Kirsch und der Gift-Secco

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„Hm, das tut jetzt mal richtig gut“, kommentierte Kirsch das Essen, als wären die beiden Happen ein Hochzeitsessen.

„Was haben wir denn nun“, wollte Kirsch wissen.

Huber und Drechsler hatten ja alle Adressen von den Honoratioren aufgenommen und auch gefragt, was ihnen besonders aufgefallen ist. Außerdem hatten sie auch den Sternekoch und die Mannschaft befragt und die drei Bedienungen.

„Es gibt nichts Verdächtiges, sowohl beim Sternekoch, als auch bei den Honoratioren und den Bedienungen. Niemand hat was beobachtet oder auch nur gesehen“, führten sie ihre Erläuterungen präzise aus.

„Hm“, machte Kirsch und zeigte sich damit nicht gerade zufrieden.

„Ist das alles, das ist aber dürftig.“

Er hatte zumindest gehofft, dass irgendeinem etwas aufgefallen wäre.

„Jetzt haben wir noch den Unfall von Winzer Sänger“, informierte er die anderen.

„Aber ich glaube nicht, dass es mit unserem Mord etwas zu tun hat“, so Kirsch.

„Ein Giftmord, das ist etwas Typisch Weibliches“, meinte Kirsch, wobei auch Huber und Drechsler nickten. „Wissen wir schon Weiteres von der Pathologie?“

„Nein“, erwiderte Helen, die sich ja darum gekümmert hatte.

„Doktor Dorer vermutet, dass er es mit dem Begrüßungs-Secco eingenommen hat, bei Sekt wirkt das Gift schneller“, meinte Helen. „Es wurde bei der Untersuchung auch festgestellt, dass der Polizeipräsident ein schwaches Herz hatte.“

„Vielleicht hat ihn der Polizeipräsident ja nicht gleich getrunken, kann ja möglich sein“, so Helen und auch Eugen nickte beflissen.

„Gut denkbar, dass die Gläser schon eingeschenkt waren und er das Glas auch mal kurz abgestellt hatte und ihn erst etwas später zu sich genommen hatte“, brachten auch Huber und Drechsler hervor.

„Na ja das sind alles Spekulationen und an denen sollten wir uns nicht beteiligen. Das Glas, aus dem der Polizeipräsident den Secco getrunken hat, wurde das gefunden? Jetzt warten wir den endgültigen Bericht der Pathologie ab. Die Speisen sind alle nicht im Hotel „Goldenen Becher“ zubereitet worden, sondern dort nur aufgewärmt bzw. kamen schon in Behältern ins Hotel. Ja, den Sternekoch und seine Mannschaft können wir ausschließen, was sollten sie denn für ein Motiv haben?“, fragte Kirsch.

„Wir müssen das Motiv suchen, und das haben wir noch nicht“, erwiderte Kirsch.

„Helen, was hast du aus den Akten herausgefunden, du solltest doch nochmals die Akten durchsehen. Da gibt es auch nichts Besonderes“, meinte Helen. Nur ein Fall wurde noch nicht aufgeklärt, das ist der Fall mit der toten Madeleine.

„Dem Mädchen von der Winzerfamilie Huber?“, fragte Kirsch nach.

„Ja“, erwiderte Helen.

„Das Mädchen fuhr auf der schmalen Straße vom Training nach Hause. Irgendwie kam es von der Straße ab und schlug sich den Kopf an einem Gedenkstein auf“, führte Helen aus.

„Dieser Stein, was hat mich dieser Stein schon geärgert“, fuhr Kirsch dazwischen.

„Da sie nicht auf der Straße lag, wurde sie auch nicht gleich bemerkt. Erst als die Eltern Alarm schlugen, weil sie um 21 Uhr noch immer nicht zuhause war, und sie ihr Kind bei der Polizei als vermisst gemeldet hatten, haben die Polizisten die Meldung aufgenommen“, so Helen weiter.

„Die haben natürlich nicht gleich reagiert, weil sie angenommen hatten, dass das Mädchen bei einer Freundin sei. Erst als sie um 22 Uhr noch nicht zuhause war, hat die Polizei mit der Suchaktion begonnen.“

„Da hätten wir ja ein Motiv, die Polizei hat zu spät reagiert, aber das hat mit dem Polizeipräsidenten nichts zu tun, denn der war ja zu dieser Zeit noch nicht im Ort“, entgegnete Helen.

„Er ist erst später, weit nach dem Unfalltod des Kindes nach Wiesenbach gekommen.“

„Ja, das ist schon merkwürdig. Obwohl zu dieser Zeit hat da schon im Nachbarort gewohnt.“

Deshalb hat er auch seine Versetzung beantragt, dass er näher an seinem

Wohnort war“, erwiderte Huber, der den Polizeipräsidenten schon von früher her kannte.

„Gut, ganz außen vor sollten wir das nicht lassen“, so Kirsch.

„Wir haben seinen Computer mitgenommen und auch ich habe sein Notizbüchlein. Das schaue ich mir heute Abend zuhause in aller Ruhe an.“

„Was sagt denn der Bürgermeister?“

„Sie haben ja mit ihm gesprochen“, wollte Kirsch noch von Huber und Drechsler wissen.

„Der Bürgermeister ist auch ratlos. Auch der Minister und alle anderen Behördenchefs und Honoratioren können sich keinen Reim auf die Vergiftung machen. Das alles passt doch gar nicht zu unserem Weinort“, erwiderten Huber und Drechsler.

„Wir haben doch die besten Weine weit und breit und jetzt eine Vergiftung während einer Weinprobe, das kann uns und auch die Bevölkerung, wie auch die Winzer, gar nicht freuen.“

„Das ist nicht spaßig“, bemerkte Kirsch etwas gedankenverloren.

„Gut, wir haben ja morgen früh die Pressekonferenz. Viel sagen können wir noch nicht, aber wir werden den Bürgermeister auf jeden Fall unterstützen. Wir treffen uns gleich morgen früh und besprechen nochmals alles“, so Kirsch.

„Helen und Eugen, ihr haltet hier die Stellung und gebt mir Bescheid, wenn die Pathologie noch ihren Bericht abliefert oder sonst noch Informationen eingehen. Morgen früh um 7 Uhr kommen alle zum Rapport“, meinte Kirsch, der sich dann auf den Weg nach Hause machte.

Kapitel 3

Seine Frau Moni erwartete Kirsch schon und wollte ihm ein schmackhaftes Mahl zubereiten. Allerdings Kirsch, der sonst den Genüssen aufgeschlossen gegenüber steht, hatte keinen richtigen Hunger. Er war ziemlich abwesend.

„Moni mach mir was Leichtes, vielleicht ein Ei mit Schwarzwälder Schinken und einen Salat dazu. Ich muss mich gleich noch an die Arbeit machen. Ich will das Notizbüchlein vom Polizeipräsidenten studieren, vielleicht finde ich da einen Hinweis?“, bemerkte Kirsch zu seiner Frau. Hatte aber mal wieder seinen bestimmenden Kommandoton drauf, den er manchmal nicht nur sich selbst, auch seinen Assistenten angedeihen lässt.

Schnell verzog sich Kirsch in seiner Lieblingsecke im Wohnzimmer, wo auch sein Schreibtisch steht und sein Lieblingssessel, ein schwerer Clubsessel, den er in alle Wohnungen mitgebracht hatte und noch von seinen Großeltern stammte. Inzwischen war er schon ein dutzendmal neu überzogen worden, aber der Sessel war unverwüstlich und dort konnte er seinen Gedanken am besten nachhängen.

Aber zunächst beschäftigte er sich wieder mit dem Sessel, weil der da so unberührt in seiner Ecke stand und einfach zu ihm gehörte, wie seine Moni, sein Lieblings-Spätburgunder und seine Brille, die er wieder einmal nicht fand und die er eigentlich auch nur zum Lesen benötigte.

Der Sessel hat schon eine Geschichte, dachte Kirsch, als er darin Platz nahm. Was hat der schon alles erlebt. Sein Urgroßvater war Schuster und hat auch bei der Polizei in Freiburg gearbeitet. Er hat dort in den 20-er Jahren die Schuhe der Polizisten immer wieder neu besohlt. Das war eine harte Arbeit. Und um die Familie durchzubringen hat er Tag und Nacht Schuhe geflickt und besohlt und damit einen schönen Batzen Geld verdient und dann die beiden Clubsessel und das wirklich schöne, im Jugendstil errichtete Wohnzimmer , die mit Leder bezogenen Stühle, den Tisch, das Buffet und eben die beiden Clubsessel gekauft. Schade, dass die Möbel, vor allem die Wanduhr, nicht mehr in seinem Besitz sind, dachte Kirsch immer mal wieder. Geblieben ist ihm nur der Clubsessel.

Das Notizbüchlein des Polizeipräsidenten, das er aus seiner Jackentasche holte, war schon etwas abgewetzt, man sah ihm seinen Gebrauch an. Und die Seiten waren prall gefüllt mit Namen und Adressen und vor allem mit Telefonnummern. Und in der Jackentasche fand Kirsch dann auch seine Brille wieder.

„Was hat der denn alles aufgeschrieben?“, brummte Kirsch in seinen Schnauzer, als er darin blätterte.

Ich muss strategisch vorgehen und von vorne beginnen, dachte Kirsch, als er sich dem Büchlein widmete.

Der Polizeipräsident hatte sich alles pedantisch genau aufgeschrieben und auch die Geburtstage seiner Vorgesetzten und der Frauen genauestens notiert. Na ja, er war halt ein Wichtigtuer und Karrieremensch und da kann man Punkte sammeln bei den oberen Beamten, dachte Kirsch. Natürlich waren auch Adressen von Freundinnen drin.

„Ah, wen haben wir denn da, hier steht auch die Telefonnummer von Lore drin, der Assistentin von Sonnenschein‘“, sprach Kirsch wieder laut vor sich hin.

„Was will er denn von ihr, da muss ich gleich mal morgen nachhaken. Und auch die Frau vom Bürgermeister ist vermerkt. Da schau an, der Schwerenöter!“, war der kurze Kommentar.

Ja, hatte er denn auch was mit der Frau vom Bürgermeister, das wird ja immer schöner?, dachte Kirsch, der ganz perplex war ob dieser Nachrichten.

Da haben wir doch schon zwei Verdächtige, schrieb Kirsch schon gleich in sein Büchlein.

Kirsch war nicht sehr amüsiert über die Notizen, denn mit der Frau vom Bürgermeister war nicht gut Kirschen essen. Lore hingegen war ein sanftes Lamm. Und dann entdeckte er noch weitere Namen, u.a. auch die Frau von Winzer Huber, Marianne Huber, deren Tochter ja durch merkwürdige Umstände verstorben war. Das passte alles gar nicht so richtig zusammen, als er die Namen laut vorlas. Kirsch sah eine Menge Arbeit auf sich zukommen.

„Das wird morgen ein harter Tag“, meinte Kirsch und machte sich noch ein paar Notizen.

 

Dann servierte Moni auch schon das Abendessen und auch sie wollte natürlich noch von den Neuigkeiten partizipieren.

„Frauen haben manchmal eine bessere Intuition“, lächelte Kirsch seiner Frau Moni zu, der er natürlich unter aller Verschwiegenheit die Geschehnisse anvertraute.

Mein Gott, dachte Moni, was kommt da alles auf Kirsch zu.

„Da wird die nächste Zeit nicht sehr lustig werden, Kirsch“, sagte Moni zu ihrem Mann.

Und als sie aus dem Fenster blickte, sah sie wie von selbst eine große dunkle Gewitterwolke am Nachthimmel auf sich und Kirsch zukommen.

Ziemlich zeitig wachte Kirsch auf und machte sich einen schnellen Kaffee. Die Morgenstunde war ihm immer das allerliebste, da konnte er noch gemütlich Zeitung lesen und in aller Ruhe seinen Kaffee trinken.

Mal schauen, was schon in der Zeitung steht?, dachte Kirsch.

Groß sprang ihm schon die Headline ins Auge. „Statt Secco trank er einen Giftpunsch!“

„Was war das denn, wer hatte denn da geplaudert?“, fragte sich Kirsch ein ums andere Mal.

Dass der Polizeipräsident durch Gift starb, das war ja nur wenigen bekannt. Und jetzt stand es schon groß in der Zeitung.

„Das passt mir jetzt gar nicht“, bemerkte Kirsch zu sich und Moni, seiner Frau.

Weiter ging es im Text, dass die Polizei noch völlig im Dunkeln tappt. Bürgermeister und Minister kamen auch zu Wort, Sternekoch und Tourismus-Manager waren auch nicht gerade „amüsiert“, zitiert worden.

„Das war ja klar. Wer ist schon amüsiert bei einem solchen Vergehen“, sagte Kirsch, dem sein Morgenkaffee gar nicht mehr schmeckte.

Schnell ging er unter die Dusche und danach ins Büro. Kirsch war ein alter Hase bei der Polizei, wenn gleich er nicht jeden Tag einen Mord aufzuklären hat. Aber er war gewieft und seine Fälle bearbeitete er akkurat und auch immer zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Es gab auch schon einige Morde, so der heimtückische Mord an einer alten Rentnerin, den er aufdecken konnte oder auch der Mord im Rotlicht-Milieu, als er noch in einer Stadt an der Schweizer Grenze weilte und auch der aufsehenerregende Fall einer Geschäftsfrau, die im Zug überfallen und dann grausam ermordet wurde. Als Kommissar hatte er schon mit den schwierigsten Fällen zu tun, aber er kam den Mördern immer auf die Spur, da war schon sein Gerechtigkeitssinn gefordert.

Kirsch registrierte auch diesen Fall, wobei er schon eine Beziehungstat im Auge hatte. Eugen und Helen erwartete er schon früher und auch die beiden Kommissare Huber und Drechsler. Doch als er auf die Uhr schaute, bemerkte er, dass es erst 6.30 Uhr war. Da hatte er noch etwas Zeit.

Nur der frühe Vogel fängt den Wurm, dachte sich Kirsch.

„Ich geh nochmal schnell zum Bäcker und hol mir einen Weck oder für die ganze Mannschaft ein paar Brezeln“, bemerkte Kirsch zu seiner Frau und machte sich auf den Weg.

Die Bäckerei Hutter war nur ein paar Meter vom Polizeikommissariat entfernt. Auf dem Weg zur Bäckerei begegnete ihm doch glatt Marianne Huber, die auch für ihre Familie einkaufen ging.

„Na, Frau Huber“, fragte Kirsch, „ist bei dir alles okay?“

Etwas angespannt, zeigte sich schon die Winzerin, die nur sehr schmallippig Auskunft gab.

„Es ist ja furchtbar, was gestern geschehen ist, der arme Polizeipräsident“, flötete sie in höchsten Tönen.

„Ich habe ihn ja auch gekannt, er hatte großen Anteil beim Tod unserer Tochter genommen.“

Aha, dachte Kirsch, daher weht der Wind.

„Ja, ich muss auch noch mit dir sprechen“, erwiderte Kirsch zu Marianne Huber. Sie waren schon lange gut miteinander bekannt und auf dem Land duzt man sich halt einfach.

„Ich komme vorbei oder ich schicke dir Eugen und Helen vorbei.“

„Ja, gut, aber heute gehen wir in die Reben.“

Nur ein paar Schritte weiter lief ihm doch auch noch die zweite Verdächtige, die Bürgermeistersfrau über den Weg.

„Schon so früh auf, Herr Kirsch“, rief sie ihm zu.

„Ja, heute ist ein großer Tag, nachher ist ja Pressekonferenz, ich will auch noch schnell ein paar Brötchen holen.“

Was ist denn jetzt los, überlegte Kirsch, kommen jetzt alle Verdächtigen auf einmal angelaufen.

Und kaum gedacht und ausgesprochen, war er auch schon im Laden und wen sah er da, Lore, die Assistentin von Sonnenschein. Das kann doch kein Zufall sein, alle drei, heute Morgen. Spinn ich oder präsentiert mir Kommissar Zufall alle drei Verdächtigen auf einen Blick.

„Da halte ich aber mal meine Augen und Ohren offen“, meinte Kirsch wieder zu sich selbst.

Drinnen im Laden, da ging es schon munter zu, denn natürlich wurde das schreckliche Ereignis grottenbreit auseinander genommen. Dann machte Andrea, die Ladenbesitzerin, eine kurze Handbewegung, als wollte sie die Frauen zum Schweigen bringen, denn Kirsch kam gerade herein.

„Ja, sowas, Herr Kirsch, was führt Sie denn schon so früh zu uns?“, bemerkte Andrea Hutter, die sich gleich an ihn wandte.

„Was wollet Sie denn, Fleischkäswecken haben wir so früh noch net“, sprach Andrea Hutter in breitestem Schwäbisch, denn sie war eine „Rigschmeckte“, also eine Zugezogene, die sich den gemütlichen Bäckermeister Hutter geangelt hatte.

„Wo denken Sie hin, erst mal was Süßes zum Kaffee, das andre später“, reklamierte Kirsch, der sich interessiert in der Runde umsah.

Lore, Andrea und noch zwei weitere Frauen, Hannelore und Eva, wetteiferten mit ihrem Wissen. Jede wollte etwas mehr wissen. Aber natürlich als Kirsch reinkam, verstummten die Damen.

„Die arme Frau Wangler, sie tut mit ja so leid. Jetzt ist sie ganz allein. Sie hat keine Verwandten hier, sie stammt aus dem Osten und als Schorsch Wangler mal nach der Wende bei der Polizei ausgeholfen hat, hat er sie kennengelernt. Aber sie sind schon über 25 Jahre hier in der Gegend. Leicht hatte sie es mit dem Polizeipräsidenten nicht. Er war ja mehr auswärts als zuhause“, kicherte sie.

Die Frauen schauten sich nur an, als dies Andrea von sich gab.

„Also wenn ich gleich bezahlen darf, wenn du mir die Brezeln eingepackt hast, dann wäre das schön, ich muss nämlich noch diesen Fall lösen“, sagte Kirsch ziemlich unwirsch.

Die Frauen nickten nur. Denn sie wollten ja noch etwas weiter tratschen und da passte Kirsch nicht ganz ins Bild, deshalb waren sie froh als er wieder draußen war. Der hat es auch nicht leicht, bedauerten sie den Kommissar. Und wo will er denn mit den Ermittlungen anfangen. Der Polizeipräsident war ja ein Charmeur und die Frauenherzen flogen ihm nur so zu. Da kam auch schon die Bürgermeistersfrau, Lene, in die Bäckerei und wieder verstummten die Frauen.

„Hab ich was verpasst?“, war ihre kurze Frage.

„Nein, nein, wir hatten nur gerade über den Mord gesprochen. Kirsch war noch hier und hat Brezeln gekauft. Aber es gibt ja noch nichts Neues“, entgegnete die Bäckersfrau.

„Mein Mann hat heute noch eine Pressekonferenz“, sagte die Bürgermeistersfrau vielsagend.

„Man muss ja die Presse unterrichten, sonst wird ja nur dummes Zeug geschrieben“, sagte Lene, die sehr stolz auf ihren Mann war.

Na ja, ansonsten nahm sie es ja mit der Treue nicht so genau, dachten die Frauen und schauten deshalb schon etwas irritiert auf sie.

„Wer ist die nächste?“, so Andrea Hutter, die im Geschäft weiter bedienen wollte.

Das Geschwätz ging ihr jetzt doch etwas auf die Nerven. Hannelore und Eva gaben ihre Bestellung auf und das Leben in der Bäckerei ging wieder den gewohnten Gang. Zum Schluss erhielt Lene noch ihre Brötchen und dann kamen wieder neue Kunden in den Laden.

Kirsch, Helen und Eugen nahmen schon mal am Tisch im Polizeirevier Platz. Drechsler und Huber kamen auch hinzu.

„Nun was haben wir für Beweise?“, eröffnete Kirsch die Runde.

„Nicht sehr viel bisher.“, war die Quintessenz von allen.

„Das Notizbüchlein hat auch nicht viel Ausbeute gebracht“, informierte Kirsch, der dann seine Sicht der Dinge darlegte.

„Ich gehe davon aus, dass wir es mit einer Beziehungstat zu tun haben. Aber wo liegt das Motiv? Das habe ich bisher noch nicht herausgefunden. Einzig die Frauengeschichten vom Polizeipräsidenten bringen uns vielleicht etwas weiter. Zufällig habe ich heute alle drei vorläufig verdächtigen Personen auf meinem Weg in die Bäckerei getroffen.“

„Was für ein Zufall?“, lästerten die beiden Polizisten aus der Stadt.

„Ja, was für ein Zufall?“, erwiderte Kirsch, der nun erzählte, dass er sowohl Lene, die Bürgermeistersfrau sowie Lore die Assistentin von Sonnenschein, als auch die Winzerin

Marianne Huber verdächtigt, denn alle drei haben ein Motiv, das er jedoch noch nicht beweisen konnte.

„Na ja, Lene, die Bürgermeistersfrau nimmt es ja mit der Treue nicht so genau, da hätte der Bürgermeister ja auch ein Motiv“, warfen Drechsler und Huber etwas überrascht ein.

„Ja, wir können ihn auch nicht ausschließen“, gab Kirsch darauf etwas verhalten von sich.

„Was mich etwas stutzig macht, ist, dass Marianne Huber vom Polizeipräsidenten in so hohen Tönen gesprochen hat, zumal er sich so um das tote Kind bemüht hat. Ich denke, diese Akten, Helen, sollten wir nochmals genau studieren. Da stimmt was nicht. Den Fahrer hat man ja nie gefunden, was wenn es dem Polizeipräsident auf einer seiner Fahrten mit seinen Liebschaften passiert wäre und er es seiner Frau nicht beichten wollte? Da haken wir nach Helen, das ist deine Aufgabe.“

„Und was machen wir mit dem Bürgermeister, das Leben von ihm und seiner Frau auch auseinander nehmen?“, fragten die beiden Polizisten aus der Stadt etwas spöttisch nach.

„Ja, leider kommen wir um diese leidige Aufgabe nicht herum“, antwortete Kirsch, der sich lieber was Leichteres gewünscht hätte.

„Aber die Tatsachen sprechen halt für sich. Das ist eure Aufgabe, Huber und Drechsler, ihr seid zu zweit und könnt sowohl die Frau, als auch den Mann, allerdings sehr diskret unter die Lupe nehmen. Wir wollen da keinen Missmut wecken, es muss alles mit sehr viel Fingerspitzengefühl über die Bühne gehen“, meinte Kirsch mit einem bedeutungsvollen Augenaufschlag.

„Und wir Eugen kümmern uns mal um Sonnenschein und die Lore. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sonnenschein auch ein Auge auf die lustige Lore geworfen hat.“

„Allerdings traue ich es Sonnenschein nicht zu, ich glaube, er ist ein bisschen anders orientiert“, bemerkte Eugen, der mit Sonnenschein im Sportverein ist.

„Also die Aufgaben sind verteilt!“, brachte Kirsch noch kurz hervor.

„Allerdings schauen wir mal was die Pressekonferenz noch so ergibt.“

Draußen fuhr gerade auch ein Fahrzeug eines TV-Senders vor.

„Die sind aber pünktlich, es ist ja erst 9.00 Uhr und um 10 Uhr geht die PK erst los. Bis alles aufgebaut ist, wollen sie sich sicher noch im Ort umhören.“

„Eugen hefte dich mal auf die Fersen der TV-Leute und beobachte sie.“

„Ja, mach ich Chef.“

„Ich spreche derweil noch mit dem Bürgermeister. Mal schauen und hören was er weiß.“

Kirsch erhielt gleich Zutritt zum Büro des Bürgermeisters, der sehr bleich und etwas übernächtigt aussah und gar nichts von seinem sonstigen Temperament versprühte. Bürgermeister Wohlgemuth ist ein Wiesenbacher, hier auch geboren und aufgewachsen und mit seiner Heimatstadt sehr verwurzelt. Aus diesem Grund wurde er auch schon zum zweiten Mal als Bürgermeister gewählt und die dritte Amtsperiode stand an und er wollte wiedergewählt werden, weil er mit seinen 58 Jahren noch im besten Mannesalter war.

„Guten Morgen Herr Bürgermeister, ich wollte mich noch mit Ihnen wegen der Pressekonferenz absprechen.“

„Ja, das ist gut, Kirsch.“

„Auf Sie ist halt Verlass. Was sagen wir denn der Presse, gibt es schon Erkenntnisse aus den Ermittlungen.“

„Wir sind immer noch am Ermitteln“, meinte Kirsch etwas verdrossen.

Denn die genannten Personen, die als Verdächtige in Frage kommen könnten, wollte Kirsch nicht nennen, zumal er ja selbst den Bürgermeister oder seine Frau in diesen Kreis mit einbezog. Das war für Kirsch eine heikle Situation. Der Bürgermeister äußerte sich jedoch sehr behutsam und bedauerte den Vorfall, den Mord am Polizeipräsidenten, aufs Äußerste.

 

„Was sagt denn der Minister?“

„Der ist untröstlich, dass so etwas in seiner Anwesenheit passiert ist“, meinte der Bürgermeister „und ich bin es auch, darauf können Sie sich verlassen, Kirsch.“

„Wir müssen alles daran setzen, dass dieser Fall so schnell wie möglich geklärt wird, bevor womöglich noch was passiert.“

„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Herr Bürgermeister. Gestern ist ja auch noch Winzer Sänger verunglückt.“

„Wie ich hörte, liegt er im Koma und kann gar nichts zum Unfallhergang berichten“, erwiderte der Bürgermeister, der schon etwas mehr wusste als Kirsch.

„Ja, ich werde heute mal ins Krankenhaus gehen, wobei die Verkehrspolizei diesen Fall untersucht. Ich denke nicht, dass er mit dem Mord in Verbindung steht.“

„Ist es denn definitiv, das es ein Giftmord war, der zum Tod des Polizeipräsidenten geführt hat“, gab der Bürgermeister zu bedenken, der es einfach nicht glauben konnte, dass dieser getötet wurde. Er war zwar nicht so bekannt mit ihm, aber immerhin man traf sich auf den gleichen Veranstaltungen und auch im Gemeinderat saß er mit ihm in der gleichen Fraktion.

„Wir kommen einfach nicht aus den Schlagzeilen heraus“, war der weitere, kurze Kommentar des Bürgermeisters, der natürlich über diesen Mord gar nicht erfreut war.

„Das Fernsehen ist auch schon da, wie ich sehe“, so der Bürgermeister zu Kirsch.

„Was können wir den Presseleuten denn sagen?“

Kirsch überlegte und wenn Kirsch überlegte, dann hüpfte sein mittlerweile grauer Schnauzer auf und ab.

„Wir sagen Ihnen, dass wir noch mitten in den Ermittlungen stecken und es noch kein Motiv für den Mord gibt. Wir sind dabei das Umfeld des Polizeipräsidenten unter die Lupe zu nehmen, er war zwar nicht so beliebt im Präsidium und im Ort, aber einen Mord trauen wir eigentlich niemanden von Wiesenbach zu.“

„Ja, das ist zwar etwas dürftig, aber wir werden es so darstellen“, gab sich der Bürgermeister zufrieden.

„Also bis um 10 Uhr im Rathaussaal, Herr Kirsch.“

Kirsch nahm den Hinterausgang, damit er nicht gerade dem Fernsehteam in die Arme lief. Er sah gerade noch, wie sie sich dem Zimmer des Bürgermeisters näherten. Kirsch war auch ziemlich ratlos, wie er die Ermittlungen weiter anstellen konnte. Dann stand um 10 Uhr die Pressekonferenz im Rathaussaal an. Eugen und Kirsch kamen gerade aus dem Polizeipräsidium, wo sich auch ein paar Schaulustige davor eingefunden hatten. Das Fernsehen war da und wer wollte da nicht auch noch was Schlaues sagen und dann im Fernsehen gesehen werden. Natürlich waren ein paar Fraktionskollegen und Parteigenossen da. Und natürlich schnappten sich die Fernsehleute die Wiesenbacher Bürgerinnen und Bürger und diese legten auch schon gleich mit ihren Sprüchen los.

Da ist doch die Umgehungsstraße schuld, da gibt es immer noch Familien im Ort, die zum einen für die Umgehungsstraße sind und viele sind auch dagegen“, sprach ein Wiesenbacher. Und gleich hatten andere noch weitere Verdächtigungen und Spekulationen parat.

Die Umgehungsstraße wird gebaut, da bin ich mir sicher“, gab ein Winzer bekannt. „Und deshalb war ja auch der Minister bei der Weinprobe. Wir brauchen die Straße, dass nicht alle Autos durch unseren schönen Weinort fahren und vor allem der Lkw-Verkehr eingeschränkt wird.“

„Ja, auch die Umgehungsstraße sollten wir nicht außer Acht lassen“, sagte Kirsch zu Eugen, als er sich schnellstens auf den Weg mit ihm in den Rathaussaal machte.

Die TV-Leute kamen hinter Kirsch her, aber sie erkannten ihn zu spät und so konnte er unbemerkt und ohne Kommentar in den Saal gelangen. Der Bürgermeister nahm mit seinen Gefolgsleuten, seinem Pressesprecher und auch Herrn Sonnenschein am Präsidium Platz. Es waren natürlich die Pressevertreter von der Tageszeitung, dem Wochenblatt und den Rundfunksendern anwesend, die auch gestern bei der Goldenen Weinprobe eingeladen waren.

Kirsch setzte sich mit Eugen ziemlich in die Nähe des Bürgermeisters, denn falls der Bürgermeister noch Fragen an ihn hätte, könnte er sie gleich antworten.

Der Bürgermeister holte ziemlich lange aus und berichtete vor allem auch über die so schön angefangene Goldene Weinprobe, die guten badischen Gewächse, die da kredenzt wurden und das kulinarische Mahl des Sternekochs. All das war ja bekannt, aber der Bürgermeister wollte natürlich auch die Besonderheit der Goldenen Weinprobe in Verbindung mit der Imagegeschichte des Weinortes erwähnen.

Auch Herr Sonnenschein trug noch ein paar Worte vor und bedauerte den schrecklichen Unfall, der da passiert ist.

Unfall?“, war es nun ein Unfall oder war es „Mord?“, ziemlich irritiert kamen da die Kommentare der Presseleute.

Der Bürgermeister schaute betrübt zu Kirsch, der auf seinem Stuhl immer mehr hin und her rückte. Irgendwie tat ihm da der Bürgermeister schon etwas leid und auch Herr Sonnenschein hatte sich mit seiner unvorsichtigen Äußerung in etwas verrannt.

Es war kein Unfall, denn der „Secco mit dem Giftpunsch“ wurde eiskalt serviert, dachte Kirsch noch.

Dann schob er bereitwillig seine etwas füllige Gestalt in die Nähe des Bürgermeisters, der sofort seinen Stuhl zur Seite rückte und für Kirsch Platz machte.

„Darf ich Ihnen unseren unermüdlichen Ermittler, Kommissar Kirsch, vorstellen“, sagte der Bürgermeister. „Er steckt mit seinen Mitarbeitern schon sehr tief im Fall drin.“

„Was sagen Sie, Herr Kirsch, war es nun ein Unfall oder ein Herzanfall oder war es Mord?“, wandte sich der Bürgermeister an Kirsch.

Kirsch hatte noch keine Idee, wie er sich aus der Affäre ziehen konnte.

„Wir müssen von Mord ausgehen.“, reagierte Kirsch schnell, der es einfach auch unumwunden vortrug, weshalb sollte er auch herumschweifen.

„Die Pathologie hat nichts anderes festgestellt. Das müsste schon ein großer Zufall gewesen sein, dass das Gift nicht den Polizeipräsidenten, sondern eine andere Person treffen sollte. Aber man hat auch festgestellt, dass der Polizeipräsident ein sehr schwaches Herz hatte.“

„Hätte das Gift nicht auch in der Bärlauchsuppe sein können?“, fragten die Journalisten.

„Nein, das haben wir jetzt ausgeschlossen, weil die Bärlauchsuppe ziemlich am Anfang serviert wurde.“

„Allerdings ganz ausgeschlossen ist es nicht, die Ermittlungen laufen ja noch“, schränkte Kirsch ein.

„Haben Sie noch Fragen?“, wandte sich der Bürgermeister an die Presseleute.

„Bis wann rechnen Sie mit dem Abschluss der Ermittlungen?“, wollten sie von Kirsch wissen, der dazu natürlich noch nichts sagen konnte.

„Dann schließen wir fürs Erste die Pressekonferenz“, meinte der Bürgermeister, der ziemlich froh war, dass es so glimpflich abgelaufen ist.

Kirsch und Eugen eilten schnell über die Hintertüre ins Polizeipräsidium, um zu erfahren, was Helen, Drechsler und Huber herausgefunden hatten. Helen war im Büro und hatte einen großen Aktenberg vor sich.

„Ich habe nochmals alles ganz genau durchgesehen. Es könnte schon möglich sein, dass der Polizeipräsident der Fahrer des Unfallautos war, der nicht ermittelt werden konnte. Er hat sich mehrfach bei den Beamten, die den Fall untersuchten, erkundigt und auch selbst in die Ermittlungen eingegriffen.“

„Das ist schon etwas verdächtig“, sagte Kirsch.

„Helen überprüfe nochmal alles, vielleicht wurde seinerzeit etwas übersehen? Was hat er denn für einen Wagen gefahren, sicherlich gab es doch Spuren am Fahrrad des Kindes oder an seinem Auto?“

„Er fuhr einen roten Porsche und er war manchmal schon sehr schnell auf den Straßen unterwegs. Einige Knöllchen sprechen da für sich“, gab Helen unumwunden zu.

„Aber als Polizeipräsident muss man doch mit gutem Beispiel vorangehen“, entgegnete Kirsch, der es einfach nicht glauben konnte, dass sein Vorgesetzter in diesen Fall verwickelt gewesen sein soll.

Kirsch war nicht sehr glücklich über diese Entwicklung, denn schon der Fall des toten Kindes war seinerzeit durch alle Medien gegangen und es hatte jede Menge Schlagzeilen gegeben und jetzt in Verbindung mit dem Mord, wird wieder alles aufgerollt. Da wurde früher schon der Polizeiarbeit rumgemäkelt und womöglich wurden sogar die Akten frisiert und die Ermittlungen nicht sorgfältig geführt, alles war möglich. Kirsch war zu dieser Zeit noch nicht in Wiesenbach, aber dann standen auch die Kollegen unter Verdacht, die den Fall ermittelt hatten.

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