Tanz mit Schlangen

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Z serii: Frank Begay #4
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VII

Am nächsten Morgen erreichten Caldwalder und Begay die Mesa, auf der Hotevilla lag, schon gegen neun Uhr. Die Ebene zu Füßen des Tafelberges schien sich endlos in der Morgensonne zu dehnen. Hie und da stehende Kiefern und Wacholder warfen lange Schatten über das Land. Einzelne braune Büsche standen verstreut auf dem felsigen Grund. Am Horizont türmte sich eine Wand hoch aufragender Kumuluswolken über den Bergen. Dürre schwarze Zweige, die kahl aus dem Sandboden aufragten, zeigten, wo in den letzten Jahren ein Buschfeuer die Vegetation zerstört hatte. Auch einige silbrig glänzende Baumgerippe mit Resten braun-gelber Nadeln kündeten von dieser Verheerung. Sie hatten den Temperaturen nicht standhalten können.

Nachdem sie die steile Straße zu der Mesa erklommen und ihren Wagen abermals am Rand des Dorfes abgestellt hatten, gingen sie zu dem Haus ihres Hopi-Kollegen. Sie begrüßten sich und machten sich gemeinsam auf den Weg.

„Eines sollte ich Ihnen noch erklären, bevor wir mit den Befragungen beginnen“, sagte Charly. „Die Hopi haben keine Schamanen oder Medizinmänner. Die religiösen Pflichten werden von allen Menschen erfüllt. Dabei übernehmen die verschiedenen Klans beziehungsweise deren Kivas bei den verschiedenen Zeremonien die Leitung. So wechseln die rituellen Aufgaben im Laufe des Jahres.“

„Alle Mitglieder der Schlangenkiva, die wir jetzt treffen, waren also mit der Ausrichtung des Schlangentanzes beauftragt?“, fragte Begay.

„Genau“, meinte Charly. „Es gibt dabei auch Sonderaufgaben für einzelne Personen. Aber alle zusammen sind verantwortlich für die erfolgreiche Durchführung des Tanzes und der gesamten Zeremonie.“

Kurz darauf kamen sie zur Dorfplaza. Der Platz war an allen Seiten von den traditionellen, teilweise mehrgeschossigen Häusern aus Lehmziegeln umgeben, die direkt auf den Felsen der Mesa gebaut waren. In den Häusern gab es nur kleine Fenster, im Inneren brannte sommers wie winters ein Feuer, um Licht zu geben, oft ließ man auch die Türen offen stehen. Vereinzelt standen im Dorf die traditionellen kegelförmigen Backöfen aus Adobe-Lehm, in denen an manchen Tagen von mehreren Familien Brot gebacken wurde. Leitern lehnten an den Gebäuden, die zu den oberen Stockwerken führten oder auf die Dächer, auf denen Vorräte gelagert wurden. Hölzerne Leitern ragten aus den Ausgängen der Kivas. Diese waren rechteckig und hatten nicht die runde Form der Zeremonialräume der Anasazi, die Caldwalder in prähistorischen Ruinen gesehen hatte.

„Die Leiter steht für den Aufstieg der Hopi aus dem Schoß der Erdmutter in die jetzige, vierte Welt“, erklärte Charly, der Caldwalders Blick bemerkt hatte.

„In allen Kivas gibt es ein sipapuni, das ist ein Loch in der Erde. Dieses Loch steht für die Öffnung in der Erde, durch die unsere Vorfahren in die neue Welt emporgestiegen sind.“

„Ich würde gerne mal in so eine Kiva sehen“, hoffte Caldwalder.

„Wäre für unsere Arbeit ja auch ganz gut!“

„Das geht auf gar keinen Fall!“ Charly schüttelte energisch den Kopf. „Auch ich darf keine Kiva betreten, in der ich nicht Mitglied bin. Die Kiva des Schlangenklans werden wir alle drei nicht untersuchen können!“

„Davon würde ich auch dringlichst abraten“, betonte Begay „Das FBI könnte so etwas natürlich durchsetzen. Aber dann haben Sie hier einen Aufstand!“

„Natürlich“, lenkte Caldwalder reumütig ein. „Das wird auch nicht passieren!“

Sie hatten tags zuvor mit ihrem Hopi-Kollegen verabredet, dass dieser die Mitglieder der Schlangenkiva zu dieser Zeit zur Plaza bestellen sollte. Sie wollten sie dann einzeln in Charlys Haus rufen, um dort mit ihnen sprechen zu können. Da die Sonne schon wieder hoch am Himmel stand und die Luft über dem Platz bereits in der Hitze zu flimmern begann, hatten vier Männer sich auf alten Campingstühlen aus Plastik oder auf dem Boden im Schatten einer Hauswand im Osten der Plaza hingesetzt.

„Sollte die Schlangenkiva nicht zwölf Angehörige haben?“, fragte Caldwalder flüsternd, während sie auf die Männer zugingen.

„Indian Time“, antwortete Begay achselzuckend und fügte hinzu: „Die meisten Ureinwohner sind bis heute nicht besonders gut darin, zu einer bestimmten Zeit irgendwo zu erscheinen.“

„Aha“, machte Caldwalder.

„Wir fangen einfach mit denen an, die schon da sind, und mit der Zeit werden die anderen schon kommen“, meinte Begay.

Als sie die Gruppe erreicht hatten, stellte Charly sie den Anwesenden vor. Die Hopi musterten den weißen Polizisten und den Navaho argwöhnisch, wie Caldwalder fand. Da der Wächter der unterirdischen Zeremonialräume der Kiva anwesend war, beschlossen Caldwalder und Begay die Vernehmung mit ihm zu beginnen. Mister Ayawamat war ein vielleicht sechzigjähriger Mann in Jeans und kariertem Hemd, der die traditionelle Haartracht der Hopi trug. Seinem dunklen und von Falten übersäten Gesicht sah man an, dass er viel Zeit in Wind und Wetter und besonders in der Sonne seiner Heimat verbrachte. Die vier Männer gingen zu Charlys nahegelegenem Haus. Der Hopi-Polizist sollte als Übersetzer fungieren, wo nötig, und in Fragen der Hopi-Kultur, mit der Begay und Caldwalder sich nicht so genau auskannten, helfend zur Seite stehen. Charly bat Ayawamat und die beiden Polizisten sich an den Tisch zu setzen.

„Mister Ayawamat“, eröffnete Begay das Gespräch, „erst einmal vielen Dank, dass Sie bereit sind, sich mit uns zu unterhalten!“

Der Angesprochene nickte und sah erwartungsvoll von einem zum anderen.

„Wie Sie wissen, ist Albert Tasajeswa beim Schlangentanz ums Leben gekommen“, sprach Begay weiter. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass es sich dabei nicht um einen Unfall gehandelt hat.“

Ayawamat sah sie verblüfft an. „Was soll das denn sonst gewesen sein?“, fragte er in etwas holprigem Englisch.

„Die Schlange ist regelrecht präpariert worden“, nahm Charly den Faden auf, „sodass sie bei der leisesten Berührung zubeißen musste.“

Der Hopi gab einen Laut des Erschreckens von sich.

„Außerdem hatte man sie wohl hungern lassen, damit sie möglichst aggressiv werden sollte.“

„Und sie eine große Giftmenge injizieren konnte“, ergänzte Caldwalder.

„Wer sollte denn so was tun?“ Ayawamat wirkte ehrlich schockiert.

„Das ist die Frage, die wir zu klären versuchen.“

Sie hatten zuvor abgesprochen, diesen Zustand der Klapperschlange jedem einzelnen im Gespräch mitzuteilen, um die Reaktion beobachten zu können.

„Deshalb ist für uns von größter Wichtigkeit, herauszubekommen, wer Zugang zu den Schlangen gehabt haben könnte“, fuhr Begay fort.

„Nur die Mitglieder der Schlangenkiva.“ Ayawamat war offensichtlich immer noch erregt, während er gleichzeitig den Kopf schüttelte, wohl weil er sich nicht vorstellen konnte, dass einer der Angehörigen der Schlangenkiva etwas mit so einer Tat zu tun haben könnte.

„Sind Sie da ganz sicher?“, fragte Caldwalder nach.

„Natürlich!“ antwortete der alte Mann. „Die Kiva ist immer abgeschlossen. Und während der Vorbereitung des Schlangentanzes wurde sie rund um die Uhr bewacht. Außerdem liegt mein Haus direkt neben der Schlangenkiva. Ich würde immer mitbekommen, wenn sich an der Kiva jemand zu schaffen macht, der dort nicht hingehört!“

„Auch, sagen wir mal, mitten in der Nacht?“ hakte Caldwalder nach.

„Wir Hopi leben sehr eng zusammen“, schaltete Charly sich ein. „In einem Hopi-Dorf kann man nicht viel tun, ohne dass alle anderen es mitbekommen. Und schon gar nicht in eine Kiva einsteigen!“

„Außerdem war sie abgeschlossen, wie schon gesagt. Und das Schloss war nicht beschädigt!“

„Wer hat die Kiva denn bewacht?“

„Die Mitglieder der Kiva“, antwortete Ayawamat. „Je nachdem, wer dafür eingeteilt war.“

„Also konnte wohl wirklich niemand, der nicht zur Schlangenkiva gehört, die Schlange präparieren“, fasste Caldwalder nachdenklich zusammen.

„Wer war denn für die Versorgung der Schlangen zuständig?“, fragte Begay.

„Für die Versorgung der Schlangen in der Kiva sind die Kinder des Schlangenklans verantwortlich“, erklärte Ayawamat.

„Und hatte eines der Kinder bemerkt, dass eine Schlange fehlte?“, fragte Caldwalder.

Ayawamat schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Können Sie die Kinder bitte noch einmal fragen, ob ihnen aufgefallen ist, dass zu irgendeinem Zeitpunkt vielleicht doch eine Schlange gefehlt hat oder eine Schlange aufgetaucht ist, die vorher nicht da war? Oder ob ihnen sonst irgend etwas aufgefallen ist, Mister Ayawamat?“, bat Caldwalder.

„Ja, natürlich“, erwiderte der Angesprochene nachdenklich.

„Hätte denn jemand, der zum Beispiel Wache gehabt hat, die Schlange mit nach Hause nehmen können, um sie später, sagen wir kurz vor dem Tanz, wieder zurückzubringen?“, fragte Begay. Ayawamat sah Begay entgeistert an, nickte aber und sagte: „Ja, bei den vielen Schlangen hätte das niemand bemerkt.“

„Wer hätte denn ein Interesse daran haben können, Tasajeswa etwas anzutun?“, fragte Caldwalder.

„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“ Der Hopi schüttelte sichtlich empört den Kopf. „Sicher gab es auch einmal Unstimmigkeiten“, fügte er dann hinzu, offensichtlich mehr mit sich selbst als zu den Polizisten sprechend.

„Was waren das denn für Unstimmigkeiten?“, bohrte der Agent.

„Dabei geht es eigentlich immer um den Zwiespalt zwischen der Erhaltung unserer Tradition und der Anpassung an die Welt der Pahana …“

„Der Weißen“, übersetzte Charly.

Caldwalder hatte wiederum das Gefühl, dass Ayawamat ihm einen bösen Blick zuwarf.

„Mister Tasajeswa war doch ein Traditionalist. Hatte er denn in der Kiva Gegner, die vielleicht nicht ganz so auf der Einhaltung der Traditionen beharren wollten oder etwas Neues einführen wollten?“, fragte Begay.

 

„Dazu möchte ich nichts sagen“, sagte Ayawamat.

„Wir wissen doch alle, dass Tasajeswa selbst in einem traditionellen Dorf wie Hotevilla zu den stärksten Verfechtern der Tradition gehörte“, meinte Charly. „Und er lag ständig im Streit mit den Brüdern Hongvha oder Holden Lomaheftewa, die meinen, man müsse heute die allzu starren Traditionen lockern.“

„Dazu möchte ich nichts sagen“, wiederholte Ayawamat mit Nachdruck und funkelte Charly böse an.

Es war verständlich, dass der Hopi nicht über die Angehörigen seiner Kiva spekulieren wollte, dachte Begay.

Caldwalder ließ sich nicht beirren: „Wenn Sie da von irgendwelchen Streitigkeiten wissen, müssen Sie uns das sagen!“

„Ich weiß davon nichts“, beharrte Ayawamat.

Die drei Polizisten sahen sich an und Begay sagte: „Wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch!“

Nachdem Ayawamat aufgestanden war und sich verabschiedet hatte, ging Charly mit ihm zusammen heraus, um den nächsten Zeugen abzuholen.

Kurz darauf erschien er mit einem mittelgroßen und schlanken, jüngeren Mann, dessen Haar nach Art der Hopi halblang war und von einem breiten roten Stirnband gehalten wurde. Charly stellte seinen Kollegen den Mann als David Sikyahonaw vor und erklärte, dass dieser vor dem Schlangentanz Wächter über die Schlangen gewesen sei.

„Na, lebt ihr immer noch von Eidechsen und Schlangen?“, fragte der Hopi Begay grinsend.

„Manchmal ist auch ein Kaninchen dabei“, erwiderte der Angesprochene. „Jedenfalls essen wir nicht nur vergammeltes Gemüse wie ihr!“

„Na ja, ihr habt ja auch noch die Schafe und Ziegen, die ihr uns gestohlen habt. Oder habt ihr die alle aufgefressen?“ Der Mann lachte in sich hinein.

Caldwalder sah verständnislos von einem zum anderen.

„Die Navaho sind ja erst vor Kurzem in dieses Land gekommen“, erklärte der Hopi dem Agenten. „Kurz bevor ihr Weißen kamt. Man musste ihnen alles erst beibringen!“

„Das haben wir uns schon selber beigebracht. So schwierig war das ja nicht.“

„Nachdem Ihr alles bei uns abgeguckt und gestohlen habt“, meinte Sikyahonaw feixend.

„Ihr wolltet ja nicht mit uns teilen, wie es sich gehört hätte“, antwortete Begay ebenfalls grinsend.

„Ihr Navaho vermehrt euch wie die Karnickel, während wir Hopi immer weniger werden!“

„Wahrscheinlich weil wir die schöneren Frauen haben!“

„Klar, wenn man den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat“, meinte der Hopi und lachte lauthals.

„Jedenfalls haben unsere Frauen nicht so einen Maisbauch wie eure!“

„Wenn man nichts anderes isst als Eidechsen und Karnickel…“

Charly und auch Begay fielen in das Gelächter mit ein, während Caldwalder immer noch etwas verunsichert drein sah.

„Überall sind Navaho! Es wimmelt von ihnen! Fast so schlimm wie von den Weißen“, meinte er zu Caldwalder gewandt. Sikyahonaw musste sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischen.

Charly nutzte die Gelegenheit, um ihre Befragung zu beginnen. Sikyahonaw reagierte äußerst verblüfft, als die Polizisten ihm mitteilten, dass das Tier, das Tasajeswa gebissen hatte, präpariert gewesen war. Auch er erkannte sofort, dass es sich also nicht um einen Unfall, sondern um Mord handeln musste, und reagierte entsprechend entsetzt.

„Mister Sikyahonaw“, fragte Caldwalder ihn nach einer kurzen Pause, „können Sie sich vorstellen, dass eine der Schlangen aus der Kiva entwendet und später wieder zurückgebracht wurde oder eine Schlange erst später zu den anderen getan wurde?“

„Wäre schon möglich“, antwortete Sikyahonaw zögernd. „Es waren eine Menge Schlangen! Sie werden am zwölften Tag der Zeremonie eingefangen und nach dem Tanz am sechzehnten und letzten Tag wieder freigelassen. Aber niemand, der nicht Mitglied in der Schlangenkiva ist, kann an die Schlangen heran!“

Begay und Caldwalder nickten. Als sie den Hopi nach eventuellen Streitigkeiten innerhalb der Kiva befragten, kam auch dieser auf den Streit zwischen Traditionalisten und anderen, eher für den American Way of Life offenen, sogenannten Progressiven, zu sprechen. Auf die Nachfrage, mit wem Tasajeswa innerhalb der Kiva besonders Streit gehabt haben könnte, wollte oder konnte Sikyahonaw aber auch nichts sagen.

Nachdem sie die Befragung beendet hatten, sagte Begay zu Caldwalder: „Die Leute reden nicht gerne mit uns!“

„Ja“, meinte der Agent. „Das ist aber auch verständlich! Meinen Sie, dass sie uns etwas verschweigen?“

„Das frage ich mich tatsächlich“, antwortete Begay nachdenklich.

Charly kam jetzt nacheinander mit zwei sehr alten Hopis von der Plaza zurück. In den Gesprächen mit diesen sehr würdevoll und reserviert auftretenden Alten, die auf Caldwalder wirkten, als ob sie aus einer anderen Zeit kämen, musste Charly dolmetschen. Begay fragte sich, ob die alten Männer die Sprache der Weißen nicht sprachen oder sie nur nicht benutzen wollten. Beide schienen enge Freunde von Tasajeswa gewesen zu sein und wiesen die Vorstellung, dass jemand aus dem Schlangenklan ihrem Freund etwas angetan haben könnte, weit von sich.

Nachdem das Gespräch beendet war, führte Charly einen anderen alten Mann herein, den er als Sam Wikwaya vorstellte. Auch Wikwaya sprach nur Hopi und Charly übersetzte: „Mister Wikwaya möchte Ihnen zunächst etwas erklären.“

Begay und Caldwalder sahen Wikwaya gespannt an und Begay forderte Charly auf, ihm zu übersetzen, dass er fortfahren solle.

Nachdem der alte Mann mit leiser, sonorer Stimme gesprochen hatte, begann Charly zu dolmetschen: „Mister Wikwaya möchte, dass Sie die Kultur der Hopi etwas besser verstehen, bevor Sie mit Ihrer Arbeit fortfahren.“

Charly machte eine Pause und Wikwaya sprach eine ganze Weile, bevor er Charly auffordernd ansah und der fortfuhr: „Nachdem der Schöpfer Taiowa die erste Welt Tokpela geschaffen hatte und Kokyangwuti, das Spinnenweib, die Menschen der vier Rassen erschuf, lebten die Menschen zunächst in Frieden und fühlten sich eins mit den Tieren. Dann aber vergaßen viele Menschen den Sinn des Schöpfungsplans und wandten sich ab von den Tieren und von den anderen Menschen und lebten nur noch für ihre eigenen Interessen. Da beschloss der Schöpfer, die Welt zu zerstören. Den Menschen aber, die gemäß seinen Geboten in Demut und Frieden mit der Welt gelebt hatten, gebot er, sich beim Ameisenvolk in der Erde zu verstecken. Er öffnete die Vulkane und zerstörte die Erde mit Feuer. Die guten Menschen aber konnten aufsteigen in die zweite Welt, Tokpa. Auch in der zweiten Welt hatten die Menschen alles, was sie brauchten, und hätten glücklich sein können. Aber wieder wollten sie mehr und wandten sich ab vom Plan des Schöpfers und der Einheit aller Dinge. So beschlossen Sotuknang, der göttliche Verwalter, und Taiowa, die Welt wiederum zu zerstören. Den aufrechten Menschen wurde wieder erlaubt, zum Ameisenvolk zu ziehen. Dann befahl Sotuknang den Zwillingen Pöqanghoya und Palöngawhoya, die an den Polen die Weltachse im Gleichgewicht hielten, diese zu verlassen und die Erde verlor ihr Gleichgewicht, taumelte durch den Raum und das Meer überschwemmte alles Land. Als die Welt durch den leeren Raum taumelte, gefror das Wasser zu Eis und bedeckte die Erde. Das war das Ende der zweiten Welt. Die überlebenden Menschen aber stiegen auf in die dritte Welt, Kuskurza. Aber während die Menschen in der ersten Welt einfach mit den Tieren gelebt hatten und in der zweiten gelernt hatten, Häuser, Dörfer und vielerlei Dinge herzustellen, entwickelten sie sich in der dritten Welt weiter. Sie bauten große Städte, Staaten und ganze Kulturen. Dies erschwerte ihnen, ein einfaches Leben im Einklang mit ihrer Umgebung und dem Plan des Schöpfers zu leben. Nur wenige Menschen hatten die Weisheit bewahrt. Wiederum musste die Welt zerstört werden. Die guten Menschen wurden von der Spinnenfrau in Schilfhalmen eingeschlossen. Dann ließ Sotuknang das Wasser frei. Es regnete unablässig und Wellen so hoch wie Berge rollten über das Land und zerstörten es. Als die Überlebenden an die Küste kamen, entdeckten sie ein reiches und schönes Land. Aber das Spinnenweib sagte ihnen, das sei nicht das Land, in dem sie leben sollten. Das Leben sei dort zu einfach und angenehm, so dass die Menschen dort nicht in Demut würden leben können. Sie schickte die Menschen wieder aufs Meer, um ihre neue Heimat zu suchen. Sie wandten sich nach allen Richtungen und landeten an verschiedenen Küsten, die aber alle nicht das rechte Land waren. Schließlich fanden sie die Küste der vierten Welt und stiegen an den Bergen auf. Durch das Sipapuni erreichten sie schließlich die Erdoberfläche. Noch heute pilgern die jungen Hopi zu der Höhle im Grand Canyon, durch die unsere Vorfahren aufgestiegen waren. Tuwaqachi oder die vollständige Welt war nicht so reich und schön wie die vorausgegangenen Welten. In ihr sollten die Menschen in Einfachheit leben. Massau, der göttliche Verwalter der vierten Welt, hieß die verschiedenen Klans, in alle Himmelsrichtungen zu wandern, um das ihnen bestimmte Land zu finden. So teilten die Klans sich auf und machten sich auf die Suche nach dem Land, das für sie vorgesehen war. Erst nach langen Wanderungen fanden die Klans der Hopi hier in diesem Land wieder zusammen. Und dies ist das Land, das uns vom Schöpfer bestimmt wurde. Es ist ein hartes und trockenes Land, und in ihm sollen wir ein Leben in Einfachheit, Demut vor dem Schöpfer und im Einklang mit unserer Umgebung führen.“ Charly machte eine Pause und sah seine Kollegen etwas zweifelnd an. Er fragte sich, ob sie all dies wirklich hören wollten, aber die beiden sagten nichts und sahen Wikwaya geradezu gespannt an. Der alte Mann sprach wieder lange und bedächtig und sah dann auffordernd Charly an.

„Es ist wichtig, dass die Hopi die Zeremonien, die uns der Schöpfer gegeben hat, ausführen. Diese Rituale tragen nach unserem Glauben zum Erhalt und zur Stärkung der Welt bei. Der Zeremonienkreislauf beginnt im Winter mit Wuwuchim, dem Flehen für das Keimen aller Lebewesen, Pflanzen, Tiere und Menschen. Zur Wintersonnenwende führen wir Soyal aus, die Bestätigung des Lebensplans für das neue Jahr. Im Januar schließen die Nachttänze der Kachinas zu Ehren der Geister an. Darauf folgt Puwamu, die Reinigung und das Pflanzen der Bohnen. Nun kommen die drei wichtigen Sommerzeremonien der Tänze auf der Plaza. Sie enden mit Niman-Kachina, dem Heimgehen der Kachinas. Bei all diesen Zeremonien stellen maskierte Tänzer die verschiedenen Kachina-Geister dar. Im August wird abwechselnd in einem Jahr die Flötenzeremonie ausgeführt, im anderen die Schlangen-Gabelbock-Zeremonie. Beide haben die Aufgabe, die Früchte zum Reifen zu bringen, und sind deshalb für uns sehr wichtig. Lakon, Marawu und Owaqlt sind die Feiern der Erntezeit und werden von den Frauenbünden ausgeführt. Mit ihnen schließt der Jahreszyklus und danach beginnt der neue.“

Charly machte wieder eine Pause und Wikwaya sprach weiter, von dem Jüngeren übersetzt: „Wenn die Zeremonien nicht mehr ausgeführt würden, kommt es zum Ende der Welt. Daher sind diese Rituale für die Erde so wichtig. Und Albert Tasajeswa war der Führer des Schlangenklans. Er hat dafür gesorgt, dass diese Zeremonie richtig ausgeführt wurde. Und auch über sein Amt hinaus hat er sich für den Erhalt unserer Kultur und Tradition eingesetzt. Ihm war es zu danken, dass wir noch im Frieden mit unserer Umgebung und im Einklang mit den Gesetzen des Schöpfers gelebt haben. Ohne ihn wird es sehr schwer für uns werden. Ich wollte, dass Sie das verstehen!“

Begay und Caldwalder warteten, ob Wikwaya noch etwas sagen würde, aber der alte Mann blieb still und sah sie nur an. Noch ganz gefangen von den Ausführungen des Alten baten sie Charly, ihm die Fragen zu stellen, die sie den anderen Männern gestellt hatten. Aber hierzu hatte Wikwaya nicht viel beizutragen. Er konnte sich nicht erklären, wer eine Schlange habe präparieren sollen oder wer Tasajeswa etwas habe antun sollen.

Inzwischen hatten sich laut Charly die meisten Angehörigen des Schlangenklans auf der Dorfplaza eingefunden und so versuchten die Polizisten, die Befragungen schneller durchzuführen. Der nächste Zeuge, James Mochni, war ein älterer Mann, dessen Gesichtszüge und Haartracht ihn deutlich als Hopi auswiesen. Er erschien ebenso erstaunt über die Nachricht, dass die Schlange, die Tasajeswa getötet hatte, offenbar dafür vorbereitet worden war, wie seine Vorgänger. Als das Gespräch auf Streitigkeiten kam, die Tasajeswa mit anderen Angehörigen der Kiva hätte haben können, erzählte Mochni bereitwillig von ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen diesem einerseits und den Brüdern Hongvah und Holden Lomaheftewa auf der anderen Seite, deren Zeuge er geworden sei.

 

„Worum ging es denn bei diesen Auseinandersetzungen?“, fragte Caldwalder.

„Holden Lomaheftewa und die Brüder Hongvah meinten, man müsste heutzutage nicht mehr an jedem Ritual und jeder Zeremonie der Vergangenheit festhalten“, führte der Hopi aus. „Sie hielten das für nicht mehr zeitgemäß.“

„Und Tasajeswa hat sich dagegen gewehrt“, stellte Begay fest.

„Ja“, antwortete Mochni. „Wir haben den unmissverständlichen Auftrag vom Schöpfer erhalten, die Rituale zum Wohl der Welt auszuführen!“

Er sah seine Gesprächspartner düster an. „Wenn wir darin nachlassen, kommt es zum Untergang der vierten Welt! Deshalb war Albert so hartnäckig in seiner Position.“

„Sie müssen wissen, das Dorf Hotevilla entstand, als in Oraibi die Traditionen nicht mehr ernst genommen wurden. Damals sind die Traditionalisten aus Oraibi ausgezogen, um weiter nach den alten Regeln zu leben“, erklärte Charly.

„Wann war denn das?“, wollte Caldwalder wissen.

„1906“, antwortete der Hopi-Polizist. „In Hotevilla kam es dann erneut zu einem Bruch, worauf einige der Familien zunächst wieder zurück nach Oraibi zogen. Dort wurden sie aber nicht geduldet und gründeten dann das Dorf Bacavi, das nur eine Meile entfernt liegt. Heute sind Hotevilla und Bacavi eine Gemeinde.“

Charly sah zu Mochni und der alte Mann nickte ihm zu, wie um zu sagen, dass er fortfahren solle.

„Unser Dorf war immer die letzte Bastion der alten Hopi-Lebensweise. Männer wie Tasajeswa befürchten, dass, wenn auch hier die Traditionen nicht mehr geachtet würden und die Rituale nicht mehr ausgeführt würden, das Ende der Welt bevorsteht.“

„Dann hat es Tasajeswa bestimmt besonders bewegt, dass ausgerechnet Mitglieder seiner eigenen Kiva den Erhalt der Traditionen und damit die richtige Lebensweise in Frage stellten“, meinte Begay.

„Ja“, antwortete Mochni, „das hat viele von uns sehr verärgert! Es hätte zu einem offenen Bruch kommen können. Dann hätte es vielleicht den Schlangenklan nicht mehr gegeben! Oder er hätte seine Aufgaben nicht mehr erfüllen können!“ Er starrte auf den Boden vor sich. „Wir sind ja heute nicht mehr viele“, fügte er leise hinzu.

„Wollten denn die Brüder Hongvah und Mister Lomaheftewa die Rituale abschaffen?“, fragte Begay.

„Ja. Es war ihnen alles zu anstrengend“, antwortete Mochni und lachte bitter. „Die Brüder Hongvah haben sich sogar dafür stark gemacht, den Schlangentanz als Touristenattraktion zu vermarkten. Stellen Sie sich das einmal vor: Popcorn fressende, Bier saufende und fotografierende Touristen bei unserem heiligen Ritual“, ereiferte der Hopi sich.

Begay sah bedrückt drein. Er kannte den Ausverkauf indianischer Traditionen für das Geld amüsiersüchtiger Touristen nur zu gut.

„Wir führen die Zeremonien aus für die Fruchtbarkeit unserer Felder und für den Regen! Was wäre, wenn der dann ausgeblieben wäre?“

Der alte Mann schüttelte bei dieser Vorstellung unwillkürlich den Kopf. „Und wir führen diese Rituale aus für den Erhalt der Welt! Das wollten diese Männer aufs Spiel setzen für ein paar Dollars von den Anglos!“

Mochni vertrat offensichtlich dieselbe Position in dieser Sache wie Tasajeswa, dachte Begay. Auf jeden Fall schien er kein Motiv gehabt zu haben, seinen Freund zu ermorden.

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