Ghostsitter

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Der Vampir nickte zufrieden. »Sehr schön erklärt, mein Junge. Wir mussten uns irgendetwas einfallen lassen, um auf- und abzubauen, ohne dass man uns dabei zusieht. Nicht nur, weil wir schneller sind als jeder Mensch, sondern auch, weil es für einiges Erstaunen sorgen könnte, wenn ein Zombie mit der einen Hand die Fassade einer Geisterbahn durch die Gegend trägt und mit der anderen einen rosa Stoffhasen. Irgendwann in der Nacht kundschaftet Mimi dann die gesamte Umgebung aus. Sobald wir sicher sind, dass niemand zusieht, entferne ich das magische Abbild, das uns umgibt – und dahinter erscheint die Schreckensfahrt

Tom lachte begeistert. »Um uns rum ist also echt ein schalldichtes 360-Grad-Video. Wahnsinn! Ihr seid einfach der Hammer, Leute! Echt, ey. Ey, echt!«

»Verbindlichsten Dank, Junge«, sprach Vlarad und verneigte sich leicht.

Da kam Mimi wieder angeschwebt, und Tom spürte ihre Präsenz eher, als dass er sie im Licht der vielen Lampen wirklich erkennen konnte. »Es ist aber noch zu früh, Vlarad. Vorne an der Hauptstraße fahren immer mal wieder Leute vorbei, und von den anderen Standbetreibern sind auch noch ein paar bei der Arbeit. Lass uns bis nach Mitternacht warten.«

»Eilt ja nicht«, brummte Welf und sah zu Vlarad.

Der nickte. »Du bestimmst den Zeitpunkt, Mimi. Vorsicht ist unsere wichtigste Tugend. Wombie, bitte setze doch so lange schon einmal die Wagen in die Schienen. Hop-Tep, bitte bemächtige dich der schnelltrocknenden Farbe und des Pinsels und bessere die Stellen in der Deko aus, wo man das Styropor durchscheinen sieht.«

Ohne eine weitere Regung zu zeigen, stapfte der Zombie davon. Hop-Tep brummelte immerhin etwas, das man wie eine Zustimmung deuten konnte, und machte sich ebenfalls an die Arbeit.

»Ihr seid so unfassbar krass«, sagte Tom noch einmal, und Mimi lachte ihr glockenhelles Lachen. »Schön, dass es dich so beeindruckt hat. Vlarad ist auch ganz schön stolz drauf.«

»Zu Recht, Mimi«, bekräftigte Tom. »Aber sag mal, kannst du mir nicht wenigstens ein bisschen mehr über diese Gefahr erzählen, in der wir angeblich alle schw…«

Tom hätte wirklich mit allem gerechnet, aber nicht mit dem, was nun geschah. Zunächst spürte er, dass die Erde wieder bebte. Doch dabei blieb es nicht.


Kapitel 5: Die erste Attacke

Ein lauter Krach und ein unterdrückter Schrei ließen Tom und Mimi erschrocken aufblicken: Direkt vor ihnen schlug etwas in den Boden ein und explodierte wie eine Feuerwerksrakete in unzähligen Farben. Gleichzeitig spürte Tom, wie ihn etwas Feuchtes im Gesicht traf. Er schrie auf, wischte sich das Zeug von den Augen, und als er daraufhin seine blutverschmierten Hände sah, schrie er gleich noch viel lauter.

Tom stolperte panisch zur Seite, hörte dabei etwas scheppern, spürte plötzlich, dass sein linkes Bein von irgendwem festgehalten wurde, und schlug der Länge nach hin. Abermals krachte es blechern, und als Tom sich aufrappeln wollte, rutschte er auf dem nassen Boden aus und fiel sofort wieder mit dem Gesicht in die ekelerregende Suppe.

»Hilfe …«, hustete er und krabbelte blind vorwärts, um dem glibberigen Zeug irgendwie zu entkommen. Dabei stieß er gegen irgendetwas Weiches, das sich zu seinem Horror auch noch bewegte.

»Ah! AAHHH!«, schrie Tom und schlug mit Händen und Füßen panisch um sich. Irgendwer oder irgendwas gab ein dumpfes Stöhnen von sich, und Tom bemühte sich sofort, noch mehr und noch fester um sich zu prügeln, um das Ding möglichst weit von sich fernzuhalten.

Doch von einem Moment zum nächsten konnte er sich nicht mehr bewegen, seine Arme und Beine waren wie festgenagelt. Dazu hörte er die raue Stimme seines Onkels Welf direkt neben seinem rechten Ohr. »Tom. Beruhig dich. Alles okay.«

»Alles okay?!«, schrie Tom. »Ich bin voller Blut, und hier ist irgendwer, und ich kann ihn nicht sehen! Tu doch was! AAAAAAHHH!«

»Tom. Es ist alles gut. Wirklich«, hörte er da Mimi an seinem linken Ohr flüstern, und ihre Stimme half ihm tatsächlich, sich zu beruhigen. Tom atmete ein paarmal so entspannt durch, wie es ihm möglich war.

»Ich lass jetzt deine Arme los, Tom«, vernahm er Welfs Stimme ruhig neben sich. »Wisch dir erst mal das Zeug aus den Augen und sieh dich um.«

Tom spürte, dass sich der eiserne Griff um seine Handgelenke lockerte, und verstand, dass es Welf war, der ihn festgehalten hatte. Er tat, wie ihm geheißen, und strich sich mit den Fingern über die Augen, bis er sie öffnen konnte. Dann sah er sich um.

Um Tom herum sah es aus, als hätte man eine Kindergartengruppe mit tausend Litern Fingerfarben auf ihn gehetzt. Das Kopfsteinpflaster schillerte in allen Regenbogenfarben, und Tom selbst ganz genauso. Ja, seine Hände waren rot, aber der Rest von ihm war blau, gelb, grün, lila, schwarz, weiß, rosa, aubergine, beige und mehrere Mischformen all dessen.

Neben ihm hob Hop-Tep den Kopf. Er war nicht nur über und über mit allen Farben bekleckert, es klebten auch diverse Pinsel an ihm, und obendrauf thronte ein Farbeimer, als hätte er sich zum Schutz einen sehr albernen Helm aufgesetzt.

Tom sah an sich hinunter und erkannte nun auch, dass ihn in Wirklichkeit niemand am Fuß festgehalten hatte. Er war einfach nur in einen Farbeimer getreten, und sein Schuh hatte sich mit der Gummisohle ganz wunderbar darin festgeklemmt.

Er hob den Blick, und aus dem ersten Stock der Geisterbahn gähnte ihn das große Loch an, durch das Hop-Tep offensichtlich gebrochen war.

»W… was war denn los, um Gottes willen?«, fragte Tom und rappelte sich auf.

Hop-Tep brabbelte aufgeregt unter seinen Bandagen hervor und zeigte wiederholt nach oben zu dem Loch.

Mimi schwebte vor ihm hin und her. »Er sagt, er hätte gerade mit den Malerarbeiten begonnen, als sich etwas direkt vor ihm aus dem Boden erhob. Bevor er sehen konnte, was es war, hat es ihn gepackt und einfach durch die Wand geworfen. Und schalte endlich deine Telepathie ein, ich will nicht dauernd übersetzen.«

Tom nickte abwesend und sah zu den anderen, die sich natürlich längst an dem überbunten Tatort eingefunden hatten. Welf war da und Vlarad ebenso.

»Wo ist Wombie?«, fragte er, und gleichzeitig rollte er seinen Ärmel hoch.

Tom war dank einer magischen Verbindung nicht nur in der Lage, mit den anderen telepathisch zu kommunizieren – also in Gedanken zu sprechen. Mit einer Art Geister-Navi auf seinem Arm konnte er jederzeit sehen, wo sich wer befand. Wenn er es nicht mal wieder vergaß …

Ein rötlich schimmernder Punkt unter der Haut am Unterarm zeigte ihm, dass sich Wombie wohl nach wie vor im Inneren der Schreckensfahrt befinden musste. Der Punkt bewegte sich nicht. Das war für Wombie normalerweise nichts Ungewöhnliches. Der Zombie konnte tagelang an der gleichen Stelle stehen und so lange auf eine Bodenfliese starren, bis diese grau anlief. Aber vorhin hatte er ja eine Aufgabe bekommen, und eigentlich konnte ihn nichts daran hindern, diese auszuführen.

»Mimi, kannst du bitte mal nachsehen, ob mit Wombie alles okay ist?«, bat Tom das Gespenstermädchen.

Kaum hatte er zu Ende gesprochen, war sie weggesaust, und nur einen Augenblick später war sie auch schon wieder da.

»Schnell, kommt mit! Ihr müsst helfen! Los!«, rief sie aufgeregt und flatterte voraus. Welf und Vlarad rannten sofort die Stufen zum Eingang der Geisterbahn hinauf und verschwanden im Inneren. Auch Hop-Tep und Tom wollten ihnen folgen, aber das war nicht ganz so einfach …

»Oh Mann, wir kleben fest!«, rief Tom zu der Mumie hinüber. »Die verdammte Farbe ist getrocknet, ich fass es nicht. Was machen wir denn jetzt?«

Tom schaffte es immerhin, den Fuß vom Boden zu lösen, der nicht in dem Eimer klemmte. Aber sein Hosenboden pappte bombenfest auf dem Kopfsteinpflaster. Er sah zu Hop-Tep, den es noch viel schlimmer erwischt hatte: Seine Bandagen hatten sich voll Farbe gesogen, klebten nun überall auf dem Boden, auf ihm und vor allem aneinander.

Es war erstaunlich, was man einer Mumie mit ein paar Eimern schnelltrocknender Farbe alles antun konnte. Der arme Kerl konnte sich trotz seiner übermenschlichen Kräfte kaum mehr bewegen.

Eine Idee musste her. Na ja, Tom hatte zwar bereits eine, war sich aber nicht so sicher, wie wahnsinnig genial diese war. Erst einmal musste er irgendwie aufstehen, denn ein wichtiger Teil seiner Idee befand sich im Zirkuswagen. Und der war verdammt schwer zu erreichen, wenn man mit der Hose auf dem Boden klebte.

»Och nö …«, stöhnte Tom laut, als ihm klar wurde, was die einzige Lösung war. Trotzdem tat er sofort, was getan werden musste, schlüpfte aus den Schuhen, öffnete dann seine Hose und rutschte rückwärts ruckelnd aus der Jeans. »Ich bin gleich wieder da, Hop-Tep!« Tom lief hosenlos zum Zirkuswagen. Währenddessen rief er telepathisch nach Mimi, damit sie ihm endlich mitteilte, ob mit Wombie alles okay war.

Wir haben ihn gefunden, er lag in den Gleisen neben Vlarads Sarg, erklang sofort die Stimme des Geistermädchens in seinem Kopf. Irgendwer oder irgendwas hat ihn doch glatt mit unseren Geisterbahn-Gondeln ausgeknockt, Tom! Und das, obwohl der Einzige, der stark genug ist, um diese Wagen zu werfen, Wombie selbst ist! Er war begraben unter allen zwölf Gondeln!

Das ist nicht gut, gar nicht gut, dachte Tom. Wie geht’s ihm denn?, fragte er stattdessen, als er die große Ladeklappe öffnete, die sich unterhalb des Bodens zwischen den Rädern des Wagens befand.

 

Ach, Wombie geht’s wie immer. Falls er tatsächlich einen Knacks im Schädel davongetragen hat, kann Welf ihm den sicher wieder zutackern.

Na, hurra, sendete Tom zu Mimi hinüber. Gut, dann bis gleich. Ich muss mich um Hop-Tep kümmern.

Endlich hatte er auch gefunden, was er suchte, und rannte umgehend zurück zur Mumie.

»Das hier ist ein Kanister voll Spiritus, Hop-Tep!«, erklärte Tom schnaufend. »Es löst auf jeden Fall die Farbe auf, aber es stinkt ganz furchtbar, ist leicht entflammbar, schmeckt scheiße, und die Dämpfe sind giftig. Also kommt es so ein bisschen drauf an, wie unsterblich du bist …«

Der ägyptische Prinz war nur noch in der Lage, eine Hand zu bewegen. Diese zeigte aber deutlich so etwas wie »Los-nun-mach-schon!«.

Tom nickte. »Also gut, aber bitte trotzdem Luft anhalten, wenn es geht.« Dann schob er sich den Kragen seines Hemdes als improvisierten Atemschutz über die Nase, öffnete den Kanister und besprenkelte Hop-Tep so gleichmäßig wie möglich mit dem stechend riechenden Alkohol.

Schnell entfaltete die Chemikalie ihre Wirkung: Hop-Tep musste ein paarmal so heftig niesen, dass sich die Bandagen um seinen Kopf aufblähten. Aber tatsächlich wurden die Farbschichten durch den Verdünner wieder flüssig, und schon nach einer halben Minute konnte die Mumie sich endlich aufrichten.

Hop-Tep streckte die knochigen Glieder und schüttelte sich. Ich danke dir, mein Junge, hörte Tom die Mumie in seinem Kopf salbungsvoll sprechen, und der ägyptische Prinz deutete eine Verbeugung an.

»Aber immer gerne«, entgegnete Tom. »Bis gleich. Und offene Flammen meiden.«

Die Mumie nickte noch einmal höflich und schlurfte dann umgehend davon, um sich einer zeitraubenden Neu-Bandagierung zu widmen.

Da kam Mimi mit Welf und Vlarad aus der Geisterbahn, dicht gefolgt von Wombie. Aber erst als der Zombie seinem Stoffhasen Odor das verbliebene seiner ehemals zwei Knopfaugen zuhielt, bemerkte Tom, dass irgendetwas nicht stimmte. Welf sah irgendwie amüsiert aus, und Mimi schaute angestrengt hinauf zum Mond, der hinter den Wolken gar nicht zu sehen war. Der Vampir hatte sich hinter seiner aristokratischen Miene versteckt, und nichts war aus seinem Gesicht zu lesen.

Ach so, die Hose, erinnerte sich Tom in dem Moment und winkte lachend ab. »Also bitte, ich denke, auch ihr werdet in eurem früheren Leben schon mal ein Schwimmbad besucht haben.«

»Trägt man heute in den Schwimmbädern etwa keine Badehosen mehr?«, wollte Welf wissen, und Tom fühlte sich von einer Sekunde auf die andere recht luftig um die Hüften.

Er warf einen ahnungsschwangeren Blick zu seiner Hose, die nach wie vor auf dem Boden pappte … und tatsächlich spitzte da ein Teil seiner Unterhose raus.

»Das … ist der peinlichste Moment in meinem gesamten … Leben …«, gluckste es aus Tom heraus. »Ich … Wenn mich jemand … Ich bin in … Oh Gott, ich sterbe.«

Er griff mit beiden Händen an sein Hemd und zog es so weit herunter, bis die Nähte hörbar knacksten. Dann lief er in geduckter Haltung zurück zum Zirkuswagen und schlug lautstark die Tür hinter sich zu.


Kapitel 6: Der auch noch

Tom hatte sich die gesamte restliche Nacht nicht aus seinem Wagen getraut. Und auch am Morgen fand er einfach nicht den Mut, aufzustehen und den anderen in die Augen zu sehen.

Dafür nahm ihm jemand anderes die Entscheidung ab, indem er betont rhythmisch an die Tür klopfte.

Auf dem Weg zur Tür vergewisserte sich Tom drei Mal, ob er auch wirklich, wirklich eine Hose anhatte. Dann erst fasste er an den Türknauf, sah noch mal an sich herunter, ob er auch wirklich eine Hose anhatte, und öffnete.

Vor ihm stand Zoracz und hinter ihm seine geheimnisvolle Begleiterin, wie immer ganz in Rot gekleidet.

Tom hatte mit den beiden bereits vor einigen Wochen Bekanntschaft gemacht, kurz nachdem er die Geisterbahn von Omas Bruder, Großonkel Heinrich, geerbt hatte. Und dieser Zoracz war ein ziemlich übler Zeitgenosse, der Tom die Schreckensfahrt um jeden Preis abluchsen wollte.

»Was machen Sie denn hier?«, stieß Tom überrascht hervor.

»Das Gleiche könnte ich dich fragerrrn«, rollte Zoracz genüsslich in seinem aufgesetzten Akzent.

»Kein R in der zweiten Silbe von fragen«, ließ sich die Frau in Rot vernehmen, aber Zoracz hörte gar nicht hin.

»Ihrr steht auf unserrrem Platz, kleiner Bub«, schnarrte er und machte eine ausladende Geste, die seinen schwarzen Mantel effektvoll aufblähte.

Wie macht der das bloß, dachte Tom, hat der vielleicht immer eine kleine Windmaschine dabei?

»Wir haben diesen Platz am Freitag gemietet und jetzt auch schon aufgebaut«, sagte er stattdessen laut. »Das kann nur ein Missverständnis sein.«

»Gewiss, gewiss, ein Missverstärrrndnis«, entgegnete Zoracz mit breitem Grinsen.

»Zu viele R in Missverständnis«, murmelte die Frau hinter ihm, ohne wirklich damit zu rechnen, dass er auf sie hörte.

Damit hatte sie vermutlich recht, zumindest ließ sich Zoracz nichts anmerken. »Nun, ich muss euch leiderrr bitten, diesen antiquarischen Schrotthaufen zur Seite zu rrrücken, denn just hier beliebe ich, mein Spiegelkabinett aufzubauen, kleiner frecher Mann.«

»Warum denn gerade hier?«, fragte Tom frech. »Der Platz da drüben ist doch anscheinend noch frei.«

»Das ist rrrichtig«, lachte Zoracz. »Aber wenn ich euch achtundvierzig Stunden fürrrchterliche Plackerei bescheren kann, dann will ich das natürrrlich nicht missen. Also muss ich nun den missmutigen Veranstalter holen, oder rrrutscht ihr freiwillig rüber? Oder …«

Zoracz machte eine ganz und gar offensichtliche Pause, die wohl besonders bedeutungsschwanger klingen sollte. Und das tat sie auch. Allerdings war Tom nicht bereit, diesem Fiesling das Gefühl zu geben, dass er ihm Angst einjagen konnte. Den Gefallen wollte er ihm nicht tun.

»Oder was?«, unterbrach ihn Tom forscher, als er sich selbst zugetraut hätte. »Überlegen Sie sich gut, ob Sie mir drohen wollen, Zoracz. Denn das geht garantiert wieder schief, und zwar für Sie.«

Zoracz’ Grinsen sah plötzlich aus, als wäre es eingefroren. »Werrr von uns beiden drrroht denn nun werrrm?«, fragte er mit eisiger Stimme, und bevor die Frau in Rot etwas über zu viele Rs sagen konnte, hatte er einen warnenden Zeigefinger gehoben, der sie davon abhielt.

Tom hielt dem stechenden Blick stand, aber innerlich wurde es ihm doch flau im Magen. Er wollte gerade etwas besonders Markiges erwidern, als ihn ein wohlvertrautes Grollen unterbrach.

»Zoracz. Was willst du hier?«, erklang die Reibeisenstimme von Welf, der urplötzlich aufgetaucht war.

Wie der Blitz war die Frau in Rot sofort zwischen ihn und Zoracz getreten. Sie hob ihre Finger mit den langen, blutroten Fingernägeln, und aus ihrer Kehle drang ein so aggressiver Zischlaut, dass Tom sich wunderte, wie so ein Sound eigentlich aus so einer Frau ertönen konnte.

»Bitte, wirrr wollen doch zivilisierrrt bleiben«, sprach da Zoracz und hob beschwichtigend die Hände.

Welf trat einen Schritt zurück, und auch die Frau entspannte sich wieder.

Dann seufzte Toms Onkel, und Tom bemerkte, dass ihm das Folgende nicht leicht über die Lippen ging: »Hör zu, Zoracz, ich sag das nicht gern, aber es wäre besser, ihr würdet diesen Jahrmarkt ausfallen lassen.«

Zoracz war die Verwunderung deutlich anzusehen. »Was? Warrrum sollten wir …«

»Weil es hier ein echtes Problem gibt«, antwortete Tom. »Wir haben gestern schon den Herrn Barthelmann versucht zu überzeugen, den gesamten Markt abzublasen.«

Zoracz sagte nichts. Für den Moment war er wohl tatsächlich überrascht.

»Der Junge hat recht«, ließ sich Welf wieder vernehmen. »Hier stimmt was ganz und gar nicht. Im Moment gehen wir von einem Pulsar fortis der Stufe 80 aus. Vielleicht 90.«

»Ein was?«, fragte Tom, doch keiner achtete auf ihn.

»Ein Pulsar fortis?«, stieß Zoracz verblüfft hervor und vergaß dabei völlig seinen fremdländischen Akzent. »Das ist … Das ist …«

»Selten«, beendete Welf das Gestammel. »Verdammt selten. Und mächtig. Er ist imstande, Dinge zu levitieren, für die andere einen Kran brauchen.«

Oder einen Zombie, dachte Tom, doch er hütete sich, das laut auszusprechen. Zwar war er sich inzwischen sicher, dass Zoracz ganz genau wusste, wer da außer ihm in der Geisterbahn hauste. Und das war wohl auch der Grund, warum Zoracz schon mehrmals versucht hatte, die Geisterbahn in seinen Besitz zu bringen. Aber wirklich ausgesprochen hatte der Typ noch nichts in der Richtung. Also hielt sich auch Tom zurück und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch der beiden. Er wollte auf keinen Fall irgendetwas verpassen.

»Ein Klopfer, der schwere Objekte bewegt …«, murmelte Zoracz und kraulte sich nachdenklich den Spitzbart. »Ja, in der Tat, dies ist ein denkbar schlechter Ort für einen Jahrmarkt.« Doch dann kehrte das vertraute verschlagene Funkeln in seinen Blick zurück. »Nun, gleichzeitig ist es ein denkbar wunderbarer Ort für mich und meine Attraktion, nicht wahr? Wann hätte ich sonst jemals die Gelegenheit bekommen, ein solches Geschöpf zu … studierrren.«

»Studieren. Klar«, brummte Welf. »War’s das erst mal, oder brauchst du noch was, Zoracz?«

»Oh, unter diesen Umständen bin ich vollauf zufrieden mit dem Platz dort drrrüben in unmittelbarer Narchbarrscharrrft, vielen Dank, ja, ich weiß, viele Rs, meine Liebe, aber dieses Wort konnte ich mir doch nicht entgehen lassen.«

Dann lachte Zoracz sein etwas zu lautes und etwas zu künstliches Lachen, warf sich das Cape elegant über die Schulter und drehte sich grazil um seine eigene Achse wie ein Balletttänzer.

»Einen schönen Tag allerrrseits!«, rief er und stolzierte von dannen. Seine geheimnisvolle Begleiterin folgte ihm, doch Tom war nicht entgangen, dass sie ihn vorher noch einmal seltsam gemustert hatte.

Was will die denn von mir, warum guckt die mich immer so an?, dachte er und sah fragend zu Welf.

Der zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, vielleicht findet sie dich schnuckelig«, gab er zurück, und Tom sah seinen Onkel groß an.

»Wie hast du … Ich hab das gerade nur gedacht!«, zischte er. »Sag bloß, du kannst …«

»Deine Gedanken hören? Na ja, wenn du sie so laut rausposaunst, ist das keine Kunst«, erklärte Welf in ruhigem Tonfall. »Du musst endlich lernen, die telepathische Verbindung ein- und auszuschalten. Kann manchmal echt peinlich sein.«

»Peinlicher, als nackt vor euch rumzuhampeln?«, stöhnte Tom und spürte förmlich, wie seine Wangen knallrot anliefen.

»Nein«, antwortete Welf trocken. »Nichts ist peinlicher als das.«

Schockiert sah Tom ihn an, doch dann bemerkte er, wie einer von Welfs Mundwinkeln zuckte.

»Boah, du bist so gemein!«, lachte Tom und knuffte seinem Onkel gegen den Oberarm. Der lachte nun auch sein heiseres Lachen und boxte seinen Bonus-Neffen so hart zurück, dass der fast umgefallen wäre.

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