Cork, noch mehr Mord

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Und Mick ergänzte: »Und drinnen herrschen Abgründe.«



»Prost«, sagte Kevin und erhob sein Glas. »Wisst ihr eigentlich, warum man Kürbisse aushöhlte, damit sie wie Fratzen aussehen?«



Die anderen lachten, schüttelten verneinend den Kopf.



»Dann habe ich eine schöne Legende für euch«, ergriff Daniel erneut das Wort. »Hört zu! Sie geht auf Jack O’Lantern zurück. Jack der Hufschmied war ein schlimmer Trinker, jeden Abend saß er in der Dorfkneipe. Auf einmal stand der Teufel neben ihm, das soll am 31. Oktober gewesen sein. ›Es ist Zeit‹, sagte der Teufel, dass ich dich in die Hölle hole.



Jack war sehr gewitzt, überlegte fieberhaft, wie er dem Teufel ein Schnippchen schlagen könnte. So bat er ihn um ein letztes Glas Bier. Als Gegenleistung würde der Teufel dann seine Seele bekommen.



Der Teufel ließ sich auf den Handel ein. Der Wirt wollte sich das Bier natürlich bezahlen lassen, aber der Teufel hatte kein Geld. So verwandelte er sich in höchster Eile in ein Geldstück.



Jack trug immer ein Silberkreuz in seiner Tasche und steckte blitzschnell die Münze dazu. Somit war der Teufel gefangen und konnte nicht mehr entfliehen.



Jack war nicht dumm, er wollte, dass ihn der Beelzebub zehn Jahre in Ruhe ließ. Außerdem sollte ihn der Teufel zum reichsten Hufschmied weit und breit machen.



Der Teufel kam am Abend des 31. Oktober genau nach zehn Jahren wieder und forderte die Seele ein. Jack hatte schon die ganze Zeit überlegt, wie er dem Höllenfürsten erneut ein Schnippchen schlagen könnte. So bat er ihn um einen letzten Apfel, den ihm der Teufel vom Baum pflücken solle. Er wäre nicht mehr so beweglich und er, der Teufel, wäre doch behände. Dieser hegte keinen Argwohn, kletterte auf den Baum. Schnell ritzte Jack ein Kreuz in die Rinde. So war der Widersacher abermals gefangen. Diesmal handelte John aus, dass er ihn und seine Seele bis in alle Ewigkeit in Ruhe lassen würde.«



»Das ist eine schöne Geschichte«, sagte Mick. »Aber was hat das jetzt mit den Fratzen im Kürbis zu tun? Was ist die Moral von der Geschichte?«



»Die gibt es natürlich. Darum erzähle ich euch noch den Schluss. Jack war kein guter Mensch. Er log und betrog seine Freunde, seine Familie und auch seine Kunden. Als seine Zeit gekommen war, klopfte er an die Himmelstür. Dort aber wurde er abgewiesen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als doch zum Teufel zu gehen. Der war ihm aber immer noch böse, weil er ihn so reingelegt hatte, und verweigerte ihm den Eintritt. Es war kalt und finster. Und man sollte es nicht glauben, der Teufel hatte ein klein wenig Mitleid mit Jack. Damit er nicht so frieren musste, warf er ihm ein Stück Kohle zu. Das konnte er aber nicht in der bloßen Hand tragen. Er hatte als Proviant eine Rübe dabei. Der Teufel höhlte sie ihm aus, schnitt eine Fratze und legte die Kohle hinein. Irische Einwanderer haben den Brauch mit nach Amerika genommen. Aus Samhain-Tradition wurde Halloween und aus einer Rübe ein Kürbis, der nunmehr als Symbolfigur gilt. Das Licht, das in den ausgehöhlten Kürbis gestellt wird, soll an Allerseelen leuchten.«



»Ah, ich verstehe«, sagte Mick, der aufmerksam zugehört hatte. »Die Moral von der Geschichte ist, dass die ruhelosen Seelen, die weder in den Himmel noch in die Hölle dürfen, herumirren und somit ihre Sünden abbüßen.«



»Yes«, sagten die drei im Chor. »Have a spooky Halloween!«








Samhain (Der Totengott)





Wir kennen dieses Fest als Halloween. Kinder verkleiden sich, um die bösen Geister zu vertreiben, läuten an Türen und rufen: »Süßes oder Saures?« Das Fest hat für die Iren eine große Bedeutung. Es wird auch als keltisches Silvester bezeichnet. Es beginnt am 31. Oktober.



Die Erde ruht sich aus, um im Frühling neues Leben hervorzubringen. Die Christen gedenken an diesen Tagen ihrer Toten. Für die Kelten war diese Nacht der Wechsel der Jahreszeiten, die Welt der Lebenden und Toten lag eng beieinander. Zum Schutz vor bösen Geistern verkleideten sie sich furchteinflößend. Im Laufe der Zeit nahm das Fest christlichen Charakter an. Es kamen Ostern und der Valentinstag hinzu.



Aus Samhain wurde Halloween, abgeleitet von All-Hallows-Eve. Papst Gregor IV. verschob 837 das Fest auf den 1. November, das besonders in katholischen Gebieten, Irland ist überwiegend katholisch, gefeiert wurde. Heute befürchtet die Kirche, dass das Fest immer mehr verweltlicht wird und der eigentliche Charakter, Ehrung der Toten, verloren geht.





Es gibt weitere Bräuche:





Wenn zwei Nüsse nach dem Rösten aneinanderkleben, bleibt das Paar für immer zusammen.



Gießt man Eiweiß in heißes Wasser, erfährt man, wie viele Kinder man bekommt.



Wenn man vom Friedhof kommt, soll man Mehl und Korn verstreuen. Das erleichtert den Verstorbenen, den Weg nach Hause zu finden.



Viele Mythen ranken sich um die vier großen keltischirischen Feste:



Samhain, Vorabend des 1. November



Imbolc, 1. Februar



Beltane, 1. Mai



Lughnasadh, 1. August



Um Kontakt mit den Ahnen aufzunehmen, köchelte man einen Sud aus Fliegenpilzen. Man wollte Zugang zu den Wesen der anderen Welt erhalten.





Allerheiligen





Samhain ist ein heidnisches Fest, Allerheiligen ein christliches, das im 8. Jahrhundert in Italien eingeführt wurde. Samhain war noch unbekannt. Viele Menschen feiern dieses Fest immer noch. »Hexen« folgen alten Bräuchen der Kelten.








Mallow (irisch Mala)





Südwestlich im County Cork gelegen. Die Stadt liegt am Blackwater River und ist Verwaltungssitz des Nordens. In der Stadt kam es immer wieder zu Streitigkeiten, da die Eisenbahnverbindungen von der IRA unterbrochen wurden. Sie wollten Truppentransporte nach Mallow verhindern, da es in dem Ort eine britische Kaserne gab.



Etwas außerhalb von Mallow kann man auf einem Hügel sechs Steinreihen (Beenalaght) besichtigen. Ein Besuch lohnt sich auch bei dem Mallow Castle. Das Schloss ist noch gut erhalten. 1689 brannte es – aus den alten Steinen wurde es wieder neu errichtet. Die imposanten Türme des »Short Castle« enthalten die Grundmauern einer Festung.



In Mallow findet man ein ehemaliges Badehaus, ein Uhrenhaus und einen Brunnen mit Hundeköpfen. Zwei Kirchen laden zum Verweilen ein: St. James und St. Mary. An der Hauptstraße stehen schöne Häuser mit imposanten Erkerfenstern.








Mallow, Uhrenhaus










Zutaten:



500 g Rinderhackfleisch



2 große, rote Zwiebeln



1 kleines Glas trockenen Rotwein



4 Scheiben geräucherter Gouda oder irischer Cheddar



1 große Fleischtomate



4 Brötchen



1 Becher Sour Cream



1 EL Senf



1 TL Honig



2 Gewürzgurken



2 TL Apfelessig



Dill



1 Packung Frühstücksspeck



Butter



BBQ-Sauce



2 TL Limettensaft



Salz, Pfeffer, Zucker



Zubereitung:



Das Hackfleisch zu vier gleichen Patties (Laibchen) formen. Die Patties sollten circa 1/3 größer sein als die Brötchen, da sie sich beim Braten zusammenziehen. Zudecken und beiseitestellen. Ofen auf circa 80 Grad Umluft vorheizen.



Für das Relish die Gurken und den Dill fein hacken und mit Senf, Honig, Limettensaft, Essig sowie jeweils einer Prise Salz, Pfeffer und Zucker gut mit der Sour Cream verrühren.



Tipp: Auch etwas Gurkenwasser dazugeben. Kalt stellen.



Die roten Zwiebeln und die Tomate in nicht zu breite Scheiben schneiden.



Einen Teelöffel Butter in eine kleine, beschichtete Pfanne geben und darin die Zwiebeln glasig anbraten. Mit einer Prise braunem Zucker bestreuen, kurz karamellisieren lassen und dann mit Rotwein ablöschen. Bei kleiner Hitze einköcheln lassen, bis die Zwiebeln eine satte Farbe angenommen haben und der Rotwein verkocht ist. Warm stellen.



In einer großen, beschichteten Grillpfanne einen halben Esslöffel Butter heiß werden lassen und darin die Patties von beiden Seiten gute 2 Minuten braten, damit sie Farbe annehmen. Dann aus der Pfanne nehmen und jeweils mit buntem Pfeffer und etwas Salz würzen. Anschließend auf jedes Patty eine Scheibe Käse legen, in den Ofen stellen, bis der Käse zerlaufen ist.



Pro Burger 2 Scheiben Bacon im heißen Bratfett braten, herausnehmen und auf Küchenkrepp gut abtropfen lassen. Brötchen toasten.



Die Patties aus dem Ofen nehmen. Brötchen wie folgt belegen (von unten nach oben): ein Esslöffel Relish, Fleisch mit Käse, Bacon, ein Esslöffel BBQ-Sauce, karamellisierte Rotweinzwiebeln, zwei dünne Scheiben Tomate. Am Ende evtl. noch eine Winzigkeit Relish. Anschließend zuklappen.








Stout, schwarzes, obergäriges Bier, Alkoholgehalt drei bis zehn Prozent, Schaumkrone.





Das bekannteste Stout ist das Guinness aus Dublin. Guinness wird aufs Festland exportiert, hat einen höheren Alkoholgehalt. Es schmeckt auch ein wenig anders und ist etwas teurer. Das Extra-Stout hat einen kräftigeren, bitteren Geschmack. Allgemein kann man sagen: Je geringer der Alkoholgehalt, desto intensiver ist der Geschmack.

 








»O« in irischen Namen





Viele Iren haben während der großen Hungersnot im 19. Jahrhundert das ›O‹ in ihrem Namen an die Engländer verkauft. Aus O’Sullivan wurde Sullivan, aus O’Mally nur noch Mally. Die Iren, die dies taten, nannte man »Soup souls«.








Tullamore Dew





Im Ort Tullamore wurde 1829 das erste Mal ein Whiskey gebrannt. Die Brennerei wurde von Michael Molloy gegründet. Der Besitz ging im Jahre 1857 an den Neffen Bernard Daly über. 14 Jahre war er alt, als der spätere Hauptgeschäftsführer Daniel Edmond Williams seine Ausbildung zum Whiskey-Brennmeister absolvierte. Er fügte seine Initialen D.E.W. hinzu. Der erste Werbeslogan war

»Give every man his Dew«

. Durch gezielte Marketing-Maßnahmen schaffte es Desmond Williams, ein Enkel, den Whiskey auf dem Weltmarkt zu etablieren. Nach Jameson ist Tullamore Dew die zweitgrößte irische Whiskey-Marke. Anfänglich sah man das Bild eines »Red jug, Roter Krug« als Logo auf den Whiskeyflaschen. Seit 1950 sind es zwei Wolfshunde. Sie sollen »Treue und Mut« verkörpern, die besten Eigenschaften der Iren. 2005 gewann der Whiskey eine Trophäe, die International Spirit Challenge. William Grant & Sons sind die Eigentümer von der Marke Glenfiddich, einem schottischen Single Malt Whiskey. Seit 2010 gehört dieser Firma die Marke Tullamore.



*



Mögest du Ruhe finden, wenn der Tag sich neigt, und deine Gedanken noch mal die Orte aufsuchen, an denen du (heute) Gutes erfahren hast. Auf dass die Erinnerung dich wärmt und gute Träume deinen Schlaf begleiten.



(Irischer Segensspruch)



*












Kevin, Ian, Daniel und Mick waren die ersten Gäste im Franciscan Well. Es war früher Abend.



»Heute gibt’s Coddle«, flötete Molly, die Kellnerin übertrieben.



»Noch nie gehört«, meinte Mick.



»Das ist ähnlich wie Kartoffelsuppe mit Würstchen und Speck. Ist zwar ein nordirisches Gericht, aber es schmeckt trotzdem.«



»Na, dann nehme ich das doch mal. Bei der Kälte tut eine warme Suppe gut.« Die anderen nickten ebenfalls.



Sie plauderten über dies und das, schimpften ein bisschen über die Politik und dass alles teurer geworden war. Ians Mund verzog sich.



»Was erheitert dich so?«, meinte Mick.



»Mir ist gerade ein blöder Witz eingefallen. Typisch irisch.«



»Dann will ich ihn hören.« Mick stützte die Hände auf den Tisch und sah Ian neugierig an.



»Also gut, hört zu: Zwei Männer sitzen nebeneinander in einer Bar. Nach einer Weile schaut einer den anderen an und sagt: ›Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe den Eindruck, du kommst aus Irland.‹ Der andere Kerl antwortet stolz: ›Ja, da komme ich her!‹ Der Erste wieder: ›Ich ebenso! Und von wo in Irland kommst du?‹ Der andere Kerl gibt zurück: ›Ich komme aus Cork.‹ Der Erste wieder: ›Ja verdammt, ich auch! In welcher Straße hast du gelebt?‹ Der andere Kerl antwortet: ›In einer ganz tollen Gegend. Ich lebte in der MacCurtain Street.‹ Der Erste sagt: ›Ja, glaubt man es denn, was für eine kleine Welt, ich auch! Welche Schule hast du besucht?‹ Der andere wieder: ›Ich war natürlich auf der St. Mary’s School.‹ Der Erste ganz aufgeregt: ›Ich auch! Sag mir, in welchem Jahr hast du deinen Abschluss gemacht?‹ Der andere Kerl antwortet: ›Das war im Jahr 1964.‹ Der Erste ruft freudig: ›Der liebe Gott muss auf uns herunterlächeln! Ich kann unser Glück kaum glauben, dass wir heute Nacht in derselben Bar aufgetaucht sind. Glaub es oder nicht, ich habe auch 1964 die St. Mary’s School abgeschlossen.‹ Zur selben Zeit geht die Tür auf, ein anderer Typ kommt herein, setzt sich und bestellt ein Bier. Der Wirt kommt kopfschüttelnd herüber und murmelt: ›Das scheint eine lange Nacht zu werden. Die Murphy-Drillinge sind mal wieder betrunken.‹«



Die drei lachten schallend. Selbst Ian, der den Witz zum Besten gegeben hatte, musste mitlachen. Er sah Molly vorbeihuschen, hob vier Finger, sie nickte und wenige Minuten später standen vier Tullamore auf dem Tisch. Das Zeichen, um mit der Geschichte des Abends zu beginnen.



Mick ergriff das Wort und merkte an: »Ich weiß schon, warum ich nicht tanze. Eine unnatürliche Art der Fortbewegung.«










»Und nun kommen wir zum Höhepunkt des heutigen Abends! Damenwahl!« Der Conférencier des bekannten Tanzcafés in Glengarriff, »The lonely corn« – »Zum einsamen Hühnerauge«, säuselte ins Mikrofon und gab der Band das Zeichen für eine sehr langsame Rumba. Gleichzeitig wurde das Licht abgedimmt, sodass eine schummrige Atmosphäre entstand.



*



Mick nippte an seinem Glas. »Ihr müsst wissen, dass die Tanzfreudigen von weit her nach Glengarriff kommen. Es ist ja nur einige Kilometer von Bantry entfernt. Durch den Ort schlängelt sich eine lang gezogene Straße. Links und rechts sind Pubs, auch ein paar nette Geschäfte laden zum Stehenbleiben ein.« Die vier Kommissare prosteten sich zu.



*



Sehnsüchtig hatte die Damenwelt schon darauf gewartet. Vor allen Dingen die holde Weiblichkeit, die den ganzen Abend über noch nicht zum Tanz aufgefordert worden war, stand in den Startlöchern.



Auch Brigid fieberte diesem Highlight des Abends entgegen. Sie tanzte sehr gerne. Sparsam war sie gewesen, um sich einen Tanzkurs leisten zu können. Dort gab es männliche Hospitanten, die alleinstehende Damen über das Parkett bewegten. Schnell hatte sie sich noch die Nase gepudert und die Lippen mit ihrem rosa Lipgloss nachgezogen. Das Objekt ihrer Begierde saß versteckt hinter einer Säule. Dieser Mann war ihr schon öfter aufgefallen. Er verschwand immer kurz vor der Damenwahl. Aber jetzt, jetzt würde sie ihn auffordern. Eine Abweisung kam nicht infrage. Es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass bei einer Damenwahl keine Körbe verteilt werden durften. Ehe das Opfer der Begierde verschwinden konnte, stand Brigid schon vor ihm.



»Darf ich bitten«, sagte sie und versuchte charmant zu lächeln. Dabei zeigte sie rosa schimmernde Zähne. Brigid war die Gabe des Charmantseins nicht besonders gegeben. Dafür sorgten schon ihr harsches Auftreten und ihre herrischen und männlichen Gesichtszüge. Sie hatte den leichten Ansatz eines Bärtchens, kräftige Oberarme, eine stämmige Figur und schwarze Haare an den Unterschenkeln. Auch ihre Stimme klang nicht süß und glockenhell, sondern eher nach einem Reibeisen.



Der Herr stand artig auf, verbeugte sich kurz und führte Brigid auf die Tanzfläche. Er hatte etwas Probleme, seine Hand um ihre wuchtige Taille zu legen, deshalb ruhte diese auf der Hüfte. Galant schwenkte er sie über das Parkett, wich geschickt ihren großen Füßen aus.



»Ich heiße Brigid«, hauchte sie, entzückt, so einen tollen Tänzer gefunden zu haben. Groß und schlank war er, gut gebaut und gelenkig. Er bewegte sich auf dem Parkett so sicher wie Tarzan auf einer Liane schwingend im Urwald.



»Joey Kilbrides«, antwortete er. »Auf dem Tanzboden werde ich zur Rampensau. Tanzen ist etwas Herrliches und Gnädigste bewegen sich wie eine Zuckermaus in einem Süßwarenladen«, säuselte Joey galant.



Brigid war ganz rot im Gesicht. So viele Schmeicheleien auf einmal! Das hatte sie schon lange nicht mehr gehört. Zuckermaus hatte er zu ihr gesagt! Die Tanzband spielte einen Cha-Cha-Cha. Trotz ihrer Leibesfülle bewegte sie sich Hüfte schwingend zum Takt. Sie war erstaunt, als Joey in ihr Ohr flüsterte: »Möchten Sie noch ein Glas Wein trinken? Aber nicht hier, sondern bei Oaks, Sie wissen schon, die Kneipe an der Ecke.«



Sie konnte nur freudig nicken. Wie hypnotisiert trabte sie hinter Mr. Kilbrides her, der sie am Arm einhakte und die Straße entlanggeleitete.



Brigids Gesundheitslatschen mit kleinem Absatz saßen etwas zu eng. Mit der Spitze des linken Schuhs versuchte sie, das Fersen-Riemchen des rechten abzustreifen, um ganz aus dem Schuh zu schlüpfen. Sie wollte ihre angeschwollenen Zehen befreien. Der Tritt war wohl etwas zu heftig, denn das Riemchen riss und der Schuh flog in hohem Bogen an eine Plakatwand. Joey brach in schepperndes Gelächter aus.



»Sie sind süß, Brigid! Manch Fußballer würde Sie um diesen Kick beneiden.« Er hielt sich den Bauch vor Lachen. »Nun wollen wir aber noch ein lecker Weinchen trinken, kommen Sie.«



Neugierig sah sich Brigid in dem Lokal um. Es sah leicht plüschig aus und in den Separees saßen Pärchen. Mr. Kilbrides verstand es, amüsant zu plaudern. Brigid wurde mit jeder Minute, die sie mit ihm verbrachte, schmachtender. Ihr Herz stand in Flammen, und wie sie glaubte, beruhte dies wohl auf Gegenseitigkeit. Das bildete sie sich doch nicht ein: die zufälligen Berührungen, der tiefe Blick in ihre Augen, das Nachgießen, wenn ihr Glas fast leer war. Sie schwebte auf Wolke sieben. Die Stunden wurden zu Minuten und sie versank sichtlich in den blauen Augen ihres Galans.



Es war gegen zwei Uhr morgens. Mr. Kilbrides gähnte herzhaft und winkte der Serviererin. Er orderte zwei Irish Rose. Mit leicht säuerlichem Gesicht stellte die Kellnerin die beiden Cocktails hin.



»Hm, fein, ein guter Irish Rose besteht aus 4 cl irischem Whiskey, 1 cl Grenadine und 2 cl Zitronensaft, und natürlich Eiswürfeln«, meinte Joey freudig.



Sie prosteten sich zu. Brigid wollte gerade ihren ganzen Mut zusammennehmen und ihm die Frage »Zu dir oder zu mir?« stellen, als er ihre Hoffnungen abrupt beendete: »Es war ein netter Abend, Zuckerschnecke. Ich muss nun nach Hause. Der Babysitter ist bis halb drei Uhr gebucht. Meine Frau wird auch bald zu Hause sein. Für meine Dienste erlaube ich mir 200 Euro zu berechnen, die auf die Gesamtrechnung, Wein, Cracker, Cocktail und so weiter, gesetzt werden.«



Brigids Augen wurden groß. Mit einem einzigen Schluck kippte sie den Cocktail hinunter. Joey lächelte sie freundlich an, schlürfte in kleinen Schlucken.



Er stand auf und verbeugte sich formvollendet, ergriff Brigids Hände, drückte einen schnellen Kuss darauf. Sie schaute immer noch entgeistert auf ihren abendlichen Begleiter, stupste ihn, sodass er zurück auf die Plüschcouch fiel. Ihr Mund war immer noch weit geöffnet, als sie fluchtartig das Lokal verließ. Sie stolperte mehr, als sie ging. Um abzukürzen, nahm sie den Weg durch den Hafen. Sie sah weder die Geschäfte noch Restaurants, noch kümmerte sie sich um Liebespaare, die in den Ecken knutschten.



Endlich war sie zu Hause.



»So ein unverschämter Kerl! Wie konnte ich auf dieses Gesäusel hören.«



Sie fiel in unruhigen Schlaf, träumte wild.



Es dauerte eine Weile, bis sie das unangenehme Geräusch identifizieren konnte, das da in ihre unruhigen Träume vordrang. Sie war mit Kleidung und Make-up eingeschlafen. Jemand läutete penetrant an der Haustür.



Dem uniformierten Polizisten, der da an der Tür stand, zeigte sich das Gesicht einer faltigen Mittvierzigerin, deren Schminke deutliche Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Die Augen waren verquollen, das Kleid saß schief auf den Hüften, eine große Laufmasche zierte einen Strumpf.



»Miss Brigid Walker? Ich verhafte Sie wegen versuchten Mordes an Mr. Joey Kilbrides.«



Brigid ließ sich einfach auf den Boden plumpsen, so überrumpelt war sie. Welche Ungeheuerlichkeit!



»Auf Toilette darf ich aber schon noch gehen, hä?«



»Meine Kollegin wird Sie begleiten.«



Erst jetzt sah Brigid, dass hinter dem Beamten eine weibliche Person stand. Brigid wusch sich Gesicht und Hände, schlüpfte in einen Trainingsanzug und ließ sich dann widerspruchslos mitnehmen. Auf der Garda wurde ihr mitgeteilt, dass Joey Kilbrides, kurz nach ihrem Aufbruch aus dem Pub, tot zusammengesackt war. Die Obduktion hätte eine Vergiftung ergeben. Ob sie etwas dagegen hätte, wenn man ihr Blut abnähme?



*



»Wir haben ihr Blut abgenommen. Sie hatte immer noch 1,2 Promille«, sagte Mick.



»Und habt ihr sonst noch etwas gefunden?« Ian war sehr interessiert.



»Sie hatte ebenfalls Gift im Körper.«



Daniel und Mick sahen sich an, blickten dann fragend zu ihren Kollegen.



»Wie kann so etwas sein? Beide sollten wohl vergiftet werden, aber nur einer stirbt. Da sind wir jetzt gespannt, wie es weitergeht.«

 



»Die Serviererin im Oaks hatte die Ambulance gerufen, nachdem sie vergeblich versucht hatte, Joey aufzuwecken. Er war auf der Plüschcouch einfach zusammengesunken. Der Notarzt stellte den Tod fest und rief die Garda. Leider hatte die Serviererin Ruth Gordon die Gläser schon abgeräumt und auch abgespült.«



»So ein Pech aber auch«, warf Kevin ein.



»Die wollte wahrscheinlich nach Hause. War ja schon spät«, meinte Ian.



»Unserem Rechtsmediziner, Dr. Kelly, ist aber trotzdem etwas aufgefallen. Auf der Tischplatte waren ein paar Spritzer. Die hat er aufgefangen und untersucht.«



Ian und Kevin sahen Mick und Daniel neugierig an.



*



Zwei Damen saßen im Verhörraum der Garda in der Kyrills Street. Eine Polizeibeamtin stand gelangweilt in der Ecke. Die Damen würdigten sich keines Blickes. Jede starrte stumpf vor sich hin. Brigid hatte sich in eine bunte Leggings gezwängt und ein schwarzes weitschwingendes Oberteil darübergezogen. Diesmal hatte sie auf Make-up verzichtet. Ihre Finger kneteten nervös ein Taschentuch. Da wollte sie nur einen schönen Abend verbringen, war den Schmeicheleien eines Gigolos aufgesessen und dann verdächtigte man sie auch noch, ihn umgebracht zu haben. Die Beamten hatten keinerlei Gift in ihrer Wohnung gefunden. Das beruhigte sie.



Die andere Dame war zierlich, ihre blonden Haare hatte sie zu einem Knoten gebunden. Das Gesicht war blass. Sie fingerte ebenfalls hibbelig in ihrer Tasche umher. Gar zu gerne hätte sie geraucht. Das Schild an der Wand war eindeutig. Ein Strich durch die Zigarette zeigte an, dass nicht geraucht werden durfte.



»Miss Walker«, sagte Mick, »Mr. Kilbrides hat Ihnen zu verstehen gegeben, dass der Abend auf Ihre Rechnung ging. Die Avancen kosteten Geld. Wussten Sie, dass er ein Callboy war?«



»Nein, woher denn?«



»Und Sie, Miss Gordon?«



Ruth Gordon druckste verlegen herum. »Ich wusste es. Joey hat seine Eroberungen zum Abschluss des Abends immer ins Oaks gebracht.«



»Sie!«, fuhr Brigid auf. Sie stand abrupt auf, sodass der Stuhl nach hinten umkippte. Die Polizeibeamtin, die einen Schritt auf Brigid zugemacht hatte, konnte gerade noch verhindern, dass deren Faust in Ruths Gesicht landete.



»Hinsetzen«, sagte Mick barsch.



»Dann haben Sie also fast täglich mitbekommen, was Joey so trieb. Haben die Damen anstandslos bezahlt?«



»Immer«, bestätigte Ruth, »die Blöße wollten sie sich wohl nicht geben.«



»Sie waren verliebt in Joey, nicht wahr, Ruth?«, brachte sich Daniel ins Gespräch. Er hatte die ganze Zeit über, mit einem Fuß an der Wand abgestützt, in einer Ecke gestanden und hatte die Szenerie neugierig beobachtet.



Ruth senkte den Kopf, sagte nichts.



»Sie haben ihn umgebracht. Und dabei haben Sie in Kauf genommen, dass auch Miss Walker sterben könnte.«



Ruth begann zu weinen, erst leise, dann bekam sie Schluckauf. »Dieser Schuft, wie oft hat er mir gesagt, dass er mich, nur mich liebt. Die Frauen würden ihm nichts bedeuten. Die würden seinen Lebensunterhalt bestreiten.«



»Und als Sie dann hörten, dass Joey eine Frau und sogar ein Kind zu Hause hat, da ist etwas in Ihnen kaputtgegangen«, sagte Mick.



Sie schwieg.



»Sie haben alles vorbereitet, haben Mr. Kilbrides also vorsätzlich getötet.«



Ein kurzes Aufbäumen, dann sagte Ruth patzig: »Das müssen Sie mir erst einmal beweisen.«



»Nichts leichter als das. Sie haben das Alkaloid aus Zigaretten isoliert und dann in Wasser aufgelöst und zu Eiswürfeln gefrieren lassen. Brigid hat ihren Irish Rose in einem Zug getrunken, dadurch hat sie wenig Gift aufgenommen. Joey ließ sich Zeit, sodass die Eiswürfel geschmolzen sind. Er hat die volle Dosis abbekommen.« Daniel stand ganz dicht an Ruth, sah, wie sie zusammenzuckte.



»Bei Ihrer Vernehmung, Brigid, sagten Sie aus, dass Mister Kilbrides von Frau und Kind sprach. Deshalb waren Sie so entsetzt. Das haben Sie auch gehört, Miss Gordon. Bei dieser Äußerung ihres Freundes war Ihnen klar, dass Joey sie niemals heiraten würde.«



Daniel nickte in Richtung der Beamtin, die daraufhin zu Ruth trat und sie sanft am Ellbogen abführte.



*



»Die war ganz schön ausgekocht«, meinte Ian. »Ich weiß jetzt wirklich nicht, wer mir mehr leidtun soll. Brigid, die ein bisschen Glück haben wollte und auf einen Gigolo reinfiel, oder Ruth, die auch ein bisschen Glück haben wollte und ebenfalls auf einen Schürzenjäger reinfiel.«



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