Reiten ohne Gebiss

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Was wählt das Pferd?

Warum sollten wir überhaupt mit Gebiss reiten, wenn es doch auch ohne geht? Das ist eine wichtige Frage. Wenn wir verstehen, dass die Voraussetzung für gutes Training die innere Einstellung zum Pferd ist, gepaart mit gut ausgeprägtem Gefühl und gut entwickeltem Timing für die Signale, dann machen wir uns ein bisschen unabhängiger von den äußeren Elementen und Werkzeugen.

Ich möchte meinen Pferden eine so vielseitige Ausbildung wie möglich bieten können und reite daher manchmal mit Gebiss. Meine Pferde senken den Kopf und öffnen das Maul, wenn ich das Gebiss hinhalte. Die Voraussetzung dafür ist, dass man keine Angst vor dem Gebiss entstehen lässt und mit konsequent weicher, freundlicher Zügelführung arbeitet.

Meine Erfahrung ist, dass viele Pferde sich sehr gut und entspannt mit einer einfachen Trense ohne Reithalfter bewegen, solange sie in korrekter Haltung und mit dem Nasenrücken vor der Senkrechten geritten werden. Die Bewegung des Kiefergelenks wird in keiner Weise eingeschränkt. Am losen Zügel bewegen sich unsere Pferde, je nach Gebäude, Talent, natürlicher Balance und Ausbildungsstand, mehr oder weniger biomechanisch korrekt. Um das Pferd optimal unterstützen zu können, ist es hilfreich herauszufinden, womit das individuelle Tier am besten zurechtkommt. Das kann − muss aber nicht – gebisslos sein.

Ich kenne Pferde, die am entspanntesten mit Gebiss gehen, und Pferde, die das Gebiss überhaupt nicht mögen. Der mutige Reiter geht deshalb nicht nach dem Trend und fragt nicht seine Clique, welche Zäumung passend oder politisch korrekt wäre, sondern sein eigenes Pferd. Es ist jedoch nicht leicht, in einem traditionellen Stall gebisslos zu reiten und dadurch vielleicht als „Hippie“ angesehen zu werden – es ist aber richtig und mutig, wenn das Pferd so am glücklichsten ist.

Ich kenne eine Pferdebesitzerin, die gebeten wurde, den Stall zu wechseln, da sie ihr Pferd gebisslos am losen Zügel ruhig und kontrolliert in der Reithalle des Anwesens ritt. Ihr wurde das Ultimatum gestellt, entweder „richtig“ mit Gebiss und Nasenriemen zu reiten oder umzuziehen. Sie wählte zum Vorteil ihres Pferdes einen neuen Stall.

Umgekehrt kann es auch schwer sein, in der gebisslosen Gruppe plötzlich mit Gebiss reiten zu wollen und mit sorgenvollen oder verständnislosen Blicken bedacht zu werden oder sich im schlimmsten Fall, als Tierquäler abgestempelt, allein mit seinem Pferd im Wald wiederzufinden – weil die anderen mit „so einem“ nicht reiten wollen.

Mein Tipp: Frage dein Pferd und gehe nicht nach der Mode, die sowieso beide Richtungen propagiert. Was wählt das Pferd? Womit geht dein vierbeiniger Freund am zufriedensten?


Hündin Bonita, Dion und Ute.

Achtung – Fallgrube!

Wenn Reiter erleben, dass ihr Pferd besonders „gut“ – das bedeutet schnell und leicht − auf ein Signal reagiert, glauben manche, dass das Pferd die Zäumung mag, da sich das Reiten „leichter“ anfühlt. Es ist dann wichtig, sich die Sache objektiv vom Boden aus anzusehen und den Ausdruck des Pferdes und die Positionierung von Kopf und Hals in den Übungen miteinzubeziehen. Dies tun wir dem Pferd zuliebe, damit wir nicht, geblendet von dem guten Respons, übersehen, dass das Pferd vielleicht einem harten, unangenehmen Druck ausweicht und daher weniger Kontakt mit dem Zügel sucht.

Ich habe oft Reiter sagen hören, das Pferd gehe so gut mit dem neuen Gebiss. Manchmal ist das der Neuheitswert, weil sich das Signal einfach anders anfühlt und daher Aufmerksamkeit erregt. Manchmal ist es auch ein dünneres oder unflexibleres Gebiss, das mehr Druck ausübt, oder ein anderes Material, das Aufmerksamkeit auslöst.

Missverständnisse und Fakten


Der Fressreflex

Dass Pferde alles, was sie in den Mund nehmen, aus Reflex als Futter klassifizieren, bezweifle ich ein wenig. Mehrere unserer Pferde tragen Sachen durch die Gegend, spielen mit Leder oder Stoff, sammeln Gerten und Handschuhe auf oder kauen und zupfen am Zaundraht, wenn dieser aus Versehen mal keinen Strom führt. Die Herde steht das ganze Jahr über im Offenstall zusammen: fünf Pferde auf sechs Hektar Wiese und Spielfläche – mit unbegrenztem Zugang zu Heu und Zweigen.

Dass eines dieser Pferde zum Beispiel einen Strick aufsammelt, komplett durchkaut und wieder ausspuckt, ist meiner Meinung nach kein Versehen. Das Pferd denkt nicht, dass dies etwas Essbares wäre: Es macht das aus Spaß und aus Neugierde. Pferde haben einen fantastisch ausgeprägten Geruchssinn und ein feines Gespür in den Maulhaaren. Sie sind durchaus in der Lage, Nahrung, die gegessen wird (Speichelproduktion), von Spielzeug, das eben nur gründlich untersucht oder herumgetragen wird, zu unterscheiden. Zwei unserer Pferde spielen oft mit Stöcken, die sie aufsammeln und herumschleudern, und manchmal zieht sogar ein Pferd an jedem Ende des Stocks.

Wir haben auch eine alte Boje als Spielzeug auf der Koppel, die plötzlich eines Abends großes Interesse hervorrief, als eines der Pferde sich eine kleine Show für die anderen ausdachte: So sah es auf jeden Fall von Weitem aus. In Wirklichkeit hat es ihm wohl einfach Spaß bereitet.

Woodstock, der 15-jährige Norweger-Araber, trabte auf einmal mit der Boje im Maul in Zirkeln herum, schleuderte sie weg mit einem Kopfnicken, trabte hinterher, um sie wieder aufzusammeln, und fing wieder von vorn an. Die anderen vier Wallache standen alle in einer Gruppe zusammen und sahen zu. Diese Beobachtungen zeigen, dass Pferde ihr Maul auch für andere Dinge benutzen als nur zur Nahrungsaufnahme.

http://youtu.be/lu5NG50p3yo

Der Kontrollverlust

Ein anderer Mythos ist, dass das Pferd schwerer zu kontrollieren sei ohne Gebiss. Das kommt nach meiner Erfahrung nur auf die Grundausbildung und Routine an – von Pferd und Reiter. Ich habe oft das Gegenteil erlebt, da viele Pferde das Gebiss mit unangenehmen oder gar unkontrollierten, stressigen Situationen verbinden und daher instinktiv versuchen wegzulaufen. Entfernt man das Gebiss, kann man sozusagen wieder neu anfangen, positive Erlebnisse mit dem Training, dem Reiter und dem Zügelsignal zu verbinden.

Wenn eine weiche Zäumung nicht funktioniert, gebrauche eine schärfere

Fast alle Listen von gebisslosen Zäumungen basieren interessanterweise auf dieser Einstellung. Im guten Glauben, etwas Weiches und Freundliches anzuschaffen, stutzen anscheinend viele Pferdefreunde nicht über die scheinheiligen Anweisungen der Hersteller, die „für unempfindliche Pferde“ oder „bei Ausbleiben des gewünschten Effekts“ die schärferen Maßnahmen (Knoten, Noppen, Hebel etc.) vorgesehen haben und das auch so empfehlen. Dies sollte genauso viel Empörung auslösen wie die Idee, dass ein Pferd, das der Reiter auf einfache Trense nicht anhalten kann, eine Kandare ins Maul gehängt bekommt. Denn die Einstellung dem Pferd gegenüber ist die gleiche.

Wenn das Pferd auf eine weiche Zäumung nicht reagiert, bedeutet das nicht, dass es den Druck oder die Berührung nicht spürt. Daher ist es nicht nötig, den Druck schärfer, härter, unangenehmer zu machen – außer man meint, Pferde seien mehr motiviert, wenn sie „angeschrien“ werden. Was man ansonsten tun kann, findet sich auf Seite 76 ff..

Damit ist nicht gesagt, dass die Anwendung von Knotenhalftern, Hebelzäumungen und anderem unethisch ist. Denn diese Hilfsmittel können in der richtigen Hand gute Resultate erzielen: Korrekt eingesetzt werden sie keinen Schaden anrichten. Es kommt eben wieder auf das richtige Training an und nicht auf die Ausrüstung.

BESTRAFUNGEN

„Wenn ein Tier von Anfang an korrekt trainiert wurde, gibt es keinen Grund für Bestrafungen im Training. Bestrafungen sind in der Regel ein Merkmal von verwirrenden Trainingsprogrammen. Wenn das Pferd seine Verwirrung ausdrückt durch sogenanntes Konfliktverhalten und eventuell gegen den Druck angeht, machen manche Trainer den großen Fehler, dieses als ungezogenes oder respektloses Verhalten anzusehen, welches Bestrafung erfordert oder sogar verdient.“ (Dr. Andrew McLean, PhD Equine cognition and learning, www.aebc.com.au)

Trainieren ohne Schmerzen

Ein Gebiss tut weh, wenn wir am Zügel zerren. Ein weiches Stallhalfter tut bei gleichem Kraftaufwand sehr wahrscheinlich weniger weh. Das setzt allerdings ein weitaus besser trainiertes Pferd voraus.

Es ist richtig, dass das Gebiss punktuellen Druck auf Nerven legt – das tut ein Halfter allerdings auch. Wir müssen reiten lernen und den Umgang mit dem Pferd immer wieder überdenken – egal ob mit oder ohne Gebiss. Ob eine gebisslose Zäumung mit Hebeln und ungepolstertem Nasenband mehr oder weniger wehtut als ein Gebiss, empfindet jedes Pferd anders und ist jeweils individuell zu beurteilen.

 

Das Reiten in schädlichen und zu engen Positionen kommt leider auch bei gebisslosem Reiten vor. Manchmal ziehen Pferde sogar den Nasenrücken noch mehr ein, wenn hier Druck ausgeübt wird. Leider habe ich in meiner 20-jährigen Laufbahn als Vollzeitinstrukteurin einige Equipagen gesehen, bei denen sich das Pferd am strammen Zügel mit einem Sidepull, Schnurhalfter oder mechanischen Hackamore weit hinter die Senkrechte verkriecht. Auch heutzutage gibt es Bilder, auf denen Pferde mit verschiedenen gebisslosen Zäumungen und hartem konstanten Zügelzug hinter die Senkrechte gezerrt werden − oft um ein Gefühl der Kontrolle aufrechtzuerhalten. Ein Pferd, das überbogen und zusammengerollt gehen muss, hat Schmerzen im Körper – egal ob mit oder ohne Gebiss.


Zufriedenes Pferd in gesunder Arbeitshaltung mit kolumbianischen Bosal.

Auch Pferde, die ausschließlich am losen Zügel geritten werden, können Schäden davontragen − durch Überbelastung der Vorderbeine, wenn das Pferd nur vorlastig geht, oder des Rückens, wenn das Pferd lange Zeit mit weggedrücktem Rücken und hohem Hals durch die Gegend spaziert. Diese Schäden sind jedoch oft erst später im Verlauf festzustellen und werden dann leider nicht immer mit dem eigenen Reitstil in Verbindung gebracht.

Um physische Schmerzen im Training auszuschließen, ist es sehr wichtig, sich ein umfassendes Wissen anzueignen über die Funktionen des Pferdekörpers, die Biomechanik und die Anatomie. Es genügt nicht, dass man sein Pferd lieb hat – aus Unwissenheit zugefügte Schmerzen tun auch weh.

Wichtige Aspekte der Anatomie des Pferdekopfes


(Zeichnung: Susanne Retsch-Amschler)


Die Löcher im Cranium, aus denen Nervenbündel austreten, sind sehr empfindliche Stellen.

Gesichtsnerven

Ganz wichtig ist es für alle Reiter, die gern gebisslos reiten möchten, sich die Bereiche der Gesichtsnerven und Muskeln anzusehen und einzuprägen. Das Band, das um den Pferdekopf gespannt wird, darf nicht auf den sehr empfindlichen Nervenbündeln liegen, die in der Nähe des Jochbeins in Richtung Nasenrücken aus dem Schädel heraustreten. Das Loch kann man deutlich auf dem Bild sehen.

Daher kommt übrigens die bekannte Regel, dass Reithalfter zwei bis drei Fingerbreit unter dem Jochbein liegen sollten. Das Reithalfter oder der Nasenriemen liegen jedoch immer auf den Gesichtsnerven auf, und von daher sollten wir versuchen, scharfe ruckartige Signale auf jeden Fall zu vermeiden.

Gesichtsmuskeln

Die Öffnung der Nüstern führt weit hinauf Richtung Nasenrücken. Das Pferd öffnet bei physischer Belastung mithilfe von verschiedenen Gesichtsmuskeln die Nasenlöcher ganz weit und bläht die Nüstern auf, um mehr Luft in die Lungen strömen lassen zu können.

Diese Muskeln können nur eingeschränkt arbeiten, wenn ein eng geschnallter Riemen anliegt, da die Muskeln sehr dicht am Knochen liegen. Am meisten behindert jedoch ein tief liegendes Halfter die Atmung, da an dieser Stelle nur noch ein weicher Knorpel sitzt und die Nasenlöcher trichterförmig bis weit oben ausgeweitet werden. Dies ist mit einem zu tief liegenden engen Halfter oder Kappzaum nicht möglich.


Ausweiten der Nüstern. (Foto: Ute Lehmann)

Knochen und Bindegewebe, Gelenke

Der Ausläufer des Nasenbeins ist dünn und zerbrechlich. Es werden häufiger Frakturen vorgefunden, die von zu strammen Sperrhalftern oder anderen Nasenriemen, mechanischen Hackamores und so weiter stammen. Das Kiefergelenk ist in entspanntem Zustand leicht geöffnet, das bedeutet, dass die obere und untere Zahnreihe sich nicht berühren. Um die Zähne aufeinanderzupressen, muss das Pferd die Muskeln um das Kiefergelenk anspannen. Verschnallen wir das Halfter zu eng, bedeutet das permanenten Stress für das Kiefergelenk. Die Muskeln werden müde und verspannen sich. Das überträgt sich in die Genick- und Halsmuskulatur.

Wir können das selbst ausprobieren: Versuchen wir einmal nachzuspüren, ob sich unsere Zahnreihen berühren, wenn wir ganz entspannt dasitzen und tief ein- und ausatmen: Dann sollte der Kiefermuskel sich entspannen und ein wenig Zwischenraum zwischen den Zähnen lassen. Wenn wir jetzt die Zähne fest aufeinanderpressen und das Kinn Richtung Brust rollen, entsteht nach kurzer Zeit eine unangenehme Spannung im Nacken.

Der Nasenriemen muss daher unbedingt erlauben, dass Platz zwischen der oberen und unteren Reihe der Schneidezähne ist. Ein herzhaftes Gähnen ist übrigens selbst mit korrekt verschnallten Halftern und gebisslosen Zäumungen nicht möglich – da muss statt den üblichen zwei Fingern (Minimum!) zwischen Nasenband und Nasenrücken mindestens eine ganze Hand hineinpassen. Das Gähnen ist wiederum möglich beim Reiten mit Trense ohne Sperrhalfter. Auch bei korrekt verschnalltem Kappzaum in diesem Beispiel kann das Pferd das Kiefergelenk zum Gähnen nicht ausstrecken.


Obwohl dieses weiche Lederpluvinel korrekt verschnallt ist …


… erlaubt es nur ein begrenztes Öffnen des Kiefergelenks (bemerke den schmalen Raum zwischen den hinteren Backenzähnen).


So weit öffnet ein Pferd das Maul zum Gähnen!


In der Mitte des Nasenbeins als feine Linie sichtbar: die Bindegewebsnaht Sutura internasalis. (Zeichnung: Susanne Retsch-Amschler)

Betrachtet man das Nasenbein anatomisch, wird deutlich, dass es aus zwei nebeneinanderliegenden Knochen besteht, die durch eine Form von Bindegewebe zusammengesetzt sind. Untersuchungen zeigen, dass diese Bindegewebsnaht (Sutura internasalis) in manchen Fällen durch eine sehr kräftige seitliche Zügeleinwirkung aufreißen kann, wodurch die zwei Seiten teilweise separiert werden können. Das ist sehr schmerzhaft für das Pferd, und das Nasenbein ist über längere Zeit instabil. Dieser Schaden ist nicht erkennbar auf Röntgenbildern und wird daher offenbar oft nicht weiter berücksichtigt. Sollte das Pferd unter wiederkehrenden Nasennebenhöhleninfektionen leiden, kann ein Schaden oder eine Blockade in diesem Bereich vorliegen, die beispielsweise osteopathisch behandelt werden sollte.

Damit wird noch einmal deutlich, dass wir auch sehr vorsichtig mit dem Druck auf den Pferdekopf von außen umgehen müssen – und im Zweifelsfall immer lieber ein bisschen langsamer vorgehen!


Die Laden sind die freien Bereiche zwischen den Schneide- und den Backenzähnen. Hier ist der Unterkiefer von oben vorne zu sehen. Deutlich treten die scharfen Kanten der Laden hervor.


Das Halfter drückt die empfindliche Backenschleimhaut gegen die obere Zahnreihe, die nach außen hin oft Zahnspitzen aufweist.

Maul

Wie wir heute wissen, ist die Anatomie in den Pferdemäulern genauso individuell wie das Äußere. Allein schon die Zunge kann unterschiedlich breit und dick sein, was einem Gebiss im Mund mehr oder weniger oder eben gar keinen Platz lässt. Auch die Laden des Unterkiefers sind manchmal sehr eng oder breit und oft scharfkantig, was die Einwirkung des Gebisses sehr unangenehm machen kann.

Einige Tierärzte und Zahnspezialisten empfehlen daher, die Anatomie des Pferdemauls am sedierten Pferd zu untersuchen, da das Maul hier komplett entspannt ist und das Pferd keine Kaubewegungen macht. So kann die Form, Größe und Lage des Gebisses individuell angepasst werden, oder es wird festgestellt, dass eine gebisslose Zäumung die beste Lösung für das Pferd ist.

Zähne

Oft wird gesagt, dass man in der Zeit des Zahnwechsels gebisslos reiten sollte, um das Maul zu schonen. Hier möchte ich Folgendes zu bedenken geben: Es ist wichtig zu berücksichtigen, wann das junge Pferd die Backenzähne wechselt: Beim Wechsel der Backenzähne werden die Milchzähne als Kappen von den bleibenden Zähnen he-rausgeschoben. Selbst wenn keine Kappe hängen geblieben ist oder sich verkeilt hat, kommen die neuen, bleibenden Zähne doch mit sehr scharfen Kanten heraus und können Wunden in der Backenschleimhaut verursachen, wenn von außen ein Halfter dagegendrückt.


Die bunten Pfeile zeigen den Zahnwechsel. Die grauen Pfeile zeigen auf die Backenzähne, die keine Milchzähne als Vorläufer haben.

Der Wechsel der Backenzähne verläuft normalerweise zwischen zweieinhalb und fünf Jahren. In dieser Periode ist eine halbjährliche Kontrolle anzuraten, da hängengebliebene Milchzahnkappen zu Zahnstellungsproblemen führen können.Im Alter von circa zweieinhalb Jahren wechseln die vordersten Schneidezähne und die ersten Backenzähne, mit circa drei Jahren die zweiten Backenzähne, mit circa dreieinhalb Jahren die zweiten Schneidezähne und die dritten Backenzähne, und mit circa viereinhalb Jahren die dritten Schneidezähne. Wie auf dem Foto zu sehen ist, ist besondere Rücksicht geboten in der Zeit des Wechsels vom ersten und zweiten Backenzahn, da ein Halfter oder gebissloses Kopfstück dort anliegen wird.

 

Ich habe jedoch auch erlebt, dass Pferde – wie kleine Kinder – vom Zahnwechsel generell beeinträchtigt sind, und achte immer darauf, ob eine etwaige Unwilligkeit des jungen Pferdes eventuell daher kommt. Im Zahnwechselalter passiert sehr viel im Pferdemund, und wir dürfen das Pferd in dieser Zeit nicht überfordern. In der Wechselperiode, die mithilfe eines Tierarztes oder eines Pferdedentalpraktikers bestimmt werden kann, kann es ein Vorteil sein, das junge Pferd statt gebisslos lieber mit einer weichen einfachen Trense zu reiten – aber ohne Sperrhalfter.

Alle Pferde, die mit Halftern oder Trensen gearbeitet oder auch nur geführt werden, sollten regelmäßig zur Zahnpflege – im Durchschnitt mindestens einmal pro Jahr. Es ist übrigens ein Mythos, dass Pferde, die gebisslos geritten werden, keine Zahnpflege brauchen. Ich würde fast das Gegenteil behaupten: Viele Wunden im Pferdemaul werden durch die Zahnspitzen der oberen Zähne verursacht, wenn Druck von außen an die Pferdebacken kommt.

Ich habe eine Bekannte, die viele Jahre in der Überzeugung gebisslos geritten ist, dass sie damit dem Pferd nicht wehtun würde. Leider hatte sie das Sidepull nicht weit genug geschnallt und dem Tierarzt vertraut, der meinte, dass eine Zahnbehandlung nicht nötig sei, wenn sie gebisslos und „nur“ im Wald reite. Als ich sie an meine Pferdedentalpraktikerin verwiesen habe, da das Pferd sich bei Zügelkontakt deutlich im Genick verwarf, wurden zum Entsetzen der Besitzerin mehrere offene Wunden in der inneren Backenschleimhaut gefunden, hervorgerufen von scharfen Zahnspitzen und Druck vom Kopfstück durch den seitlichen Zügelanzug von außen.


Backenschleimhaut mit Läsionen. (Foto: Mai Nicholaisen)

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