Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht

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Anmerkungen









Offizielle Sammlung des Schweizer Bundesrechts:

https://www.admin.ch/gov/de/start/bundesrecht/systematische-sammlung.html

.





Strukturierung des Falles



72





Wesentliche Themen:

 Partei- und Prozessfähigkeit, Verbraucherzuständigkeiten in der Brüssel Ia-VO, Wohnsitz in der Brüssel Ia-VO, Substitution, Gesellschaftsstatut und

Art. 49

,

54 AEUV

.



Frage 1:

Eintragung der


Komm kaufen wir‘s! GmbH




1.

Ablehnung der Eintragung



  –nach § 9c Abs. 1 S. 1 GmbHG wegen Formmangel?




2.

Formstatut



  –Ortsform nach Art. 11 Abs. 4 EGBGB ausgeschlossen (-)



  –Analogie zu Art. 11 Abs. 4 EGBGB (-) (str.)



  –Entsprechende Form für GmbH-Gründung in schweiz Recht vorrätig (+)




3.

Ortsform



  –Art. 777 OR notarielle Urkunde, Form gewahrt




4.

Geschäftsformstatut




a)

Sitztheorie-Gründungstheorie



   –Gesellschaftsstatut: Gründungs- oder Sitztheorie




b)

Einfluss der Art. 49, 54 AEUV



   –Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV)



   –hier nicht relevant, da Sitz und Gründung in Deutschland




5.

Substitution




a)

Substituierbarkeit



   –Form § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG substituierbar, § 17 BeurkG, aber verzichtbar (+)




b)

Substitution bei Gleichwertigkeit



   –Gleichwertigkeit Beurkundungsperson und -vorgang (+)




6.

Ein-Gesellschafter-GmbH



  –Zulässigkeit nach Gesellschaftsstatut (+)




Ergebnis:

Das Amtsgericht München hat bei der Eintragung keinen Fehler gemacht.





Frage 2:



Zulässigkeit der Klage zum Amtsgericht Passau (Variante London)






1.

Parteifähigkeit der Komm-kaufen-wir‘s-GmbH




a)

Anknüpfung



   –Statut strittig:



   –lex fori, damit § 50 Abs. 1 ZPO, Rechtsfähigkeit



   –oder prozessuale Kollisionsnorm: Heimatrecht



   –oder alternative Anknüpfung an Partei- oder Rechtsfähigkeit im Heimatrecht




b)

Gesellschaftsstatut



   –Identitätswahrender Sitzwechsel, wenn nach beiden Rechtsordnungen zulässig




c)

§ 4a GmbHG



   –rechtsformwahrender Wegzug nach § 4a GmbHG (-)




d)

Niederlassungsfreiheit



   –rechtsformwahrender Wegzug durch Niederlassungsfreiheit, Art. 49, 54 AEUV (-)




e)

Rückverweisung durch neues Sitzrecht



   –nicht entscheidungserheblich, wenn durch Rückverweisung kein Statutenwechsel eintritt: UK-Recht, Unteranknüpfung Art. 4 Abs. 3 EGBGB englisches Recht, also Rückverweisung wegen Gründungstheorie




f)

Parteifähigkeit nach deutschem Recht



   –Parteifähigkeit damit § 50 Abs. 1 ZPO iVm § 13 Abs. 1 GmbHG




2.

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte




a)

Anwendbarkeit der Brüssel Ia-VO



   –Intertemporal: Alle Klagen seit dem 10.1.2015, Art. 66 Abs. 1, 81 Brüssel Ia-VO (+)



   –Materiell: Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO Zivil- oder Handelssache (+), Ausnahmen Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO (-)



   –Räumlich: Art. 5 Abs. 1 Brüssel Ia-VO: Beklagtenwohnsitz in Mitgliedstaat



   –Begriff Mitgliedstaat: Erwägungsgründe Nr 40, 41 Brüssel Ia-VO



   –Begriff Wohnsitz bei Gesellschaft: Art. 63 Brüssel Ia-VO; Verwaltungssitz England (+)



   –Satzungssitz Deutschland (+)




b)

Verbrauchersache Art. 17 Brüssel Ia-VO



   –vertragliche Ansprüche, Kläger Verbraucher (+)



   –Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO Vertrags- und Abschlusssituationen



   –Art. 17 Abs. 1 lit. c Brüssel Ia-VO „in irgendeiner Weise“ ausgerichtet; bei Internet aktive Ausrichtung (+)




c)

Internationale Zuständigkeit



   –Internationale Zuständigkeit Klage des Verbrauchers Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO,



   –Deutschland Wohnsitzstaat des Verbrauchers (Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 Brüssel Ia-VO), dabei Wohnsitz gemäß Art. 62 Abs. 1 Brüssel Ia-VO nach deutschem Recht (§ 7 BGB)



   –Deutschland auch Wohnsitzstaat des Vertragspartners (Art. 18 Abs. 1 Alt. 1 Brüssel Ia-VO) nach Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO




d)

Örtliche Zuständigkeit



   –Mitgeregelt in Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 Brüssel Ia-VO also AG Passau (+)



   –Bei Art. 18 Abs. 1 Alt 1. Brüssel Ia-VO: § 29c ZPO, wenn § 312b Abs. 1 BGB (-)



   –§ 17 Abs. 1 S. 2 ZPO: nicht Verwaltungssitz, sondern Satzungssitz (+)




Ergebnis:

Die Klage zum AG Passau ist zulässig; die Klage hätte auch vor dem AG München erhoben werden können.





Frage 3:



Zulässigkeit der Klage zum Amtsgericht Passau (Variante Delaware)






1.

Parteifähigkeit der

Come let‘s buy it Inc.



  –Gesellschaftsstatut Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags v. 29.10.1954, also Gründungstheorie



  –Unteranknüpfung direkte Verweisung auf Gründungsrecht, also Delaware




2.

Zuständigkeit




a)

Räumlicher Anwendungsbereich Brüssel Ia-VO



   –Internationale Zuständigkeit Brüssel Ia-VO: Beklagtenwohnsitz in Mitgliedstaat (Art. 5 Abs. 1, 63 Brüssel Ia-VO)




b)

Erweiterung bei Niederlassung Art. 17 Abs. 2 Brüssel Ia-VO



   –In Verbrauchersachen aus Art. 17 Abs. 2 Brüssel Ia-VO



   –Zweigniederlassung in Amsterdam, fraglich



   –aber Anschein einer Zweigniederlassung (-)




c)

Erweiterung nach Art. 18 Abs. 1 Hs. 2 Brüssel IA-VO



   –Unabhängig vom Wohnsitz des Unternehmers für Klagen des Verbrauchers an dessen Wohnsitz (+), also internationale und örtliche Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO in Passau.




Ergebnis:

Die Klage zum AG Passau ist zulässig.





Frage 4:



Zulässigkeit der Klage zum Amtsgericht Augsburg






1.

Parteifähigkeit der


FlyHigh Ltd.




a)

Sitztheorie



   –Sitztheorie führte zu deutschem Verwaltungssitz, damit nicht rechts-, nicht parteifähig




b)

Niederlassungsfreiheit Art. 49, 54 AEUV



   –Verstoß gegen Niederlassungsfreiheit Art. 49, 54 AEUV




Centros-

Entscheidung: Nur Zweigniederlassungsgründung (-)




Überseering

-Entscheidung: Nur Sitzverlegung in das Inland (-)




Inspire Art

-Entscheidung: Auch bei Nichtanerkennung von Schein-Auslandsgesellschaften (-)




c)

Rechtsmissbräuchliche Zielsetzung



   –Rechtsmissbrauch nicht schon bei kostengünstiger Gründung




2.

Zuständigkeit




a)

Gegen Franz Flug



   –Internationale Zuständigkeit gegen Franz Flug bei deutschem Wohnsitz (Art. 5 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) nach Brüssel Ia-VO; Art. 4 Brüssel Ia-VO (+)



   –Örtliche Zuständigkeit des AG Augsburg aus §§ 12, 13 ZPO (+)




b)

Gegen FlyHigh Ltd



   –Internationale Zuständigkeit gegen die

FlyHigh Ltd.

 bei UK-Satzungssitz bzw deutschem Verwaltungssitz, (Art. 63 Brüssel Ia-VO) nach Brüssel Ia-VO; Art. 4 Brüssel Ia-VO nach Wahl des Klägers (+)




c)

Örtliche Zuständigkeit



   –Örtliche Zuständigkeit §§ 17, 12 ZPO



   –Angemeldeter Satzungssitz (-)



   –Notzuständigkeit AG Schöneberg analog § 122 Nr 6 FamFG (-)



   –„Verlängerung“ Art. 63 Brüssel Ia-VO oder § 17 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ZPO analog (+)




Ergebnis:

Die zum AG Augsburg erhobene Klage ist also zulässig.



Frage 5:

Umwandlung der


FlyHigh Ltd.


in eine GmbH




1.

Anwendbares Recht



  –Bisher UK-Gesellschaft



  –Nach Umwandlung deutsche Gesellschaft



  –somit Kumulation altes/neues Gesellschaftsstatut




2.

Europarechtliche Garantie der Umwandlung aus Sicht des Wegzugsstaates



  –UK-Recht nach MAT c nicht bekannt



  –Verstoß eventueller Beschränkung gegen Art. 49, 54 AEUV?



  –

Cartesio

-Entscheidung: Kein Umwandlungsverbot, wenn Wegzug erlaubt (+)




3.

Umwandlung im neuen deutschen Gesellschaftsstatut




a)

Deutsches Umwandlungsrecht



   –Normen zur Umwandlung ausländischer in deutsche Form § 1 UmwG (-)




b)

Europarechtliche Garantie der Zuzugsumwandlung



   –Verstoß fehlender Gleichbehandlung gegen Art. 49, 54 AEUV?




Vale

-Entscheidung: Soweit deutsche Gesellschaft Umwandlung vornehmen kann (+)




c)

Frist



   –Wegfall der auf Art. 49, 54 AEUV beruhenden Freizügigkeit der UK-Gesellschaft mit dem Wirksamwerden des Brexit, sofern kein Übergangszeitraum oder Völkervertrag



   –Art. 122m UmwG nicht anwendbar




Ergebnis:

Der Rechtsformwechsel in eine GmbH ist in EU-Rechtskonformer Analogie zu § 1 Abs. 1 Nr 4 UmwG zulässig, wenn sämtliche sonstigen Voraussetzungen der §§ 190 ff UmwG erfüllt sind; der Rechtsformwechsel muss bis zum Ausscheiden des UK aus der EU vollzogen sein, sofern das UK nicht im EWR verbleibt. Eine Verschmelzung auf eine deutsche GmbH oder GmbH&Co KG wäre hingegen intertemporal durch § 122m UmwG begünstigt.

 





Frage 6:



Umwandlung in luxemburgische Sárl ohne Verwaltungssitzverlegung






1.

Anwendbares Recht



  –Bisher GmbH nach deutschem Recht



  –Umwandlung ohne Sitzverlegung ändert daran nichts




2.

Europarechtliche Garantie der Umwandlung aus Sicht des Wegzugstaates



  –Deutsches Recht sieht Sarl mit Sitz in Deutschland nicht vor



  –

Polbud

-Entscheidung: Kein Umwandlungsverbot, wenn aufnehmendes Recht Umwandlung erlaubt




Ergebnis:

Der Rechtsformwechsel ist zulässig, da das Recht von Luxemburg nicht verlangt, dass der Verwaltungssitz nach Luxemburg verlegt wird und das deutsche Recht sich wegen der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV dem nicht durch Auflösung der GmbH entgegenstellen darf.






Lösung

Frage 1: Eintragung der

Komm kaufen wir‘s! GmbH

1. Ablehnung der Eintragung



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Womöglich hätte das AG München die Eintragung nach

§ 9c Abs. 1 S. 1 GmbHG

 ablehnen müssen. Das würde voraussetzen, dass die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet oder angemeldet wurde. Da die Zulässigkeit der Firma nach Bearbeitervermerk nicht zu prüfen ist, kommt allein ein

Formmangel

 des Gesellschaftsvertrages in Betracht. Nicht abwegig wäre es auch, nach der Zulässigkeit der

Ein-Gesellschafter-GmbH

 zu fragen.






2. Formstatut



74





Zu ermitteln ist das

Formstatut

 des Gesellschaftsvertrages. Dieses könnte gemäß

Art. 11 Abs. 1 EGBGB

 alternativ an das Recht des Vornahmeortes oder das Geschäftsrecht anzuknüpfen sein, so dass die Wahrung der schweizerischen Ortsform genügen würde.



75








Fraglich ist jedoch, ob eine ausländische

Ortsform bei Gründung

 einer (deutschen) GmbH ausgeschlossen ist. Ausdrücklich wird die Ortsform in bestimmten Fällen durch

Art. 11 Abs. 4 EGBGB

 ausgeschlossen. Dieser ist jedoch nach seinem Wortlaut nicht betroffen.



76








Zu erwägen ist jedoch eine

analoge Anwendung von


Art. 11 Abs. 4

 EGBGB; in gleicher Richtung wird teilweise auch ohne Hinweis auf

Art. 11 Abs. 4 EGBGB

 argumentiert: Da das Internationale Gesellschaftsrecht bisher im EGBGB nicht geregelt ist, lässt sich trotz der singulären Regelung in

Art. 11 Abs. 4 EGBGB

 kein Argument gegen eine Analogie herleiten. Eine Beschränkung auf die Geschäftsform für gesellschaftsrechtliche Beurkundungen könnte gerade dem bisher unkodifizierten Internationalen Gesellschaftsrecht immanent sein.

Art. 11 Abs. 4 EGBGB

 unterstellt dingliche Verfügungen nach tradiertem Verständnis deshalb ausschließlich der Geschäftsform, weil Formvorschriften in diesem Bereich häufig dem Interesse des Rechtsverkehrs an Klarheit der Zuordnung sowie öffentlichen Registerinteressen dienen. Für eine Analogie spricht, dass die gesellschaftsrechtlichen Formvorschriften des deutschen Rechts ebenfalls den genannten Zielen dienen.



Dagegen wird allerdings eingewendet, dass

Art. 11 Abs. 1 EGBGB

 eine Argumentation mit den Zwecken der Form des Geschäftsrechts prinzipiell nicht zulässt, da mit der Alternativität die Formwirksamkeit erleichtert werden soll und das Risiko, hierfür auf Zwecke der Form des Geschäftsrechts zu verzichten, bewusst eingegangen werde.

Art. 11 Abs. 4 EGBGB

 ist eine eher systemwidrige, traditionell bedingte Ausnahmevorschrift.



Auch wenn man dieser auch im Schrifttum vordringenden Ansicht folgt, kann freilich die Wahrung der Ortsform nur genügen, wenn das Ortsrecht für das Rechtsgeschäft (Gründung einer GmbH) eine Form bereithält. Unzweifelhaft ist das nur, wo der jeweiligen deutschen Gesellschaftsform, hier der GmbH, sehr ähnlich strukturierte Gesellschaftsformen vorgesehen sind.





3. Ortsform



77





Das schweizerische Recht als danach grundsätzlich zulässiges

Ortsformstatut

 kennt die Rechtsform der GmbH. Sie ist nach Art. 777 OR in öffentlicher Urkunde zu gründen (MAT a). Diese Form ist gewahrt.





4. Geschäftsform

a) Sitztheorie-Gründungstheorie



78





Folgt man der ersten Ansicht (sonst jedenfalls Hilfsgutachten, weil die Frage erheblich strittig ist), so wäre ausschließlich (sonst alternativ) auf die

Geschäftsform

 abzustellen.



79








Unstrittig hat jede juristische Person wie eine natürliche Person ein Personalstatut, das

Gesellschaftsstatut

. Diesem Statut unterstehen ua die hier maßgebliche Gründung und der Erwerb der Rechtsfähigkeit. Dieses Statut ist im EGBGB bisher nicht bestimmt. Entweder könnte das Gesellschaftsstatut dem Recht des Staates unterstellt werden, nach dessen Recht sie gegründet wurde (Gründungstheorie), oder dem Recht des Staates, in dem sie ihren effektiven Verwaltungssitz hat (Sitztheorie). Für die Gründungstheorie spricht die Vorhersehbarkeit der Rechtslage durch die Gründungsgesellschafter und Mobilitätsinteressen (Fortbestand bei Verlegung der Verwaltung), für die Sitztheorie der Schutz mit der Gesellschaft kontrahierender Dritter und der Minderheitsgesellschafter gegen eine Manipulation des Gesellschaftsstatuts. Die Gründungstheorie führt leicht zu einem Wettlauf um ein den Gründern möglichst vorteilhaftes und Dritten möglichst nachteiliges Gesellschaftsrecht, wie das Beispiel der USA, wo sie gilt, zeigt

(race to the bottom)

.






b) Einfluss der

Art. 49

,

54 AEUV



80





Die in Deutschland hM vertritt aus diesen Gründen die Sitztheorie. Insbesondere verstößt die Sitztheorie an sich nicht gegen die

Niederlassungsfreiheit

 gemäß

Art. 49

,

54 AEUV

 (vorher Art. 43, 48 EGV). Der EuGH hat zwar in einer Reihe von Entscheidungen (dazu Fragen 2–5) Konsequenzen der Sitztheorie bei Gesellschaften, die einem Mitgliedstaat angehören, als gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßend erkannt. Der EuGH hat jedoch dabei immer betont, dass jeder Mitgliedstaat nach seinem IPR entscheidet, welche Gesellschaften ihm angehören und damit erst Niederlassungsfreiheit in anderen Mitgliedstaaten genießen. Der BGH hält deshalb zutreffend an der Sitztheorie fest, soweit nicht

Art. 49

,

54 AEUV

 etwas anderes verlangen. Hier ergibt sich daraus noch kein Problem: Weise kann jedenfalls eine GmbH deutschen Rechts mit Verwaltungssitz in München gründen; Geschäftsstatut ist deutsches Recht als Gründungs- oder Verwaltungssitzrecht.






5. Substitution



81





Nach

§ 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG

 bedarf der Gesellschaftsvertrag der notariellen Form, womit notarielle Beurkundung gemeint ist. Fraglich ist, ob diese Form auch durch die Urkunde eines ausländischen Notars erfüllt werden kann. Dies ist eine Frage der

Substitution

 der fremden Urkundsperson anstelle eines deutschen Notars. Die Substitution setzt zweierlei voraus:






a) Substituierbarkeit



82





Die Formvorschrift des (deutschen) Geschäftsstatuts muss

einer Substitution zugänglich

 sein. Im Gegensatz zur Auflassung (

§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB

, Sicherung der Grundbuchrichtigkeit) scheitert eine Substitution nicht schon an überragenden öffentlichen Interessen (Grundbuchsicherheit). Gleichwohl könnte die Beurkundung nicht substituierbar sein, weil sie nicht nur Beweissicherung und/oder Übereilungsschutz gewährleisten soll, sondern auch der rechtlichen Prüfung der Urkunde und der Belehrung der Beteiligten dient (

§ 17 BeurkG

). Eine Belehrung über

deutsches

 Gesellschaftsrecht kann aber selbst ein juristisch gebildeter ausländischer Notar nicht bieten. Da jedoch die Belehrung nach deutschem Beurkundungsrecht eine zwar regelmäßig zu befolgende, bei Verletzung aber nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung führende Sollvorschrift ist, können die Beteiligten auf sie verzichten. Das tun sie stillschweigend, wenn sie einen ausländischen Notar aufsuchen, von dem sie Belehrung nicht erwarten können. Damit ist Substituierbarkeit nicht rundweg ausgeschlossen.






b) Substitution bei Gleichwertigkeit



83





Die

ausländische Beurkundung

 müsste zudem der deutschen

gleichwertig

 sein. Hierzu bedarf es der Gleichwertigkeit der Beurkundungsperson und des Beurkundungsvorgangs. Der Beurkundende muss juristisch vorgebildet sein und nach seiner Stellung im Rechtsleben, insbesondere seiner Vertrauenswürdigkeit, dem deutschen Notar entsprechen. Das Beurkundungsverfahren muss dem deutschen in wesentlichen Elementen (Prüfung, Belehrung, Identitätsfeststellung, Niederschrift, Verlesen, Genehmigung, Unterzeichnung) entsprechen. Dies ist hier gegeben (MAT b). Die Beurkundung des schweizer Notars erfüllt also die deutsche Geschäftsform.



Der Gesellschaftsvertrag war damit formwirksam geschlossen; insoweit bestand kein Eintragungshindernis.






6. Ein-Gesellschafter-GmbH



84





Die

Zulässigkeit einer Ein-Gesellschafter-GmbH

 unterliegt als materielle Voraussetzung der Gründung der Gesellschaft dem Gesellschaftsstatut, also deutschem Recht. Danach ist eine Ein-Gesellschafter-GmbH zulässig (

§ 1 GmbHG

).





Ergebnis:



85





Das Amtsgericht München hat bei der Eintragung keinen Fehler gemacht.





Frage 2: Zulässigkeit der Klage zum Amtsgericht Passau

(Variante London)

1. Parteifähigkeit der

Komm kaufen wir‘s! GmbH

a) Anknüpfung



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Die Klage könnte mangels

Parteifähigkeit

 der Beklagten unzulässig sein. Das für die Parteifähigkeit maßgebliche

Statut

 ist umstritten. Manche stellen auf die lex fori ab, da es sich um eine prozessuale Frage handele, gelangen aber vor deutschen Gerichten wegen der Anbindung an die Rechtsfähigkeit in

§ 50 Abs. 1 ZPO

 zu einer Verweisung in das Personalstatut. Andere wenden ohne Umweg über

§ 50 Abs. 1 ZPO

 den

Art. 7 Abs. 1 EGBGB

 analog an. Überwiegend wird eine prozessuale Kollisionsnorm angenommen, die in das prozessuale Heimatrecht des Betroffenen, also auf die dortigen Bestimmungen über die Parteifähigkeit, verweist. Schließlich wird auch die alternative Anknüpfung an die Parteifähigkeit oder die Rechtsfähigkeit nach dem Heimatrecht vertreten. Soweit es um die Parteifähigkeit einer Gesellschaft geht, ist Personalstatut das Gesellschaftsstatut; damit ist die Gesellschaft parteifähig, wenn sie nach ihrem Gesellschaftsstatut volle Rechtsfähigkeit, jedenfalls aber Parteifähigkeit genießt. Nach allen Ansichten ist zunächst das Heimatrecht, also das Gesellschaftsstatut der Beklagten, zu bestimmen.

 






b) Gesellschaftsstatut, Wandelbarkeit



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Das Gesellschaftsstatut ist wie das Personalstatut einer natürlichen Person (

Art. 7 Abs. 1 EGBGB

)

wandelbar

. Im Gegensatz zu natürlichen Personen gilt für juristische Personen jedoch nicht <a href="#ulink_b0efba82-ee28-5a