Za darmo

Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

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Gewohnt, getan
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Ich habe geliebet; nun lieb’ ich erst recht!
Erst war ich der Diener, nun bin ich der Knecht.
Erst war ich der Diener von allen;
nun fesselt mich diese charmante Person,
sie tut mir auch alles zur Liebe, zum Lohn,
sie kann nur allein mir gefallen.
 
 
Ich habe geglaubet; nun glaub’ ich erst recht!
Und geht es auch wunderlich, geht es auch schlecht,
ich bleibe beim gläubigen Orden:
so düster es oft und so dunkel es war
in drängenden Nöten, in naher Gefahr,
auf einmal ist’s lichter geworden.
 
 
Ich habe gespeiset; nun speis’ ich erst gut!
Bei heiterem Sinne, mit fröhlichem Blut
ist alles an Tafel vergessen.
Die Jugend verschlingt nur, dann sauset sie fort;
ich liebe zu tafeln am lustigen Ort,
ich kost’ und ich schmecke beim Essen.
 
 
Ich habe getrunken; nun trink’ ich erst gern!
Der Wein, er erhöht uns, er macht uns zum Herrn
und löset die sklavischen Zungen.
Ja, schonet nur nicht das erquickende Naß!
Denn schwindet der älteste Wein aus dem Faß,
so altern dagegen die jungen.
 
 
Ich habe getanzt und dem Tanze gelobt!
Und wird auch kein Schleifer, kein Walzer getobt,
so drehn wir ein sittiges Tänzchen.
Und wer sich der Blumen recht viele verflicht,
und hält auch die ein’ und die andere nicht,
ihm bleibet ein munteres Kränzchen.
 
 
Drum frisch nur aufs neue! Bedenke dich nicht!
Denn wer sich die Rosen, die blühenden, bricht,
den kitzeln fürwahr nur die Dornen.
So heute wie gestern, es flimmert der Stern;
nur halte von hängenden Köpfen dich fern
und lebe dir immer von vornen.
 

Gutmann und Gutweib
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Und morgen fällt St. Martins Fest,
Gutweib liebt ihren Mann;
da knetet sie ihm Puddings ein
und bäckt sie in der Pfann’.
 
 
Im Bette liegen beide nun,
da saust ein wilder West;
und Gutmann spricht zur guten Frau:
„Du riegle die Türe fest.“ —
 
 
„Bin kaum erholt und halb erwarmt,
wie käm’ ich da zur Ruh;
und klapperte sie einhundert Jahr,
ich riegelte sie nicht zu.“
 
 
Drauf eine Wette schlossen sie
ganz leise sich ins Ohr:
so wer das erste Wörtlein spräch’,
der schöbe den Riegel vor.
 
 
Zwei Wandrer kommen um Mitternacht
und wissen nicht, wo sie stehn;
die Lampe losch, der Herd verglomm,
zu hören ist nichts, zu sehn.
 
 
„Was ist das für ein Hexenort?
Da bricht uns die Geduld!“
Doch hörten sie kein Sterbenswort,
des war die Türe schuld.
 
 
Den weißen Pudding speisten sie,
den schwarzen ganz vertraut.
Und Gutweib sagte sich selber viel,
doch keine Silbe laut.
 
 
Zu diesem sprach der jene dann:
„Wie trocken ist mir der Hals!
Der Schrank, der klafft, und geistig riecht’s,
da findet sich’s allenfalls.
 
 
„Ein Fläschchen Schnaps ergreif’ ich da,
das trifft sich doch geschickt!
Ich bring’ es dir, du bringst es mir,
und bald sind wir erquickt.“
 
 
Doch Gutmann sprang so heftig auf
und fuhr sie drohend an:
„Bezahlen soll mit teurem Geld,
wer mir den Schnaps vertan!“
 
 
Und Gutweib sprang auch froh heran,
drei Sprünge, als wär’ sie reich:
„Du, Gutmann, sprachst das erste Wort,
nun riegle die Türe gleich!“
 

Hochzeitlied
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Wir singen und sagen vom Grafen so gern,
der hier in dem Schlosse gehauset,
da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,
den heute vermählten, beschmauset.
Nun hatte sich jener im heiligen Krieg
zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,
und als er zu Hause vom Rösselein stieg,
da fand er sein Schlösselein oben,
doch Diener und Habe zerstoben.
 
 
„Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus,
das Heimische findest du schlimmer!
Zum Fenster, da ziehen die Winde hinaus,
sie kommen durch alle die Zimmer.
Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?“
„So hab’ ich doch manche noch schlimmer vollbracht,
der Morgen hat alles wohl besser gemacht.
Drum rasch bei der mondlichen Helle
ins Bett, in das Stroh, ins Gestelle!“
 
 
Und als er im willigen Schlummer so lag,
bewegt es sich unter dem Bette.
Die Ratte, die raschle, so lange sie mag!
Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!
Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht,
ein Zwerglein, so zierlich, mit Ampelenlicht,
mit Rednergebärden und Sprechergewicht,
zum Fuß des ermüdeten Grafen,
der, schläft er nicht, möcht’ er doch schlafen.
 
 
„Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,
seitdem du die Zimmer verlassen,
und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,
so dachten wir eben zu prassen.
Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut,
so schmausen die Zwerge, behaglich und laut,
zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.“
Der Graf im Behagen des Traumes:
„Bedienet euch immer des Raumes!“
 
 
Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor,
die unter dem Bette gehalten;
dann folget ein singendes, klingendes Chor
possierlicher kleiner Gestalten,
und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,
daß einem so Hören als Sehen vergeht,
wie’s nur in den Schlössern der Könige steht;
zuletzt auf vergoldetem Wagen
die Braut und die Gäste getragen.
 
 
So rennet nun alles in vollem Galopp
und kürt sich im Saale sein Plätzchen;
zum Drehen und Walzen und lustigen Hopp
erkieset sich jeder ein Schätzchen.
Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,
da ringelt’s und schleift es und rauschet und wirrt,
da pispert’s und knistert’s und flüstert’s und schwirrt;
das Gräflein, es blicket hinüber,
es dünkt ihn, als läg’ er im Fieber.
 
 
Nun dappelt’s und rappelt’s und klappert’s im Saal,
von Bänken und Stühlen und Tischen,
da will nun ein jeder am festlichen Mahl
sich neben dem Liebchen erfrischen;
sie tragen die Würste, die Schinken so klein
und Braten und Fisch und Geflügel herein;
es kreiset beständig der köstliche Wein;
das toset und koset so lange,
verschwindet zuletzt mit Gesange. —
 
 
Und sollen wir singen, was weiter geschehn,
so schweige das Toben und Tosen.
Denn was er, so artig, im kleinen gesehn,
erfuhr er, genoß er im großen.
Trompeten und klingender, singender Schall,
und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,
sie kommen und zeigen und neigen sich all,
unzählige, selige Leute.
So ging es und geht es noch heute.
 

Offne Tafel
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Viele Gäste wünsch’ ich heut
mir zu meinem Tische!
Speisen sind genug bereit,
Vögel, Wild und Fische.
Eingeladen sind sie ja,
haben’s angenommen.
Hänschen, geh und sieh dich um!
Sieh mir, ob sie kommen!
 
 
Schöne Kinder hoff’ ich nun,
die von gar nichts wissen,
nicht, daß es was Hübsches sei,
einen Freund zu küssen.
Eingeladen sind sie all’,
haben’s angenommen.
Hänschen, geh und sieh dich um!
Sieh mir, ob sie kommen!
 
 
Frauen denk’ ich auch zu sehn,
die den Ehegatten,
ward er immer brummiger,
immer lieber hatten.
Eingeladen wurden sie,
haben’s angenommen.
Hänschen, geh und sieh dich um!
Sieh mir, ob sie kommen!
 
 
Junge Herrn berief ich auch,
nicht im mind’sten eitel,
die sogar bescheiden sind
mit gefülltem Beutel;
diese bat ich sonderlich,
haben’s angenommen.
Hänschen, geh und sieh dich um!
Sieh mir, ob sie kommen!
 
 
Männer lud ich mit Respekt,
die auf ihre Frauen
ganz allein, nicht nebenaus
auf die schönste schauen.
Sie erwiderten den Gruß,
haben’s angenommen.
Hänschen, geh und sieh dich um!
Sieh mir, ob sie kommen!
 
 
Dichter lud ich auch herbei,
unsre Lust zu mehren,
die weit lieber ein fremdes Lied
als ihr eignes hören.
Alle diese stimmten ein,
haben’s angenommen.
Hänschen, geh und sieh dich um!
Sieh mir, ob sie kommen!
 
 
Doch ich sehe niemand gehn,
sehe niemand rennen.
Suppe kocht und siedet ein,
Braten will verbrennen.
Ach, wir haben’s, fürcht’ ich nun,
zu genau genommen!
Hänschen, sag’, was meinst du wohl?
Es wird niemand kommen!
 
 
Hänschen, lauf und säume nicht,
ruf’ mir neue Gäste!
Jeder komme, wie er ist,
das ist wohl das beste! —
Schon ist’s in der Stadt bekannt,
wohl ist’s aufgenommen.
Hänschen, mach die Türen auf:
sieh nur, wie sie kommen!
 

Ritter Kurts Brautfahrt
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Mit des Bräutigams Behagen
schwingt sich Ritter Kurt aufs Roß;
zu der Trauung soll’s ihn tragen,
auf der edlen Liebsten Schloß;
als am öden Felsenorte
drohend sich ein Gegner naht;
ohne Zögern, ohne Worte
schreiten sie zu rascher Tat.
 
 
Lange schwankt des Kampfes Welle,
bis sich Kurt im Siege freut;
er entfernt sich von der Stelle,
Überwinder und gebläut.
Aber was er bald gewahret
in des Busches Zitterschein,
mit dem Säugling still gepaaret
schleicht ein Liebchen durch den Hain.
 
 
Und sie winkt ihn auf das Plätzchen:
„Lieber Herr, nicht so geschwind!
Habt Ihr nichts an Euer Schätzchen,
habt Ihr nichts für Euer Kind?“
Ihn durchglühet süße Flamme,
daß er nicht vorbei begehrt,
und er findet nun die Amme,
wie die Jungfrau, liebenswert.
 
 
Doch er hört die Diener blasen,
denket nun der hohen Braut,
und nun wird auf seinen Straßen
Jahresfest und Markt so laut,
und er wählet in den Buden
manches Pfand zu Lieb’ und Huld;
aber ach! da kommen Juden
mit dem Schein vertagter Schuld.
 
 
Und nun halten die Gerichte
den behenden Ritter auf.
O verteufelte Geschichte!
Heldenhafter Lebenslauf!
Soll ich heute mich gedulden?
Die Verlegenheit ist groß.
Widersacher, Weiber, Schulden,
ach! kein Ritter wird sie los.
 

Sendschreiben
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Mein altes Evangelium
bring’ ich dir hier schon wieder;
doch ist mir’s wohl um mich herum,
darum schreib’ ich dir’s nieder.
 
 
Ich holte Gold, ich holte Wein,
stellt’ alles da zusammen;
da, dacht’ ich, da wird Wärme sein,
geht mein Gemäld’ in Flammen!
Auch tät’ ich bei der Schätze Flor
viel Glut und Reichtum schwärmen;
doch Menschenfleisch geht allem vor,
um sich daran zu wärmen.
 
 
Und wer nicht richtet, sondern fleißig ist,
wie ich bin und wie du bist,
den belohnt auch die Arbeit mit Genuß;
nichts wird auf der Welt ihm Überdruß.
Denn er blecket nicht mit stumpfem Zahn
lang’ Gesottnes und Gebratnes an,
das er, wenn er noch so sittlich kaut,
endlich doch nicht sonderlich verdaut;
sondern faßt ein tüchtig Schinkenbein,
haut da gut taglöhnermäßig drein,
füllt bis oben gierig den Pokal,
trinkt, und wischt das Maul wohl nicht einmal.
 
 
Sieh, so ist Natur ein Buch lebendig,
unverstanden, doch nicht unverständlich;
denn dein Herz hat viel und groß Begehr:
was wohl in der Welt für Freude wär’,
allen Sonnenschein und alle Bäume,
alles Meergestad’ und alle Träume
in dein Herz zu sammeln miteinander,
wie die Welt durchwühlend Banks, Solander.
 
 
Und wie muß dir’s werden, wenn du fühlest,
daß du alles in dir selbst erzielest,
Freude hast an deiner Frau und Hunden,
als noch keiner in Elysium gefunden.
Als er da mit Schatten lieblich schweifte
und an goldne Gottgestalten streifte.
Nicht in Rom, in Magna Gräcia;
dir im Herzen ist die Wonne da!
Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,
find’t im Stengelglas wohl eine Welt.
 

Wirkung in die Ferne
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Die Königin steht im hohen Saal,
da brennen der Kerzen so viele;
sie spricht zum Pagen: „Du läufst einmal
und holst mir den Beutel zum Spiele.
Er liegt zur Hand
auf meines Tisches Rand.“
Der Knabe, der eilt so behende,
war bald an Schlosses Ende.
 
 
Und neben der Königin schlürft’ zur Stund’
Sorbet die schönste der Frauen.
Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,
es war ein Greuel zu schauen.
Verlegenheit! Scham!
Ums Prachtkleid ist’s getan!
Sie eilt und fliegt so behende
entgegen des Schlosses Ende.
 
 
Der Knabe zurück zu laufen kam
entgegen der Schönen in Schmerzen;
es wußt es niemand, doch beide zusamm’,
sie hegten einander im Herzen;
und o des Glücks,
des günst’gen Geschicks!
Sie warfen mit Brust sich zu Brüsten
und herzten und küßten nach Lüsten.
 
 
Doch endlich beide sich reißen los;
sie eilt in ihre Gemächer;
der Page drängt sich zur Königin groß
durch alle die Degen und Fächer.
Die Fürstin entdeckt
das Westchen befleckt:
für sie war nichts unerreichbar,
der Kön’gin von Saba vergleichbar.
 
 
Und sie die Hofmeisterin rufen läßt:
„Wir kamen doch neulich zu Streite,
und Ihr behauptetet steif und fest,
nicht reiche der Geist in die Weite;
die Gegenwart nur,
die lasse wohl Spur;
doch niemand wirk’ in die Ferne,
sogar nicht die himmlischen Sterne.
 
 
„Nun seht! Soeben ward mir zur Seit’
der geistige Süßtrank verschüttet,
und gleich darauf hat er dort hinten so weit
dem Knaben die Weste zerrüttet. —
Besorg’ dir sie neu!
Und weil ich mich freu’,
daß sie mir zum Beweise gegolten,
ich zahl’ sie! sonst wirst du gescholten.“
 

Schneider-Kourage
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
„Es ist ein Schuß gefallen!
Mein; sagt, wer schoß da drauß’?“
Es ist der junge Jäger,
der schießt im Hinterhaus.
 
 
Die Spatzen in dem Garten,
die machen viel Verdruß.
Zwei Spatzen und ein Schneider,
die fielen von dem Schuß;
 
 
Die Spatzen von den Schroten,
der Schneider von dem Schreck;
die Spatzen in die Schoten,
der Schneider in den – .
 

Pegasus im Joche
von
Friedrich von Schiller

 
Auf einem Pferdemarkt – vielleicht zu Haymarket,
wo andre Dinge noch in Ware sich verwandeln,
bracht’ einst ein hungriger Poet
der Musen Roß, es zu verhandeln.
 
 
Hell wieherte der Hippogryph,
und bäumte sich in prächtiger Parade!
Erstaunt blieb jeder stehn und rief:
Das edle, königliche Tier! Nur schade,
daß seinen schlanken Wuchs ein häßlich Flügelpaar
entstellt! Den schönsten Postzug würd’ es zieren.
Die Rasse, sagen sie, sei rar,
doch wer wird durch die Luft kutschieren?
Und keiner will sein Geld verlieren.
Ein Pachter endlich faßte Mut.
„Die Flügel zwar,“ spricht er, „die schaffen keinen Nutzen;
doch die kann man ja binden oder stutzen,
dann ist das Pferd zum Ziehen immer gut.
Ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen.“
Der Täuscher, hoch vergnügt, die Ware loszuschlagen,
schlägt hurtig ein. „Ein Mann, ein Wort!“
Und Hans trabt frisch mit seiner Beute fort.
 
 
Das edle Tier wird eingespannt;
doch fühlt es kaum die ungewohnte Bürde,
so rennt es fort mit wilder Flugbegierde
und wirft, von edelm Grimm entbrannt,
den Karren um an eines Abgrunds Rand.
„Schon gut,“ denkt Hans. „Allein darf ich dem tollen Tiere
kein Fuhrwerk mehr vertraun. Erfahrung macht schon klug,
doch morgen fahr’ ich Passagiere,
da stell’ ich es als Vorspann in den Zug.
Die muntre Krabbe soll zwei Pferde mir ersparen;
der Koller gibt sich mit den Jahren.“
 
 
Der Anfang ging ganz gut. Das leichtbeschwingte Pferd
belebt der Klepper Schritt, und pfeilschnell fliegt der Wagen.
Doch was geschieht? Den Blick den Wolken zugekehrt
und ungewohnt, den Grund mit festem Huf zu schlagen,
verläßt es bald der Räder sichre Spur,
und, treu der stärkeren Natur,
durchrennt es Sumpf und Moor, geackert Feld und Hecken,
der gleiche Taumel faßt das ganze Postgespann,
kein Rufen hilft, kein Zügel hält es an,
bis endlich, zu der Wandrer Schrecken,
der Wagen, wohlgerüttelt und zerschellt,
auf eines Berges steilem Gipfel hält.
 
 
„Das geht nicht zu mit rechten Dingen,“
spricht Hans mit sehr bedenklichem Gesicht.
„So wird es nimmermehr gelingen;
laß sehn, ob wir den Tollwurm nicht
durch magre Kost und Arbeit zwingen.“
Die Probe wird gemacht. Bald ist das schöne Tier,
eh noch drei Tage hingeschwunden,
zum Schatten abgezehrt. „Ich hab’s, ich hab’s gefunden!“
ruft Hans. „Jetzt frisch, und spannt es mir
gleich vor den Pflug mit meinem stärksten Stier.“
 
 
Gesagt, getan. In lächerlichem Zuge
erblickt man Ochs und Flügelpferd am Pfluge.
Unwillig steigt der Greif und strengt die letzte Macht
der Sehnen an, den alten Flug zu nehmen.
Umsonst, der Nachbar schreitet mit Bedacht,
und Phöbus’ stolzes Roß muß sich dem Stier bequemen,
bis nun, vom langen Widerstand verzehrt,
die Kraft aus allen Gliedern schwindet,
von Gram gebeugt das edle Götterpferd
zu Boden stürzt, und sich im Staube windet.
 
 
„Verwünschtes Tier!“ bricht endlich Hansens Grimm
laut scheltend aus, indem die Hiebe flogen.
„So bist du denn zum Ackern selbst zu schlimm,
mich hat ein Schelm mit dir betrogen.“
 
 
Indem er noch in seines Zornes Wut
die Peitsche schwingt, kommt flink und wohlgemut
ein lustiger Gesell’ die Straße hergezogen.
Die Zither klingt in seiner leichten Hand,
und durch den blonden Schmuck der Haare
schlingt zierlich sich ein goldnes Band.
„Wohin, Freund, mit dem wunderlichen Paare?“
ruft er den Baur von weitem an.
„Der Vogel und der Ochs an einem Seile,
ich bitte dich, welch ein Gespann!
Willst du auf eine kleine Weile
dein Pferd zur Probe mir vertraun?
Gib acht, du sollst dein Wunder schaun.“
 
 
Der Hippogryph wird ausgespannt,
und lächelnd schwingt sich ihm der Jüngling auf den Rücken.
Kaum fühlt das Tier des Meisters sichre Hand,
so knirscht es in des Zügels Band,
und steigt, und Blitze sprühn aus den beseelten Blicken.
Nicht mehr das vor’ge Wesen – königlich,
ein Geist, ein Gott, erhebt es sich,
entrollt mit einem Mal in Sturmes Wehen
der Schwingen Pracht, schießt brausend himmelan,
und eh der Blick ihm folgen kann,
entschwebt es zu den blauen Höhen.
 

Der geplagte Bräutigam
von
Theodor Körner

 
Im ganzen Dorfe geht’s Gerücht,
daß ich um Greten freie;
sie aber läßt das Tändeln nicht,
die Falsche, Ungetreue! —
Denn Nachbar Kunzens langer Hans
führt alle Sonntag’ sie zum Tanz
und kommt mir ins Gehege —
– Man überlege! —
 
 
Auf künft’ge Ostern wird’s ein Jahr,
da faßt’ ich mich in Kürze —
und kaufte ihr (das Ding war rar)
ein Band zur neuen Schürze;
und an dem zweiten Feiertag,
just mit dem neunten Glockenschlag,
bracht’ ich ihr mein Geschenke —
– Man denke! —
 
 
Ich hatte nämlich räsonniert
den Tag vorher beim Biere:
wenn ich sie mit dem Band geziert
zum Abendtanze führe,
so sag’ ich alles lang und breit,
und breche die Gelegenheit
im Fall der Not vom Zaune —
– Man staune! —
 
 
Drauf hatt’ ich mich schön angetan,
als ging’s zum Hochzeitsfeste!
Ich zog die neuen Stiefeln an,
und meines Vaters Weste;
doch als ich kam vor Gretens Haus,
war auch der Vogel schon hinaus
mit Hansen in die Schenke —
– Man denke! —
 
 
Das faßte mich wie Feuerbrand,
der Zunder mußte fangen;
da kam, um seinen Hut mein Band,
der Musjö Hans gegangen;
nun sprüht’ ich erst in voller Wut,
er wurde grob – und kurz und gut
ich kriegte derbe Schläge —
– Man überlege! —
 
 
Den Tag darauf an Gretens Tür
lauscht’ ich als Ehrenwächter.
Da schallte aus dem Garten mir
ein gellendes Gelächter.
Und als ich habe hingeschaut,
da saß denn meine schöne Braut
mit Hansen hinter’m Zaune —
– Man staune! —
 
 
Das fuhr mir arg durch meinen Sinn,
das Wort blieb in der Kehle;
des andern Morgens ging ich hin,
und hielt ihr’s vor die Seele;
und sagt’ ihr’s endlich grad heraus:
„Hör’, Grete, mach’ mir’s nicht zu kraus,
sonst geh’ ich meiner Wege.“ —
– Man überlege! —
 
 
Da lachte sie mir in’s Gesicht
und kehrte mir den Rücken.
Ja, wenn der Hans den Hals nicht bricht,
so reiß’ ich ihn in Stücken!
Sonst bringt sie es gewiß so weit,
daß ich mich noch bei guter Zeit
im nächsten Teich ertränke! —
– Man denke! —
 

Des Feldpredigers Kriegstaten
von
Theodor Körner

 
Ich bin bei englischem Rindfleisch erzogen
und habe bei englischem Biere studiert;
der Herr General war mir gewogen,
drum ward ich zum Feldprediger avanciert;
denn der Mensch muß etwas versuchen und wagen,
drum sitz’ ich hier auf dem Bagagewagen.
 
 
Bin in Portugal nun Soldaten-Pastor
und predige über Ach und Weh,
und warne vor Trunkenheit und Laster
die reuige, aber besoffne Armee!
Pfleg’ aufs Beste die Kehl’ und den Magen,
und sitze hier auf dem Bagagewagen.
 
 
Gestern war eine große Bataille,
es kam zu einer blutigen Schlacht!
Wir fochten alle en canaille,
ich hätt’ es kaum als möglich gedacht.
Der Franzose ward aufs Haupt geschlagen,
und ich saß auf dem Bagagewagen.
 
 
Es ward erschrecklich viel Blut vergossen,
ich kam in den größten Embarras;
die Feinde hatten einen Bock geschossen,
und wir, wir schossen Viktoria.
Der gehört zu meinen glorreichsten Tagen,
denn ich saß auf dem Bagagewagen.
 
 
Ich sehe schon die Haufen Gedichte,
die man uns Helden wird billig weihn!
Wir glänzen ewig in der Geschichte
und ziehn in die Unsterblichkeit ein.
Und von mir auch wird man singen und sagen:
Ja! der saß auf dem Bagagewagen!
 

Wandrer und Mädchen
von
Ludwig Achim von Arnim

 
Wie glänzt mir jede Stadt so hell,
wo mir kein Haus gebauet,
wo ich als wandernder Gesell
mich lustig umgeschauet;
wenn in der leichten Abendtracht
die Mädchen in den Türen,
weil sie vom hellen Mond bewacht,
so manchen Mutwill spüren.
 
 
Sie: „Hilf Gott,“ so spricht mich eine an,
„das nenne ich noch gähnen,
bist du nicht auch ein Leiermann,
sing mir von Lust und Tränen! —
Sing langsam, daß ich’s von dir lern,
ich will’s dem Liebsten singen,
das Wetter leuchtet still von fern,
die Grillen Ständchen bringen.“
 
 
Ich sing von einem Ort im Rhein,
da liegen große Glocken,
und wird im Jahr ein edler Wein,
da stehen sie ganz trocken,
und schlagen drauf die Schiffer an,
da rufen sie nach Weine;
ich bin ein durst’ger Leiermann
und habe müde Beine.
 
 
Sie: „Hier hast du eine Flasche Wein,
und hier die Bank von Steinen,
und denke, du säßest hier am Rhein
und tränkst von edlen Weinen;
und greif mir nicht nach meinem Arm,
ich wärm ihn in der Schürze,
und singe mir, es ist nicht warm,
und mir die Zeit verkürze.“ —
 
 
Am Rheine war ein geiz’ger Abt,
der gönnt es nicht den Leuten,
daß sie an Trauben sich erlabt,
wenn sie zur Lese schreiten;
darum erfand der list’ge Mann,
sie mußten immer singen:
dieweil dann keiner essen kann,
und in die Butten springen.
 
 
So soll ich singen vor der Tür,
und möcht’ dich lieber küssen,
o Mädchen, nimm mich doch zu dir,
und morgen will ich grüßen,
mit allem süßen Zaubersang,
geschöpft aus deinem Munde,
jetzt schweigt mein Mund in Liebesdrang,
der Wächter ruft die Stunde.
 
 
Sie: „Der Wächter singt sein Verslein gut,
so gut magst du nicht singen,
er hat so einen tapfern Mut
und kann Gespenster zwingen.
Er hat gar ein gewaltig Horn
und bläst recht mit zum Spaße,
sein’ Lieb’ zu mir hat grimmen Zorn,
darum zieh deine Straße.“
 
 
Als ich die Warnung kaum vernehm,
hör ich die Hunde heulen,
da ist’s auch mir so unbequem,
daß ich davon muß eilen:
ich seh’ den Wächter an der Tür,
er tut mein Mädchen küssen,
doch hat sie drauf, das glaubet mir,
die Tür ihm zugeschmissen.
 
 
Und wie er nun in seinem Grimm,
und ich in meinem Lachen,
da ruft er mir mit starker Stimm’:
„Was hast du nachts zu machen?“ —
„Die Lieb’ ist leer, die Flasch’ ist aus,
auf dir sei sie zerschmissen!“
Das tat ich und sie lacht’ im Haus;
dann bin ich ausgerissen.