Die straflose Vorteilsnahme

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Anmerkungen

[1]

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Flavio Bertoli, LL.M. (College of Europe Bruges), Syndikus/Senior Legal Counsel der Siemens AG, bedanken, der mir nicht nur freundlicherweise die zitierten Musterauszüge zur Verfügung gestellt hat, sondern darüber hinaus geduldig die Sicht eines Großunternehmens auf den Tatbestand der Vorteilsannahme und die damit verbundenen Probleme darlegte. Seiner Ansicht nach führten diese Hinweise auf den Einladungen im Übrigen teilweise zu einer Sensibilisierung auf Seiten der Eingeladenen im Hinblick auf die im Zusammenhang mit den Korruptionsstraftatbeständen auftretenden Schwierigkeiten, teilweise erschöpfte sich die Reaktion jedoch auch in Empörung über einen solchen Hinweis und insbesondere über die Aufforderung, die Genehmigung des Vorgesetzten einzuholen, wobei sich hier insbesondere Personen „im staatsnahen Bereich“ erheblich echauffierten und sich in negativer Weise hervortaten.

[2]

Bei der „Siemens-Korruptionsaffäre“ ging es (verkürzt dargestellt) um die jahrelange, systematische Bildung schwarzer Kassen für die systematische Bestechung von ausländischen (amtlichen sowie privatwirtschaftlichen) Entscheidungsträgern, damit diese die Siemens AG bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt auswählten; vgl. die ausführliche Darstellung eines solchen Vorgehens durch den BGH in dessen Sachverhaltsdarstellung zur „Siemens-Entscheidung“, BGH NStZ 2009, 95 (96 f.), mit ausführlicher Besprechung von Satzger NStZ 2009, 297 ff.

[3]

Vgl. Der Spiegel Ausgabe 16/2008, S. 79; nach der sehr kritischen Berichterstattung in der Zeitschrift Der Spiegel wurden solche Hinweise nicht mehr auf Einladungen der Siemens AG gedruckt; Quelle: Flavio Bertoli, LL.M. (College of Europe Bruges).

[4]

Vgl. die Homepage der Siemens AG, abrufbar unter http://www.siemens.de/ueberuns/daten/Seiten/home.aspx, zuletzt abgerufen am 22.1.2012.

[5]

BKA PKS 2010, S. 48; bezüglich der Vorteilsgewährung wurden 124 Fälle erfasst, bei einer Aufklärungsquote von 93,5 %.

[6]

BKA Korruption, Bundeslagebild 2010, S. 9; im Jahr 2010 wurden außerdem 465 Fälle der Vorteilsgewährung (2009 noch 973 Fälle) polizeilich registriert.

[7]

Zum Vergleich aus der PKS 2010: Diebstahl ohne erschwerende Umstände: 1.233.812 Fälle (S. 42); Betrug: 968.162 Fälle (S. 44); Untreue: 10.186 Fälle (S. 45); Jagdwilderei: 1.016 Fälle (S. 49).

[8]

Bannenberg/Schaupensteiner Korruption in Deutschland, S. 38 ff., gehen davon aus, dass nur 1 % der Korruptionsdelikte tatsächlich auch aufgedeckt wird; vgl. auch LK-Sowada Vor § 331 Rn. 46; MK-Korte § 331 Rn. 17; Schwind Kriminologie, § 21 Rn. 41.

[9]

Laut BKA Korruption, Bundeslagebild 2010, S. 16, führten in 62 % der eingeleiteten Korruptionsverfahren externe Hinweise zu einem Ermittlungsverfahren, nur bei 38 % der Verfahren wurde das Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet.

[10]

Vgl. Bannenberg Korruption in Deutschland, S. 59; Bannenberg/Schaupensteiner Korruption in Deutschland, S. 38 ff.; LK-Sowada Vor § 331 Rn. 46; MK-Korte § 331 Rn. 17; so sagt auch das BKA Korruption, Bundeslagebild 2010, S. 21, dass auch zukünftig die Erfolge bei der Bekämpfung der Korruptionskriminalität „sehr stark von der Gewinnung qualifizierter Hinweise“ abhängen wird.

Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme

Inhaltsverzeichnis

A. Die neuere Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung

B. Das durch den Tatbestand der Vorteilsannahme geschützte Rechtsgut

C. Der Tatbestand der Vorteilsannahme

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Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird die Vorteilsannahme im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) geahndet.

Im System des StGB befindet sich der Tatbestand in dessen 30. Abschnitt mit der Überschrift „Straftaten im Amt“.

Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A. Die neuere Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung

A. Die neuere Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung

8

Zu Beginn dieser Arbeit wird zunächst ein Blick auf die neuere Entwicklung der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung geworfen.[1] Die Betrachtung der neueren Gesetzgebungsgeschichte der Tatbestände wird helfen zu verstehen, aus welchen Gedanken heraus sich diese Tatbestände bis heute entwickelt haben und warum der deutsche Gesetzgeber Änderungen an ihnen vorgenommen hat.

Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › I. Die Vorteilsannahme bis zum Jahr 1974

I. Die Vorteilsannahme bis zum Jahr 1974

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Im Reichsstrafgesetzbuch[2] (RStGB) regelte § 331 RStGB die „einfache passive Bestechung“, die auf eine „an sich nicht pflichtwidrige Handlung“[3] bezogen war, während die „schwere passive Bestechung“ (§ 332 RStGB) bei Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht einschlägig war.[4] Daneben gab es die aktive Bestechung in § 333 RStGB, die sich aber nur auf § 332 RStGB und nicht auch noch auf § 331 RStGB bezog, sodass es zur einfachen passiven Bestechung kein tatbestandliches Pendant auf Geberseite gab.[5] § 334 RStGB regelte darüber hinaus die Strafbarkeit der Richterbestechung, wobei hier nur zukünftige Handlungen erfasst wurden.[6] Grundsätzlich wurden von den Bestechungsdelikten nur Beamte im strafrechtlichen Sinne erfasst (§ 359 RStGB),[7] durch die Bestechungsverordnung fielen aber auch formell besonders verpflichtete Personen hierunter.[8] Diese Regelungen wurden bis zum Jahr 1974 (nahezu) nicht geändert.[9]

10

Der Tatbestand „Einfache passive Bestechung“ lautete bis zum Jahr 1974:

§ 331 StGB Einfache passive Bestechung

Ein Beamter, welcher für eine in sein Amt einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung Geschenke oder andere Vorteile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › II. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 und die durch dieses Gesetz hervorgerufenen Änderungen an § 331 StGB

II. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch von 1974 und die durch dieses Gesetz hervorgerufenen Änderungen an § 331 StGB

11

Erst durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB)[10] von 1974 änderten sich die Korruptionstatbestände im amtlichen Bereich hinsichtlich ihrer Systematik und ihres Inhalts.[11] Es wurden vier Tatbestände geschaffen, die nahezu spiegelbildlich zueinander angeordnet wurden.[12] Die Strafbarkeit des Vorteilsempfängers wurde in den §§ 331, 332 StGB (1974) geregelt, die des Vorteilsgebers in den §§ 333, 334 StGB (1974). Dabei wurde in § 331 StGB (1974) die Vorteilsannahme und in § 333 StGB (1974) die Vorteilsgewährung kodifiziert, während in § 332 StGB (1974) die Bestechlichkeit und in § 334 StGB (1974) die Bestechung geregelt waren. Der selbstständige Tatbestand der Richterbestechung wurde aufgehoben, die Richterbestechung ist seitdem jeweils in den zweiten Absätzen der Tatbestände integriert.[13]

Inhaltlich gesehen wurden nicht mehr nur Beamte, sondern grundsätzlich alle Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten erfasst, was die Bestechungsverordnung überflüssig machte.[14]

Durchgängig war nun erforderlich, dass der Vorteil „als Gegenleistung für“ eine Diensthandlung erbracht werden musste, um so die Beziehung zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer im Sinne einer „Unrechtsvereinbarung“ zu kennzeichnen.[15] Dies bedeutete, dass der Vorteil für eine zumindest in groben Zügen konkret erkenn- und bestimmbare Diensthandlung angenommen bzw. gewährt werden musste.[16]

 

Darüber hinaus wurde in § 331 StGB (1974) und in § 333 StGB (1974) jeweils in Abs. 3 die Möglichkeit einer Genehmigung der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung eingeführt.

12

Der Tatbestand der Vorteilsannahme lautete im Zeitraum von 1974 bis 1997:

§ 331 StGB Vorteilsannahme

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › III. Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 1997

III. Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 1997

1. Die Änderungen durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, insbesondere die Lockerung der Unrechtsvereinbarung

13

Deutlich verändert wurden die Bestechungstatbestände durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 (KorrBekG)[17]. Beeinflusst wurde dieses Gesetz insbesondere durch das Gutachten von Dölling zum 61. Deutschen Juristentag.[18]

14

Das KorrBekG enthielt vor allem zwei Neuerungen, die von besonderer Bedeutung für die strafrechtliche Praxis waren und es noch heute sind. So wird mittlerweile in den §§ 331 bis 334 StGB die Drittzuwendung mit einbezogen, sodass auch die Annahme eines Vorteils bzw. die Gewährung eines Vorteils für eine dritte Person erfasst wird.[19] Die Rechtsprechung hatte sich bis dahin geweigert, rein altruistische Handlungen des Vorteilsnehmers mit zu erfassen, z.B. wenn dieser den Vorteil annimmt, nur um ihn direkt an einen Dritten weiterzuleiten und selbst daraus keinerlei Vorteil für sich zieht.[20] Außerdem wurde die Unrechtsvereinbarung im Rahmen der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung deutlich gelockert, da nun nicht mehr der Vorteil als Gegenleistung für eine Diensthandlung angenommen oder gewährt werden musste, sondern es nun bereits ausreicht, wenn der Vorteil „für die Dienstausübung“ angenommen oder gewährt wird.[21] Diese Ausweitungen der Strafbarkeit hinsichtlich der Einbeziehung von Zuwendungen an Dritte wie auch die Lockerung der Unrechtsvereinbarung wurden auch von den Teilnehmern des 61. Deutschen Juristentages gefordert (74 Ja-Stimmen, 27 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen bzw. 71 Ja-Stimmen, 39 Nein-Stimmen, 6 Enthaltungen).[22]

15

Des Weiteren wurden in § 335 StGB Regelbeispiele für den besonders schweren Fall der Bestechlichkeit und Bestechung und in § 338 StGB die Möglichkeit des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) bezüglich der §§ 332, 334 StGB eingeführt.

16

Nicht ohne Erwähnung soll auch der neu eingefügte 26. Abschnitt des StGB – „Straftaten gegen den Wettbewerb“ (§§ 298 bis 302 StGB) – bleiben, durch den auch die Korruption im privatwirtschaftlichen Sektor zum ersten Mal strafrechtlich erfasst wird.[23]

17

Der Tatbestand der Vorteilsannahme lautet seit dem KorrBekG:

§ 331 StGB Vorteilsannahme

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

2. Die Gründe des Gesetzgebers für die Lockerung der Unrechtsvereinbarung, insbesondere die Erfassung der Zuwendungen zum „Anfüttern“ und zur „Klimapflege“

18

Die Intention des Gesetzgebers zur Lockerung der Unrechtsvereinbarung war folgende: Vor dem KorrBekG war es erforderlich, dass der Amtsträger den Vorteil als Gegenleistung für eine Diensthandlung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Es musste also eine, wenn auch nicht in allen Einzelheiten,[24] bestimmte zukünftige oder vergangene Diensthandlung durch den Vorteil angestrebt bzw. belohnt werden, was oftmals nicht gegeben oder zumindest nicht beweisbar war.[25] So konnte das sogenannte „Anfüttern“[26] eines Amtsträgers nicht durch § 331 Abs. 1 StGB (1974) erfasst werden. Unter dem Anfüttern von Amtsträgern versteht man das stetige Gewähren von zunächst kleineren Vorteilen für den Amtsträger, ohne dass der Vorteilsgeber zu diesem Zeitpunkt bereits eine bestimmte Gegenleistung erwartet. Durch die Zuwendungen soll jedoch die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass der Amtsträger später (durch nochmals gewährte, weitere Zuwendungen) dann zu einem bestimmten, vom Vorteilsgeber gewünschten, Verhalten zu bewegen ist.[27] Es soll also eine spätere und dann auch konkretere „Zusammenarbeit“ zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer angebahnt werden. Beim Anfüttern gibt es zum Zeitpunkt der Vorteilsgewährung noch keine ausreichend bestimmte Diensthandlung, die den Tatbestand der Vorteilsgewährung vor dem KorrBekG erfüllt hätte.

19

Ebenfalls konnten Zuwendungen, die der „allgemeinen Klimapflege“ dienen, nicht strafrechtlich erfasst werden. Hierunter sind Vorteile zu verstehen, die allein deshalb gewährt werden, um sich das Wohlwollen oder die generelle Geneigtheit des Amtsträgers zu sichern.[28] Da eine bestimmte oder zumindest bestimmbare Diensthandlung hiermit noch nicht bezweckt wird, konnten sie vom Tatbestand der Vorteilsannahme vor dem KorrBekG, der genau einen solchen Nachweis forderte, nicht erfasst werden.[29] Zumindest war es aber nach Berichten aus der Strafverfolgungspraxis nicht möglich, eine zur Tatbestandserfüllung erforderliche hinreichend bestimmte Diensthandlung nachzuweisen, wenn der Vorteil nur als „Dank für eine gute Zusammenarbeit“ gewährt wurde, obwohl dies ebenfalls als strafwürdig eingeschätzt wurde.[30]

20

Der Gesetzgeber sah jedoch auch diese Handlungen im Vorfeld der eigentlichen Korruption (Vorfeldkorruption) als gefährlich an und wollte daher im Zuge des KorrBekG den Tatbestand der Vorteilsannahme so umformulieren, dass nun auch diese Handlungen erfasst werden können.[31] So führt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung wörtlich aus: „Um die strafwürdigen und strafbedürftigen Fälle zu erfassen, bei denen die Annahme oder Gewährung eines Vorteils als Gegenleistung ‚für eine Diensthandlung‘ nicht nachgewiesen werden kann, wird der Straftatbestand der Vorteilsannahme daher dahin gehend geändert, daß künftig bereits das Fordern, Sichversprechenlassen oder Annehmen von Vorteilen ‚für die Dienstausübung‘ unter Strafe gestellt wird.“[32] Unter die strafwürdigen und strafbedürftigen Fälle werden auch diejenigen subsumiert, bei denen die Vorteilsgewährung dazu dient, das allgemeine Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers zu erkaufen.[33]

Durch die Formulierung „für die Dienstausübung“ soll aber auch klargestellt werden, dass zwar weiterhin eine Beziehung zwischen der Vorteilsannahme und der Diensthandlung bestehen muss, eine hinreichend bestimmte Diensthandlung im Sinne einer „Gegenleistung“ aber nicht mehr erforderlich ist, um den Tatbestand zu erfüllen.[34]

Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › IV. Exkurs: Der Gesetzesentwurf des Bundesrates von 1995 mit dem Ziel der Ausweitung der Strafbarkeit durch erhebliche Lockerung der Unrechtsvereinbarung

IV. Exkurs: Der Gesetzesentwurf des Bundesrates von 1995 mit dem Ziel der Ausweitung der Strafbarkeit durch erhebliche Lockerung der Unrechtsvereinbarung

1. Die Systematik und Begründung des Gesetzesentwurfs

21

Bereits am 25.5.1995, also mehr als zwei Jahre vor Verabschiedung des KorrBekG, wurde im Bundesrat durch das Land Berlin ein Gesetzesentwurf[35] für ein neues Korruptionsbekämpfungsgesetz eingebracht.[36] Durch den Gesetzesvorschlag sollte den Schwierigkeiten begegnet werden, „die sich daraus ergeben, daß im Bereich der Korruption verdeckt gehandelt wird und daß daher die Verfolgung und Überführung von Korruptionstätern besonders schwierig ist, weil die Strafverfolgung bislang den Nachweis sogenannter Unrechtsvereinbarungen erbringen muß“.[37] Bereits in der Zielsetzung des Gesetzes zeigte sich also, dass die Strafbarkeit des neuen § 331 StGB erheblich ausgeweitet werden sollte, wobei insbesondere das Merkmal der Unrechtsvereinbarung, also die Annahme eines Vorteils für eine zumindest bestimmbare Diensthandlung, als Ansatzpunkt für eine solche Ausweitung ausgemacht wurde, da dies bislang das Merkmal war, welches für die Strafverfolgungsbehörden besonders schwierig nachzuweisen war.

Der Tatbestand der Vorteilsannahme (und mit ihm auch der Tatbestand der Vorteilsgewährung) sollte grundlegend umgestaltet werden.

22

§ 331 StGB (BR-E) sollte nach dem Beschluss des Bundesrates[38] folgenden Wortlaut bekommen:[39]

(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der im Zusammenhang mit seinem Amt für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ist der Vorteil eine Gegenleistung dafür, daß der Täter eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) [40] […]

(3) Die Tat ist nicht nach Abs. 1 Satz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

23

§ 331 Abs. 1 StGB (BR-E) sollte folglich aus zwei Sätzen bestehen. Nach Abs. 1 S. 1 wäre der Täter bereits dann strafbar gewesen, wenn er „im Zusammenhang mit seinem Amt“ einen Vorteil angenommen hätte. Denn, so der Bundesrat, das Vertrauen der Bevölkerung in die Objektivität der Amtsführung und in die mangelnde Käuflichkeit von Amtsträgern werde bereits dann erschüttert, wenn bereits eine bloße Beziehung zwischen Vorteil und Diensthandlung bestehe und nicht erst dann, wenn die Diensthandlung eine Gegenleistung für den Vorteil darstelle.[41] Auch die Gewährung von Vorteilen, ohne dass bereits eine konkrete Diensthandlung ins Auge gefasst war, sollte hiervon erfasst werden.[42] Dass der Vorteil zumindest im Zusammenhang mit dem Amt angenommen werden musste, sollte verhindern, dass der Amtsträger strafrechtlich verfolgt wird, wenn er Zuwendungen annimmt, die er außerdienstlich erhält, z.B. private Zuwendungen.[43] Im Gegensatz zu § 331 Abs. 1 StGB (1974) war es also nicht mehr erforderlich, dass eine bereits zumindest in den Grundzügen erkennbare Diensthandlung vorlag, vielmehr wurde alles von § 331 Abs. 1 StGB (BR-E) erfasst, was nur irgendwie mit dem Amt oder der Amtsführung zusammenhing.[44]

 

Wurde ein Zusammenhang zwischen Vorteil und Diensthandlung dennoch nachgewiesen, so sah Abs. 1 S. 2 eine Strafschärfung vor.

In Abs. 3 sollte es zwar weiterhin die Möglichkeit einer strafbefreienden Genehmigung geben, diese sollte aber nur für die Fallgestaltung des Abs. 1 S. 1 gelten, wenn also noch kein konkreter Zusammenhang zwischen Vorteil und Diensthandlung zu erkennen war. Im Falle des Abs. 1 S. 2 sollte sie nicht möglich sein. Auch dies wäre eine deutliche Erweiterung der Strafbarkeit gegenüber § 331 Abs. 1, 3 StGB (1974) gewesen.