Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet

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G. Die Verantwortlichkeit für eigene Informationen, § 7 Abs. 1 TMG

Nachdem die grundsätzliche Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierungen des TMG539 und deren dogmatische Einordnung als eigenständige Vorfilter540 festgestellt sind, ist im Folgenden das grundsätzliche Bestehen einer Verantwortlichkeit des Diensteanbieters für Informationen zu prüfen. Insoweit stellt zunächst § 7 Abs. 1 TMG klar, dass Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind.

I. Der Begriff des allgemeinen Gesetzes

Der Begriff des allgemeinen Gesetzes i.S.d. § 7 Abs. 1 TMG ist nicht mit dem des Art. 5 Abs. 2 GG gleichzusetzen.541 Nach dem verfassungsrechtlichen Begriff ist ein Gesetz ein allgemeines Gesetz, wenn es „sich nicht gegen die Meinungsfreiheit an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung“ richtet, sondern „vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dien[t], dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang gewinnen darf“.542 Die enge Auslegung des Begriffs im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG ist Ausfluss der herausragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG. Das TMG stellt in seinem § 7 Abs. 1 hingegen keinen – wie mit Art. 5 Abs. 2 GG gegebenen – Bezug zur Meinungsfreiheit her.543 Vielmehr meint der Begriff der allgemeinen Gesetze i.S.d. § 7 Abs. 1 TMG alle Gesetze, die außerhalb der besonderen Haftungsprivilegierungen des TMG stehen,544 also z.B. alle zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen, aber auch alle Straftatbestände.545 Nach diesen richtet sich gem. § 7 Abs. 1 TMG die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten.

II. Diensteanbieter

Diensteanbieter ist jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt (§ 2 Satz 1 Nr. 1 TMG).

Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei den Anbietern sozialer Netzwerke im Internet grundsätzlich um Diensteanbieter in diesem Sinne.546

1. Exkurs: Nutzer sozialer Netzwerke als Diensteanbieter

Neben den Unternehmen und natürlichen Personen, die soziale Netzwerke betreiben, können aber auch die Nutzer von Angeboten wie z.B. von Facebook547, LinkedIn, Twitter548, Xing549 und YouTube Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG sein, da sie z.B. mit den von ihnen individuell gestalteten Profilen, Fanbzw. Unternehmensseiten und Gruppen im Rahmen der jeweiligen Plattform grundsätzlich eigene Telemedien betreiben und damit zur Nutzung bereithalten.550

Dies soll nach einer Auffassung jedenfalls für solche Nutzerprofilseiten bzw. Auftritte in sozialen Netzwerken gelten, die „nicht ausschließlich persönlichen Zwecken dienen“.551 Eine solche Differenzierung zwischen privaten und geschäftlichen Zwecken der Bereithaltung von Telemedien zur Nutzung gibt der Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG jedoch nicht her. Die Unterscheidung trifft die Legaldefinition gerade nicht und ist daher abzulehnen.552 Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob das Anbieten von Telemedien aus rein privaten Gründen auch die Informationspflichten des § 5 TMG hervorruft. Dies ist zu verneinen, denn § 5 TMG setzt eine Geschäftsmäßigkeit voraus und differenziert damit ausdrücklich zwischen geschäftsmäßigen und rein privaten Angeboten.553

Maßgeblich dafür, ob mit einem Nutzerprofil, einer Fan- bzw. Unternehmensseite und einer Gruppe etc. ein eigenständiger Dienst vorliegt und dessen Inhaber damit Diensteanbieter ist, ist der Umstand, dass der Nutzer selbst über deren Bereithalten bestimmen kann.554 Zudem müssen Dritte das Profil „als funktional eigenständig“, also als solches des Nutzers und nicht des Diensteanbieters der Plattform, wahrnehmen.555 Beides ist jedenfalls für die Nutzerprofile und Fan- bzw. Unternehmensseiten, aber auch Gruppen und Veranstaltungsseiten in sozialen Netzwerken in der Regel zu bejahen. Diese bieten vielfältige Möglichkeiten für den jeweiligen Inhaber Informationen kundzutun und teilweise auch gestalterischen Einfluss zu nehmen (z.B. durch das Einbinden von Fotos). Zudem ist es gerade der Inhaber des Profils, der Fan- bzw. Unternehmensseite und der Gruppe selbst, der über deren weitere Abrufbarkeit bestimmt und diese damit zur Nutzung bereithält.

Kein Diensteanbieter ist hingegen derjenige, der lediglich eine Information an ein fremdes Profil, eine fremde Fan- bzw. Unternehmensseite und in eine fremde Gruppe „postet“, also dort einstellt und darüber kundtut und verbreitet.

2. Audiovisueller Mediendiensteanbieter, § 2 Satz 1 Nr. 7 TMG

Der zweite Halbsatz des § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG a.F. bestimmte darüber hinaus, wer bei audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf Diensteanbieter ist: Jede natürliche oder juristische Person, die die Auswahl und Gestaltung der angebotenen Inhalte wirksam kontrolliert. Nach Streichung dieser Definition und Einfügung des § 2 Satz 1 Nr. 7 TMG mit dem Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes und weiterer Gesetze556 ist ein audiovisueller Mediendiensteanbieter ein Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten. Audiovisuelle Mediendienste sind audiovisuelle Mediendienste auf Abruf (§ 2 Satz 1 Nr. 6 lit. a TMG) und audiovisuelle kommerzielle Kommunikation (§ 2 Satz 1 Nr. 6 lit. a TMG).

Nach § 2 Satz 1 Nr. 8 TMG sind audiovisuelle Mediendienste auf Abruf nichtlineare audiovisuelle Mediendienste, bei denen der Hauptzweck des Dienstes oder eines trennbaren Teils des Dienstes darin besteht, unter der redaktionellen Verantwortung eines audiovisuellen Mediendiensteanbieters der Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung zum individuellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt bereitzustellen. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um sog. Video-On-Demand-Dienste.557 Nachdem die alte Definition des § 2 Satz 1 Nr. 6 TMG a.F. von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf noch auf eine Fernsehähnlichkeit abgestellt hat, stellt die nun geltende Definition auf eine „redaktionelle Verantwortung“ ab, die insbesondere der „Abgrenzung zu Videosharingplattform-Diensten“ dient.558 Die Nichtlinearität von audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf beinhaltet eine „Abgrenzung zu Fernsehprogrammen“ und qualifiziert sie als Telemedien.559 Insoweit handelt es sich bei audiovisuellen Mediendiensteanbietern um eine Unterform des Diensteanbieters i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG.560

Unter audiovisuelle Mediendienste auf Abruf können auch einzelne YouTube-Kanäle subsumierbar sein.561 Ausgenommen sind aber solche Videos bzw. Inhalte, die allein zu privaten Zwecken eingestellt und unentgeltlich angeboten werden.562

Die Voraussetzung der redaktionellen Verantwortung wird von sozialen Netzwerken in der Regel nicht erfüllt; jedenfalls dann nicht, wenn sie eine Bündelung verschiedenster Dienste darstellen,563 die in erster Linie der Kommunikation und sozialen Interaktion der Nutzer untereinander dienen und mittels derer die Nutzer eigene Informationen (sog. User-Generated-Content) verbreiten können, denen also gerade nicht ein vom Diensteanbieter des sozialen Netzwerks festgelegter Inhaltekatalog zugrunde liegt.

3. Videosharingplattform-Anbieter, § 2 Satz 1 Nr. 11 TMG

Diensteanbieter sozialer Netzwerke können jedoch Videosharingplattform-Anbieter sein. Hierbei handelt es sich um einen Diensteanbieter, der Videosharingplattform-Dienste betreibt (§ 2 Satz 1 Nr. 11 TMG; zu Videosharingplattform-Diensten siehe bereits oben Kapitel 1 A. I. 2. e.).

4. Ergebnis zum Begriff des Diensteanbieters

Neben den Anbietern sozialer Netzwerke können grundsätzlich auch deren Nutzer im Hinblick auf ihre Profile, Gruppen, Fan- bzw. Unternehmensseiten etc. Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG sein. Ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf ist ein soziales Netzwerk grundsätzlich nicht. Jedoch können z.B. einzelne YouTube-Kanäle einen solchen Dienst darstellen. Diensteanbieter sozialer Netzwerke können zudem Videosharingplattform-Anbieter sein (§ 2 Satz 1 Nr. 11 TMG).

III. Eigene Informationen des Diensteanbieters

Für eine Verantwortlichkeit nach § 7 Abs. 1 TMG bzw. nach den allgemeinen Gesetzen ohne eine Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters ist es erforderlich, dass es sich bei den Informationen, für welche der Diensteanbieter haften soll, um eigene Informationen des Diensteanbieters handelt. Demgegenüber bestehen für fremde Informationen nach den §§ 8ff. TMG verschiedene Haftungsprivilegierungen für Diensteanbieter. Für die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters bzw. deren Umfang hat daher die Abgrenzung von fremden und eigenen Informationen eine zentrale Bedeutung,564 da in Bezug auf eigene Informationen von vornherein eine Haftungsprivilegierung ausscheidet. Im Folgenden wird deshalb zunächst der Begriff der Information definiert (siehe 1.) und eine Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Informationen vorgenommen (siehe 2.). In diesem Zusammenhang findet auch die Prüfung eines Zu-Eigen-Machens von Nutzerinformationen durch die Diensteanbieter sozialer Netzwerke statt (siehe 2. c. und d.).

 

1. Informationen i.S.d. TMG

Informationen i.S.d. TMG umfassen alle digitalisierten Inhalte565 und damit jegliche Daten – wie z.B. Text, Bild, Video, Ton/Musik, Software etc. –,566 „soweit sie nur elektronisch, d.h. mittels Telekommunikation übertragen werden“.567 Dabei findet keine Beschränkung auf kommunikative Inhalte statt, die vom Rezipienten direkt wahrgenommen werden.568

2. Abgrenzung: eigene/fremde Informationen

Aufgrund der mit der Abgrenzung von „fremden“ und „eigenen“ Informationen verknüpften Folgen für das Bestehen bzw. Nichtbestehen der Privilegierung stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Information eine „fremde“ oder eine „eigene“ ist. Das TMG beinhaltet hierzu keine Legaldefinition. Zu unterscheiden sind zunächst originär eigene (siehe a.) und originär fremde (siehe b.) Informationen. Zudem stellt sich die Frage, ob sich ein Diensteanbieter originär fremde Informationen zu eigen machen kann (siehe c.).

a. Originär eigene Informationen des Diensteanbieters eines sozialen Netzwerks

Grundsätzlich festzuhalten ist zunächst, dass eine eigene Information jedenfalls immer dann vorliegt, wenn der Diensteanbieter sie selbst erstellt bzw. geschaffen, sie eingegeben hat und zum Abruf bereithält,569 die Information also vom Anbieter des Telemediums selbst stammt,570 „deren Schöpfer bzw. Urheber er ist“,571 wobei es letztlich nicht auf die Urhebereigenschaft des Diensteanbieters ankommt, sondern die bloße Eingabe der Information und deren Veröffentlichung durch den Diensteanbieter für die Qualifizierung als eigene Information des Diensteanbieters genügt.572 Der Diensteanbieter bestimmt damit selbst und aus eigener Verantwortung den Inhalt seiner Informationen und hat originären Einfluss auf diesen. Handelt es sich bei dem Diensteanbieter um eine juristische Person, so sind von ihm eingegebene bzw. erstellte Informationen solche, „die seine Organe, Mitarbeiter oder sonst von ihm beauftragte Personen (z.B. beauftragter Webdesigner) im Rahmen ihrer Tätigkeit für ihn erstellen“ bzw. eingeben.573

Die Diensteanbieter sozialer Netzwerke halten demnach neben den Inhalten ihrer Nutzer in der Regel auch originär eigene Inhalte bzw. Informationen zum Abruf bereit. Bei diesen handelt es sich z.B. um Erläuterungen, Hilfe- und Informationsseiten, Seiten zur Kundenbetreuung und zum Verkauf von Werbung. Hinsichtlich dieser Informationen sind die Diensteanbieter sozialer Netzwerke Content-Provider.574 Sie haften für diese eigenen Informationen nach den allgemeinen Gesetzen (§ 7 Abs. 1 TMG).

b. Originär fremde Informationen des Diensteanbieters eines sozialen Netzwerks

Hingegen ist eine Information jedenfalls dann fremd, wenn sie offensichtlich bzw. in erkennbarer Weise nicht vom Diensteanbieter selbst stammt, sondern von einem Dritten erstellt sowie in das Angebot des Diensteanbieters eingestellt wurde und sich der Diensteanbieter nicht mit ihr identifiziert.575 Als Indiz für das Vorliegen fremder Informationen kann die Speicherung unter dem Namen des Nutzers auf den Servern des Hostproviders dienen.576

Insofern sind die Informationen der Nutzer eines sozialen Netzwerks, z.B. deren Status-Meldungen oder Beiträge in Gruppen, zunächst grundsätzlich originär eigene Informationen des jeweiligen Nutzers, da dieser die jeweilige Information selbst verfasst und in das soziale Netzwerk eingestellt hat. Für den Diensteanbieter sind diese Informationen der Nutzer folglich originär fremde Informationen.

c. Zu-Eigen-Machen von Informationen durch den Diensteanbieter

Nach weit verbreiteter Ansicht und der Gesetzesbegründung577 sowie der Auffassung des BGH578 stellen aber auch originär fremde Informationen eigene Informationen dar, wenn sich der Diensteanbieter diese zu eigen macht.579 Die Voraussetzungen, welche an ein solches Zu-Eigen-Machen zu stellen sind, benennt die Gesetzesbegründung jedoch nicht. Im Folgenden werden deshalb zunächst die verschiedenen vertretenen Ansätze eines Zu-Eigen-Machens fremder Informationen dargestellt (siehe aa.). Sodann wird auf die ein Zu-Eigen-Machen ablehnende Ansicht (siehe bb.) und die Rechtsprechung des BGH eingegangen (siehe cc.). Abschließend erfolgt eine eigene Stellungnahme (siehe dd.).

aa. Vertretene Ansätze für ein Zu-Eigen-Machen fremder Informationen

In der Literatur und Rechtsprechung finden sich verschiedene Ansätze zur Begründung eines Zu-Eigen-Machens fremder Informationen. Neben einer Anwendung presserechtsähnlicher Grundsätze (siehe (1)) wird auch eine Zuordnung orientiert an der urheberrechtlichen Veranstalterhaftung (siehe (2)) vertreten. Daneben wird auf kommerzielle bzw. wirtschaftliche Interessen (siehe (3)), die Einräumung von Nutzungsrechten (siehe (4)), eine Zurverfügungstellung der eigenen Webseite durch den Diensteanbieter (siehe (5)), eine (Vorab-)Kontrolle der Nutzerinformation (siehe (6)) ebenso wie unterlassene Kontrollen (siehe (7)) des Diensteanbieters als Indizien für ein Zu-Eigen-Machen abgestellt. Auch ein Zu-Eigen-Machen infolge eines Zeitablaufs nach erhaltenem Hinweis (siehe (8)) und eine telemedienspezifische Lösung des Zu-Eigen-Machens werden vertreten (siehe (9)). Ein Zu-Eigen-Machen könne zudem in einer aktiven Rolle des Diensteanbieters im Hinblick auf die von ihm gespeicherte Information liegen (siehe (10)).

Die Feststellung des Vorliegens eigener bzw. fremder Informationen sei dabei unter Berücksichtigung „aller Umstände des Einzelfalls“ zu treffen „und häng[e] wesentlich von den subjektiven Vorstellungen des Providers ab“.580 Nach anderer Ansicht kommt es nicht darauf an, ob der Diensteanbieter ein Zu-Eigen-Machen beabsichtigt.581 Abzustellen sei vielmehr allein auf den „objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Durchschnittsnutzers“.582 Diesem sei „das europäische Leitbild des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, den eine gewisse ‚Informationsbeschaffungslast‘ trifft“, also eines „verständigen Internetnutzers“, zugrunde zu legen.583 Erforderlich ist daher jedenfalls, dass der Diensteanbieter „den Eindruck erweckt, der Fremdbeitrag gebe auch seine Meinung wieder“.584 Zur Feststellung dessen ist nach dem BGH eine „Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände“ erforderlich.585 Dabei sind „die Art der Datenübernahme, ihr Zweck und die konkrete Präsentation der fremden Daten durch den Übernehmenden“ für die Bewertung des Zu-Eigen-Machens entscheidend.586

(1) Abgrenzung entsprechend dem Presse- bzw. Äußerungsrecht

Nach einer häufig vertretenen Auffassung wird die Abgrenzung von eigenen und fremden Inhalten entsprechend presse- bzw. äußerungsrechtlicher Grundsätze vorgenommen.587

Im Presserecht wird vor allem zwischen einem „Behaupten“ und einem „Verbreiten“ unterschieden. Während das „Behaupten“ eine Kundgabe von „Tatsachen als eigenes Wissen oder unter Identifizierung mit der Behauptung eines Dritten“ ist, handelt es sich bei dem „Verbreiten“ um die „Weitergabe der Behauptung eines Dritten, ohne dass sich der Äußernde mit ihr identifiziert“.588 Bei Druckwerken liegt insbesondere dann ein Zu-Eigen-Machen vor, „wenn der Anbieter den entsprechenden Inhalt nicht klar als fremden Inhalt kennzeichnet und sich nicht ausreichend distanziert“.589

Es kommt daher nach dieser Auffassung maßgeblich darauf an, ob nach dem objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Durchschnittsnutzers der Eindruck entsteht, dass der Diensteanbieter die Information als eigene will, sich also mit ihr identifiziert.590 Zur Verneinung eines Zu-Eigen-Machens komme es hingegen darauf an, ob die Information erkennbar fremd ist.591 Von einem Zu-Eigen-Machen sei daher auszugehen, wenn „auf die Fremdheit des Inhalts in keiner Art und Weise hingewiesen“ wird.592 Aber selbst dann, wenn „die Drittherkunft“ ersichtlich ist, könne Anhand der jeweiligen objektiven Umstände von einem Zu-Eigen-Machen auszugehen sein,593 insb. immer dann, wenn „ein positives Handeln i.S.e. Identifizierens mit der Information“ gegeben ist.594 Zur Feststellung eines solchen ist jedoch das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte erforderlich.595

Eine Zurechnung bzw. Identifikation mit der Information könne nach teilweise vertretener Auffassung auch als Folge einer Vorgabe von belasteten bzw. besonders gefahrgeneigten Kategorien erfolgen, die gerade auf rechtswidrige Informationen abzielen bzw. solche provozieren.596

(2) Entsprechend der urheberrechtlichen Veranstalterhaftung

Daneben wird eine Zurechnung entsprechend der urheberrechtlichen Veranstalterhaftung vertreten.597 Danach läge eine eigene Information dann vor, „wenn ein Diensteanbieter maßgeblichen Einfluss auf die Inhaltsgestaltung hat und/oder einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Verbreitung der Inhalte zieht.“598

(3) Kommerzielle bzw. wirtschaftliche Interessen

Ähnlich der urheberrechtlichen Veranstalterhaftung und als Indiz für ein Zu-Eigen-Machen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung wird nach einer weiteren Ansicht auf kommerzielle bzw. wirtschaftliche Interessen des Diensteanbieters an der Information abgestellt.599

Für ein Zu-Eigen-Machen spreche es nach dieser Auffassung, wenn der Diensteanbieter aus den Nutzerinformationen einen wirtschaftlichen Nutzen zieht, was zu einer wirtschaftlichen Zuordnung der Information an den Diensteanbieter führe und ohne die es den Dienst nicht geben würde.600 Dabei könne zur Abgrenzung auch berücksichtigt werden, ob die wirtschaftlichen Interessen über „die bloße Generierung von Werbeeinnahmen“ hinausgehen.601 Aber auch schon dann, wenn der Diensteanbieter die Nutzerinformationen an Werbetreibende verkauft, sei von einem Zu-Eigen-Machen auszugehen.602

(4) Einräumung von Nutzungsrechten

Nach einer weiteren Ansicht spreche für ein Zu-Eigen-Machen unter anderem auch, wenn sich der Diensteanbieter in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Nutzung des von ihm bereitgestellten Angebots Nutzungs- und Verwertungsrechte an den von dem Nutzer eingestellten Inhalten einräumen lässt.603 Ein Zu-Eigen-Machen sei insbesondere dann gegeben, wenn der Diensteanbieter bestimmt, dass er die Information neben der Eigennutzung auch weitergeben darf.604 Insbesondere das Angebot an Dritte, „die Beiträge und Abbildungen kommerziell zu nutzen“, spreche nach dem BGH für ein Zu-Eigen-Machen der fremden Information.605 Für ein Zu-Eigen-Machen genügt es dem LG Hamburg zufolge jedoch nicht, wenn die dem Diensteanbieter vom Nutzer eingeräumten Nutzungsrechte jederzeit frei widerruflich sind.606

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