinem Ende
Aus Mondenschein und Frost der silberne Morast,
Stumm reicht das Einerlei die Hände
Dem trüben Gast.
 
 
Du trauter Weg der Eschen gehst durch leichten Sand,
Die Spur verweht der Wind, ach, er verwischt jeden Strebens
Erinnerung, er huscht von Baum zu Baum mit dem Wanderer,
Die Honigblüte zeigt des Sandes goldne Farbe.
Auf dem gewundenen Pfad sucht der Blick das Ziel vergebens.
Die gute Stadt, sie ist dem Fremden wohl bekannt,
Am Tore wäre süß die Schwelle meinem Schritte,
Doch weilte er zu lang auf Bahnen anderen Lebens
Wo weinend Hoffnung wacht in bleicher Schatten Mitte.
 
 
Ich gehe nicht durch die Eichen,
Euch Birken und Euch Eschen will ich ausweichen,
Ich wandere nicht zur Stadt, zum Meer, zum Sonnenball,
O Wege!
Schon höre ich das Blut vergangner Zeiten rinnen,
Längst wähnte ich sie tot, doch kehren stets sie wieder,
Sie eilen mir voraus in Eurem Widerhall,
O Wege!
Du leichter Pfad, Du Pfad, wo Schmach, Du Pfad, wo Ehre schreitet,
Überall
Hör ich den Wind, der stets mich irrgeleitet,
Der stöhnend durch die Eichen gleitet.
 
 
O Seele, diese Nacht klagt um den Tag, der ging,
O Seele, diese Nacht bangt um den Tag, der kommt,
O Seele, diese Nacht, Dir selbst wird sie Verhängnis.
 

Wechselstrophen

 
Ein kleiner Garten nur ist mein,
Vier Mauern drum, der Efeu bindet
Und sprengt den morschen, grauen Stein,
Um den er sich im Klettern windet.
 
 
Am Borde winziger Beete sprießt
Der Buchsbaum, regelrecht geschnitten,
Die schmalen Wege sind bekiest,
Sie kreuzen sich nach wenig Schritten.
 
 
Die Bäume strecken ihren Ast
Nach Dir in täppischem Verlangen,
Bald wird zum Scherz die Hand gefaßt,
Bald kratzen sie Dir grob die Wangen.
 
 
Kein klarer Wasserstrahl wagt kühn
Im Sprunge hoch empor zu steigen,
In herber Schönheit, schwarz und grün,
Ruht auf dem Garten ernstes Schweigen.
 
 
Aus keinem stillen Teiche quillt
Der blaue Himmel Dir entgegen,
Und keines Vogels Spiegelbild
Siehst Du die Schwingen dort bewegen.
 
 
Nie ist beim frohen Honigraub
Ein Schwarm von Bienen zu entdecken,
Es leuchtet wie Metall das Laub,
Die scharfe Speise will nicht schmecken.
 
 
Der schwere Duft macht müd und matt,
Nur Buchsbaum, Myrten und Cypressen,
Hier findest Du kein totes Blatt,
Doch auch die Blüten sind vergessen.
 
* * *
 
Ich habe hinter meinem Haus
Ein Winkelchen. Der Sand, der gelbe,
Sieht heller bald, bald dunkler aus,
Das Einerlei bleibt stets dasselbe.
 
 
Ein einziger Baum steht dort, er kann
Mich mit dem Schatten grade decken,
Ich liebe es, mich dann und wann
Behaglich drunter auszustrecken.
 
 
Das grüne Laubdach ist so leicht,
So luftig das Gebälk, die Streben,
Wenn kaum der Wind darüber streicht,
Läßt er die Blätter alle beben.
 
 
Mir däucht, des kleinsten Vogels Lied
Muß diesem Baume Freude wecken,
Sobald ich grade stehe, sieht
Das Auge über dichte Hecken.
 
 
Da draußen zittert heiße Luft,
Doch meines Herzens Unrast schwindet,
Denn einer einzigen Rose Duft
Verrät ihm, daß es Liebe findet.
 

Ein Traum von Stunden und von Jahren

Vergessene Stunden sehe ich vorüber wallen.

Francis Vielé-Griffin.

 
Die Schatten schmückte ich mit kalten
Und blassen Blüten, mit den Falten
Versäumter Tage meine Wand.
Erstorbnen Abenden war ihre Farbe gleich,
Und meiner Träume Land
Erschien in dem Gewebe, schattenhaft und bleich,
Die goldne Blume zitterte in reiner Hand.
 
 
Und die Erinnerung irrt durch das stumme Haus im Dämmerlicht
Von Stund zu Stund, von Raum zu Raume,
Sie weint, sie lacht im Traume,
Sie ist’s mit ihrem alt vertrauten Angesicht.
Doch die Sandale
Schwebt still dahin, sie stört ja nie den Schlaf.
Ein goldner Strahl aus ihrer Silberlampe traf
Hellblitzend die getreue Wächterin, die Hand, die fahle,
Die schirmend ihr Gewicht
Auf die vergessne Zeit legt, die im Aschenkleide,
Geschlossnen Auges und mit funkelndem Geschmeide
Auf reichgeschnitztem Sessel ruht im weiten Saale.
 
 
Und dieser düstere Raum ist meiner Seele Zelt,
Wo von der Decke auf die Fließen
Die Falte an den Wänden fällt.
Versäumter Tag, erstorbner Abend mahnt mich dort,
Die Fenster, ach, sie schauen alle gegen Nord,
Am Horizont sind Himmel, Straßen und das Meer.
 
 
Ihr Träume, tragt mich doch noch einmal fort,
Wie einst, zur Welt,
Auf fernen Straßen bis ans Meer,
Ihr Träume, führt mich wieder fort,
In Eurer Hand die goldne Blume weiß den Ort.
 

Ein Traum von Morgenrot und Schatten

 
Die Zeit ist ewig, nur die Stunden, sie verfließen!
Gar lieblich rinnt der Strom zum Meere, hell und klar,
Noch steht die Pforte auf, doch schnell wird sie sich schließen,
Schon heut kann Asche sein, was gestern Leben war.
 
 
Der Herbst zeigt mir die Frucht in seiner Gärten Schatten
Im Augenblick, da sie des Daseins Höhe mißt,
Geschwellt im Saft erscheint sie mir, dem Übersatten,
Wie bald, und sie fällt ab …! noch eine kleine Frist.
 
 
Mein Leben, Klinge in der Scheide, ruhmlos träumend!
Heiß glüht der goldne Griff in meiner zagen Hand,
Die mit der Waffe spielt, die Stunde feig versäumend …
Und doch – , vielleicht ist dieses Abends blutiger Brand
 
 
Das Bild des Tages, den das Schicksal morgen sendet!
Geweint hab ich, da gestern freundlich mir’s gelacht,
Weh mir, weh, wenn es weint, dem Strom abgewendet,
Der meinen Tag hinabschwemmt in die ewige Nacht!
 

Der Raufbold

 
Mit stolz erhobnem Blick, gebräunt, keck und verwegen,
Das Seidenwamms geschlitzt, hält breit gespreizt und fest
Er vor dem Lager Wacht, dem Teufel und der Pest
Tritt ohne lang zu fragen trotzig er entgegen.
 
 
Mit Feuer und mit Schwert spricht er den Erntesegen,
Vom Appenin zum Alpenrand, von Ost nach West
Schweift plündernd er, um frech bis auf den letzten Rest
Die Lombardei, die Marken Mailands auszufegen.
 
 
Den Fluch im Mund, den Zorn im Blick lechzt er nach Krieg,
Ihm ist es gleich, ob Marignano ihm den Sieg,
Gleich, ob Pavia ihm den Ruhm nur hat gegeben.
 
 
Er lacht des Schicksals, das am Wege lauernd droht,
Die offnen Nüstern saugen aus dem vollen Leben
Den Bluthauch künftiger Schlacht, sie wittern schon den Tod.
 

Chrysilla

 
Ist einst der Becher voll, o Göttin reich an Gnaden,
Erspar es mir die Zeit, die zögernde, zu sehn,
Sie soll nicht tränenlos an meinem Lager stehn,
Sie kürzt mir viel zu spät des Lebens langen Faden.
 
 
Schick Eros aus! er hat mit Haß mich stets beladen,
Ich weiß es nur zu gut, könnt es nach ihm geschehn,
Im Sterben würde ich der Qual noch nicht entgehn,
In meinem Herzblut müßte sich die Erde baden.
 
 
Doch nein! ruf abends, wenn die frohe Sonne scheidet,
Die Jugend an mein Bett, stumm, schön und unbekleidet,
Wie sie den Reif auf bleiche Rosenblüten haucht.
 
 
Die Quelle weint ein Lebewohl, die Stunden neigen
Das Haupt vor ihr, die weder Pfeil noch Sichel braucht,
Gern will ich dann zum finstern Hades niedersteigen.
 

Fernand Gregh

geb. 1873

Prüfung

 
Zu Boden ward ich fast geschlagen,
Ward heimgesucht und hart gequält,
Doch meine Seele ward gestählt,
In Leid verjüngt, ich darf nicht klagen.
 
 
Ich hab ihn Tag und Nacht geschaut,
Des Menschenlebens tiefen Jammer,
Gefühlt hab ich des Schicksals Hammer,
Jetzt ist mir erst der Schmerz vertraut.
 
 
Nicht nur der Schmerz, der in den Wunden
Der Seele haust, gern gönnt er ja
Dem armen Leibe hier und da
Ein Glück von spärlichen Sekunden.
 
 
Nein! jener Schmerz, der dumm, brutal
Den Körper schlägt, an dessen Plage
Ich zu erinnern nie mich wage,
Des Tieres ganz gemeine Qual,
 
 
Die Pein, die unsere Tage stündlich
Zur gräßlichen Tragödie macht,
Die höhnisch aller Bitten lacht,
Die tief uns packt und unergründlich.
 
 
Gesundheit freut sich ihres Seins
Und schert sich nicht um fremde Leiden,
Kaum kann sie Güte unterscheiden
Von Schwäche, beides scheint ihr eins.
 
 
Wir pflücken gierig alle Trauben,
Wir folgen stürmisch unserer Lust,
Schlecht sind wir, wir sind’s unbewußt,
Solang wir an das Leben glauben.
 
 
Der trotzig lebensfrohe Sinn
Ist Klippe meinem Sein gewesen,
Nun da im Buche ich gelesen
Des Schmerzes, sank mein Stolz dahin.
 
 
Des Nächsten Trauer beugt mich nieder,
Ich friere mit dem nackten Kind,
Mich schüttelt jeder leise Wind
Und jedes Leid hallt in mir wieder.
 
 
Ich denke an den bleichen Mann,
Der in des Kerkers kalten Schauern
Den Frühling jenseits hoher Mauern
Nur ahnt und ihn nicht sehen kann.
 
 
Der Kranken denke ich, sie liegen
Still auf dem Rücken, stumm, in Schweiß,
Indeß die Augen fieberheiß
Durch der Tapete Muster fliegen.
 
 
Ich denke des Rekruten, den
Des Abends spät aus der Kaserne
Das Heimweh trägt in weite Ferne,
Dort wo im Dorf die Linden stehn.
 
 
Ja selbst der Tiere muß ich denken,
Der Rosse, die die Peitsche treibt,
Die das Geschirr zerdrückt, zerreibt,
Die müde ihre Köpfe senken.
 
 
So lastet auf mir jede Not;
Daß fremde Schmerzen mich zerreißen,
Mag Klugheit immer Schwäche heißen.
Doch täglich läßt mich so der Tod
 
 
Des eignen Lebens Tiefen sehen;
Ich weiß, daß ich mir Erbe bin
Und daß ich wirklich bin, mein Sinn
Beginnt den Weltgeist zu verstehen.
 

Abend in der Großstadt

 
Halboffen saugt mein Mund den Lenz aus frischem Winde,
Die Dämmerung senkt sich auf das Giebeldach herab,
Die Kinder spielen froh im Schatten jener Linde,
Des Frühlings Frieden löst den starren Winter ab.
 
 
Das Volk der Vorstadt strömt nach Haus in hellen Haufen,
Mein Kummer gleicht ihm ganz, verzweiflungsvoll, doch mild;
Von harter Arbeit will’s ein wenig nur verschnaufen,
Manch Rotkopf eilt vorbei, des Heilands Ebenbild.
 
 
Wie fremd erscheinen mir all diese Dinge heute!
Ein Schwindel packt mich, seltsam kommt mir alles vor,
Des Abends Stille, dieses Licht, die armen Leute,
Das Rauschen der Unendlichkeit schlägt an mein Ohr.
 
 
Von Träumen ist mein Herz bedrückt, die Leid nur bringen,
Ich irre ohne Ziel verzagt umher und blaß,
Das Herz, der arme Narr, vor Liebe will’s zerspringen,
Mir scheint, ich weine gar noch über alles das …
 

Musik in der Ferne

 
Im Dunkel plätschert kalter Regen
Wie Kummer, der nicht sprechen will,
Auf graue Bäume stumm und still,
Der Sturmwind wird sie trocken fegen.
 
 
Dort unten in der finstern Nacht
Erklingt ein Instrument vom weiten,
Krächzt eine Weise, die vor Zeiten
Vergnügten Leuten Spaß gemacht.
 
 
Es stöhnt und weint mit heiserer Kehle
Das arme Instrument im Wind,
Naiv und harmlos wie ein Kind,
Wie eine Musikantenseele.
 
 
Ein jeder Ton ist falsch, o Gott!
Und solch ein Ding, das Harmonien
Wie die zeugt, die vorüber ziehen,
Nennt sich Harmonika – , zum Spott.
 
 
Es wimmert, wie die Kinder wimmern,
Wenn Strafe ihnen ward als Lohn;
Im Wind zerflatternd lockt sein Ton
Die Träume, die im Dunkel flimmern.
 
 
Wie kläglich dünn ist die Musik!
Und dennoch rührt mich fast zu Tränen
Der jämmerliche Klang, mein Sehnen
Weckt armer Hände Ungeschick.
 
 
Das zage Herz zieht sich in Trauer
Zusammen, müde, leer und hohl,
Du Eckchen Himmel, lebe wohl!
Es regnet, mich durchrieseln Schauer.
 
 
Dort aus dem grauen Dunkel tönt
Der Singsang, dürftig und bescheiden,
Ein Lied des Lebens, das in Leiden,
Die niemals enden wollen, stöhnt.
 
 
In diesem Schluchzen weint die Klage
Der ganzen Menschheit still und leis,
Des ungelösten Rätsels Frage,
Des blütenlosen Herbstes Tage,
Der Schmerz, der nichts von Schönheit weiß.
 

Zweifel

 
Die müde Sonne geht zur Neige,
Noch einmal streut sie im Verglühn
Ihr Märchengold durch alle Zweige
Des Waldes, auf sein Rot und Grün.
 
 
Des Abends Farben, sie ermatten,
Des Himmels warme Pracht erbleicht,
Schnell huscht wie eines Blitzes Schatten
Der Vogel, der vorüber streicht.
 
 
Ein Zauber quillt in tiefem Strome
Aus allen Dingen, leise rinnt
Er durch das Leben, dess’ Atome
Beseligt, glücklich, göttlich sind.
 
 
Aus weiter Ferne hallt begehrlich
Der dumpfe Lärm der großen Stadt …
Woher der Schreck, der unerklärlich
Die Seele mir benommen hat?
 
 
O Gott, wie uns die Weisheit blendet,
Wenn stumm wir vor den Dingen stehn,
Den Bettlern wird ein Mahl gespendet,
Die staunend diese Tafel sehn!
 
 
Die wir in Einfalt nach Dir streben,
Wir finden Dich zu jeder Frist,
O Gott, in diesem reichen Leben,
Der Du vielleicht nicht einmal bist.
 

Dämmerstunde

 
Der Horizont wird grau, schon ist die Nacht erschienen,
Du hörst das Schweigen, wie es durch die Zimmer schleicht,
Still stirbt der matte Bernsteinton in den Gardinen
Mit all dem Lärm, der aus dem alten Hause weicht,
 
 
Und unterbrochen scheint des Lebens wildes Hasten
Für einen Augenblick, dem nie ein morgen naht,
Tief Atem schöpfend hält es auf dem ewigen Pfad,
Wie Pilger, welche müde auf der Höhe rasten.
 
 
Im Kelchglas schlafen die verträumten Blumen ein,
Sie hauchen ihrer Seele Balsam in den Schatten,
Und auf den Spiegel streut das Zwielicht, auf den matten,
Wie feuchter Augen Schimmer seinen Widerschein.
 
 
Nur nebenan die Wanduhr in der finstern Kammer
Tickt unablässig ruhelos denselben Schlag,
Die bleichen Schatten peinigt sie mit ihrem Hammer,
Die Stunde nagelt sie an den versunkenen Tag.
 
 
Ein letzter Strahl dringt durch das Fenster, durch die Falten
Des halbgeschlossenen Vorhangs in den Saal, es scheint
Hier drinnen alles zu ersterben, zu erkalten,
Der Abend schweigt, und dennoch hör ich ihn: er weint.
 

Betrachtung

 
Ich sah, ein ernstes, zartes Kind, im Traum ein Land,
Wo goldene Morgen ich gelebt und einst gelacht;
In meinen großen Augen starb die Märchenpracht
Wie Maiensonnenschein, der von dem Spiegel schwand.
 
 
Die Sehnsucht hab ich und die Hoffnung wohl gekannt,
Des Mittags schon gewiß, da kaum ich noch erwacht;
Das Paradies verblich, ach, eh’ ich es gedacht,
Ich hab ja nicht geahnt, daß ich mich dort befand.
 
 
Der Traum entfloh, die Hoffnung ist zu Gram verblaßt,
Der heiße Drang nach Glück, das trotzige Verlangen
Versank, ich harrte noch verdüstert und befangen
 
 
Und wartete gequält. Da stand als einziger Gast
Die Reue eines Abends zwischen kahlen Wänden —
Vorbei, vorbei …! ach, wie so bald muß alles enden.