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Der Schutzgeist des Kaisers von Birma

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»Ich zweifle nicht im geringsten an deinem und deiner Leute Wert, aber bedenke, daß es sich hier sicher nicht um einen offenen, ehrlichen Kampf handelt, sondern um einen heimtückisch geplanten Überfall. Aus dem Hinterhalte heraus ist es aber auch dem Feigling leicht, mit dem tapferen Krieger zu kämpfen.«

»Das ist wahr! Aber es ist schimpflich und bisher noch nie gehört worden, daß ein Cheren vor einem Pelugen floh.«

»Floh? Nennst du das Flucht? Ich würde es richtiger Schlauheit bezeichnen. Er will dich in einen Hinterhalt locken und wartet auf dich. Du läßt ihn warten, schlägst ruhig einen anderen Weg ein und überläßt ihm mit dem Nachsehen den Ärger über den mißglückten Fang.«

Das schien ihm einzuleuchten. »Nun wohl, Herr, ich will dir beistimmen. Wenn es uns nun aber nicht gelingt, unbemerkt zu entkommen?«

»Dann schließen wir einen Vertrag mit den Feinden.«

»Ein Cheren wird niemals um Frieden bitten,« entgegnete er stolz.

»Wer spricht von bitten? Wir bieten ihnen ein Abkommen an.«

»Wird man mich nicht feige nennen wenn ich mit ihnen ein Abkommen treffe?«

»Hätte ich dir diesen Vorschlag gemacht, wenn dies zu fürchten wäre?«

»Also —«

»Das glaube ich nicht.«

»Ehe wir einen festen Entschluß fassen, müssen wir wissen, wo sich der Feind befindet und ob er wirklich Schlimmes gegen uns beabsichtigt. Darum will ich jetzt gehen und dies zu erforschen suchen, wenn du nichts dagegen einzuwenden hast.«

»Handle nach deinem Gutdünken, aber fürchtest du nicht, daß du dich dabei schweren Gefahren aussetzest?«

»Ich fürchte nichts. Zweifle nicht an mir! Es ist ja nicht das erstemal, daß ich gehe, um die Stellung eines Feindes auszukundschaften. Doch versprich mir, daß ihr während meiner Abwesenheit jedes Geräusch, das euch verraten könnte, vermeiden und euch bis zu meiner Rückkehr nicht von hier entfernen wollt, ausgenommen, wenn euch der Feind unversehens überfiele. Ich muß sicher sein, euch hier wiederzufinden.«

»Wie aber, wenn dir ein plötzliches Ereignis die Rückkehr unmöglich macht? Setze eine bestimmte Zeit fest. Was meinst du, wenn wir bis Sonnenuntergang warteten?«

»Wartet doch lieber bis morgen früh. Es könnte sein, daß ich die Gesuchten nicht sogleich fände und einen weiten Weg zurücklegen müßte. Bin ich aber auch morgen noch nicht zurück, so mögt ihr nach euerem Dorfe zurückkehren. Nehmt Meharamen mit und tröstet ihn!«

»Das verspreche ich dir, aber auch das, daß vorerst das Pelugendorf in Flammen ausgehen wird und du gerächt werden sollst,« versicherte Merlan fest.

Ich drückte ihm die Hand. Dann folgte ich, mich vorsichtig hinter den Bäumen haltend, der verräterischen Spur, die dem Boden deutlich genug eingeprägt war, um sie auch bequem im Auge behalten zu können.

Der Fluß, an dessen rechter Seite ich mich befand, lief von Osten nach Westen; um den Fußspuren zu folgen, mußte ich mich nach Norden wenden.

Das Terrain stieg sanft aber stetig. Wieder mochte ich eine halbe Stunde zurückgelegt haben und schon trennten mich einige Kilometer von meinen Gefährten, als mein Fuß stockte: ein Ton schlug an mein Ohr, ähnlich einem fernen Pfeifen – oder hatte ich mich getäuscht? Schon nach wenigen Schritten überzeugte ich mich, daß ich mich nicht getäuscht hatte. Es sang da jemand in der Ferne, und zwar war die Melodie die des Gesanges, den die Brahminen anstimmen, wenn sie das A-beitheit, das ist das Sühnopfer, abhalten. Weit konnte der Sänger nicht sein.

Kaum hatte ich einige Schritte gemacht, da wiederholte sich das leise Pfeifen, worauf wieder der Gesang einsetzte. Immer klarer drangen die einzelnen Worte an mein Ohr, noch eine kurze Strecke, dann sah ich den Sänger vor mir und hastig sprang ich hinter einen großen Baum.

Vor mir saß ein Jüngling gerade an der Stelle, wo die Spur eine schroffe Wendung beschrieb und sich von Osten nach Westen drehte, so daß sie also von nun an mit dem Flusse parallel lief. Er hielt das Gesicht diesen Spuren zugewendet und konnte so die beiden Pfade mit einem Blicke übersehen.

Der junge Mann mochte etwa sechzehn oder siebzehn Jahre zählen und war ein Kind des Landes.

Das sagten mir die braunen Gesichtszüge und die Kleidung. Sie war einfach, sprach aber doch von einer gewissen Wohlhabenheit des Besitzers. Der Jüngling war bewaffnet. Aber die Schulter hatte er ein altes, aber noch gut erhaltenes Gewehr mit blitzendem Laufe geworfen, in der Hand hielt er einen Bogen und an seiner Seite lag ein Bündel Pfeile.

Er gefiel mir in hohem Grade. Wenn die Pelugen alle ihm glichen, dann durfte ich sie ferner nicht mehr als Halbwilde bezeichnen, dann waren sie den Cheren bei weitem vorzuziehen.

Aber was tat er hier so ganz allein, und warum hatten die Pelugen so plötzlich die Richtung geändert?

Wenn ich ihn doch in meine Gewalt bekommen könnte! Mit ihm als Gefangenen ließ sich vielleicht ein Druck auf die Pelugen ausüben und der Friede erzwingen.

Kaum blitzte dieser Gedanke durch mein Hirn, als ich auch sofort daranging, ihn auszuführen. Ich sprang hinter dem Baume hervor und hielt dem Jüngling den gespannten Revolver an die Schläfe.

»Was machst du da?« fragte ich dabei ganz gelassen.

Er sperrte den Mund auf und betrachtete mich verdutzt. Ich fürchtete, daß er durch einen Schrei seine Genossen herbeirufen wolle und suchte dem vorzubeugen. »Antworte mir mit leiser Stimme. Bei dem ersten verdächtigen Laut jage ich dir eine Kugel durch den Kopf.«

Offenbar kannte er die tödliche Wirkung der kleinen Waffe, denn er fügte sich meinem Befehle sofort: »Was willst du von mir?«

»Nichts, als dir sagen, wie sehr ich deine schöne Stimme bewundere.«

»Du hast also meinen Gesang gehört?« fragte er bestürzt.

»Gewiß. Er sagte mir, daß du zwar ein guter Sänger, aber ein sehr unkluger Krieger bist.«

Diese freien Worte beleidigten ihn sehr. »Warum?«

»Eine Schildwache darf nicht einmal flüstern, geschweige denn pfeifen und singen, wenn sie die Aufmerksamkeit des Feindes nicht auf sich lenken will.«

Er erbleichte jäh. »Was meinst du?« fragte er unsicher.

»Du bist ein Peluge.«

»Nein!«

»Lüge nicht!«

»Ich lüge nicht!«

»Ja, du lügst – Aber horch —«

Fernes Kampfgetümmel erscholl – wildes Geschrei und der Knall mehrerer Feuerwaffen wurde hörbar. Der junge Peluge war aufgesprungen und bog den Kopf lauschend vor. Auf seinem ausdrucksvollen Gesichte malten sich deutlich die Gefühle, die sein Inneres bewegten: ängstliche Spannung, Zorn, Sehnsucht, mit bei den Kämpfenden zu sein, und die Hoffnung frohen Triumphes.

Auch ich verstand die Bedeutung des Getümmels wohl: die Pelugen waren mit meinen Freunden handgemein geworden.

»Deine und meine Gefährten sind aneinander geraten. Du bist mein Gefangener,« sagte ich.

»Wenn ich dir als solcher folge,« entgegnete er stolz.

»Ich rate dir, laß dich gutwillig binden oder du bist ein Kind des Todes.«

»Ich oder du,« schrie er auf und warf sich mit einem katzenartigen Sprunge auf mich.

Ich hätte ihn töten oder wenigstens schwer verwunden können, aber er war noch so jung, er dauerte mich.

Ich warf den Revolver zur Erde und packte den Pelugen. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen mich und es entstand ein hartnäckiges Ringen Brust an Brust. Ich war der Stärkere, aber er kämpfte mit einer wilden Wut, die ihn alle Sehnen anspannen ließ. Endlich gelang es mir, ihn durch einen wuchtigen Schlag auf die Brust zu Boden zu werfen, aber plötzlich fühlte ich seine Hände an meiner Kehle und mein Atem stockte. Für einen Augenblick wurde es mir dunkel vor den Augen, da führte ich rasch zwei heftige Schläge gegen seine Schläfen. Die Hände, die meinen Hals umspannten, lösten sich, er sank betäubt zurück. Ich war frei.

Ich band ihm Hände und Füße und schob ihm ein Tuch als Knebel in den Mund.

Während sich dies zwischen dem Pelugen und mir abgespielt, war der heftige Kriegslärm immer heftiger, das Geschrei immer wilder geworden bis es jäh abbrach. Ein Augenblick tiefen Schweigens trat ein und dann erhob sich ein hundertstimmiges Triumphgeheul, wie ich es noch nicht gehört hatte.

Die Pelugen hatten gesiegt . . .

Doch auch ich hatte einen Sieg erfochten, dessen Bedeutung die Pelugen bald erfahren sollten. Nur durfte ich jetzt nicht länger hier bleiben, denn sie würden gewiß hierher kommen, um ihren Genossen abzuholen. Dann aber wäre ich verloren gewesen.

Ich mußte mich mit meinem Gefangenen sofort zurückziehen und ein sicheres Versteck aussuchen.

Ich hob ihn empor und warf ihn über meine Schulter; er wog nicht leicht, doch auch nicht gerade schwer. Und nun stieg ich den Berg hinan.

Es ging mühsam. Die Last auf meiner Schulter erschwerte mir das Vorwärtskommen, doch es galt mein Leben. Endlich nach einer guten Stunde hatte ich den Gipfel erreicht und ein leises Dankgebet stieg zu Gott empor. Ich warf den Gefangenen in ein Gebüsch, dessen dichte Zweige ihn zur Genüge verbargen, und dann gönnte ich mir für einen Augenblick den Genuß der entzückenden Aussicht.

Vor mir lag das Pelugendorf, in das ich gerade hineinschauen konnte. Wie Schwalbennester klebten die Häuschen an dem Abhange. Das Fernglas gestattete mir, in das Innere hineinzublicken, und ich gewahrte dort wohl Frauen und Knaben, aber keinen einzigen Mann. Die Pelugen waren also noch nicht zurückgekehrt. Meine Sorgen kehrten wieder.

In einer solchen Lage hatte ich mich noch nie befunden. Da stand ich ganz allein auf einem weltfernen Gipfel, fern von meinen Freunden. Der tapfere Merlan und seine treuen Cheren, die mich zum Führer ihres Rachezuges erwählt hatten, wo mochten sie jetzt sein?

Aber auch die Pelugen, wo waren sie, da sie ihr Dorf noch nicht wieder ausgesucht hatten? Gewiß auf der Suche nach dem jungen Menschen, der nun als mein Gefangener unter jenem Strauche lag.

 

Offenbar gehörte er einer vornehmen Familie an und erfreute sich ihrer Wertschätzung, denn sonst hätten sie ihn nicht als Wache an einem so wichtigen Punkte gelassen. Ich mußte auf alle Fälle ein sicheres Versteck aufsuchen.

In nächster Nähe des Gebüsches befand sich ein zweites, noch dichteres, in das ich hineinschlüpfte.

Ich konnte von hier aus bequem alles beobachten, was in der Nähe vorging, und durfte doch sicher sein, daß mich kein menschliches Auge unter diesen großen gefiederten Blättern zu erspähen vermochte.

Meine Vorsicht erwies sich am Platze. Schon nach wenigen Minuten erschien auf der Plattform des Berges ein Indier von robustem Körperbau und mit langen Armen und Beinen. Ein schmutziges, zerrissenes Obergewand umhüllte sehr notdürftig den sehnigen Körper.

Er kam dicht zu uns heran und sah sich aufmerksam um, schenkte jedoch den Spuren, die ich hinterlassen und die sich auf dem weichen Boden mit erschreckender Deutlichkeit abprägten, zum Glücke keinerlei Aufmerksamkeit. Er verharrte eine Weile still lauschend und dann stieg er wieder langsam hinab.

Wenig später vernahm ich einen langen Pfiff; Totenstille folgte.

Noch eine gute Stunde verharrte ich regungslos in meinem Versteck; als sich aber noch immer nichts rührte, kroch ich vorsichtig hervor und begab mich auf den Platz, von welchem aus ich den Fluß und das feindliche Dorf übersehen konnte. Das Dorf war leer, doch der Fluß gewährte ein interessantes Schauspiel: die siegreichen Pelugen durchwateten soeben die Furt.

Bereits hatten einige das jenseitige Ufer erreicht, wo die Frauen und Kinder jubelnd die Sieger empfingen, andere befanden sich noch im Wasser. Ich zählte an hundert robuste braune Gestalten in schlechten Kleidern. Ein erleichternder Seufzer entfuhr mir, als ich unter ihnen noch andere Männer gewahrte, die besser gekleidet waren. Sie waren an den Händen gefesselt und wurden von ihnen brutal durch das Wasser geschleift. Acht waren von meinen Gefährten noch am Leben, darunter auch zum Glücke der tapfere Merlan, die übrigen waren im Kampfe gefallen . . . Ich brauchte nun nicht mehr zu fürchten, daß die Pelugen hieher kommen würden, sondern konnte in aller Bequemlichkeit meinen Gefangenen einem Verhör unterwerfen. Ich ging zu dem Strauche, bog die Zweige zurück und zerrte ihn ins Freie. Er hatte das Bewußtsein bereits wieder erlangt und betrachtete mich mit zornfunkelnden Augen.

»Wie du siehst, mein Freund, bist du in meiner Gewalt. Gib nun wohl acht auf das, was ich dir sage. Ich werde jetzt deinen Knebel lösen. Antworte auf meine Fragen kurz und wahrheitsgetreu, doch hüte dich, einen Schrei auszustoßen. In diesem Falle stoße ich dir sofort mein Messer in das Herz.«

Mit diesen Worten nahm ich den festen Knebel. Der Befreite atmete mit sichtlichem Behagen die frische Luft ein, gab aber keinen Laut von sich.

»Wie heißt du?« begann ich das Verhör.

Keine Antwort.

»Wer bist du?«

Wieder erfolgte keine Antwort.

»Rede, wenn du nicht willst, daß ich dir die Worte mit Gewalt erpresse,« sagte ich gebieterisch.

»Töte mich,« stieß der Peluge zwischen den Zähnen hervor und ein zornfunkelnder Seitenblick traf mich.

»Dich töten – dich?« rief ich verächtlich. »Nein, ich beflecke meine Hände nicht mit dem Blute eines Feiglings.«

»Ich bin ein tapferer Krieger.«

»Du bist ein Feigling, der sich schämt, seinen Namen und seine Herkunft zu verraten. Ich glaubte einen ehrenvollen Krieger gefangen genommen zu haben, und statt dessen erwische ich einen jämmerlichen Hasen, dessen Mut in den Füßen und nicht im Herzen liegt.«

Die spöttischen, von einer entsprechenden Gebärde begleiteten Worte erreichten vollständig ihren Zweck.

»Ich bin kein Feigling! Congi, der Sohn Amois, des Häuptlings der Pelugen, hat sich noch nie als solchen gezeigt,« schrie der junge Mann vor Wut.

Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Lächeln der Befriedigung. Der Sohn des Häuptlings, das genügte mir.

»Der Sohn Amois, des Häuptlings der Straßenräuber?« sagte ich verächtlich, um den Pelugen zu veranlassen, weiterzusprechen.

Seine Augen blitzten mich drohend an. »Der Räuber bist du, der mich, der dir gar nichts in den Weg gelegt hatte, ohne weiteres überfiel und gefangen nahm,« entgegnete er heftig.

»Ich habe nichts getan, als mich gegen die Räuber verteidigt. Oder wie nennst du jene Männer, die in überlegener Zahl harmlose Wanderer überfallen? Amoi und seine Leute nahmen meine Freunde fest; ich, in gerechter Wiedervergeltung, tat dasselbe dir.«

»Du bist der Engländer —?« stammelte Congi bestürzt.

»Wer sprach zu dir von mir?« fragte ich durchaus nicht erstaunt, denn diese Worte waren ja weiter nichts, als die Bestätigung meines Verdachtes.

»Was tut das zur Sache? Ich hörte von dir das genügt mir,« klang es knapp zurück.

»Dir, aber mir nicht. Wenn ich nun darauf bestehe, zu erfahren, wer zu dir von mir gesprochen hat?«

»Es würde dir nichts nützen. Congi wird lieber sterben, als seine Freunde verraten.«

»Wie aber, wenn mir diese Person bereits bekannt ist?«

»Was hast du mit mir vor?« fragte der Jüngling statt aller Antwort, das Thema wechselnd.

»Die Pelugen führten meine Gefährten gebunden in ihr Dorf. Ich werde dich gegen dieselben auswechseln.«

»Wie viele Männer forderst du für meine Freiheit?«

»Alle, die sich jetzt in den Händen deines Vaters befinden.«

»Du wirst auch nicht die Freiheit eines einzigen erhalten.«

»Dann wirst du ihr Schicksal teilen. Was die Pelugen einem von ihnen zufügen, sollst auch du leiden. Töten sie die Cheren, stirbst auch du, aber einen langsamen, furchtbaren Tod,« sagte ich drohend, obwohl ich nicht im mindesten die Absicht hatte, meine Worte zu verwirklichen.

»Entsetzlich! Hilf mir, Gautama!« stöhnte der Peluge schaudernd. Sein Gesicht war so bleich geworden, als es die bronzene Farbe nur gestattete.

»Er wird dir nicht helfen, wenn es erst soweit ist. Doch um deinetwillen will ich hoffen, daß dich deine Stammesgenossen bereitwillig auslösen.«

»Sie werden es nicht.«

»Und warum nicht? Bist du so wenig beliebt, daß selbst dein Vater nichts für dich tun kann?«

»Mein Vater würde sein Leben für mich einsetzen, aber niemals seine Ehre.«

»So groß ist der Haß, den die Pelugen gegen uns tragen?«

»Ja, er ist groß! Die Gefangenen haben von den Pelugen nichts zu hoffen, denn für die Mörder des Senmeng gibt es keine Gnade.«

Ich zwang ein Lächeln auf meine Lippen und sagte: »Wir also sollen die Mörder des Senmeng sein?«

»Du lachst?« rief Congi empört. »Daß du, ein Engländer, das heilige Tier getötet hast, wundert mich nicht, denn die Engländer sind zu allen Schlechtigkeiten fähig. Aber daß du bei dem Gedanken an all das Elend, das du über unser Land gebracht hast, noch lächeln kannst, das erregt mein Erstaunen.«

»Aber wer sagt dir, daß ich den Senmeng ermordet habe?«

»Leugne es nicht. Ich weiß es aus sicherem Munde, daß du und deine Spießgesellen die erbärmliche Tat vollbracht haben.«

»Das ist nicht wahr. Wir verfolgen im Gegenteil den wirklichen Mörder des heiligen Tieres, um ihn für sein Verbrechen zu strafen und ihn außerstand zu setzen, auch den anderen Senmeng zu töten, der sich jetzt noch zu Muang-la befindet, aber bald die ihm zukommenden Ehren genießen soll. Wir sind eben im Begriffe, ihn nach Amarapura zu holen.«

Congi betrachtete mich bestürzt. »Lügst du auch nicht, Herr?«

»Bei allem, was mir heilig ist, ich lüge nicht! Der Wongy Pagan hat den Senmeng ermordet.«

»Der Wongy Pagan! Und wir —« stieß er zwischen Schrecken und Zorn hervor.

»Und ihr,« vollendete ich, »ja ihr habt den Mörder des kaiserlichen Schutzgeistes beherbergt, seine Wunden verbunden und ihm zur Weiterreise nach Muang-la verholfen. Ihr hattet den Verbrecher in der Hand und schenktet seinen Lügen Glauben.«

»Er sagte uns —«

»Er schob seine Schuld auf uns. O, ich weiß, was er sagte! Er weiß wohl, daß sein Ende besiegelt ist, wenn er nochmals mit uns zusammentrifft. Darum sucht er uns zu verderben.«

»Wir glaubten ihm, und nachdem wir ihn gelabt und verbunden hatten, gaben wir ihm eine sichere Bedeckung bis Muang-la mit.«

»Wo sich ein anderer Senmeng befindet.«

»Den er nun ebenfalls töten wird. O Herr, Herr, was haben wir getan! Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät. Eile zu meinem Vater, erzähle ihm alles. Er wird dir helfen, noch vor Pagan Muang-la zu erreichen. O eile, Herr! Wir hatten den Mörder des ›Herrn‹ in unserer Gewalt und ließen ihn entschlüpfen – und werden dadurch vielleicht noch mitschuldig an dem Tode des zweiten Senmeng. Buddha und Cali würden uns schwer dafür strafen!«

»Dein Vater wird mir aber nicht glauben.«

»Er muß dir glauben und helfen.«

»Und du?«

»Ich bin dein Sklave,« erwiderte der Jüngling in dem leisen Tone tiefster Entmutigung.

»Willst du mit mir gehen?«

»Als dein Sklave? Mein Vater würde mich ohne Barmherzigkeit töten.«

»Nein, nicht als mein Gefangener, sondern als mein Bruder.«

Ein Freudenschein huschte über das schöne Gesicht vor mir. »Als dein Bruder, Herr?«

»Ja. Willst du es sein?«

»O und wie gerne!«

»Bedenke jedoch, daß du damit auch bestimmte Verpflichtungen eingehst.«

»Ich kenne sie wohl.«

»Du mußt mich mehr lieben als selbst deine Stammesbrüder, mußt mich nötigenfalls gegen sie verteidigen und bereit sein, auch das Leben für mich zu geben.«

»Ich weiß das alles und verspreche gern, es zu erfüllen.«

»Was du mir gelobst, gelobe ich auch dir. Schließen wir also Bruderschaft des Blutes.«

Ich war überzeugt, mit diesem Ritus mehr zu erreichen, als wenn ich den jungen Pelugen auch weiterhin gefangen gehalten hätte. Indem er die Bruderschaft des Blutes mit mir einging, verband er sich mir mit einem nach der Sitte des Landes schweren, unlöslichen Eide. Er mußte zu jeder Zeit bereit sein, meine Partei zu ergreifen, und ich hielt es nicht für wahrscheinlich, daß der Häuptling und seine Untergebenen den Bruder ihres Congi und damit auch diesen angreifen und gegen ihn kämpfen würden.

Ich trug ein Fläschchen Kognak bei mir, noch halbgefüllt, aus welchem ich einen kleinen Metallbecher vollgoß. Dann löste ich die Fesseln von Congis Händen, ließ aber zur Vorsicht seine Füße noch gebunden. Noch war ich ja nicht gewiß, ob ich ihm auch wirklich trauen konnte. Er setzte sich auf und schob den Ärmel von seinem linken Arm zurück.

Ich zog das Dolchmesser aus dem Gürtel und wollte es ihm reichen.

»Ist es nicht vergiftet?« fragte er.

Statt aller Antwort zog ich es zurück, entblößte meinen linken Arm, von welchem eine Ader zum Herzen führen soll, und ritzte ihn leicht mit dem Stahl. Einige Blutstropfen traten aus der Wunde, die ich in den Becher fallen ließ, dann reichte ich diesen und den Dolch neuerdings meinem Gefangenen.

»Nun zu dir,« sagte ich.

»Du bist sehr edel. Verzeihe mein Mißtrauen,« bat er, beschämt durch die Art, in der ich ihn von der Ungefährlichkeit des Messers überzeugt hatte. Auch er verfuhr nun nach meinem Beispiele und ließ einige Tropfen seines Blutes in den Kognak fallen.

Ich ergriff den Becher, schwenkte ihn einigemal hin und her, um das Blut mit dem feurigen Getränke gut zu vermischen, und leerte ihn zur Hälfte. Dann reichte ich ihn meinem Gefährten, der ihn schweigend vollends hinunterstürzte.

Unterdessen löste ich auch die Fesseln von seinen Fußknöcheln. Die barbarische Zeremonie war vorüber, wir umarmten und küßten uns auf die Stirne.

Congi war mein Bruder geworden – für mich eine sehr wertvolle Errungenschaft.

Er erhob sich. »Komm nun, mein Bruder!« sagte er mir einer bezeichnenden Handbewegung.

»Ja, gehen wir!« Und wir schlugen die Richtung nach dem Dorfe ein.