Za darmo

Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

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Balder Frühling
von
Johann Georg Fischer

 
Springt der Bube das Dorf hinaus:
„Vater, es ist schon Frühling drauß,
zum Schmetterlingsfang die beste Zeit.“
 
 
Ist zwar kein Frühling noch weit und breit,
fing kaum der Staub des Märzen an;
doch die Jugend will ihren Willen han. —
 
 
Wie, wenn ich nach dem Jungen ging’,
zu schauen, was er im Garne fing?
Freute mich ja so ein Falter selber,
so ein roter oder zitronengelber!
Richtig! da flattert’s schon; – doch wie! —
sah ich doch all mein Leben nie
einen so artlichen Schmetterling:
ein milchjung, geschlacht und huschig Ding,
so scheu halb und so flüchtig noch,
so dreist halb und fürwitzig doch,
minder im Fluge, mehr im Lauf,
ein herziger Kindskopf obenauf,
Schwarzaugen, so funkelnd und feuernd schon,
Zöpfe, so lang als die ganze Person,
eine rote Masche als Halsgeschmeid,
statt der Flügel ein fliegend Kleid,
und ein lustiges Kreuzband zum Beschluß
kurzweilig zeichnet den muntern Fuß.
 
 
Ein Extra-Märzenvogel der!
Mein lustiger Ärgster hinterher,
das Schmetterlingsgarn verächtlich weggeschmissen.
Ja nun, nun freilich muß Frühling sein,
er blüht mir ja selber zum Haus herein; —
was doch die Jungen alles besser wissen!
 

Elysium
von
Johann Georg Fischer

 
Und ist’s mit dieser Welt herum,
und komm’ ich ins Elysium,
meiner Ahne Haus muß mit hinein,
sonst mag ich nicht darinnen sein.
Hinter dem Hause muß am Hag
die Sonne lagern den ganzen Tag,
daß golden durch der Blätter Luken
wie Engelsbacken die Kürbiss’ gucken,
daß die Nachbarn wieder herüberschaun,
die Arme aufgestemmt am Zaun,
wie sie am Sonntag aus den Pfeifen
lassen die blauen Wolken schweifen;
lustige Mägde ziehen am Haus
in weißer Schürze den Weg hinaus;
und draußen schütteln am Gartensaum
wir Buben den früh’sten Birnenbaum.
 
 
So sei es im Elysium,
sonst scher’ ich mich den Teufel drum.
 

Mein und dein
von
Johann Georg Fischer

 
Das Mägdlein sprach: „Lieb Knabe mein,
nun sag mir, was ist mein und dein?“
Der Knabe sprach: „Lieb Mädchen mein,
dein schönes Auge, das ist dein,
und drein zu schauen, das ist mein;
dein roter süßer Mund ist dein,
dich drauf zu küssen, das ist mein;
nun tu’ mir auf die Arme dein,
drin liegen, das ist dein und mein.“
 

Nachschiller
von
Ludwig Eichrodt

 
Rauschend in den Katarakt der Wonne
wogt die unbekannte Sonne
des Verlustes seelenvoll dahin:
ew’ge Harmonien wallen über,
in den bodenlosen Freudenzüber
schöpft der Menschen Danaidensinn.
Keine Hoffnung adelt ihren Schaden,
auch der Glücklichste fühlt sich beladen
und, den Stachel in der eignen Brust,
sinkt er abwärts, krank und schuldbewußt.
Durch ’s Getümmel ausgebrannter Krater
schleicht der Würde schwergeprüfter Vater
zu dem Traum des wandelnden Geschlechts;
der Vergeltung Antwort grüßt die Klage
und es schwankt die umgekehrte Wage
in den Ausdruck eines toten Rechts.
Ungeläutert aus den Wirklichkeiten
siehst du das Verhängnis rückwärts schreiten,
in der stillverbiss’nen Schranke starrt
schon die Zukunft durch die Gegenwart.
Einstens aber labt den Adamiden
der Erkenntnis trauter Seelenfrieden,
und das Urteil bricht sich ab den Zahn;
jenseits flüstert heimliche Gebärde,
auf der kummerlosen Vatererde
schweigt der ungerührte Wahn.
Welten lodern und Begierden schlummern,
Hermes selber nimmt sich einen krummern,
einen minder starren Todesstab
in die schatt’ge Unterwelt hinab.
 

Krokodilromanze
von
Emanuel Geibel

 
Ich bin ein altes Krokodil
und sah schon die Osirisfeier.
Bei Tage sonn’ ich mich im Nil,
bei Nacht am Strande leg’ ich Eier.
 
 
Ich weiß mit list’gem Wehgekreisch
mir stets die Mahlzeit zu erwürken,
gewöhnlich freß’ ich Mohrenfleisch
und Sonntags manchmal einen Türken.
 
 
Und wenn im gelben Mondlicht rings
der Strand liegt und die Felsenbrüche,
tanz’ ich vor einer alten Sphinx
und lausch’ auf ihrer Weisheit Sprüche.
 
 
Die Klauen in den Sand gepflanzt,
tiefsinnig spricht sie: „Tochter Thebens,
friß nur, was du verdauen kannst!
Das ist das Rätsel deines Lebens.“
 

Lob der edeln Musika
von
Emanuel Geibel

 
Ein lust’ger Musikante marschierte am Nil,
o tempora, o mores!
da kroch aus dem Wasser ein großer Krokodil,
o tempora, o mores!
der wollt’ ihn gar verschlucken,
wer weiß, wie das geschah?
Juchheirassassa, o tempo-tempora!
Gelobet seist du jederzeit, Frau Musika!
 
 
Da nahm der Musikante seine alte Geigen,
o tempora, o mores!
und tut mit seinem Bogen fein darüber streichen,
o tempora, o mores!
Allegro, dolce, presto,
wer weiß wie das geschah?
Juchheirassassa, o tempo-tempora!
Gelobest seist du jederzeit, Frau Musika!
 
 
Und wie der Musikante den ersten Strich getan,
o tempora, o mores!
da fing der Krokodile zu tanzen an,
o tempora, o mores!
Menuett, Galopp und Walzer,
wer weiß, wie das geschah?
Juchheirassassa, o tempo-tempora!
Gelobest seist du jederzeit, Frau Musika!
 
 
Er tanzte wohl im Sande im Kreise herum,
o tempora, o mores!
und tanzte sieben alte Pyramiden um,
o tempora, o mores!
denn die sind alle wacklich,
wer weiß, wie das geschah?
Juchheirassassa, o tempo-tempora!
Gelobest seist du jederzeit, Frau Musika!
 
 
Und als die Pyramiden das Teufelsvieh erschlagen,
o tempora, o mores!
da ging er in ein Wirtshaus und sorgt für seinen Magen,
o tempora, o mores!
Tokaierwein, Burgunderwein,
wer weiß, wie das geschah?
Juchheirassassa, o tempo-tempora!
Gelobest seist du jederzeit, Frau Musika!
 
 
’ne Musikantenkehle, die ist als wie ein Loch,
o tempora, o mores!
und hat er noch nicht aufgehört, so trinkt er immer noch,
o tempora, o mores!
und wir, wir trinken mit ihm,
wer weiß, wie das geschah?
Juchheirassassa, o tempo-tempora!
Gelobest seist du jederzeit, Frau Musika!
 

Aus „Lieder des Katers Hiddigeigei“
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Von des Turmes höchster Spitze
schau’ ich in die Welt herein,
schaue auf erhab’nem Sitze
in das Treiben der Partein.
 
 
Und die Katzenaugen sehen,
und die Katzenseele lacht,
wie das Völklein der Pygmäen
unten dumme Sachen macht.
 
 
Doch was nützt’s? Ich kann den Haufen
nicht auf meinen Standpunkt ziehn,
und so laß ich ihn denn laufen,
’s ist wahrhaft nicht schad’ um ihn.
 
 
Menschentun ist ein Verkehrtes,
Menschentun ist Ach und Krach;
im Bewußtsein seines Wertes
sitzt der Kater auf dem Dach! —
 

Aus „Lieder des Katers Hiddigeigei“
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
O die Menschen tun uns Unrecht
und den Dank such’ ich vergebens,
sie vergessen ganz die feinern
Saiten uns’res Katzenlebens.
 
 
Und wenn einer schwer betrunken
niederfällt in seiner Kammer,
und ihn morgens Kopfweh quälet,
nennt er’s einen Katzenjammer.
 
 
Katzenjammer, o Injurie!
Wir miauen zart im stillen,
nur die Menschen hör’ ich oftmals
graunhaft durch die Straßen brüllen.
 
 
Ja, sie tun uns bitter Unrecht,
und was weiß ihr rohes Herze
von dem wahren, tiefen, schweren,
ungeheuren Katzenschmerze?
 

Die letzte Hose
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Letzte Hose, die mich schmückte,
fahre wohl! dein Amt ist aus,
ach auch dich, die mich entzückte,
schleppt ein andrer nun nach Haus.
 
 
Selten hat an solchen Paares
Anblick sich ein Aug’ erquickt.
Feinster Winterbuckskin war es,
groß karriert – und nie geflickt!
 
 
Mit Gesang und vollen Flaschen
grüßt’ ich einst in dir die Welt;
zum Hausschlüssel in der Taschen
klang noch froh das bare Geld.
 
 
Aber längst kam das Verhängnis,
die Sechsbätzner zogen fort,
und das Brückentorgefängnis
ist ein dunkler stiller Ort …
 
 
Längst entschwand, was sonst versetzlich,
Frack – und Rock – und Mantels Pracht.
Nun auch du!.. es ist entsetzlich!..
Letzte Hose, gute Nacht!
 
 
Tag der Prüfung, o wie bänglich
schlägt mein Herz und fühlt es hell:
alles Ird’sche ist vergänglich
und das Pfandrecht schreitet schnell!
 
 
Nirgend winkt uns ein Erlöser,
letzte Hose!.. es muß sein!..
Elkan Levi, dunkler, böser
Trödler, nimm sie!.. sie sei dein!
 
 
Stiefelfuchs, du alter treuer,
komm’ und stütz’ mein Dulderhaupt!
Noch ein einziger Schoppen Neuer
sei dem Trauernden erlaubt.
 
 
Dann will ich zu Bett mich legen
und nicht aufstehn, wenn’s auch klopft,
bis ein schwerer, goldner Regen
unverhofft durchs Dach mir tropft.
 
 
Zeuch denn hin, die ich beweine,
grüß’ den Rock und ’s Camisol!
Weh! schon friert’s mich an die Beine!..
Letzte Hose! fahre Wohl!!
 

Das Megatherium
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Was hangt denn dort bewegungslos
zum Knaul zusamm’geballt,
so riesenfaul und riesengroß
im Ururururwald?
Dreifach so wuchtig als ein Stier,
dreifach so schwer und dumm —
ein Klettertier, ein Krallentier:
das Megatherium!
 
 
Träg glotzt es in die Welt hinein
und gähnt als wie im Traum,
und krallt die scharfen Krallen ein
am Embahubabaum.
Die Früchte und das saftige Blatt
verzehrt es und sagt: „Ai!“
Und wenn’s ihn leergefressen hat,
sagt’s auch zuweilen: „Wai!“
 
 
Dann aber steigt es nicht herab,
es kennt den kürzern Weg:
gleich einem Kürbis fällt es ab
und rührt sich nicht vom Fleck.
Mit rundem Eulenangesicht
nickt’s sanft und lächelt brav:
denn nach gelungener Fütterung kommt
als Hauptarbeit der Schlaf.
 
 
… O Mensch, dem solch ein Riesentier
nicht glaublich scheinen will,
geh nach Madrid! dort zeigt man dir
sein ganz’ Skelett fossil.
Doch bist du staunend ihm genaht,
verliere nicht den Mut:
so ungeheure Faulheit tat
nur vor der Sintflut gut.
 
 
Du bist kein Megatherium,
dein Geist kennt höhere Pflicht,
drum schwänze kein Kollegium
und überfriß dich nicht.
Nütz’ deine Zeit, sie gilt statt Gelds,
sei fleißig bis zum Grab,
und steckst du doch im faulen Pelz,
so fall mit Vorsicht ab!
 

Guano
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Ich weiß eine friedliche Stelle
im schweigenden Ozean,
kristallhell schäumet die Welle
zum Felsengestade hinan.
Im Hafen erblickst du kein Segel,
keines Menschen Fußtritt am Strand;
viel tausend reinliche Vögel
hüten das einsame Land.
 
 
Sie sitzen in frommer Beschauung,
kein einz’ger versäumt seine Pflicht,
gesegnet ist ihre Verdauung
und flüssig als wie ein Gedicht.
Die Vögel sind all’ Philosophen,
ihr oberster Grundsatz gebeut:
den Leib halt’ allezeit offen
und alles andre gedeiht.
 
 
Was die Väter geräuschlos begonnen,
die Enkel vollenden das Werk;
geläutert von tropischen Sonnen
schon türmt es empor sich zum Berg.
Sie sehen im rosigsten Lichte
die Zukunft und sprechen in Ruh’:
„Wir bauen im Lauf der Geschichte
noch den ganzen Ozean zu.“
 
 
Und die Anerkennung der Besten
fehlt ihren Bestrebungen nicht,
denn fern im schwäbischen Westen
der Böblinger Rapsbauer spricht:
„Gott segn’ euch, ihr trefflichen Vögel,
an der fernen Guanoküst, —
trotz meinem Landsmann, dem Segel,
schafft ihr den gediegensten Mist!“
 

Pumpus von Perusia
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Feucht hing die Sonne. Des Novembers Schauer ging
mit leisem Frösteln durch das Land Hetruria.
Ein mildes Kopfweh, erst der jüngsten Nacht entflammt,
durchsäuselt die Luft mit mattem Flügelschlag,
und ein Gefühl von Armut lag auf Berg und Tal.
Der heilige Ölbaum, dem das letzte gelbe Blatt
der Wind verweht, reckt traurig seine Äste aus,
so kahl und öd’, als fehl’ ihm das Notwendigste.
Verdächtig selbst das Straßenpflaster. Blödem Aug’
schien des Basaltes urgebirgig fester Stoff
verwandelt heut’ in sehr poröses Tropfgestein,
und alles – alles – alles sah durchlöchert aus.
 
 
So war der Tag, da in der ersten Frühestund’
ein müder Held aus Populonias Toren zog.
Vergeblich warf von dem kyklopischen Mauerwall
der Wächter einen trinkgeldhoffnungsvollen Blick,
er hielt ihn aus – und schaute starr – und gab ihm nichts.
 
 
Dort, wo der Weg sich einbiegt gegen Suessulae
und eines Priesters kegelturmgeziertes Grab
trübtraurig seinen Schatten wirft in’s Blachgefild,
dort hielt er still – und stieß den Speer ins Riedgras ein
und suchte lang in seiner Chlamys Faltenwurf,
und suchte wieder – suchte auch zum drittenmal
und fand nicht, was er suchte …
O wer kennt den Schmerz,
der auf sich bäumt im biederen Etruskerherz,
wenn alles – alles – alles auf die Neige ging,
und nur der Graus des Leeren in den Taschen wohnt,
wo der Sesterz sonst fröhlich beim Denar erklang!..
 
 
Den Helm abnehmend von dem schwerbedrückten Haupt,
fuhr mit der Rechten langsam er zur Stirn empor,
gen Populonia rückwärts flog sein feuchter Blick
und blaue Blitze leuchteten im Heldenaug’.
 
 
„O Wirtshaus zur Chimäre!“ sprach er wehmutvoll,
„ist das das Ende? Winkte das der Vögelflug,
der vor drei Tagen krächzend mir zur Linken strich?
Sprach das des Stieres rätselvolles Eingeweid’?
O Wirtshaus zur Chimäre! Was ist lieblicher,
als einzuziehn, ein Gastfreund, in dein Gastgemach?
Verständig waltet dort ein vielgeübter Wirt,
und edle Herren sitzen um den kühlen Trank,
den von dem Berg herabsendet Dimeros.
Weisheit entströmt bedachtsam zechender Männer Mund,
zumal an jenem obern, linnenweißen Tisch,
wo Tegulinums Augur, später Mitternacht
Trotz bietend, ausharrt, einer ehernen Säule gleich,
und sternenkundig vorsingt in dem Rundgesang.
O Wirtshaus zur Chimäre! doch sag’ an, wohin,
wohin verschwindet … ha! was spricht mein Mund es aus,
das dreimal gottverfluchte Wort, von dem allein
des Tuskers Schicksal abhängt, ha, das bare Geld?
O Flufluns, Flufluns! unheilvoller Bacchus du!
’s ist alles fort und hin und hin und fort … hahumm!
 
 
„… Doch eine Tat, ich schwör’s, sei itzt von mir getan,
wie sie die blöde Welt sich nicht im Traume träumt,
gräßlich und kalt … mein Name soll der Nachwelt noch
durch diese Tat sich überpflanzen, schreckenvoll;
so wahr ich hier an diesem Priestergrabe steh’,
ich – Pumpus von Perusia, der Etruskerfürst …“
 
 
Er sprach’s und ging. Unheimlich fiel ein Sonnenstrahl
auf Speer und Helm. Fahl leuchtet’s im Zypressenwald,
dumpf braust ein Windstoß, grabtief, fernem Seufzen gleich.
 
 
Die Welt war damals harmlos noch, man kannte nicht
des bürgerlichen Rechtes vielverschlung’nen Pfad,
und selbst der Greis im Silberbart, er wußte nicht
die Antwort auf die Frage, was ein Darlehn sei.
Doch jenen Tages ward im Wald bei Suessulae
zum erstenmal, seit daß die Welt geschaffen stand,
ein Held von einem andern Helden – angepumpt!
Das ist der Sang vom Pumpus von Perusia.
 

Das wilde Heer
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Das war der Herr von Rodenstein,
der sprach: „Daß Gott mir helf’,
gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?
’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf’,
gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?“
 
 
Er ritt landauf, landab im Trapp,
kein Wirt ließ ihn ins Haus;
totkrank noch seufzt vom Gaul herab
er in die Nacht hinaus:
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf’,
gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?“
 
 
Und als mit Spieß und Jägersrock
sie ihn zu Grab getan,
hub selbst die alte Lumpenglock’
betrübt zu läuten an:
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf’,
gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?“
 
 
Doch wem der letzte Schoppen fehlt,
den duld’t kein Erdreich nicht;
drum tobt er jetzt, vom Durst gequält,
als Geist umher und spricht:
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf’,
gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?“
 
 
Und alles, was im Odenwald
sein’ Durst noch nicht gestillt,
das folgt ihm bald, das schallt und knallt,
das klafft und stampft und brüllt!
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Herr Wirt, daß Gott mir helf’,
gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?“
 
 
… Dies Lied singt man, wenn’s auch verdrießt,
gestrengem Wirt zur Lehr’;
wer zu genau die Herberg’ schließt,
den straft das wilde Heer;
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Rumdiridi, Freijagd!
Hoidirido, Freinacht!
Hausknecht hervor!
Öffne das Tor!
’raus! ’raus! ’raus!“
 

Der Überfall
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Und wieder sprach der Rodenstein:
„Halloh, mein wildes Heer!
In Tiefschluckhausen fall’ ich ein
und trink’ den Pfarrer leer.
’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Herr Pfarr’, daß Gott Euch helf’!
Gibt’s nirgends mehr ’nen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf?“
 
 
Der Pfarr’, ein tapfrer Gottesmann,
trat streitbar vor sein Tor,
mit Weihbrunn, Skapulier und Bann
die Geister er beschwor:
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
Daß euch der Satan helf’,
kriegt ihr ein’ einzigen Tropfen Wein
des Nachts um halber Zwölf!“
 
 
Doch fröhlich brummt der Rodenstein:
„O Pfarr’, ich fang’ dich doch!
Ein Geist, der nicht zum Tor kommt ’rein,
probiert’s am Kellerloch!
’nein da! .. ’nein zu dem Wein da!
Hurra, schon sind wir drin!
Sein Keller ist nicht schlecht besetzt,
hurra, wir trinken ihn!“
 
 
O armes, frommes Pfarrerherz,
heut’ hat der Böse Macht!
Vergeblich rief er kellerwärts,
daß das Gewölbe kracht:
„Schwein da .. Schwein bei dem Wein da!
Heißt das sich aufgeführt?
So laß mir doch die Kompetenz,
die einem Pfarr’ gebührt!“
 
 
Und als die Glocke ein Uhr schlug,
das Heer sang dumpf und hohl:
„Herr Pfarr’, Herr Pfarr’, jetzt ha’n wir g’nug,
Herr Pfarr’, jetzt lebet wohl!
’raus jetzt! ’raus aus dem Haus jetzt!
Herr Pfarr’, und bleibt gesund!
’s fließt nirgends mehr ein Tropfen Wein
aus Krug und Hahn und Spund.“
 
 
Da flucht der Pfarr’: „Ich dank’ recht sehr,
Schwernot! Ist alles hin,
so will ich selbst im wilden Heer
als Feldkaplan mitzieh’n!
’naus jetzt! ’naus aus dem Haus jetzt!
Herr Ritter, ich schlag’ ein:
ist all mein Wein zum Teufel, soll
ein andrer Pfarrherr sein!
Hussa, hallo!
Jo, hihaho!
Rumdiridi, langt’s nit,
Hoidirido, selbst mit!
Höllischer Chor,
heut’ reit’ ich vor:
’naus! ’naus! ’naus!“
 

Die Fahndung
von
Joseph Viktor von Scheffel

 
Und wieder sprach der Rodenstein:
„Pelzkappenschwerenot!
Hans Breuning, Stabstrompeter mein,
bist untreu oder tot?
Lebst noch? .. Lebst noch und hebst noch?
Man g’spürt dich nirgend mehr …
Schon naht die durst’ge Maiweinzeit,
du mußt mir wieder her!“
 
 
Er ritt, bis er gen Darmstadt kam,
kein Fahnden war geglückt;
da lacht er, als am schwarzen Lamm
durchs Fenster er geblickt:
„Er lebt noch! .. Lebt noch und hebt noch,
doch frag’ mich keiner: wie?
Wie kommt mein alter Flügelmann
in solche Kompagnie?“
 
 
In Züchten saß der Stammgast Schar
nach Rang und Würden dort,
Dünnbier ihr Vespertrünklein war,
es klang kein lautes Wort.
„Sacht stets! .. sacht und bedacht stets
ist Lebens Hochgenuß,“
so flüstert ein Kanzleimann just
zum Kreisamtssyndikus.
 
 
In dieser Schöppleinschlürfer Reih’
saß auch ein stilles Gast,
und als es acht Uhr war vorbei,
nahm’s Stock und Hut mit Hast.
„Ach jetzt! .. ach jetzt .. gut Nacht jetzt!
Einst war ich nicht so brav,
doch ehrbar wandeln ist das best’,
ich geh’ ins Bett und schlaf’.“
 
 
Der Rodenstein in grimmem Zorn
hub grau’nhaft sich empor;
dreimal stieß er ins Jägerhorn
und blies mit Macht den Chor:
„’raus da! ’raus aus dem Haus da!
’raus mit dem Deserteur!
Das lahme, zahme Gast da drin
gehört zum wilden Heer!“
 
 
Da faßt das Gast ein Schreck und Graus,
erst sank es in die Knie,
dann stürzt’ es einen Maßkrug aus,
schlug’s Fenster ein und schrie:
„’naus da! ’naus aus dem Haus da!
O Horn und Sporn und Zorn!
O Rodenstein! O Maienwein!
Noch bin ich nicht verlor’n.
Rumdiridi, Freijagd!
Hoidirido, Freinacht!
Alter Patron,
empfah’ deinen Sohn!
Hussa, hallo!
Jo, hihaho!
’naus, ’naus, ’naus!“
 

Bittgang
von
Paul Heyse

 
Im Sonnenfeuer lechzt die Flur,
versengt stehn Wälder und Almen,
verschmachten muß die Kreatur,
die Frucht verbrennt an den Halmen.
 
 
Das Bächlein, das ihr Kühle gesandt,
verlernte sein muntres Rieseln;
es glüht und glastet Julibrand
über den staubigen Kieseln.
 
 
Ein Bauer stapft entlang dem Rain,
ist einer von den Frommen,
und flucht doch still in den Bart hinein;
da sieht er den Pfarrer kommen.
 
 
Er zieht die Kappe und weist umher:
„Zugrund geht all der Segen.
Hochwürden, das Gescheitste wär’,
einen Bittgang tun um Regen.“
 
 
Der Pfarrer nickt: „Ein fromm Gebet
tät not. Doch warten wir, Peter,
zwei Täglein noch. Einstweilen steht
zu hoch der Barometer.“
 

Unfreiheit
von
Arthur Fitger

 
„Ach lieber Herr Amtmann, habet Geduld!
Ich gesteh’s, ich habe gestohlen;
doch das hat der Kosmos selber Schuld,
das sag’ ich Euch unverhohlen.
 
 
„Die Neigung zum Stehlen war in mir schon
von Anbeginn entzündet;
sie lag schon in der Konstitution
meiner Urgroßmutter begründet.
 
 
„Rings drängten auf mich der ganzen Natur
vieltausendfältige Triebe;
ich ward nach höh’ren Gesetzen nur
unwiderstehlich zum Diebe.
 
 
„Wie könnt Ihr mich strafen, der ich doch nicht
aus freiem Willen gesündigt?“ —
„Jetzt schweige, du naseweiser Wicht,
und höre, was man verkündigt:
 
 
„Die hochwohllöbliche Polizei
steht auch unter kosmischem Zwange,
sie fängt die Diebe und hängt sie dabei
aus unwiderstehlichem Drange.“
 

Brigitte
von
Felix Dahn

 
Im alten braunen Giebelhaus,
da sind viel stille Gänge;
da weicht man schwer einander aus,
denn sie sind allzuenge:
An einen Gang, den Speichergang,
gedenk’ ich all mein Leben lang.
 
 
Da riecht es süß von Obst und fein,
’s ist ein verschwiegen Plätzlein,
am Simse liegt im Sonnenschein
und schnurrt das weiße Kätzlein,
und an der Wand ist blank und braun
viel Holzgetäfelwerk zu schau’n.
 
 
Ich kam hinauf von ungefähr:
da hört’ ich leichte Tritte,
vom Speicher kommt es klirrend her:
„Seid Ihr’s, Jungfrau Brigitte?
Wie tragt Ihr schwer in jeder Hand?
Dazu solch großes Schlüsselband?“
 
 
„Ei, laßt mich nur geschwind vorbei,
der Vater hat’s befohlen,
Obst soll ich aus der Kämmerei
und Wein vom Keller holen.
Ein Herr vom Rat hält unten Rast
und der ist unser Vespergast.“
 
 
„Ach, viel zu voll ist Euer Krug,
laßt trinken mich ein Schlücklein,
des Obstes habt Ihr schwer genug,
o, schenkt mir auch ein Stücklein,
und bis das nicht nach Wunsch geschehn,
laß’ ich Euch nicht vorübergehn.“
 
 
Da hielt die kleine Blonde still
und seufzte loser Weise:
„So nehm’ Er sich denn, was Er will,
doch nehm’ Er’s rasch und leise! —
Das hat der Maurer schlecht bedacht,
der diesen Gang so eng gemacht.“
 
 
Der Vater rief – die Kleine lief,
die blonden Zöpfe wehen,
das weiße Kätzlein aber schlief
und hatte nichts gesehen.
Ich ging auf meine Kammer sacht
und habe dieses Lied gemacht.