Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften

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Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 6 Die Rechtsbeziehungen der BGB-Gesellschaft zu Dritten

§ 6 Die Rechtsbeziehungen der BGB-Gesellschaft zu Dritten

Inhaltsverzeichnis

I. Die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

II. Die Vertretung

III. Die Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft

101

Fall 9:

Die Anwälte A, B, C und D betreiben seit Mitte 2009 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Anwaltskanzlei. Im Jahre 2015 führt B für den Mandanten M einen Zivilprozess. Den entsprechenden Vertrag schließt M mit der „Anwaltskanzlei A, B, C und andere“. B versäumt durch Unachtsamkeit eine wichtige Frist. Dem M entsteht dadurch ein nachgewiesener Schaden in Höhe von 12.700 €. Von wem kann M Zahlung von 12.700 € verlangen? Rn. 141

102

Fall 10:

Nach dem Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind die drei Gesellschafter A, B und C an der Gesellschaft zu gleichen Teilen beteiligt. C hat der Gesellschaft Büroräume vermietet. Es sind in den letzten Monaten Mietrückstände in Höhe von 7.500 € aufgelaufen. Da die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, will C von A und B Zahlung verlangen. Zu Recht? Rn. 142

103

Fall 11:

Rechtsanwalt R, der bisher als Einzelanwalt tätig war, schließt sich mit seinem Kollegen A zu einer Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen. Vor der Gründung dieser Gesellschaft hatte der Malermeister M die Praxisräume des R renoviert. Kann M auch den A gem. wegen der dafür fälligen Vergütung in Höhe von 4.500 € in Anspruch nehmen? Rn. 143

Literatur:

Altmeppen, Deliktshaftung in der Personengesellschaft, NJW 2003, 1553 ff.; Armbrüster, Die Schranken der „unbeschränkten“ persönlichen Gesellschafterhaftung in der BGB-Gesellschaft, ZGR 2005, 34 ff.; derselbe, Die Entwicklung der Rechtsfähigkeit der GbR seit “ARGE Weißes Ross“, ZGR 2013, 366 ff.; Canaris, Die Übertragung des Regelungsmodells des §§ 125-130 HGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als unzulässige Rechtsfortbildung contra legem, ZGR 2004, 69 ff.; Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, 1998; Habersack/Schürnbrand, Die Haftung des eintretenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, JuS 2003, 739 ff.; Hadding, Zur Rechts- und Parteifähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie zur Haftung ihrer Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten, ZGR 2001, 712 ff.; Pohlmann, Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – Folgen für Erkenntnisverfahren, Zwangsvollstreckung und freiwillige Gerichtsbarkeit, WM 2002, 1421 ff.; K. Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft: rechts- und parteifähig, NJW 2001, 993 ff.; ders., Die Sozietät als Sonderform der BGB-Gesellschaft, NJW 2005, 2801 ff.; Tebben, Karlsruhe locuta causa finita: Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch, NZG 2009, 288 ff.; Wagner, Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZIP 2005, 637 ff.

Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 6 Die Rechtsbeziehungen der BGB-Gesellschaft zu Dritten › I. Die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

I. Die Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

1. Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

104

Der BGH[1] hat anerkannt, dass die BGB-Gesellschaft, wenn sie Außengesellschaft ist, also im Gegensatz zur auch möglichen reinen Innengesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt, rechtsfähig ist. Er folgt damit einem beachtlichem Teil der rechtswissenschaftlichen Literatur. Die Rechtssubjektivität der Gesamthand ist damit anerkannt.

105

Nach Ansicht des BGH[2] ist die (Außen-) BGB-Gesellschaft rechtsfähig, ohne juristische Person zu sein. Der BGH verweist auf § 14 Abs. 2 BGB, der zeige, dass Personengesellschaften, die keine juristischen Personen seien, wie z. B. OHG und KG, sehr wohl rechtsfähig und damit Träger von Rechten und Pflichten sein können; ebendies müsse auch für die BGB-Gesellschaft gelten. Die systematische Grenzlinie zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Gesellschaften wird also nicht durch die Einordnung einer Gesellschaft als juristische Person markiert[3]. Die BGB-Gesellschaft kann demnach im Rechtsverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen[4]. Sie kann jedenfalls Trägerin von Rechten und Pflichten sein.

Beispiel:

Die BGB-Gesellschaft kann Partner eines Kaufvertrages oder eines Mietvertrages sein. Daraus erwachsende Ansprüche sind Ansprüche der BGB-Gesellschaft, nicht solche der einzelnen Gesellschafter.

Eine Anwaltssozietät ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sofern die Vertragschließenden nicht ausdrücklich eine andere Rechtsform, wie z. B. die Partnerschaftsgesellschaft, gewählt haben.[5] Mandanten, die sich von einer Sozietät von Anwälten in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vertreten und beraten lassen wollen, schließen im Zweifel den Vertrag mit der Anwaltsgesellschaft und nicht mit einem einzelnen Anwalt, der Mitglied der Sozietät ist. Selbst wenn der Mandant einen Rechtsanwalt der Sozietät beauftragt, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Sozietät Vertragspartner werden soll, denn grundsätzlich ist von dem Willen des Mandanten auszugehen, das Mandatsverhältnis mit der Sozietät zu begründen.[6] Das Einzelmandat eines Sozietätsanwalts bedarf einer ausdrücklichen und klaren Absprache, weil der Mandant Klarheit über die Person seines Vertrags- und Haftungspartners haben muss.[7] Das gilt auch dann, wenn es sich um eine sogenannte gemischte Sozietät handelt, der außer Rechtsanwälten auch noch Mitglieder anderer Berufsgruppen, wie z. B. Steuerberater, angehören, was nach § 59a BRAO zulässig ist.

Beispiel:

Schließt der Mandant M mit der Anwaltssozietät „Anwaltsgesellschaft A und B“, der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer angehören, einen Vertrag, so kontrahiert M mit der Sozietät und nicht mit einem einzelnen Anwalt. Ist die Beratung in einer Rechtsangelegenheit Gegenstand des Vertrages, so ist die Sozietät verpflichtet, die Beratungsleistung zu erbringen und nicht ein einzelnes Mitglied der Sozietät.[8] Ob M einen Anspruch darauf hat, dass ihn gerade der Anwalt B betreut, ist nicht eine Frage der Vertragspartei, sondern des Vertragsinhaltes.

106

Sachen, die zu Eigentum in die Gesellschaft eingebracht werden, sind Eigentum der Gesellschaft[9]. Da die BGB-Gesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft gem. § 718 Abs. 1 BGB Rechtspositionen wie namentlich das Eigentumsrecht einnehmen kann und insoweit rechtsfähig ist, steht ihr auch das Grundrecht auf Eigentum zu. Sie ist also insoweit grundrechtsfähig[10]. Die BGB-Gesellschaft kann nicht nur Gläubigerin vertraglich begründeter Ansprüche sein, sondern auch Gläubigerin von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB), unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) und aus § 1 UWG. Konsequenterweise muss auch die Markenfähigkeit i. S. d. § 7 MarkenG bejaht werden[11].

2. Die Grundbuchfähigkeit

107

Lange Zeit war die Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft umstritten. Nach einer Änderung der Grundbuchordnung (§ 47 Abs. 2 GBO) ist die Eintragung einer BGB-Gesellschaft in das Grundbuch, z. B. als Eigentümerin, gesetzlich zugelassen. Allerdings bestimmt § 47 Abs. 2 GBO, dass neben der Gesellschaft als derjenigen, der das Recht materiellrechtlich zusteht, auch die Gesellschafter in das Grundbuch eingetragen werden müssen. Eine Eintragung der Gesellschaft allein unter dem Namen, den ihr die Gesellschafter gegeben haben, kommt als taugliches Abgrenzungskriterium gegenüber anderen Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht in Betracht. Die Identifizierung der Gesellschaft erfolgt über die notwendige Benennung ihrer Gesellschafter.[12]

3. Die Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft

108

Da die (Außen-)BGB-Gesellschaft Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann, ist es nur konsequent, ihr auch die Parteifähigkeit im Zivilprozess (§ 50 ZPO), die mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, zuzuerkennen[13]. Die BGB-Gesellschaft kann also Partei, d. h. Klägerin oder Beklagte, im Prozess sein[14].

 

Beispiel:

Die BGB-Gesellschaft hat als Verkäuferin gegen X (Käufer) einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung des Kaufpreises erworben. In einem möglichen Zivilprozess wäre die BGB-Gesellschaft die Klägerin.

4. Die BGB-Gesellschaft als Mitglied eines anderen Verbandes

109

Dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Mitglied eines anderen Verbandes (einer Personengesellschaft oder einer juristischen Person) sein kann, folgt schon aus der Rechtsfähigkeit als der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können, sofern es sich um eine Gesamthandsgesellschaft (als Außengesellschaft) handelt. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann sowohl Aktionärin einer AG sein als auch einen Geschäftsanteil einer GmbH erwerben[15]; für die Beteiligung an einer Genossenschaft gilt im Grundsatz nichts anderes[16].

110

Die (Außen-)BGB-Gesellschaft kann auch persönlich haftende Gesellschafterin einer OHG oder KG sein[17]. Ihr wird auch die Fähigkeit zuerkannt, Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu sein.

Wird die BGB-Gesellschaft z. B. Kommanditistin, so sind neben der BGB-Gesellschaft auch die ihr zum Zeitpunkt des Beitritts angehörenden Gesellschafter in das Handelsregister einzutragen[18].

5. Die fehlerhafte BGB-Gesellschaft

111

Auf die fehlerhaft zustande gekommene BGB-Gesellschaft finden die für die fehlerhafte Gesellschaft entwickelten Regeln Anwendung.[19] (siehe dazu unten Rn. 429 ff.)

Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 6 Die Rechtsbeziehungen der BGB-Gesellschaft zu Dritten › II. Die Vertretung

II. Die Vertretung

1. Die Vertreter der Gesellschaft

112

Die Vertretungsmacht als die Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter rechtsgeschäftliche Erklärungen (Willenserklärungen) abzugeben und entgegenzunehmen, steht nach §§ 714, 709 BGB den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Das bedeutet, dass grundsätzlich für jedes Geschäft die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Wenn ein Vertrag mit einer BGB-Gesellschaft auch für den Vertragspartner erkennbar auf Seiten der Gesellschaft von allen Gesellschaftern abgeschlossen werden soll, so kommt der Vertrag im Zweifel erst in dem Moment zustande, in dem alle Gesellschafter die dazu notwendigen Willenserklärungen abgegeben haben. Das gilt auch für den Fall, dass schon vorher ein einzelvertretungsbefugter Gesellschafter dem Vertragsschluss zugestimmt hat[20]. Werden die vertretungsberechtigten Gesellschafter im Namen der Gesellschaft rechtsgeschäftlich Dritten gegenüber tätig, wird daraus die BGB-Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Nach § 714 BGB richtet sich der Umfang der Vertretungsmacht im Zweifel nach der über die Geschäftsführungsbefugnis getroffenen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag. Das bedeutet: Wenn keine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung vorliegt, decken sich Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht. Haben z. B. nach dem Gesellschaftsvertrag mehrere Gesellschafter Einzel- oder Gesamtgeschäftsführungsbefugnis gem. § 710 BGB, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie dementsprechend Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht haben sollen. Die Erteilung von Einzelvertretungsmacht muss nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch in konkludenter Form geschehen[21].

Beispiel:

In der aus A und B bestehenden Gesellschaft beschränkte A seinen Wirkungskreis über viele Jahre auf die internen Verhältnisse der Gesellschaft; dem anderen geschäftsführenden Gesellschafter B überließ der A ausschließlich die Regelung der Außenverhältnisse, d. h. er ließ ihm dafür freie Hand. Das führte dazu, dass B alle Verträge mit Dritten im Namen der Gesellschaft allein unterschrieb. Darin hat der BGH[22] eine konkludent erteilte Vollmacht zur Alleinvertretung der Gesellschaft gesehen. Im Zweifel handelt es sich um eine Duldungsvollmacht, weil A es wissentlich geschehen ließ, dass B für die Gesellschafter wie ein Alleinvertretungsbefugter auftrat. In der Duldung des A ist eine durch konkludentes Handeln abgegebene Willenserklärung zu sehen, mit der dem B die Alleinvertretungsbefugnis erteilt wurde.

113

Die Gesellschafter haben die Möglichkeit, durch den Gesellschaftsvertrag die Vertretungsmacht unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis zu regeln. Haben die Gesellschafter vertraglich Einzelgeschäftsführung mit Einzelvertretungsmacht vereinbart, so lässt ein Widerspruch, den ein Gesellschafter gem. § 711 BGB gegen Geschäftsführungsmaßnahmen einlegt, die zugleich eine Vertretungshandlung darstellen, die Vertretungsmacht unberührt[23]. Der Widerspruch kann nach außen, d. h. im Verhältnis zu Dritten im Interesse der Verkehrssicherheit jedenfalls dann keine Wirkung entfalten, wenn er Dritten nicht bekannt war.

114

Der Umfang der Vertretungsmacht kann im Gegensatz zur OHG (§ 126 HGB) beliebig eingeschränkt werden. Da durch den Zusammenschluss der Gesellschafter bei einer BGB-Gesellschaft eine unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht in Analogie zu § 126 HGB wie bei der OHG nicht begründet wird, kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn die Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter und damit auch deren Vertretungsbefugnis beschränkt ist, aber ein Gesellschafter gegenüber Dritten seine Vertretungsmacht überschreitet.

Beispiel:

Der Gesellschaftsvertrag sieht Einzelvertretung vor, beschränkt die Geschäftsführungsbefugnis aber auf 10.000 €. Gesellschafter B kauft für und im Namen der Gesellschaft bei V einen PKW für 20.000 €. Hier hat B die Grenzen der Vertretungsmacht überschritten. Er konnte die Gesellschaft nicht wirksam vertreten.

Soweit ein Gesellschafter die Grenzen der Vertretungsmacht überschreitet, handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Die §§ 177 bis 179 BGB sind anwendbar.

Beispiel:

Im oben genannten Beispiel ist B Vertreter ohne Vertretungsmacht. Der Vertrag zwischen der BGB-Gesellschaft und V ist schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Falls die Gesellschaft den Vertrag nicht genehmigt, haftet B gem. § 179 Abs. 1 BGB.

115

Das Verbot des Selbstkontrahierens gilt auch für die Geschäftsführer der BGB-Gesellschaft, wenn sie im Namen der Gesellschaft mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten rechtsgeschäftlich handeln, es sei denn, es liegt eine der in § 181 BGB genannten Ausnahmen vor.

Ebenso wie die Geschäftsführungsbefugnis kann auch die Vertretungsmacht nach §§ 715, 712 BGB entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (s. dazu Rn. 89). Falls die Vertretungsmacht in Verbindung mit der Geschäftsführungsbefugnis erteilt worden ist, kann sie nur mit der Geschäftsführungsbefugnis zusammen entzogen werden (§ 715 BGB).

In dem oben als Fall 8 (Rn. 73 u. 100) geschilderten Beispiel kann G aus dem genannten wichtigen Grund nicht nur die Geschäftsführungsbefugnis, sondern auch die Vertretungsmacht entzogen werden.

2. Der Grundsatz der Selbstorganschaft

116

Nach h. M. gilt für Personengesellschaften der Grundsatz der Selbstorganschaft bzw. das Verbot der Drittorganschaft. Das bedeutet, dass außenstehenden Dritten zwar rechtsgeschäftliche, aber keine organschaftliche Vertretungsmacht eingeräumt werden kann. Auch bei der BGB-Gesellschaft kann also nicht gesellschaftsvertraglich vereinbart werden, dass alle Gesellschafter von der Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft ausgeschlossen werden sollen und stattdessen ein Nichtgesellschafter geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sein soll[24]. Der Grundsatz der Selbstorganschaft ist weder aus dem BGB noch aus dem HGB direkt abzuleiten. Man führt ihn auf das Verbot der Abspaltung von Mitverwaltungsrechten von der Gesellschafterstellung zurück. Begründet wird er außerdem mit dem Wesen der Personengesellschaft, wonach eine zwingende Verbindung von Mitgliedschaft und Geschäftsführung bestehen soll, die idealiter zur einsatzbereiten und verantwortungsbewussten Geschäftsleitung führt. Dabei wird unterstellt, dass die Koppelung von Unternehmensleitung und persönlicher Haftung einen Kontrollmechanismus darstellt, der eine anderweitige Überwachung durch Abberufung und Organhaftung überflüssig macht[25].

Der Grundsatz der Selbstorganschaft schließt nicht die Möglichkeit aus, dass die Gesellschafter durch einen Gesellschafterbeschluss oder von vornherein durch eine entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag einen Dritten in mehr oder weniger weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen und ihm dazu die entsprechende Vollmacht erteilen. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme ist es, dass die Gesellschafter selbst die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behalten.[26]

Beispiel:

Die Gesellschafter A, B und C, die ein „Air-Konsortium“ gebildet haben, um einen kompletten Flughafen zu bauen, betrauen die S-GmbH damit, geeignete Unternehmen für den Bau der Start- und Landebahnen und das Flughafengebäude auszusuchen und gegebenenfalls für das Konsortium die entsprechenden Verträge abzuschließen. Der Geschäftsführer der S-GmbH G schließt mit der U-GmbH für und im Namen des „Air-Konsortium“ einen Vertrag über die Lieferung von Fertigbetonteilen ab. Hier hat die BGB-Gesellschaft mit der S-GmbH einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen und dieser zugleich eine entsprechende Vollmacht erteilt, ohne dass die Gesellschafter ihre organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis aufgegeben haben. Die S-GmbH konnte also durch G als ihrem gesetzlichen Vertreter für das „Air-Konsortium“ einen wirksamen Vertrag mit der U-GmbH abschließen.

Teil II Die BGB-Gesellschaft › § 6 Die Rechtsbeziehungen der BGB-Gesellschaft zu Dritten › III. Die Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft

III. Die Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft

1. Die akzessorische Haftung der Gesellschafter für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten

117

Für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet stets das Gesellschaftsvermögen. Ob und ggf. auf welche Art und Weise daneben auch unmittelbar die einzelnen Gesellschafter als Gesamtschuldner mit ihrem Privatvermögen in Anspruch genommen werden können, war lange Zeit heftig umstritten. Vor allem wurde die Meinung vertreten, zur Begründung einer persönlichen Verpflichtung der Gesellschafter sei neben dem Vertragsschluss mit der Gesellschaft eine besondere rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Gesellschafter persönlich erforderlich; diese sollte regelmäßig zugleich mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln namens der Gesellschafter durch einen Vertreter derselben (§ 714 BGB) geschaffen werden (sog. Doppelverpflichtungstheorie).

 

118

Nach h. M.[27] haften grundsätzlich alle Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für alle rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich und gesamtschuldnerisch. Der BGH begründet dies mit dem allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, der in § 128 HGB seinen Niederschlag gefunden habe, dass derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt oder mit dem Vertragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart wird. Der BGH[28] bezieht sich in seiner Begründung auch auf die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und weist darauf hin, dass die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder einer solchen Gesellschaft für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten eine selbstverständliche Folge der gemeinsamen Verpflichtung der Gesellschafter sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers folge aus dem „Wesen und Zweck“ des Gesellschaftsverhältnisses, dass durch ein Rechtsgeschäft, das ein zur Vertretung bevollmächtigter Gesellschafter mit einem Dritten schließt, die Gesellschafter selbst berechtigt und verpflichtet werden sollten. Da für die Begründung der persönlichen Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt, wird inzwischen § 128 HGB analog angewandt[29].

119

Die Gesellschafterhaftung ist wie bei der OHG (§§ 128 f. HGB) eine akzessorische. Das bedeutet, soweit die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haften, ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld auch für die persönliche Haftung maßgebend[30]. Der Anspruch des Gläubigers gegen einen Gesellschafter persönlich ergibt sich also aus der entsprechenden Norm, welche die Forderung gegen die Gesellschaft begründet, i. V. m. § 128 HGB analog.

Beispiel:

Die BGB-Gesellschaft ist Schuldnerin eines dem G zustehenden Werklohnanspruches in Höhe von 67.000 €. Nachdem die Gesellschaft nicht mehr als 25.000 € zahlen konnte, nimmt G den Gesellschafter A persönlich in Anspruch. Da der Anspruch nur noch in Höhe von 42.000 € besteht, haftet A gem. § 631 BGB und § 128 HGB analog nur in dieser Höhe.

Bei einer Anwaltssozietät in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft erstreckt sich die persönliche Haftung nach § 128 HGB analog auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten.[31] Wenn der Sozietät neben Anwälten noch Angehörige anderer Berufsgruppen angehören, so haften auch diese Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die gegen die Gesellschaft wegen Schlechterfüllung durch einen Anwalt entstanden sind, denn es handelt sich um eine Verbindlichkeit der Gesellschaft, mit welcher der Mandant den Vertrag abgeschlossen hat.[32]

Beispiel:

Die Rechtsanwälte A und B haben sich mit dem Steuerberater S zu einer BGB-Gesellschaft zusammengeschlossen. Wegen eines Beratungsfehlers in einer Vertragsangelegenheit, den Anwalt B zu verantworten hat, hat der Mandant M gegen die Gesellschaft einen Anspruch aus § 280 BGB auf Schadensersatz in Höhe von 35.000 € erworben. Für diese Verbindlichkeit haften nach § 128 HGB analog alle Gesellschafter, also auch der S, obwohl er kein Anwalt ist.

Da die persönliche Haftung der Gesellschafter eine akzessorische ist, die derjenigen in § 128 HGB entspricht, ist es nur folgerichtig, auch die Rechtsgrundsätze des § 129 HGB sinngemäß anzuwenden[33]. Das bedeutet: Der wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommene Gesellschafter kann u. a. alle diejenigen Einwendungen (z. B. Erfüllung, Erlass, Stundung) und Einreden (z. B. Verjährung) geltend machen, die der Gesellschaft selbst zustehen. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der auf die BGB-Gesellschaft entsprechend anwendbaren §§ 128 ff. HGB und dem Sinn der akzessorischen Gesellschafterhaftung, wonach die die persönliche Haftung der Gesellschafter grundsätzlich und gerade auch hinsichtlich aller Einwendungen und Einreden zu Gunsten und zu Ungunsten des Gesellschafters mit der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit übereinstimmen muss.[34]

Beispiel:

Wäre die Werklohnforderung im oben genannten Beispiel von G in Höhe von 10.000 € erlassen worden, könnte sich nicht nur die Gesellschaft, sondern auch der persönlich in Anspruch genommene A in analoger Anwendung des § 129 HGB darauf berufen.

Die persönliche Haftung der Gesellschafter ist eine gesamtschuldnerische. Das bedeutet, nach § 421 S. 1 BGB kann grundsätzlich jeder Gläubiger wählen, welchen Gesamtschuldner er ganz oder teilweise in Anspruch nehmen will. Der so in Anspruch genommene Gesamtschuldner hat das hinzunehmen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass jeder Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger das Risiko dafür trägt, dass die anderen Gesamtschuldner die ihnen nach dem Innenverhältnis obliegenden Leistungen nicht oder nicht vollständig erbringen.[35]