Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet

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Kapitel 1 Soziale Netzwerke, Hassbotschaften und Fake News

Um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern sozialer Netzwerke näher untersuchen zu können, soll zunächst der Begriff des sozialen Netzwerkes und in diesem Zusammenhang auch derjenige des Diensteanbieters näher vorgestellt werden (siehe A.).

Soziale Netzwerke gerieten vor allem im Zuge der sog. Flüchtlingskrise im Jahr 2015 in besonderer Weise in die öffentliche Kritik, da über sie in einer Vielzahl von Fällen sog. Hassbotschaften, auch Hate Speech und Hassrede genannt, verbreitet wurden und ihre Diensteanbieter, so der Vorwurf, hiergegen nicht genügend vorgingen.31 Diese Kritik hält bis heute an und war Anlass für den Gesetzgeber das NetzDG und spezielle Compliance-Pflichten zu schaffen.32 Soziale Netzwerke werden seitdem nicht selten in einem Atemzug mit Hassbotschaften bzw. Hate Speech und Fake News genannt. Zur Schaffung eines grundlegenden Verständnisses stellt das vorliegende Kapitel deshalb auch die in der öffentlichen und politischen Diskussion verwendeten zentralen Begriffe der Hassbotschaften, Hate Speech und Hassrede (siehe B.) sowie der Fake News (siehe C.) dar.

31 Statt vieler DER SPIEGEL, Warum Facebook den Hass nicht löscht, abrufbar unter http://www.spiegel.de/netzwelt/web/hetze-auf-facebook-warum-der-hass-nicht-geloescht-wird-a-1051805.html, und DER SPIEGEL, Facebook löschte im August 100.000 Hassbotschaften, abrufbar unter http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/hass-im-netz-facebook-loeschte-im-august-100-000-hassbotschaften-a-1113986.html, beide zuletzt abgerufen am 29.12.2020; siehe auch Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke, S. 15. 32 Zum NetzDG siehe Kapitel 7.

A. Soziale Netzwerke im Internet

Das Internet kennt eine Vielzahl verschiedenster Angebote und Plattformen. Die sog. sozialen Netzwerke sind nur ein Teil von diesen, zählen aber zu den meistbesuchten und -genutzten Online-Angeboten Deutschlands und der Welt.33 Aus der täglichen Nutzung von Internetangeboten sind sie kaum noch wegzudenken und existieren in vielfältiger Form. Insbesondere werden sie zum Austausch privater und beruflicher Informationen, Fotos und Videos, zur Kommunikation, aber auch zur Informationsgewinnung, z.B. über das aktuelle Tagesgeschehen, genutzt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der straf- und bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet. Maßgeblich für die nachfolgende Untersuchung ist deshalb die Feststellung, was unter einem sozialen Netzwerk und einem (Telemedien-)Diensteanbieter zu verstehen ist.

Im Folgenden wird deshalb zunächst auf die im NetzDG vorgenommene Legaldefinition des Begriffs des sozialen Netzwerks (siehe I.) und dabei auch auf den Begriff des Diensteanbieters (siehe I. 2.) eingegangen. Zum besseren Verständnis werden anschließend häufige Funktionen sozialer Netzwerke dargestellt (siehe II.).

I. Die Legaldefinition des Begriffs des sozialen Netzwerks

Mit dem NetzDG hat der Gesetzgeber den Begriff des sozialen Netzwerks legal definiert.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG sind soziale Netzwerke Plattformen im Internet (siehe 1.), die von einem Telemediendiensteanbieter (siehe 2.) betrieben werden und dazu bestimmt sind, dass Nutzer (siehe 3.) beliebige Inhalte (siehe 4.) mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (siehe 5.). Soweit § 1 NetzDG bestimmte Beschränkungen (Betreiben des sozialen Netzwerks bzw. der Plattform mit Gewinnerzielungsabsicht) vornimmt und bestimmte Angebote von dem Begriff des sozialen Netzwerks i.S.d. NetzDG ausnimmt (bestimmte journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote und Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind), handelt es sich um Beschränkungen des Anwendungsbereichs des Netz-DG, auf welche in Kapitel 7 eingegangen wird.

1. Plattformen im Internet

Nach der Legaldefinition des NetzDG handelt es sich bei sozialen Netzwerken um „Plattformen im Internet“. Der Begriff der Plattform wird durch das NetzDG jedoch nicht definiert.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei einer Plattform unter anderem um einen „Ort oder Personenkreis, der dem Austausch und der Verbreitung von Ideen, Anschauungen oder Produkten dient“.34 Im MStV findet der Begriff als Medienplattform ebenfalls Verwendung. Die Legaldefinition dieses Begriffs stellt auf die Zusammenfassung von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien oder Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten (§ 19 Abs. 1 MStV) zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot ab (siehe § 2 Abs. 2 Nr. 14 Satz 1 MStV). Bei einer Plattform steht damit die Zusammenfassung von Angeboten, die auch von Dritten stammen und als Gesamtangebot zugänglich gemacht werden, im Zentrum.35 Nach den Gesetzesmaterialien zum NetzDG handelt es sich bei einer Plattform um Kommunikationsräume, in denen „sich Kommunikation typischerweise an eine Mehrzahl von Adressaten richtet bzw. zwischen diesen stattfindet“.36

Da der Legaldefinition des Begriffs des sozialen Netzwerks zufolge dieses bzw. die Plattform dazu bestimmt ist, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen, werden in erster Linie Plattformen erfasst, die zu diesen Zwecken Informationen für Nutzer speichern, also Dienste i.S.d. § 10 Satz 1 TMG sind.37 Durch diese Zweckbestimmung sind solche Angebote keine sozialen Netzwerke i.S.d. Legaldefinition, die „Kommunikationsräume nur als Nebenfunktion anbieten“, wie z.B. Verkaufsplattformen und Online-Spiele.38

Angebote, welche die sozialen Netzwerken typischen Funktionen (siehe II.), z.B. Gruppen, Fan-Seiten, Nutzerprofile, Foto-Alben etc., oder zumindest einen Teil von diesen mit der vorgenannten Zweckbestimmung besitzen, sind Plattformen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG, da sie ihren Nutzern den Austausch und die Verbreitung von beliebigen Inhalten ermöglichen und im Hinblick auf verschiedene Angebote bündeln. Es handelt sich mithin um einen Kommunikationsraum und die Bündelung verschiedener Kommunikationsräume.

2. Telemediendiensteanbieter

Nach dem NetzDG muss die Plattform, also das soziale Netzwerk, durch einen Telemediendiensteanbieter betrieben werden. Den Gesetzesmaterialien zum NetzDG nach sind Telemediendiensteanbieter solche, bei denen die elektronische Informationsbereitstellung im Vordergrund steht.39 Die Begriffsbestimmung folgt Art. 2 lit. b ECRL, wobei die Legaldefinition des § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG „entsprechend“ gilt,40 da diese den Begriff des „Diensteanbieters“ definiert, während § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG vom „Telemediendiensteanbieter“ spricht. Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person (siehe a.), die eigene oder fremde Telemedien (siehe b. und c.) zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt (siehe d.). Hieraus folgt, dass es sich bei sozialen Netzwerken um Telemedien handelt.

a. Natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften

Sowohl natürliche (§§ 1ff. BGB) als auch juristische Personen (§§ 21ff. BGB; z.B. e.V., GmbH, AG) können Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG und damit Telemediendiensteanbieter i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG sein. Diensteanbieter können damit nicht nur Firmen und Unternehmen – wie z.B. die Betreiberunternehmen41 von Facebook, Twitter und YouTube – sein, sondern jede Person. Daher können, wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind, auch die Nutzer von sozialen Netzwerken selbst Diensteanbieter, z.B. ihrer Nutzerprofile oder den von ihnen betriebenen Unternehmens- und Fan-Seiten, sein.42

Personengesellschaften (z.B. OHG, KG und GbR43), die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, sind durch § 2 Satz 2 TMG den juristischen Personen gleichgestellt und können daher ebenfalls Diensteanbieter sein.

Gerade bei den Anbietern der großen kommerziellen sozialen Netzwerke handelt es sich grundsätzlich um juristische Personen. Die persönlichen Voraussetzungen der Diensteanbietereigenschaft sind damit in aller Regel erfüllt.

b. Telemedien

Als weiteres Merkmal des Diensteanbieterbegriffs ist es erforderlich, dass die von dem Diensteanbieter betriebene Plattform ein Telemedium i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG44 ist. Telemedien werden dort legal definiert als elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (siehe aa.), soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes (TKG), die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen (siehe bb.), telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG (siehe cc.) oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages, seit 7.11.2020 durch § 2 des Medienstaatsvertrages (MStV; siehe dd.) ersetzt, aber nicht zeitgleich in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG geändert, sind.

aa. Elektronische Informations- und Kommunikationsdienste

Nach der Legaldefinition des Begriffs des Telemediums in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG handelt es sich bei einem solchen um einen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst. Der Begriff des „elektronischen Informations- und Kommunikationsdienstes“ als einziges positives Tatbestandsmerkmal der Definition ist wegen der weiteren Negativabgrenzung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG als Oberbegriff für Telemedien, Rundfunk und Telekommunikationsdienste zu verstehen.45

 

Bei einem elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst handelt es sich mithin um Dienste, „die elektronisch Text, Bild- oder Toninhalte anbieten“.46 Das Gesetz verlangt eine elektronische Erbringung des Dienstes, was Telemedien gegenüber nichtelektronischen Medien, insb. Printmedien, abgrenzt.47 Voraussetzung ist zudem, dass „die Datenübermittlung mittels Telekommunikation erfolgt“, sodass Dienste, die z.B. auf CD-ROM, DVD oder sonstigen Datenträgern vertrieben werden, keine Telemedien sind.48

Der Begriff „Dienst“ bezieht sich auf eine Dienstleistung im Ganzen.49 Für soziale Netzwerke bedeutet dies, dass nicht auf die einzelnen Funktionen abzustellen ist, sondern das Gesamtangebot die Dienstleistung des Diensteanbieters und damit den Dienst darstellt.50

Die Dienstleistung, also der Dienst muss Information oder Kommunikation zum Gegenstand haben, wobei sich der Begriff der Information auf Daten jeglichen Inhalts bezieht.51 Mit ihren typischen Funktionen52 erfüllen soziale Netzwerke die Voraussetzungen eines elektronischen Informations- und Kommunikationsdienstes. Die Nutzer können in das soziale Netzwerk eigene Informationen eingeben und verbreiten sowie Informationen anderer Nutzer über das soziale Netzwerk abrufen. Zudem können sie mittels Chat- bzw. Messenger-Funktionen und Nachrichten- bzw. Mail-Funktionen, ähnlich wie mit einer E-Mail, in einen unmittelbaren Austausch mit anderen Nutzern treten.

bb. Keine Telekommunikationsdienste i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG

Als erste Negativabgrenzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, vom Begriff des Telemediums ausgenommen. Gemäß § 3 Nr. 24 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Davon umfasst sind auch Übertragungsdienste in Rundfunknetzen (§ 3 Nr. 24 TKG a.E.). § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG versagt jedoch nur solchen Telekommunikationsdiensten die Eigenschaft als Telemedien, die „ganz“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Hierbei handelt es sich um Dienste, die allein in der Signalübertragung, also dem Transport von Daten, bestehen und darüber hinaus „keine weitere, inhaltliche Komponente“ besitzen.53 Dienste, die lediglich „überwiegend“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, können daher zusätzlich zu ihrer Eigenschaft als Telekommunikationsdienst auch Telemedium sein.54 Regelmäßig sollen E-Mail-Provider derartige Dienste sein, wenn „sie nicht nur einen Signaltransport übernehmen“, sondern zusätzlich die Verwaltung (z.B. Lesen, Schreiben, Archivieren) der E-Mails über ein Webportal ermöglichen.55 Als Folge dessen fänden sowohl das TKG als auch TMG Anwendung auf diese Dienste.56

Im Rahmen sozialer Netzwerke können demnach insbesondere deren Chat- bzw. Messenger-, Nachrichten- bzw. Mail- und (Video-)Telefonie-Funktionen den Telekommunikationsdiensten unterfallen, da sie der Datenübermittlung dienen und mit einem E-Mail-Dienst bzw. herkömmlichen Telefonat57 vergleichbar sein könnten.58 Allerdings erscheint es fraglich, ob die genannten Funktionen überhaupt in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze59 bestehen. Bei den aufgezählten Individualkommunikationsdiensten innerhalb sozialer Netzwerke werden von dem Diensteanbieter des sozialen Netzwerks nämlich keine Signale über ein Telekommunikationsnetz von einem zum anderen Dienst übertragen, sondern der Austausch findet allein auf den Servern bzw. in den Datenbanken des sozialen Netzwerks statt und verbleibt damit grundsätzlich innerhalb der Infrastruktur des sozialen Netzwerks, also desselben Dienstes. Gerade die Nachrichten- bzw. Mail-Funktion eines sozialen Netzwerks ist deshalb in ihrer Übertragungsweise mit der herkömmlichen E-Mail nicht vergleichbar. Anderer Auffassung ist jedoch das KG Berlin, das ausführt, dass ein soziales Netzwerk hinsichtlich der Chat- bzw. Messenger-, Nachrichten- bzw. Mail- und (Video-)Telefonie-Funktionen einen Telekommunikationsdienst erbringt, da es sich „die Signalübertragungsleistungen der Telekommunikationsunternehmen zurechnen lassen“ muss.60 Dabei nimmt das Gericht Bezug auf ein Urteil des VG Köln zu dem von Google betriebenen E-Mail-Dienst Gmail, in welchem eine solche Zurechnung der Signalübertragung festgestellt wird.61 Ausweislich der Urteilsgründe bezieht sich die Zurechnung aber auf „die raumübergreifende Signalübertragung zwischen den beteiligten Servern“.62 Mit den „beteiligten Servern“ meint das VG Köln jedoch die beteiligten Mailserver von Gmail und anderen E-Mail-Providern, zwischen denen die gesendeten E-Mails ausgetauscht werden.63

Der EuGH verneint hingegen die Eigenschaft von Gmail als elektronischer Kommunikationsdienst.64 Bei der Nachrichtenübertragung innerhalb eines sozialen Netzwerks liegt darüber hinaus kein Fall des Austauschs zwischen Servern verschiedener Provider vor. Die zwischen den Nutzern eines sozialen Netzwerks ausgetauschten Nachrichten verbleiben grundsätzlich innerhalb des sozialen Netzwerks. Sie verlassen dieses erst, wenn sie durch den Nutzer unter Nutzung eines Network- und Accessproviders über das soziale Netzwerk abgerufen werden, wobei die Übermittlung allein an das jeweilige Endgerät des Nutzers zum Abruf bzw. zur Anzeige im Browser oder einer App erfolgt.

Vorliegend kann die Frage der Anwendbarkeit des TKG auf die Individualkommunikationsdienste sozialer Netzwerke im Ergebnis jedoch offenbleiben, da bereits die übrigen Bestandteile eines sozialen Netzwerks, insb. die Profile, Gruppen und Fan-Seiten das soziale Netzwerk (auch) als Telemedium qualifizieren. Denn mit diesen Funktionen wird deutlich, dass der Dienst des sozialen Netzwerks gerade nicht „ganz“ der Übertragung von Signalen dient. Zudem folgen die hier zu untersuchenden Strafbarkeitsrisiken des Diensteanbieters fast ausschließlich aus den übrigen Funktionen sozialer Netzwerke, die eine Massenkommunikation durch öffentliches Zugänglichmachen von Informationen ermöglichen.

cc. Keine telekommunikationsgestützten Dienste i.S.d. § 3 Nr. 25 TKG

Keine Telemedien i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG sind zudem telekommunikationsgestützte Dienste i.S.d. § 3 Nr. 25 TKG. Bei diesen handelt es sich um Dienste, die keinen räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslösen, sondern bei denen die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erfüllt wird. Hiervon sind Dienste erfasst, mittels derer im Wege einer Individualkommunikation eine inhaltliche Leistung von dem Diensteanbieter an den Nutzer erbracht wird.65 In erster Linie handelt es sich um sog. Mehrwertdienste, also Dienste, die im Wege der Telekommunikation eine Leistungserbringung zum Gegenstand haben (z.B. Auskunftsdienste i.S.d. § 3 Nr. 2a TKG).66 Diese können sowohl kostenlos (z.B. entgeltfreie Telefondienste i.S.d. § 3 Nr. 8a TKG) als auch kostenpflichtig sein (z.B. Premium-Dienste i.S.d. § 3 Nr. 17c TKG), wobei die Abrechnung der Gebühren regelmäßig über die Telefonrechnung erfolgt (z.B. mittels 0900er-Rufummer).67

Die Diensteanbieter sozialer Netzwerke erbringen jedoch gerade keine inhaltliche Leistung im Wege einer solchen Individualkommunikation gegenüber ihren Nutzern. Sie stehen vielmehr jedem Nutzer zum allgemeinen Abruf bereit und sind mithin keine telekommunikationsgestützten Dienste i.S.d. § 3 Nr. 25 TKG.

dd. Kein Rundfunk i.S.d. § 2 RStV bzw. § 2 MStV

Schließlich sind Telemedien i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG kein Rundfunk. Für die Abgrenzung maßgeblich ist allein der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff, was aus dem Verweis des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG auf § 2 RStV, seit 7.11.2020 durch § 2 MStV ersetzt, aber nicht zeitgleich in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG geändert, deutlich wird.68

Rundfunk ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Dem entspricht die neue Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Satz 1 MStV weitgehend. Danach ist Rundfunk ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans mittels Telekommunikation. Letztlich wurde in der Definition nur das Mittel der Verbreitung, also die „Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“, durch die „Verbreitung [...] mittels Telekommunikation“ neu gefasst. Dass es sich um „journalistisch-redaktionell gestaltet[e] Angebot[e]“ handeln muss, verlangte bereits der RStV mit seinem § 2 Abs. 3 Nr. 4. Sowohl nach § 2 Abs. 1 Satz 2 RStV als auch § 2 Abs. 1 Satz 2 MStV schließt der Rundfunkbegriff Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind.

Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube werden zum individuellen Einzelabruf bereitgehalten und sind – mit Ausnahme der z.T. über sie verbreiteten Live-Streams69 – nicht zum zeitgleichen Empfang im Sinne einer Linearität in Form einer Ein-Punkt-zu-Mehrpunkt-Übertragung bestimmt. Kennzeichnendes Merkmal des Rundfunks ist aber gerade die Linearität, die bei einem individuellen Einzelabruf bzw. -zugriff gerade nicht vorliegt.70 Soweit im Rahmen eines sozialen Netzwerks lineare Live-Streams veranstaltet werden, erreichen diese in aller Regel nicht die nötige journalistisch-redaktionelle Gestaltung und werden nicht entlang eines Sendeplans veranstaltet.71 Ein solcher erfordert, die auf Dauer angelegte, vom Veranstalter bestimmte und vom Nutzer nicht veränderbare Festlegung der inhaltlichen und zeitlichen Abfolge von Sendungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 MStV). Für ein Rundfunkprogramm ist dabei gerade die vorherige Auswahl und Zusammenstellung zeitlich geordneter Inhalte nach einem solchen Sendeplan erforderlich (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV/§ 2 Abs. 2 Nr. 1 MStV).72 Dafür ist die bloße Zusammenreihung von „Einzelsendungen ohne jeden inneren Zusammenhalt“ nicht ausreichend.73 Ein „planmäßig ablaufendes Gesamtprogramm“74 und damit Rundfunk liegen in aller Regel nicht vor.75