Die Todesformel des Ian Degry

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Die Todesformel des Ian Degry
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Torben Stamm

Die Todesformel des Ian Degry

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Beginn

Der Beginn der Geschichte

Das Geschäft für Fischspezialitäten

Autofahrt

Mein Job

Das Problem

Verschärfung

Erwachen

Genesung

Treffen

Rechtfertigung

Versteck

Nachrichtenbote

Nachforschungen

Verhör

Durchsuchung

Quellen

Bewertung der Situation

Gefallen

Zwischenresümee

Zweiter Anlauf

Sally

Decodierung

Durchsuchung II.

Abwägungen

Treffen mit Dave

Echte Probleme

Meine Optionen

Gian Mateo

Telefonat

Kenneth Figerd

Meine Bilanz

Finale

Die letzten Szenen

Im Büro

Abschluss

Nachbemerkung

Impressum neobooks

Beginn

Wäre mein Leben ein Film, wäre er schwarz-weiß.

Was sagt das über mich?

Bin ich:

... depressiv,

... alt,

... retro?

Ich würde sagen, nichts davon. Aber Fakt ist, dass es derzeit nicht gut läuft. Ist eine etwas komplizierte Geschichte. Aber Sie haben offensichtlich Zeit, sonst würden Sie das hier nicht lesen.

Meinen Namen wollen Sie wissen?

Ich bin Ian Degry.

Der Beginn der Geschichte

Ian Degry saß in seinem alten Chevrolet und wartete. Der Laden, den er die ganze Zeit fest im Blick hatte, würde gleich schließen und dann würde es nicht mehr lange dauern, bis Sam Roun das Geschäft für Fischspezialitäten abschließen würde. Ian verzog verächtlich das Gesicht: Geschäft für Fischspezialitäten? Er war kein Fachmann für Hygiene, aber sogar er erkannte, dass es sich eher um eine Salmonellen-Zucht handelte! Er warf einen Blick auf seine Uhr: Noch zwanzig Minuten. Sein Blick wanderte auf seinen Oberschenkel, wo ein Foto lag, das Sam Roun zeigte: Ein schlanker Kerl, braune Haare, stoppeliger Bart. Ungefähr vierzig Jahre alt.

Ian brauchte das Foto eigentlich nicht. Er hatte die letzten drei Tage damit verbracht, Sams Gewohnheiten zu studieren. Er kannte ihn! Er wusste, dass der Kerl ein Routine-Fetischist war! Routine kann tödlich sein! Die Ärzte versuchen einen zwar mit ihren Routine-Untersuchungen vom Gegenteil zu überzeugen, aber was wissen die denn schon? Als wäre es angenehm, wenn einem ein Kerl alle paar Jahre eine Kamera in den Arsch schiebt, um im Darm auf Schatzsuche zu gehen. Das brauchte Ian nicht: Er war in den besten Jahren und topfit.

Das Geschäft für Fischspezialitäten

Sam Roun betrachtete die Fischabfälle im Kühlschrank: Morgen würde er Fischfrikadellen auf die Tageskarte setzen. To Go: Die Leute, die so was kauften, waren in Eile und achteten nicht auf ihr Essen. Wenn einer Durchfall bekam, würde er wahrscheinlich nicht einmal wissen, was er mittags gegessen hatte. Die Leute lebten einfach nicht mehr bewusst. Er schüttelte den Kopf: Er selbst kaufte nie etwas „To Go“, nicht einmal einen Kaffee.

Er schloss den Kühlschrank, schnappte sich seine Jacke, zog sie an und nahm den Schlüssel aus der Hosentasche. Das war ein langer Tag gewesen und er war noch nicht zu Ende. Ein Blick auf seine Rolex Submariner verriet ihm, dass er sich beeilen musste, wenn er pünktlich sein wollte. Die Dusche musste ausfallen.

Er verließ den Laden und schloss die Tür ab. Als er sich umdrehte, stand ein Mann vor ihm: Dunkelblondes Haar, kurz geschnitten: Die Leute nannten das wohl „straßenköterblond“. Muskulös.

Sams Körper spannte sich blitzschnell an, aber zu spät: Der Kerl hatte bereits eine Pistole hochgerissen und drückte ab.

Autofahrt

Ian lenkte seinen Wagen den geltenden Verkehrsregeln entsprechend durch die Straßen der Stadt. Er musste dem Drang widerstehen, Gas zu geben: Das letzte, was er gebrauchen konnte, war eine Verkehrskontrolle. Damit hätten die Bullen auf dem Schirm, dass er in der Nähe des Tatorts gewesen war. Also blieb er cool und fuhr weiter. Aus dem Radio dröhnte Rockmusik. Ian summte leise mit.

Nach einer knappen halben Stunde hatte er sein Ziel erreicht und fuhr in eine Parkbucht. Er stieg aus dem Wagen, schloss ihn sorgfältig ab und betrat den alten Diner.

Der Diner war gut besucht. Es war inzwischen kurz vor acht und viele Leute, die keine Familie hatten, blieben nach dem Abendessen noch etwas sitzen, um nicht sofort in die Einsamkeit ihres Wohnzimmers mit Pay-TV entlassen zu werden.

Ian suchte sich einen Platz in der hinteren Ecke und winkte der Bedienung. Eine blonde Frau kam zu ihm und lächelte: „Hallo! Was kann ich heute für dich tun?“

Ian lächelte zurück: „Hi, Sally. Wie geht es deinem Jungen?“

„Gut, soweit. Tom hat etwas Halsschmerzen, aber das gibt sich wieder.“

Ian nickte: „Einen Bacon-Burger. Und ne Cola.“

„Kommt sofort.“

Sie drehte sich um und war verschwunden.

Ian starrte in Richtung Fenster.

Mein Job

Sie sehen also, ich verdiene meinen Lebensunterhalt, indem ich das Leben anderer beende. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch?

Hier eine kleine Denkaufgabe: Wir wissen nicht, wann wir sterben werden. Statistisch steigt mit jedem Tag die Wahrscheinlichkeit, dass wir morgen sterben. Das ist schon ätzend, aber man kann den Tod halt auch mathematisch betrachten: Zu dieser, sagen wir mal Grundwahrscheinlichkeit des Sterbens, kommen verschiedene Faktoren hinzu, die den Tod mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Den Burger, den ich gerade bestellt habe, würde ich als Beschleuniger sehen. Er trieft vor Fett und ist so mit Soße vollgeschmiert... Das muss meine Arterien verdrecken. Auf der anderen Seite trinke ich aber jeden Tag mindestens einen Liter grünen Tee, was meine Todes-Wahrscheinlichkeit wieder etwas absenkt.

Zu diesen latenten Faktoren kommen unbekannte Variablen dazu, wie zum Beispiel Autounfälle. Oder dass dir einer ins Gesicht schießt, wenn du gerade deinen Laden zumachst. Wenn man es also so sieht, bin ich nur eine von vielen Variablen, die dazu führen, dass die Lebenszeit sich verkürzt und die Wahrscheinlichkeit des Sterbens ansteigt. Wobei ich schon zugebe, dass ich eine sehr mächtige Variable bin. Meine Erfolgsquote liegt bei 100%. Einmal hat es nicht beim ersten Versuch geklappt, da musste ich später im Krankenhaus ein paar Reparaturarbeiten vornehmen, aber unterm Strich blieb meine Quote perfekt.

Ich komme mit meinem Job gut klar: Manche Leute sterben durch einen Herzinfarkt, manche durch einen Unfall, manche durch ein Verbrechen. Und ein paar davon verdienen es nicht besser. Wobei ich das so nicht sagen kann, denn ich kenne die meisten meiner Kunden nicht.

 

Wenn ich einen Job erledige, läuft das meistens nach dem gleichen Prinzip ab: Ricardo kontaktiert mich und wir treffen uns. Er teilt mir mit, wen ich erledigen soll und was ich dafür bekomme. Ich gehe dann in die Planungsphase. Sie haben ja schon gemerkt, dass ich es mit der Mathematik habe. Meiner Meinung nach besteht ein guter Mord aus einer Rechnung mit verschiedenen Variablen: Mordwaffe, Opfer, Ort, Zeit und dann noch die große Unbekannte X: Das können zufällige Besuche durch Freunde, Nachbarn, ein neues Haustier (am besten ein Hund) oder sonst was sein. Ich versuche mir innerhalb von drei Tagen möglichst viele Informationen zu verschaffen. Warum drei Tage? Nach drei Tagen beginnt man, die Zielperson unter menschlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Man hat ihn in familiären Situationen erlebt, weiß, dass er vielleicht ein total anständiger Typ ist, mit dem man vielleicht sogar befreundet wäre. Das ist hinderlich. Deswegen drei Tage.

Nachdem ich den jeweiligen Typen erledigt habe, treffe ich mich mit Ricardo und übergebe ihm den Tatwagen. Er schafft ihn weg und beseitigt ihn. Ricardo gehört im kriminellen Milieu zu dem, was man in der normalen Welt „mittleres Management“ bezeichnet. Er steht höher als der Fußsoldat, muss sich aber trotzdem noch selbst die Hände schmutzig machen. Er arbeitet für den Boss der Stadt: Gian Mateo. Der lenkt alle Geschäfte, die hier laufen. Er ist wie ein Krebsgeschwür, das die gesamte Stadt durchsetzt hat - und keiner tut was dagegen. Politiker, Richter, Bullen! Alle stehen auf seiner Weihnachtsliste und bekommen ein hübsches Geschenk.

Da ich meine Aufträge ausschließlich von Ricardo bekomme und der nur für Mateo arbeitet, bin ich quasi dessen outgesourcter Exklusiv-Killer. Moderne Zeiten!

Naja, so sieht auf jeden Fall das Standart-Programm aus. Alles sehr entspannt. Routine, aber diesmal von der guten Sorte. Bis mein Handy klingelte.

Diner-Treffen

„Abend“, sagte Ricardo und platzierte seinen massigen Körper Ian gegenüber.

Ricardo war nicht fett oder dick, er war einfach nur... groß.

„Hi“, brummte Ian. Er mochte Ricardo, aber das musste der nicht wissen.

„Schon bestellt?“

Ian nickte.

„Hätte mich ja auch gewundert.“

Wie aufs Stichwort kam Sally und stellte einen riesigen Fast-Food-Teller vor Ian ab: „Bitte“, sagte sie lächelnd.

„Ich hätte gerne dasselbe“, sagte Ricardo und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf Ians Essen. Sally nickte: „Kommt sofort.“

Ian nahm sich Besteck und begann, sein Abendessen zu vernichten. Ricardo beobachtete ihn dabei: „Hat alles geklappt?“

Ian nickte.

„Sehr gut.“ Ricardo lehnte sich zurück. „Hat dich irgendjemand gesehen?“

Ian schluckte einen Bissen Fleisch runter: „Nein. Und selbst wenn: Das ist so eine Drecksgegend, da kümmert sich jeder nur um sich selbst.“

„Stimmt.“

„Früher wäre das nicht so einfach gegangen.“

„Wie meinst du das? Mit den scheiß Bullen und Kameras ist alles viel schwerer geworden!“

Ian schüttelte den Kopf: „Nein, das meine ich nicht. Früher haben die Leute mehr nacheinander geschaut. Weißt du, wie dein Nachbar heißt?“

Ricardo strahlte: „Ich glaube Richardson oder so. Ne fette Schwuchtel, die dauernd Stress mit ihren Stechern hat.“

Ian verdrehte die Augen: Er konnte Ricardo gut leiden, aber er hasste seinen permanenten Rassismus, Sexismus und was man sonst noch so an gehirntechnischen Armutszeugnissen haben konnte.

„Wo steht der Wagen?“ Ricardo wusste, dass Ian solche Sprüche nicht leiden konnte und er versuchte sie sich in dessen Gegenwart zu verkneifen, aber es klappte halt nicht immer.

„Auf dem Mond.“

„Hä?“

„Wo wohl? Auf dem scheiß Parkplatz, Mann.“

Ian wuselte mit der rechten Hand in der Hosentasche herum und schob Ricardo den Schlüssel rüber. Der griff ihn sich schnell und steckte ihn ein.

„Gut.“

Sally kam und stellte das Essen vor Ricardo ab.

Ricardo nahm den Burger in die Hand: „Was machst du heute Abend?“

Ian zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Vielleicht gehe ich ins Kino und schau mir einen Film an.“

Ricardo schüttelte resigniert den Kopf: „Filme... Ich verstehe nicht, was du daran so geil findest. Das ist nur was für Idioten. Du musst schon voll geistig behindert sein, um dir dauernd sowas reinzuziehen.“

Ian warf ihm einen bösen Blick zu.

„Na gut“, verbesserte sich Ricardo. „Ich meine, du musst voll dumm sein, total dämlich.“

Die beiden Männer schwiegen, während sie ihr Essen in sich hineinschlangen.

Dann verließen sie den Diner und trennten sich voneinander.

Das Problem

Ians beeilte sich, nach Hause zu kommen - wie jeder nach der Arbeit.

Dann klingelte sein Handy.

Er runzelte die Stirn: Diese scheiß Peilsender, die sich jeder Idiot heute freiwillig in die Hose steckte. Er hatte auch eins, aber ohne Internet und sonst so einen Scheiß. Er nahm den Anruf an: „Ja?“, brummte er.

„Ich bins“, dröhnte Ricardos Stimme blechernd aus dem Gerät.

„Was ist?“ Ian war in Alarmbereitschaft.

„Ich stehe auf dem Parkplatz, aber ich finde dein scheiß Auto nicht.“

Ian blieb wie angewurzelt stehen: „Was?“, fragte er.

„Ich - finde - dein - scheiß Auto - nicht.“

Ian drehte um: „Ich komme.“ Damit legte er auf.

Ricardo erwartete ihn auf dem Parkplatz des Diners. Er sah verärgert aus: „Also?“, fragte er. Ian rauschte an ihm vorbei und ging über den Parkplatz, dorthin, wo er den Wagen abgestellt hatte. Als er die Parkbucht erreichte, blieb er stehen, ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

„Scheiße“, hauchte er. Ricardo stand neben ihm: „Wo ist das Ding?“

„Es sollte hier stehen“, sagte Ian fassungslos und deutete mit dem Kopf in die Richtung der leeren Parkbucht.

„Was? Was willst du mir damit sagen?“

Ian drehte sich zu Ricardo: „Ich will sagen, dass ich das verschissene Auto hier geparkt habe. Jetzt ist es weg.“

„Du meinst...“

„Ja. Irgend so ein Wichser hat es geklaut.“

Ricardo wurde bleich: „Aber du hattest doch gesagt, dass in dem Wagen...“

„Ja!“, unterbrach Ian ihn. Sein Verstand lief auf Hochtouren: Das war eine Katastrophe.

„Das bedeutet, dass derjenige, der den Wagen hat, der hat auch...“, setzte Ricardo an.

„JA! Der hat auch die scheiß Leiche!“ Ian konnte es nicht fassen. Zu dem Auftrag hatte gehört, dass er die Leiche mitnehmen sollte. Also hatte er Sam erschossen, in den Kofferraum gepackt und war losgefahren.

„Ich muss telefonieren“, sagte Ricardo nach einer kurzen Pause und ging ein paar Schritte zur Seite. Er zog sein Smartphone aus der Hose und wählte eine Nummer. Ian beobachtete sein Gesicht, das sonst meist von einem Lächeln umspielt wurde. Dieses Lächeln konnte er jetzt allerdings lange suchen: Ricardo sah ehrlich besorgt aus.

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