Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht

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5. Materielles ausländisches Recht
a) Anwendung und Auslegung

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Materielles ausländisches Recht wird wohl in jeder universitären Schwerpunktprüfung mitgeteilt; bei Masterstudiengängen kommt es darauf an, ob ggf materiellrechtliche Kenntnisse einer bestimmten ausländischen Rechtsordnung zum Curriculum gehören. Selbst wenn man für seine bevorstehende Prüfung danach von der Mitteilung ausländischer Normen ausgehen darf, lohnt sich das rechtsvergleichende Studium. Durchaus erwartet werden kann nämlich ein vernünftiges Verständnis einer mitgeteilten ausländischen Regelung, das nicht selten systematische und dogmatische Grundkenntnisse voraussetzt. Wer eine legítima als Pflichtteil behandelt, im französischen Sachenrecht das Abstraktionsprinzip sucht, das domicile für den ins Englische übersetzten Wohnsitz hält und die mailbox theory noch nie gegen die Zugangstheorie abgegrenzt hat, hat es sicher schwerer, grundlegende auslandsrechtliche Zusammenhänge zu erfassen. Die oft gestellte Frage, „wie viel und welche Rechtsvergleichung zu lernen“ sei, lässt sich schwer beantworten.

Sich hier ein Fundament von Kenntnissen zu schaffen, ist in systematischer Weise mit dem wegweisenden und leider nicht neu verlegten Werk von Zweigert/Kötz[1] möglich, gewiss auch mit Leitfäden oder dicken Lehrbüchern zur Rechtsvergleichung jüngeren Datums. Die Faszination ausländischen Rechts, dessen Studium in historischem und sozialem Kontext auch Verständnis der fremden Kultur fördert, entsteht freilich nur, wenn man es nicht bei der Methodenlehre der Rechtsvergleichung belässt, der sich manche Werke nach dem eher praktisch orientierten Geschmack des Verfassers etwas zu breit widmen: Die in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreich publizierten kleinen Lehrbücher zur Einführung in dieses und jenes Recht sind zwar nicht immer im methodischen Sinn Rechtsvergleichung, also Spiegelung des eigenen Rechtsverständnisses am fremden Recht; aber sie bieten beste Einstiege in die unbegrenzte spannende Welt der Verschiedenheit von Recht, Gesellschaft und Kultur. Vieles, was sich beim Nachschlagen der dort gefundenen Rechtsbegriffe (Sprachkenntnisse vorausgesetzt) bei Wikipedia findet – auch wenn diese Quelle nicht wissenschaftlich zitationsfähig ist – ist jedenfalls in den größeren Rechtsordnungen (USA, UK, Frankreich, Italien, Spanien) von durchaus ordentlicher Qualität. Überhaupt hat das Internet die rechtsvergleichenden Erkenntnisquellen revolutioniert und Studenten sollten sich in der Kunst der Quellen- und Entscheidungssuche üben. Nicht zuletzt die aus der gerichtlichen Praxis im Familien- bzw Erbrecht nicht wegzudenkenden Nachschlagewerke Bergmann/Ferid und Ferid/Firsching sollten jedenfalls bei der Falllösung im Seminar vertraut sein.

Schließlich sollten entsprechende Vorlesungen besucht werden, zumal wenn sie von muttersprachlichen Juristen aus der behandelten Rechtsordnung angeboten werden, auch wenn kein unmittelbarer Zwang dazu besteht. Es macht aber bei aller Breite dieses Studiums einen ganz besonderen Reiz der hier behandelten Fächer aus, dass man, ob im Studium oder später als Praktiker, immer wieder vor neuen Phänomenen steht.

b) Der deutsche ordre public

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Art. 6 EGBGB ist eine Bestimmung, die in Praxis und Prüfung § 242 und § 138 BGB ähnelt. In der Praxis eine wichtige Generalklausel, mit der unerträgliche Ergebnisse, hier solche, die uns eine ausländische Rechtsordnung beschert, abgewehrt werden. In der Prüfung sind beide Normen nicht selten Anreiz, im Kandidaten die Sehnsucht nach individueller Gerechtigkeit zu wecken. Prüfungskandidaten sollten sich hier bremsen. Art. 6 EGBGB kann natürlich in einem Prüfungsfall vorkommen; dann liegt aber das Augenmerk darauf, ob sorgsam Inlandsbezug, Fallbezug und Verstoß gegen elementare Grundsätze deutschen Rechts geprüft werden. Wortreich lebenserfahrene Ausführungen zur Unerträglichkeit ausländischen Rechts sind nicht erwartet, kosten Zeit und schaden nicht selten der Arbeit in den Augen des Prüfers, zumal wenn es sich um wohlfeile Phrasen eines politisch korrekten Grundkonsenses handelt. So schwer es manchem Prüfling fällt: Art. 6 EGBGB ist nicht dazu da, andere Rechtsordnungen zu belehren, wie gerecht das deutsche Rechtssystem ist.

6. Völkervertragliche und europarechtliche Instrumente
a) Sachlicher Anwendungsbereich

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Völkervertragliche und europarechtliche Instrumente des IPR und IZPR haben einen definierten sachlichen Anwendungsbereich, den man behandeln muss, sobald man positiv zu dem jeweiligen Instrument greift. Das Haager KSÜ gilt im Zuständigkeitsbereich für Schutzmaßnahmen über Kinder, also sind zunächst beide Begriffe zu behandeln; die Brüssel IIa-VO erfasst Ehescheidungen, -trennungen etc, also wird man schon an dieser Stelle die Frage behandeln, ob die Scheidung der Ehe zweier niederländischer Frauen unter die Verordnung fällt. Greift das Instrument für die zu lösende Frage nicht ein, so kann man sich alle weiteren Überlegungen, auch hilfsweiser Natur, ersparen. Kein Prüfer möchte Ausführungen zu den Vertragsstaaten eines Abkommens lesen, das schon in der Sache nicht anwendbar ist.

b) Zeitlicher Anwendungsbereich

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Nicht ebenso eindeutig lässt sich der Standort der Behandlung des zeitlichen Anwendungsbereichs festlegen, da die zeitliche Geltung mit der Vertrags- oder Mitgliedstaatseigenschaft eines Staates zu tun haben kann. Ist ein Übereinkommen loi uniforme, gilt also unabhängig von Gegenseitigkeit, dann kommt es nur auf die intertemporale Geltung in Deutschland an. Andererseits kann die Anwendbarkeit von räumlich-persönlichen Voraussetzungen abhängen, die sich mit der intertemporalen Frage mischen: Wenn Art. 5 Abs. 1 Brüssel Ia-VO die Anwendung vom Wohnsitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat abhängig macht, dann lässt sich bei Wohnsitz in einem Beitrittsstaat die zeitliche Anwendbarkeit erst beantworten, sobald man die Kriterien der räumlich-persönlichen Anwendbarkeit behandelt hat.

Geltung eines Rechtsinstruments, im Sinn der Anwendbarkeit im Fall, kann hierbei deutlich später eintreten als das Inkrafttreten. Vor allem EU-Instrumente des EuZPR und EuIPR treten meist erst einige Zeit nach der Veröffentlichung im ABl. EU in Geltung und verfügen in Schlussbestimmungen häufig über detaillierte intertemporale Regeln. Beim Übergang zu EU-Instrumenten wird es häufig sinnvoll sein, die intertemporale Anwendung vorab zu prüfen, wenn der sachliche Anwendungsbereich naheliegt, aber das neue EU-Instrument zeitlich noch nicht anwendbar ist (zB wird man derzeit nicht – auch nicht hilfsgutachtlich – in einem Erbfall die bereits existente, aber noch nicht anwendbare EU-ErbVO auf ihren potentiellen materiellen Anwendungsbereich hin untersuchen).

c) Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich

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Völker- und europarechtliche Rechtsinstrumente, die nicht loi uniforme sind, haben einen begrenzten räumlich-persönlichen Anwendungsbereich, der ebenfalls vor Anwendung des regelnden Teils des Instruments zu prüfen ist. Hier unterläuft nicht selten der Fehler, dass instinktive Ansichten zum Anwendungsbereich an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen des Instruments gesetzt werden. Wenn im Fall ein deutscher und ein polnischer Staatsangehöriger vorkommen, dann bedeutet dies, auch wenn Polen Vertragsstaat ist, selbstverständlich nicht, dass der Fall den zB vom UN-Kaufrecht geforderten Bezug zu einem anderen Vertragsstaat hat.

d) Verhältnis zu anderen Instrumenten

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Die völkervertraglichen, vor allem aber die in den letzten zwei Jahrzehnten in großer Zahl geschaffenen europarechtlichen Instrumente bringen es mit sich, dass in vielen Fällen mit Auslandsbezug mehrere materiell einschlägige Rechtsinstrumente existieren. Ob ein deutsches Gericht seine internationale Zuständigkeit für eine Sorgerechtsregelung nach Art. 1 KSÜ, 1 MSA, 9 ff Brüssel IIa-VO oder § 99 FamFG bestimmt, ist in der Prüfung nicht zuletzt ein Aufbauproblem. Hierbei empfiehlt es sich in der Reihenfolge Europarecht – Völkerrecht – Deutsches Recht vorzugehen. Europarechtliche Instrumente zur Zuständigkeit regeln in ihren Schlussartikeln nämlich ihr Verhältnis zu Völkerverträgen. Völkerverträge verdrängen in ihrem Anwendungsbereich das nationale IZPR. Gelangt man im Beispiel tatsächlich zu deutschem Verfahrensrecht, dann stellt sich für einen in dritter Instanz (Revision bzw Rechtsbeschwerde) noch anhängigen Fall – knapp 10 Jahre nach Inkrafttreten des FamFG nur noch selten – die Abgrenzung zwischen §§ 43, 35b FGG aF und § 99 FamFG als intertemporales Problem, das aus Sicht der jüngeren Norm zu beantworten ist.[2]

Anmerkungen

[1]

Einführung in die Rechtsvergleichung (3. Aufl., 1996).

[2]

In diesem Fall Art. 111 FGG-RG.

2. Teil Klausuren

Inhaltsverzeichnis

 

I. Namens- und Personenrecht

II. Familienrecht

III. Erbrecht

IV. Vertragliches Schuldrecht

V. Außervertragliches Schuldrecht

VI. Sachenrecht

2. Teil Klausuren › I. Namens- und Personenrecht

I. Namens- und Personenrecht

2. Teil Klausuren › I. Namens- und Personenrecht › Fall 1 Der vietnamesische Name

Fall 1 Der vietnamesische Name

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Die vietnamesische Staatsangehörige Hu Thi Ying und der vietnamesische Staatsangehörige Thieu Phan John haben sich 1980 in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) kennengelernt. Da John in der ehemaligen Republik Vietnam (Süd-Vietnam) einer pro-amerikanischen Partei angehört hatte und nach dem Sieg der Viet Kong in der Volksrepublik Vietnam deshalb Verfolgungen ausgesetzt war, floh das Paar 1980 auf einem Fischkutter in das Südchinesische Meer. Dort wurden sie mit anderen Flüchtlingen von einem italienischen Handelsschiff aufgegriffen und gelangten nach Italien, wo sie um Asyl nachsuchten.

Auf ihren Antrag wurde Ying am 10.11.1981 aus der vietnamesischen Staatsangehörigkeit entlassen. Am 20.12.1981 schlossen Ying und John vor dem Personenstandsbeamten der Stadt Bologna die Ehe.

Aufgrund von Absprachen zwischen Italien und Deutschland über die Aufnahme von Flüchtlingen wurde den Ehegatten eine Aufnahme in Deutschland angeboten; hier leben sie seit Oktober 1982.

Da der Untergang der kommunistischen Herrschaften in Osteuropa auch einen allmählichen Liberalisierungsprozess in Vietnam zur Folge hatte, bemühte sich John seit 1990 um Kontakte zu in Deutschland lebenden Vietnamesen. Im Jahr 1993 ließ er sich schließlich durch das vietnamesische Generalkonsulat in Bonn wieder einen vietnamesischen Pass ausstellen.

Am 25.2.1996 wurde in Frankfurt/Main der gemeinsame Sohn Frank geboren. Aus diesem Anlass wurde beim Standesamt Frankfurt/Main ein Familienbuch angelegt. Der notariell beglaubigte Antrag der Ehegatten vom 27.2.1996 enthielt die Erklärung: „Wir bestimmen als Ehenamen gemäß § 1355 Abs. 1 S. 1 BGB den Namen des Ehemannes „Thieu“. Die Eintragung im Familienbuch erfolgte entsprechend.

1998 erwarb Ying auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.

Am 4.12.2017 wurde die Ehe von John und Ying durch das Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt/Main geschieden. Ying beantragt beim Standesamt Frankfurt/Main am 2.1.2018, die ihrer Ansicht nach falsche Eintragung ihres Familiennamens im Familienbuch zu ändern. Außerdem erklärt sie am selben Tag in notariell beglaubigter Urkunde gegenüber dem Standesamt: „Ich nehme meinen vor der Ehe geführten Namen Hu wieder an und erkläre gemäß Art. 47 EGBGB die Umwandelung meines Vornamens Ying in „Yvonne“ und die Umwandelung meines Nachnamens Hu in „Huber“.


1. Ist der Antrag der Ying beim Standesbeamten erfolgreich?
2. Trifft die im Familienbuch eingetragene Namensführung zu?
3. Welchen Familien- und Vornamen führt Ying nunmehr?
4. Nach welchem Recht beurteilt sich der Familienname von Frank? Ist eine Rechtswahl zu deutschem Recht möglich?

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Materialien

I. Intertemporale Hinweise zum deutschen Recht

a) Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des IPR v. 25.7.1986 geltendes IPR

Für den Namen existierte keine gesetzliche Kollisionsnorm. Grundsätzlich wurde bereits angeknüpft wie nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB geltender Fassung. Hinsichtlich des Erwerbs eines gemeinsamen Ehenamens war jedoch nach Wahl der Ehegatten das Ehewirkungsstatut anzuwenden.

Art. 14 Abs. 1 EGBGB in der bis 31.8.1986 geltenden Fassung

(1) Die persönlichen Rechtsbeziehungen deutscher Ehegatten zueinander werden nach den deutschen Gesetzen beurteilt, auch wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz im Auslande haben.

(2) Die deutschen Gesetze finden auch Anwendung, wenn der Mann die Reichsangehörigkeit verloren, die Frau sie aber behalten hat.

b) Sonstige intertemporale Geltung von Kollisionsnormen

Art. 10 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB gelten in der gegenwärtig geltenden Fassung seit Inkrafttreten des FamNamRG am 1.1.1994.

Art. 10 Abs. 3 EGBGB gilt in der gegenwärtigen Fassung erst seit Inkrafttreten des KindRG am 1.7.1998. Vorher konnte das Namensstatut eines „ehelichen“ Kindes nur gewählt werden, wenn kein Elternteil Deutscher war und die Wahl vor der Beurkundung der Geburt erfolgte (Art. 10 Abs. 5 aF EGBGB).

c)

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass weitere relevante kollisionsrechtliche Fragen vor Inkrafttreten der neuen Art. 3 ff EGBGB inhaltlich ebenso geregelt waren wie im geltenden Recht.

II. Italienisches IPR vor Inkrafttreten des IPRG 1995[1]

d)

Die italienische Rechtsprechung unterstellte bis zum Inkrafttreten der Kollisionsnormen im italienischen IPR-Gesetz von 1995 am 1.9.1995 den Namen einer Person – auch den Namenserwerb aufgrund familienrechtlicher Vorgänge – dem Recht des Staates, dem die Person angehört.

e) Art. 17 Abs. 1 disposizioni sulla legge in generale (disp.s.l.in gen.) (codice civile – Bestimmungen über das Recht im Allgemeinen)

Der Personenstand, die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Personen und die Rechtsverhältnisse der Familie werden vom Recht des Staates geregelt, dem diese angehören.

f) Art. 26 disp.s.l.in gen.

(I) Die Form der Rechtsgeschäfte unter Lebenden und der letztwilligen Verfügungen wird vom Recht des Ortes geregelt, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wurde, oder von dem Recht, das den Inhalt des Rechtsgeschäfts regelt, oder vom Heimatrecht des Verfügenden oder der Vertragschließenden, soweit es ihnen gemeinsam ist.

(II) Die Formen der Öffentlichkeit von Rechtsgeschäften, die auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung von Rechten an Sachen gerichtet sind, werden vom Recht des Ortes geregelt, an dem sich die Sachen befinden.

[Hinweis: Art. 26 fand auch auf die Eheschließungsform Anwendung.]

g) Art. 29 disp.s.l.in gen.

Besitzt eine Person keine Staatsangehörigkeit, so ist in allen Fällen, in denen nach den vorstehenden Bestimmungen das Heimatrecht maßgebend wäre, das Recht des Residenzortes anzuwenden.

III. Italienisches materielles Recht[2]

h) Art. 106 codice civile (cc)

Die Ehe muss öffentlich im Rathaus vor dem Zivilstandsbeamten, bei dem das Aufgebot bestellt worden ist, geschlossen werden.

i) Art. 143 bis cc

Die verheiratete Frau fügt ihrem eigenen Familiennamen den des Mannes hinzu und behält ihn auch als Witwe bis zur Wiederverheiratung.

[Hinweis: Diese Bestimmung wird so verstanden, dass die Frau diese Namensführung wählen kann, aber nicht wählen muss.]

k)

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass weitere relevante Bestimmungen des italienischen Rechts inhaltlich deutschem Recht entsprechen.

IV. Vietnamesisches Staatsangehörigkeitsrecht[3]

l) Gesetz über die Staatsbürgerschaft der sozialistischen Republik Vietnam vom 28.6.1988

(In Kraft bis 31.12.1998)

Art. 6

(1) Ein Kind, dessen Eltern beide vietnamesische Staatsbürger sind, erwirbt die vietnamesische Staatsbürgerschaft unabhängig davon, ob es innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebietes der Sozialistischen Republik Vietnam geboren ist.

(2) Ist ein Elternteil vietnamesischer Staatsbürger und der andere eine staatenlose Person oder unbekannt, erwirbt das Kind die vietnamesische Staatsbürgerschaft unabhängig davon, ob es innerhalb des Hoheitsgebietes der Sozialistischen Republik Vietnam geboren ist.

V. Vietnamesisches IPR

m)

Das vietnamesische IPR enthält keine ausdrückliche namensrechtliche Kollisionsnorm. Es folgt jedoch für personenstands- und namensrechtliche Fragen dem Staatsangehörigkeitsprinzip. Besitzt ein Anknüpfungssubjekt neben der vietnamesischen Staatsangehörigkeit auch eine andere, so geht die vietnamesische Staatsangehörigkeit vor.

VI. Vietnamesisches materielles Recht

n)

Der Name einer Person besteht regelmäßig aus drei Teilen: dem Familiennamen, gefolgt von einem Mittelnamen (für Männer Phan [gesprochen „van“]; für Frauen Thi), gefolgt von einem die Person individuell bezeichnenden Rufnamen. Der geschlechtsspezifische Mittelname wird in der Praxis auch gelegentlich weggelassen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Bearbeiter die namensrechtlichen Bestimmungen des vietnamesischen Rechts bisher nicht ermitteln konnte.

Anmerkungen

[1]

RabelsZ 15 (1949) 116 ff.

[2]

Gesetzestexte und Rechtsinformationen zum italienischen Recht finden sich auf der Web-Seite www.altalex.com; deutscher Text: Patti Italienisches Zivilgesetzbuch (3. Aufl, 2019); kompakte Kommentierung des cc: Cian/Trabucchi Commentario Breve al Codice Civile (13. Aufl, 2018).

[3]

Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/Ebert/Wohlgemuth Vietnam (Stand 1991).

Strukturierung des Falles

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Wesentliche Themen: Intertemporales Recht, Personalstatut Staatenloser, Personalstatut Flüchtlinge, Namensstatut, Ehenamensstatut und dessen Wahl, Kindesnamensstatut und dessen Wahl, Vorfragen im Namensstatut, Namensbestimmung nach Art. 47 EGBGB.

Frage 1: Antrag der Ying

1.Zuständigkeit

–Führung des Personenstandsregisters (§ 3 PStG)

–Fortführung Familienbuch nach 1.1.2009 (§ 77 Abs. 2 PStG)

 

2.Änderung des Eintrags § 46 PStG (–)

3.Berichtigung des Eintrags § 47 PStG (–)

4.Berichtigungen auf Anordnung des Gerichts (§ 48 PStG) (+)

–Zuständigkeit § 50 PStG

Ergebnis:Ying muss Antrag nach § 48 PStG beim AG Frankfurt/Main stellen.

Frage 2: Namensführung in der Ehe Ying – John

I.Erwerb eines Ehenamens bei Eheschließung

1.Deutsches IPR

a)Art. 220 Abs. 1 EGBGB

–Intertemporal (1.9.1986, IPR-Neuregelung): Art. 220 Abs. 1 EGBGB (+)

b)Anknüpfung Heimatrecht

–Anknüpfung an individuelles Heimatrecht

–Gemeinsame Namensführung: Kumulation

–oder Ehewirkungsstatut

c)Alternativ: Ehewirkungsstatut

–Ehewirkungsstatut Art. 14 aF EGBGB, Verallseitigung: gemeinsames Personalstatut

d)Staatsangehörigkeit jedes Ehegatten

–Staatsangehörigkeit/Personalstatut jedes Ehegatten

–John Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention (+): ital Recht

–Ying Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention (-), kein abgeleiteter Flüchtlingsstatus

–Ying staatenlos durch Entlassung: ital Recht (Art. 5 Abs. 2 EGBGB)

e)Ehewirkungsstatut

–Ehewirkungsstatut: ital Recht

f)Gesamtverweisung

–Gesamtverweisung (Art. 27 aF EGBGB, vgl Art. 4 Abs. 1 EGBGB)

2.Italienisches IPR

a)Intertemporal: Inkrafttreten IPRG 1995

–Intertemporal (1.9.1995, IPRG von 1995): Art. 72 IPRG

b)Namensstatut John

–Namensstatut John: Personalstatut

–Italien Mitglied Genfer Flüchtlingskonvention: ital Recht

c)Namensstatut Ying

–Namensstatut Ying: Art. 29 disp.s.l.in gen., Wohnsitz: ital Recht

d)Ehewirkungsstatut

–Ehewirkungsstatut: Art. 17 disp.s.l.in gen., gemeinsames Personalstatut: ital Recht.

3.Materielles italienisches Recht

a)Ehename

–Art. 143-bis cc: Ehename (-), Begleitname (+)

b)Deutscher ordre public

–Deutscher ordre public (Art. 30 aF EGBGB wie Art. 6 EGBGB): (-)

–Benachteiligung Ehemann nicht in concreto

–Kein Inlandsbezug bei Eheschließung

c)Vorfrage: Wirksame Ehe

–Ausnahmsweise unselbstständige Anknüpfung im Namensrecht

–Ital IPR: materielle Voraussetzungen der Eheschließung Art. 17 disp.s.l.in gen.(+)

–Ital IPR: formelle Voraussetzungen: Art. 26 disp.s.l.in gen., Ortsform genügt (+)

d)Name der Ying

Ergebnis:Name der Ying nach italienischem Recht ist „Hu“ oder „Hu in Thieu“, nicht aber „Thieu“

II.Erwerb eines Ehenamens durch Namenswahl

1.Ehenamensstatut

a)Wandelbares Ehenamensstatut

–Ehenamensstatut Art. 10 Abs. 1 EGBGB: individuelles Personalstatut

–Ying Staatenlose mit deutschem Personalstatut

–John Verlust des Status nach Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention

–Art. 1 Abschnitt C Nr 1 Genfer Flüchtlingskonvention: Antrag auf Erteilung eines Reisepasses (+)

Gesamtverweisung in vietnamesisches Recht (Art. 4 Abs. 1 EGBGB)

vietnamesisches Recht nimmt an

–Namenswahl in Kumulation deutschen und vietnamesischen Rechts fraglich

b)Art. 10 Abs. 2 EGBGB

–Deutsches Ehenamensstatut Art. 10 Abs. 2 EGBGB

–Art. 10 Abs. 2 EGBGB, in Kraft seit 1.4.1994, intertemporal anwendbar

–Tatbestand Art. 10 Abs. 2 Nr 1 oder Nr 2 EGBGB: beides (+)

–Form des Art. 10 Abs. 2 S. 2 EGBGB: § 129 BGB (+)

–Wahl eines deutschen Ehenamensstatuts also wirksam

2.Materiellrechtliche Ehenamenswahl

a)Vorfrage der Ehe

–Selbstständige oder unselbstständige Anknüpfung bei deutschem Namensstatut einerlei

–Materielle Wirksamkeit: Kumulativ beide Heimatrechte (Art. 13 Abs. 1 EGBGB)

–Form: Bei Eheschließung im Ausland genügt Ortsform, Art. 11 EGBGB

b)Materielle Ehenamensbestimmung

–Geburtsname des Ehemannes „Thieu“ wählbar (§ 1355 Abs. 2 BGB) (+)

–auch nach der Eheschließung (§ 1355 Abs. 3 S. 2 BGB, Art. 10 Abs. 2 S. 2 EGBGB) (+)

–Form des § 1355 Abs. 3 S. 2 BGB geht in der Form des Art. 10 Abs. 2 S. 2 EGBGB auf (+).

Ergebnis:Die im Familienbuch eingetragene Namensführung „Thieu“ trifft zu.

Frage 3: Namensführung der Ying

1.Wiederannahme des Geburtsnamens

a)Anknüpfung

–Aktuelles Namensstatut: Ying deutsche Staatsangehörige (Art. 10 Abs. 1 EGBGB)

b)Formstatut

–Form nicht speziell in Art. 10 Abs. 1 EGBGB, also Art. 11 Abs. 1 EGBGB

c)§ 1355 BGB

–also § 1355 Abs. 5 S. 2 BGB: Ying kann Geburtsname „Hu“ wieder annehmen

Form: Deutsches Recht als Geschäftsstatut (§ 1355 Abs. 5 S. 2, Abs. 4 S. 5 BGB) (+)

2.Anpassung des Namens nach Erwerb eines deutschen Namensstatuts

a)Anwendbarkeit Art. 47 EGBGB Recht zur Namensanpassung: Art. 47 EGBGB

b)Anpassung nach Art. 47 EGBGB

–ausländisches Namensstatut, Erwerb deutschen Namensstatuts (+), Art. 47 EGBGB somit anwendbar

–Art. 47 Abs. 1 S. 1 Nr 1, 2, 4 EGBGB: Keine Änderung der Namensbestandteile (-)

–Art. 47 Abs. 1 S. 1 Nr 3 EGBGB: Ablegen Zwischenname „Thi“

–Art. 47 Abs. 1 S. 1 Nr 5 Hs. 1 EGBGB: Keine deutschsprachigen Namensformen (-)

–Art. 47 Abs. 1 S. 1 Nr 5 Hs. 2 EGBGB: Nur Annahme eines neuen Vornamens (insoweit +)

Ergebnis:Ying heißt nunmehr Yvonne Hu.

Frage 4: Namensstatut des Frank

1.Namensstatut

–Staatsangehörigkeit (Art. 10 Abs. 1 EGBGB)

a)§ 4 Abs. 3 StAG

–Deutsche Staatsangehörigkeit von Geburt § 4 Abs. 3 StAG: erst seit 1.1.2000 (-)

b)Art. 12 GFK

–Abgeleiteter Flüchtlingsstatus: Vater John hatte Flüchtlingsstatus verloren (-)

c)Kein abgeleitetes Personalstatut bei Staatenlosigkeit

–Deutsches Personalstatut bei Staatenlosigkeit: nur originär, nicht abgeleitet (-)

d)Vietnamesische Staatsangehörigkeit

–Vietnamesische Staatsangehörigkeit: Art. 6 Abs. 2 vietnamesisches Staatsbürgerschaftsgesetz (+)

2.Einfluss des Ehenamensstatuts

–Wahl des Ehenamensstatuts durch Eltern: keine Erstreckung auf Kind

3.Wahl des Kindesnamensstatuts

a)Art. 10 Abs. 3 EGBGB intertemporal anwendbar

–Wahl deutschen Rechts nach Art. 10 Abs. 3 Nr 1, Nr 2 EGBGB

–Art. 10 Abs. 3 EGBGB intertemporal anwendbar

–Art. 224 § 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB (-)

–Sinn und Zweck gemessen an Art. 10 Abs. 5 aF EGBGB (+)

b)§ 1617c Abs. 1 BGB analog

–§ 1617c BGB analog (+)

Ergebnis:Der Sorgeberechtigte kann für Frank deutsches Recht als Namensstatut wählen.