Qualität in Pfarreien

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An diesen Beispielen soll deutlich werden, dass bei richtiger Zuordnung und bei richtigem Verständnis die Perspektive Dienstleistung oder auch „Kunde“ angemessen ist. Wichtig erscheint dabei die Unterscheidung zwischen dem inneren Prozess, den niemand bewirken kann, der letztlich auch Gnadenakt bleibt und der die Disposition des Einzelnen benötigt, und dem Rahmen, für den eine Pfarrei verantwortlich ist, wenn auch je nach Dienst oder Angebot in unterschiedlicher Weise. Dieser Rahmen muss mit Blick auf die Leistungsfähigkeit (Potential), den Prozess und das Ergebnis möglichst gut gemacht werden.

Kehl betont, Kirche sei universales Heilssakrament. Er hebt damit hervor, dass Kirche durchaus auch Dienste im Sinne eines Dienstleisters zur Verfügung stelle, die nicht zwingend eine sonstige Teilhabe der Nutzer z. B. am Leben der Gemeinde benötigt. Allerdings sieht er die Gefahr, dass die religiöse Inaktivität der Christen eher ein Regelfall werden könnte. Trotzdem versteht er die kirchliche Realität als Dienstleistungsorganisation als vereinbar mit klassischer Kirchentheorie.212 Dienstleistung würde an dieser Stelle beinhalten, dass Kirche die Menschen zu religiöser Aktivität begleitet und führt.

Mit Pott, der den Begriff „Kunde“ im theologischen Kontext ausführlich betrachtet, gilt, dass die Rede vom „Kunden“ nur eine begrenzte handlungsnormierende Kraft besitzt:

„Sie beinhaltet zunächst deren formalen Charakter als Wirklichkeitserfassungsprinzipien und ist in der Theologie des Zweiten Vatikanums begründet, die dem Leben selbst, mit all seinen geschichtlichen Kontingenzen erstmals normierende Kraft für die Gestaltung kirchlichen Handelns zugesprochen hat!“213

Nach Pott ist Kundenorientierung damit ein pastorales Prinzip, das eine systematische und dauerhafte Kommunikation bzw. Kontaktaufnahme und Begegnung in gleichberechtigter Weise mit den Menschen meint und sie in ihrer vielfältigen Nähe oder Distanz zur Kirche bzw. zu den Gemeinden wahrnimmt. Dabei gibt es immer interne (Mitarbeitende) und externe Kunden, während (Dienst-)Leistungen in unterschiedlicher Weise mit den Menschen erbracht werden. Gerade im kirchlichen Kontext ist - nicht nur bei der Verwendung des Kundenbegriffs - stets das Personalitätsprinzip zu beachten, das die Menschen als Abbild Gottes wahrnimmt.214

Qualitätsmodelle können in verschiedensten gesellschaftlichen Handlungsbereichen zum Einsatz gebracht werden. Sie können auf die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. Zugleich sind gewisse Grundmodelle enthalten (z. B. Kundenorientierung), die nicht ignoriert werden können. Die Auseinandersetzung mit den Qualitätsmodellen kann auf diese Weise zu einem produktiven und innovativen Prozess werden. Unter diesem Blickwinkel erscheint ein funktionales Verständnis des Kundenbegriffs auch auf die Gestaltung von Pastoral anwendbar. Will man kirchlich den Begriff „Kunde“ als Suchhilfe verwenden, dann steht er unter der Maßgabe, dass die ehrliche Zuwendung zu den Menschen im Vordergrund steht, er nicht als Konsument betrachtet wird und der Begriff als Instrument dient, damit Kirche den eigenen Auftrag besser verfolgen kann. Kundenorientierung ist in diesem Sinne anschlussfähig.

Gibt es „Erfolg“ in der Kirche?

Pesch nimmt aus bibeltheologischer Sicht Erfolg als eine Kategorie wahr, die das Wirken der Gemeinde bewertet. Eine Gemeinde erfüllt in diesem Sinne dann ein gewisses Anspruchsniveau, das ihr von ihrem Auftrag her vorgegeben ist und im Rahmen dessen sie die Menschen sammelt, die den „Schatz im Acker“ für sich entdeckt haben und die Welt unter dem Blickwinkel der Gottesherrschaft stellen.215

Klostermann stellt fest:

„Offenbar brauchen wir Menschen, und das sind und bleiben wir ja auch als Christen und sollen es sogar, auch so etwas wie Erfolg, was immer das auf dem pastoralen Feld auch sein mag, Bestätigung, daß unser Tun nicht völlig sinnlos ist, sondern uns befriedigt und vielleicht auch anderen hilft. Wer nur Mißerfolg erntet, wer nie und von niemandem anerkannt und bestätigt wird, wer immer nur das Gefühl hat, das, was er sagt, theologisch ausgedrückt: verkündet und pastoral tut, sei umsonst gesagt und getan, und die, die es angeht, vermögen nicht mehr zu erkennen, wozu das gut und nützlich sein soll, der verliert allmählich Mut und Kraft, der verliert seine Identität, den Boden unter den Füßen, der verzweifelt allmählich an sich selbst.“216

Ist Erfolg ist kein Name Gottes? Ist das Kreuz nicht ein Zeichen des Misserfolgs? Nach Klostermann kann das so nicht stehen bleiben, denn der Tod ist nicht der Endpunkt, sondern der Punkt einer großen Sammlung. Allerdings benennt Klostermann dazu auch ein Kriterium, um das Wachstum an Zahl zu bewerten. Demnach sind Aufbrüche der Urchristen oder der Ordensgründer eindeutig im Glauben verankert, während eine Verbreitung des Glaubens mit dem Schwert eigentlich keinen pastoralen Erfolg darstellt, da er „um jeden Preis“ erbracht wurde.217

Klostermann nimmt daneben die Diskussion um die Frage auf, ob der Erfolgsbegriff nicht letztlich ein rein soziologisches Kirchenverständnis intendiere. Seine Antwort ist, dass eine solche Betrachtungsweise eine „monophysisch-spiritualistisch verstandene Kirche“218 voraussetzt, die die weltliche Seite nicht genügend wahrnimmt und damit auch nicht Handlungsfolgen und die Verantwortung dafür ausreichend reflektiere. Kirche dürfe nicht in zwei Teile zerrissen werden: Sie ist sowohl unsichtbare und weltliche Gemeinschaft. Letztlich gelte sogar für das Wirken des Geistes, dass es sich irgendwie in der Welt niederschlagen muss. Auch Gebet und eigenes Wirken in der Welt stellen kein Gegensatzpaar dar, sondern eine Komplementarität.219

„Kirche wird hier zu einem vom Menschen gelösten und unabhängigen, abstrakten, ja divinisierten Gebilde, das keiner Reform bedürftig, ja fähig ist, das letztlich mit dem Reich Gottes identisch wird (…).“220

Der evangelische Theologe Josuttis221 reflektiert den Gebrauch des Begriffes „Erfolg“ im theologisch-kirchlichen Horizont, speziell mit Blick auf den Pfarrer. Er geht zunächst davon aus, dass in pastoralpsychologischer Perspektive Erfolg

„die Erfahrung der positiven Wirkung der eigenen Tätigkeit im Beruf, die beim Handlungssubjekt ein Gefühl der Befriedigung auslöst“222, meint.

Mit Erfolg wird dann gefasst, dass jemand etwas bewirken und Ziele erreichen kann, so z. B. dass seine Verkündigung Menschen anspricht oder dass Hilfe auch ankommt. In der sozialen Dimension bedeutet das, dass der Träger einer beruflichen Rolle wichtig ist und einen wichtigen Dienst erfüllt, sein Dienst also nicht überflüssig ist. Erfolg ist für die handelnde Person wichtig und beinhaltet Bestätigung. Das macht Josuttis z. B. für Pfarrer aus:

„Deshalb ist die Frage nach dem Erfolg eine ihm angemessene Frage und nicht einfach Ausdruck einer neurotischen oder sündhaften Ich-Sucht, sondern wesentlicher Bestandteil seines Identitätsproblems.“223

Kritische Vorbehalte sind dann anzubringen, wenn Erfolg psychologisch zur Sucht wird oder jemand sich selbst um jeden Preis durchsetzen möchte. Das gilt aber auch für die berufliche Situation gerade für Pfarrer, wenn diese Liebe und Zuwendung über die Arbeit zu erreichen suchen. Josuttis sieht es außerdem als problematisch an, dass viele Pfarrer unsicher seien, wofür sie gebraucht würden. Das könne wiederum zu einer Steigerung der Tätigkeiten in Aktivismus hinein führen. Der Heilige Geist könne an der Stelle entlasten und ermutigen: Letztlich muss Gott seine Gnade dazu schenken, und das eigene Tun macht Sinn - trotz aller Hürden.

Insgesamt bedeutet das aus Sicht Josuttis, dass die Rede von Erfolg durchaus im pastoralen Kontext Sinn hat, auch wenn man beachten muss, dass es eine theologische Relativierung gibt, da die Liebe ein Geschenk ist.

„Es gibt eine Wirkung des Handelns, die zum Handelnden gehört, ohne daß er behaupten kann, er hätte sie von sich aus hergestellt. Pastoraler Erfolg könnte darin bestehen, daß man den Segen Gottes erfährt, indem man für andere Menschen zum Segen wird.“224

Wichtig ist nach Josuttis dabei, dass Erfolg auch Begrenzung benötigt:

„Man kann nichts tun, wenn man alles tun will. Und man kann einen Realerfolg nicht wahrnehmen, wenn man sich nur den Totalerfolg wünscht. Das pastorale Leiden an der Erfolglosigkeit hängt in vielen Fällen auch mit immensen Allmachtswünschen zusammen - eigentlich müßte ich alles können, alles tun, alles sein.“225

Gabriel verweist darauf, dass die Spiritualisierung pastoralen Tuns und damit die Ablehnung von Erfolgsstandards häufig dazu führt, dass implizit Erfolgsstandards gesetzt werden, die nicht zwingend bewusst oder reflektiert sein müssen. Misserfolg wird dann u. U. uminterpretiert.226

„Ein Handeln ohne Standards des Richtigen und Erfolgreichen ist nämlich kaum denkbar. Für das Alltagshandeln ist es typisch, daß diese Standards weitgehend unbewußt bleiben und erst ins Bewußtsein treten, wenn gewohnte Handlungserfolge offensichtlich ausbleiben.“227

 

Mit Belok/Bischofberger ist es wichtig, dass Mitarbeitende auch Erfolgserlebnisse haben können. Für sie ist Erfolg durchaus einer der Namen Gottes, wenn man Erfolg auch nicht genauso wie in der Betriebswirtschaft messen kann. Es gilt das theologisch-kirchliche Verständnis zu klären. Erfolg ist die Frucht, die nach einer Aussaat hervorgebracht wird, auch wenn das eigentliche Wachsen der Frucht nur durch die Stärkung der Rahmenbedingungen beeinflusst werden kann.228 Mit Karrer gilt, dass Erfolg als Kategorie auch für Kirche seine Berechtigung hat:

„Kirchliches Leben und die Frage nach dem Christsein hängen mit so etwas wie Erfolg zusammen. Dabei ist an die mit der Botschaft Jesu verbundenen Verheißungen zu erinnern, an den auch ethisch verpflichtenden Aufruf zur Nachfolge Jesu, an die Perspektiven und Optionen praktischen Christen-Mutes usw. In diesem ganzen Feld ist auch die Sendung der Kirche sozusagen ‘zweckgebunden’, auf ein Ziel und auf eine Botschaft hin, die gleichsam zum ‘Erfolg’ verurteilen, nämlich zur Treue und zum Dienst an der christlichen Tiefendimension von Kirche. Nein, Kirche und Christsein sind um ihrer Sendung und Hoffnungsperspektive willen ihrem ‘Erfolg’ verpflichtet. Christsein ist keine Vertröstung auf das ‘Noch-nicht’ eines ausstehenden Jenseits, sondern schon Ernstfall im ‘Schon-Jetzt’ des Diesseits.“229

Karrer verweist deutlich darauf, dass Erfolg in diesem Zusammenhang nicht so verstanden werden darf, dass der Geist letztlich nicht mehr benötigt wird, weil der Mensch alles selbst machen könnte. Gibt es noch eine spirituelle Verankerung, die aus dem Geist Gottes atmet und frei macht, oder kommt es zu einer Art Gesetzesethik, an die man sich nur getreu halten muss, so dass man letztlich zwingend erfolgreich sein wird? Nicht Aktivismus macht erfolgreich.230

„Die Frage ist nicht, ob wir Erfolg und Wirkung erzielen dürfen oder nicht, sondern welche Erfolgsvorstellungen uns steuern und wie wir uns verhalten, wenn sich die Wirkung und die Ergebnisse unseres Bemühens und Handelns nicht im Sinne unserer Erfolgsvorstellungen einstellen und erfüllen.“231

Es kann nach Karrer also nicht darum gehen, dass Mitarbeitende nicht erfolgreich sein dürfen. Stattdessen geht es darum, dass kirchliches Handeln stets an Jesus orientiert ist. Außerdem solle Misserfolg nicht dazu führen, dass Agierende die eigene Sendung in Frage stellen oder sich lähmen oder demotivieren lassen. Vielmehr sind die Gesandten wie „Säleute“, die einen Rahmen schaffen und zugleich dem Wachstum vertrauen.232

Immer wieder wird Buber bei dieser Frage zitiert, nachdem „Erfolg keiner der Namen Gottes ist“233. Damit wird von den Zitierenden in Frage gestellt, dass Erfolg ein Begriff ist, der auf Kirche passt. Das wird z. B. auch in den Interviews deutlich, die zu dieser Studie durchgeführt wurden und auf die später ausführlich Bezug genommen wird (siehe Kapitel 3).

Dazu ist Folgendes anzumerken:

1. Offenbar wird Erfolg mit ökonomischem bzw. betriebswirtschaftlichem Erfolg assoziiert. Das kann bei Kirche nicht gemeint sein, das ist nicht deren Auftrag. Diese Assoziationen scheinen in den Interviews häufig eine Abwehr gegenüber dem Begriff „Erfolg“ hervorzurufen:

„Ich würd’s nicht immer am Erfolg messen. Das klingt auch immer so wirtschaftlich, find ich (…) so in dieserwirtschaft, dass ich da - überall hört man, Audi hat wieder, wieder das Jahresrekord über, über, überschritten (…). Und so, so können wir unsere Arbeit nicht sehen“234.

Kirche kann ggf. ihren Auftrag auch erfüllen, wenn nur einer Person wirklich geholfen wird. Auch dann ist sie möglicherweise erfolgreich. Die Beurteilung, ob es wirklich Erfolg ist, hängt an Kriterien, die man situativ anlegen muss. Das ist aber eine Frage nach geeigneten Beurteilungskriterien und stellt nicht den Begriff „Erfolg“ an sich in Frage.

In den Interviews wird der Begriff „Erfolg“ teilweise ersetzt. Es wird dann z. B. davon gesprochen, dass etwas eine „runde Sache“ ist oder dass die Leute sagen, es war schön. Oder es wird davon gesprochen, dass Pfarrei ihren Auftrag, ihren Sinn erfüllt oder auch als Kirche nachhaltig (z. B. mit Blick auf die Anzahl Ehrenamtlicher oder auf die Angebote, die Menschen wahrnehmen) wirkt.

2. Es ist sicherlich richtig, dass es in der Kirche nicht um Erfolg im Sinne von mehr Macht, mehr Besitz o. ä. gehen kann. Nichtsdestoweniger ist die Auferstehung Christi aber ein voller Erfolg. Denn er hat den Tod besiegt. Im Anschluss kam es zu einer weltweiten Bewegung. Es kann also nicht gemeint sein, dass Kirche ihr Anliegen nicht erreichen soll - im Gegenteil. So muss es Christen z. B. um die Zuwendung zu Menschen gehen, die in einer Leistungsgesellschaft eher am Rande stehen, weil sie eher erfolglos sind.

3. Erfolg kann nur mit Blick auf den Auftrag einer Organisation definiert werden. D. h., erfolgreich ist eine Institution dann, wenn sie ihren Auftrag erfüllt. Bei Kirche heißt das, dass sie ihrer Heilssendung nachkommt. Das ist das Ergebnis, das auf jeden Fall anzustreben ist, dann ist Kirche erfolgreich. Und das ist an vielen Stellen auch ein völlig anderes Verständnis von Erfolg als man es häufig gesellschaftlich versteht.

4. Möglicherweise ist häufig gar nicht gemeint, dass der Begriff „Erfolg“ für Kirche unbrauchbar ist, sondern dass Erfolg gar nicht messbar sei (s.u.).

Erfolg ist als Begriff bisher pastoral nicht verfügbar.235 Trotzdem scheint es notwendig, diese Kategorie für pastorale Mitarbeiterinnen anwendbar zu machen. In dieser Arbeit wird statt von Erfolg von Ergebnissen oder Wirkungen gesprochen, die eine Pfarrei hervorbringt und die im Gegensatz zu Erfolg zunächst neutraler Natur sind. Erfolg meint dann die Ergebnisse bzw. Wirkungen pastoraler Tätigkeit, die beschreiben, dass Kirche ihren Auftrag erfüllt. Relevante negative Wirkungen stehen somit für Misserfolg. Welche Ergebniskriterien letztlich auftragsrelevant sind, muss eine kircheninterne Diskussion entscheiden. Diese Arbeit kann lediglich das Spektrum vorhandener Kriterien herausfiltern und überprüfen.

Sind Ergebnisse in der Kirche „messbar“?

Vielfach wird unterstellt, dass die Ergebnisse, die Kirche hervorbringt, nicht messbar seien.

2009 wurden im Rahmen dieser Studie 17 Interviews mit Personen aus der pastoralen Praxis geführt. Sie wurden befragt, wie aus ihrer Sicht Pastoral sinnvoll gestaltet werden kann (ausführlich dazu Kapitel 3). Damit verbunden war die Frage, woran sich die Pastoral in den Pfarreien „messen“ lassen müsste, d. h., woran man erkennt, dass man „erfolgreich“ ist.

Erfolg und Messbarkeit wurde dort ausführlich diskutiert. Die Erkenntnisse daraus dienen zur Antwort auf die Frage, inwieweit der „Erfolg“ bzw. die Wirkung kirchlichen Handelns messbar sein kann. Dabei ist klar, dass das Wirken Gottes an sich nicht erfasst werden kann. Aber das Wirken der Kirche würde ins Leere laufen, wenn es nicht spürbar wäre.

Erkenntnisse aus Interviews

Im Rahmen der Interviews wurde von den Interviewpartnern immer wieder reflektiert, inwieweit man den Erfolg der Pastoral vor Ort überhaupt messen kann und ob Zahlen dafür ein geeignetes Instrument seien. Die Ergebnisse einer pastoralen Tätigkeit, oder auch deren „Erfolg“, schienen für manche/n Interviewpartnerin nicht überprüfbar bzw. messbar.

Zu dieser Einstellung führen verschiedene Gründe, oder es ist die Kritik an der Verwendung von Kirchgängerzahlen. Außer in einem Fall hat kein Interviewpartner wirklich ausgeschlossen, dass die Entwicklung z. B. von Teilnehmerzahlen ein Indikator für die Wirkung pfarreilicher Pastoral ist. Viel häufiger wurde dagegen überlegt, welcher Indikator für Kirche eine brauchbare Aussagequalität hat (ob z. B. Kirchgängerzahlen ein wichtiges Kriterium sein können).

Da gibt es zunächst den Typ, der nur noch negative Zahlen erwartet und sich daher das Wahrnehmen der Zahlen abgewöhnt hat:

„Die habe ich…ich habe überhaupt keine Erwartungen. So wie es ist, ja…Ich sage, ich gebe von meiner Seite das dazu und wenn es nicht angenommen ist, dass ist denen ihre Sache. (…) weil da ärgere ich mich bloß.“236

Mit der gleichen Begründung wird auch der Blick auf die Kirchgängerzahlen zurückgewiesen, obwohl es

„viel schöner ist … äh … mit der vollen Kirche den Gottesdienst zu feiern, als wie mit so vielen Lücken da drin.“

Genau der gleiche Typus erläutert aber in einem anderen Zusammenhang, wann er eine Veranstaltung als gut bewerten würde. Die gute Resonanz einer Veranstaltung hängt dann doch mit der Anzahl der Personen zusammen, oder ein Bibelabend wird abgesagt, weil es zu wenige Teilnehmer sind. Oder man bewertet es als Erfolg, dass vier Familien beim nächsten Mal wiederkommen. Auch die Klicks auf der Pfarrei-Homepage, oder dass etwas Geld hängen bleibt sind, ein Verweis auf den „Erfolg“ einer Gemeinde.

Als weiterer Grund für die Ablehnung, Zahlen in den Blick zu nehmen, wurde geäußert, dass häufig immer noch von volkskirchlichen Voraussetzungen ausgegangen wird, die so nicht mehr anzutreffen seien. Statt darauf zu schauen, wie viele kommen, sei es wichtiger, darauf zu achten, dass diejenigen in der Gemeinde etwas finden, die auf der Suche sind. Damit wurde auch abgelehnt, auf die Kirchgänger-Zahlen am Sonntag zu achten. Es könne demnach nicht darum gehen, diese Zahlen zu steigern.

„Interviewpartner: Ähm, das ist einfach, ähm, wir gehen von volkskirchlichen Voraussetzungen immer noch aus, die längst nicht mehr gegeben sind. (…) Also dass, dass Glaube durch Eltern und Familien auch, ja, weiter gelebt und getragen wird. Und, also von daher ist eigentlich die Taufe schon, ja, äh, hat kein Fundament mehr. Und, und alles Andere sind eigentlich nur Folgeerscheinungen, ja, dass wir uns bei der Erstkommunionvorbereitung so abmühen und dass dann der Abbruch ist, dass wir uns um die Firmlinge bemühen und dann ein Abbruch ist. Also … Ich denke, wir gehen von, von Voraussetzungen aus, die längst schon nicht mehr gegeben sind, also und da ist wahrscheinlich auch ganz ein großes Umdenken notwendig, also. (…) Von da her sind Zahlen jetzt nicht das Kriterium.

lnterviewer:Ja. Können Sie das Kriterium noch einmal sagen?

Interviewpartner: Ähm. Was habe ich gesagt? Dass die, die … ja, die mehr suchen, ähm, das finden in der Gemeinde.“

Allerdings äußert die gleiche Person im Interview an späterer Stelle, dass der Sonntagsgottesdienst durchaus ein Indiz dafür ist, dass sich jemand mit seinem Glauben auf den Weg gemacht hat. Dann würde der Kontakt zur Gemeinde eine Rolle spielen.

An anderer Stelle wurde Zweifel daran geäußert, dass der Glaube des Einzelnen tatsächlich mit einer Zahl erfassbar sei. Ob der Glaube wirklich vertieft wird, könne letztlich nicht erfasst werden.

„aber quantifizieren, also glaube ich, kann man das so nicht, wie stark der Glaube des Einzelnen ist und ich sage jetzt einmal, wie weit das also eine Prestigesache ist dort mitzumachen, wie weit das is… ein echtes Anliegen, weil da gibt es ja die verschiedenen menschlichen Ströme, denen wir natürlich auch unterworfen sind, das ist überhaupt keine Frage.“

Auch das eigene Tun habe keinen Zusammenhang z. B. mit Kirchgängerzahlen. Letztlich müsse man abwarten, was der „Herrgott daraus macht“. In die Menschen kann man nicht hineinschauen, es bleibt somit in der Beziehung des Einzelnen mit Gott. Als Trost für das eigene Engagement, wenn sich kein unmittelbarer Erfolg zeigt, wird auf Jesus verwiesen, dessen „Erfolg“ zunächst nicht sichtbar war:

„Er ist im Prinzip…ja wenn man es jetzt aus menschlicher Sicht betrachten würde, müsste man sagen: er ist am Kreuz gescheitert. Ist natürlich nicht der Fall, ja…“

Ein Diakon macht wiederum deutlich, warum er es vermeidet, auf Zahlen zu schauen.

 

„wo ich mir sicher bin, es sind vielleicht zehn dabei von denen fünfunddreißig, die, die man danach sehen wird (lacht) in der Pfarrei wieder ähm, aber es hat sich trotzdem gelohnt, diesen fünfunddreißig, sie zu begleiten (…) auf dem Weg.“

Er wehrt sich gegen die Betrachtung von Zahlen, weil er damit nicht den Blick auf die Einzelperson verlieren möchte. Es seien manchmal nur zehn Personen, die nach einer Firmvorbereitung präsent bleiben. Aber es sei wichtig, sich nicht von der geringen Zahl ablenken zu lassen, sondern trotzdem voll und ganz für sie da zu sein. Es müsse um jeden einzelnen Menschen gehen. Es gehe nicht darum, dass die Zahlen stimmen und man deswegen die Leute in die Gemeinde bringt. Die Zahl sei am Ende nicht wichtig. Zahlen werden immer wieder benötigt, aber es gebe Dinge, die wiegen mehr. So habe z. B. der Rückgang der Schülerzahl im Religionsunterricht demographische Gründe. Der Rückgang der Firmzahlen sei nicht darin begründet, dass vor Ort schlechte Arbeit gemacht wird. Es meldeten sich einfach nur noch die Hälfte an. Jammern über schlechte Zahlen sei nicht hilfreich, sondern man müsse sich über die Anwesenden freuen. Manchmal müsse etwas zurückgehen, damit Neues wachsen könne. Trotzdem bleibe die Perspektive, dass sich Leute wieder interessieren könnten, wenn die Lebendigkeit einer Gemeinde nach außen strahlt oder Menschen ein positives Erlebnis machen. Man dürfe nicht mit Druck herangehen.

„Was haben wir denn da falsch gemacht, was müssen wir da ändern? Da (…) sind wir auch nicht so, wo wir sagen ähm, da muss man jetzt mit aller Gewalt was ändern, dass die da, da länger da bleiben. (…) Das geht nicht. Ich kann keine, ich kann die Gläubigen, also zumindest diese Firmlinge nicht ähm mit Gewalt reinziehen in die Kirche. Das, das geht nicht.“

Auch diese Person arbeitete im weiteren Verlauf des Gesprächs mit Zahlen, als sie erwähnte, wie viele Gruppen im Bereich Familienarbeit seit Beginn der Tätigkeit des Diakons hinzugekommen sind.

Ein Gemeindeberater verweist darauf, dass Teilnehmerzahlen ein sinnvolles Kriterium darstellen, sie aber kein ausschließliches Kriterium sein dürften. So könne es sein, dass auch ein geringer Zuspruch für eine Pfarrei wertvoll sein kann. Ergänzend müsste also gefragt werden, ob ein Angebot für eine bestimmte Gruppe hilfreich ist. Ähnliches gelte für die Anzahl der Gruppen oder Aktivitäten, die eine Gemeinde durchführt. Eine Aktion an sich sei noch kein Erfolgskriterium:

„Sondern äh geht noch einmal in die Richtung von vorhin, also eine Gemeinde, die jetzt viele Gruppen, viele Aktivitäten hat, ist meiner Meinung nach, nicht nu.., wird nicht automatisch die bessere oder die …die äh erfolgreichere, sondern äh da wäre für mich auch noch einmal entscheidend äh wie reflektiert denn zum Beispiel diese Aktionen äh auch durchgeführt werden, also die Aktion an sich ist noch kein Erfolgskriterium.“

Auch ein Priester verwies darauf, dass Statistiken durchaus wichtige Aussagen bereit halten, es aber trotzdem weiterhin wichtig sei, direkt in Kontakt mit den Menschen zu sein und so zu erfassen, wie es den Menschen geht. Der Kirchenbesuch enthalte also viele Hinweise, das allein genüge aber nicht. Kirchgängerzahlen hätten mit der Qualität der Pfarreiarbeit unmittelbar wenig zu tun. Aus seiner Sicht sind diese z. B. von der Lage der Kirche in einer Stadt abhängig und damit von der Distanz zum eigenen Wohnort. Auch andere Interviewpartner äußerten Kritik, denn gute Pfarreiarbeit spiegle sich nicht zwingend in Kirchgängerzahlen.

„Erfolgreich ist, wenn sich einfach trotz weniger Kirchenbesuchern was bewegt, wenn trotzdem Leute Interesse am Bibelabend haben.“

Eine Ehrenamtliche betont, dass es vielmehr darum geht, wie jemand im Gottesdienst anwesend ist - ob er nur aus Gewohnheit kommt oder ob er eine innere Freude verspürt, ob der Gottesdienst beflügelt. Ein besseres Signal für die Wirkung einer Pfarrei sei, dass Menschen nach einem Gottesdienst noch zusammenstehen.

Die Frage nach den Kirchgängern wird allerdings nicht einheitlich gesehen. Ein weiterer Priester möchte vom Ziel, das das Sonntagsgebot vorgibt, nicht abweichen.

„Also ich glaube schon, dass ein Indiz der Sonntagsgottesdienst ist … Ganz stark. Also, also ich glaube schon also, wenn, wenn jemand, hm, da sich auf den Weg macht, dass, dass der Sonntagsgottesdienst schon ein wichtiger Punkt ist. Also, ob das jetzt jeden Sonntag ist, oder in einem regelmäßigen Abstand, das ist eine andere Frage. Ja? … Also der Kontakt zur Gemeinde am, am Sonntag, denke ich mir, ist, ist schon, schon was Wichtiges.“

Auch Ehren- und Hauptamtliche verweisen auf die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst, wenn über erfolgreiche Pfarreiarbeit gesprochen wird. Damit ist ein hoher Gottesdienstbesuch am Sonntag ein Ergebniskriterium. Weichen manche auf andere Gottesdienstorte aus, oder sind nur noch die zu finden, die nicht ausweichen können („Abstimmung mit den Füßen“), würde etwas schief laufen. Es gibt durchaus Kirchen am Sonntag, die bis auf den letzten Platz besetzt sind (z. B. bei einem Familiengottesdienst), während andere einen sehr übersichtlichen Kirchenbesuch haben.

Ehrenamtliche verweisen darauf, dass es keinerlei Zwang gäbe, z. B. am Sonntag in den Gottesdienst zu gehen. Daraus folgerten einige, dass demnach die anwesenden Gläubigen aus Überzeugung anwesend sein müssten. Die Teilnahme am Gottesdienst wird so ein relevantes Ergebniskriterium. Dies werde insbesondere dann spürbar, wenn Menschen in einem Gottesdienst sitzen und sie sich dort nicht mehr als Gemeinde erleben, weil die Kirchgänger vereinzelt im Kirchenraum sitzen.

Am Beispiel der Kirchgängerzahlen wird bereits deutlich: Es gibt Grenzen der Verwendbarkeit dieses Kriteriums, gerade was die Interpretation angeht, aber es zeigt sich, dass es so etwas wie eine Messbarkeit gibt. Die Frage ist, welche Kriterien sich eignen. Nehmen wir noch etwas die Überlegungen der Interviewpartner wahr, dann zeigt sich erneut deutlich, dass die Messbarkeit kaum in Frage steht. In der Diskussion werden v. a. solche Ergebniskriterien in den Blick genommen, die mit Mengen arbeiten, was, wie das folgende Kapitel zeigt, nicht zwingend ist, da es auch andere Formen von Indikatoren gibt.

Ein Pfarrer erzählte das Beispiel von einem Pfarrfest und erläuterte damit, woran er festmachen würde, warum das Pfarrfest gut läuft:

„ist das größte Pfarrfest hier in der Stadt, weit und breit, ähm, wir haben also bestimmt so, ja ich denk schon so 1000 Besucher, ist also im Verhältnis jetzt auch zur, zur Pfarrgemeinde also schon sehr, sehr groß, ist auch hervorragend durchgearbeitet und wir haben über 100 ehrenamtliche Helfer dabei, die halt in verschiedenen Gruppen, (…) ähm da zuständig sind, (…) also äh das ist eine, ja, wirklich eine gigantische Sache. Ich war da selber recht beeindruckt eigentlich, geh.“

Der Pfarrer benennt, was dieses Gefühl ausmacht, dass er das Pfarrfest so gigantisch findet. Dazu gehöre natürlich die professionelle Art der Organisation, aber eben auch die massive Resonanz, die dieses Pfarrfest bei Mitwirkenden aber auch bei Besuchern auslöst, was dazu führe, dass das Pfarrfest eigentlich schon mehr ein Stadtteilfest ist. Derselbe Pfarrer nennt auch bezüglich eines Familienwochenendes die Teilnehmerzahl als einen Hinweis darauf, dass die Veranstaltung offenbar gelingt. Demnach könne auch die Teilnehmerzahl an Angeboten der Pfarrei ein Wirkungsindikator sein, auch wenn er möglicherweise nicht fürjede Veranstaltung gleich nützlich zu sein scheint. So sei ein Pfarrfest ganz anders zu bewerten als die Teilnahme an einem Bibelkreis.

Auch andere Interviewpartner nehmen Teilnehmerzahlen als einen Hinweis auf die Wirkung und die Relevanz der Veranstaltung:

„Also, ich habe schon Bibelabende gemacht, und da waren dann auch einmal fünf Leute oder so. (…) Und, das war … nicht weniger intensiv, die Veranstaltung (…) nicht weniger interessant. Ich habe auch schon Bibelabende mit 30 Leuten gehabt und natürlich verändert die Zahl grundsätzlich was an der Veranstaltung. Es wird schon anders. Und man ist schon oft auch dazu geneigt, wenn man eine Veranstaltung macht, dass man sich freut, wenn viele Leute kommen. Das beste Beispiel ist unser Zeltlager, wenn da 100 Kinder kommen jedes Jahr, ist das einfach super. Von da her spielt die Zahl schon irgendwie, irgendwie eine Rolle. … Also, ich glaube, (lacht) also ich glaube, dass man da schon irgendwie einen Ehrgeiz auch hat, also mir geht es jedenfalls so, wenn ich mich engagiere, dass ich dann einen Ehrgeiz habe, dass ich da möglichst ah mehr Leute für eine Veranstaltung begeistern kann. Aber ich mache jetzt die Veranstaltung genauso gern auch mit nur fünf Leuten, sage ich einmal.“

„Ja, aber ich finde…äh…eine größere Gemeinschaft trägt irgendwer. Sonst heißt es eben auch bei KAB, bei ner Veranstaltung, ‘Mein Gott, es sind ja bloß’, was weiß ich, ‘6 oder 10 Leute’, hat man auch schon erlebt bei Vorträgen. Dann geht das große Gejammer an, warum die oder die nicht da sind und dass wir bloß so wenig sind. Also wenn es da gelingt, dass ein paar mehr da sind, irgendwo, ist das schon positiv.“